LG Berlin – Az.: 29 S 8/10 – Urteil vom 23.02.2011
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 4.3.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Berlin Tempelhof-Kreuzberg – 8 C 158/09 – aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 4.3.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird.
Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor: Das Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar, da kein richterlicher Hinweis zur Auffassung des Beklagten über die Zurverfügungstellung des Mietgebrauchs durch die Klägerin erfolgt sei. Überraschend habe das Gericht die Aufrechnung mit der Mietkaution nicht durchgreifen lassen. Dem Beklagten habe jedenfalls das bereits mit Anlage B 3 (Schreiben vom 6.2.2009) vorgetragene Zurückbehaltungsrecht an der laufenden Miete bis zum Nachweis der ordnungsgemäßen Anlage der Mietsicherheit zugestanden.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 4.3.2010 – 8 C 158/09 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Der Kautionsrückzahlungsanspruch sei mangels Rückgabe der Mietsache an die Klägerin als Vertragspartnerin nicht fällig. Auch rügt sie die Verspätung des Vortrags, der Nachweis der ordnungsgemäßen Anlage der Kaution sei nicht vorgelegt worden.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Auf die Berufung des Beklagten war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Mietzins in Höhe von 2.830,00 € gemäß § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Mietvertrag vom 1.11.2005 für die Monate Februar und März 2009. Der Anspruch ist durch Aufrechnung mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution erloschen, § 389 BGB.
1.
Der Beklagte schuldete den Mietzins im Februar und März 2009 gegenüber seinem Vertragspartner, der Klägerin.
Das Amtsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Untermietverhältnis für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 6.2.2009 beendet wurde. Ein wichtiger Grund gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB lag im Zeitpunkt der Kündigung nicht vor. Dem Mieter war der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache zu diesem Zeitpunkt nicht entzogen. Es bestand lediglich ein vorläufig vollstreckbarer Räumungstitel des Eigentümers gegen die Klägerin, nicht jedoch gegen den Beklagten. Eine Gebrauchsentziehung liegt darin nicht. Dazu muss der Dritte sein Recht so geltend machen, dass der Gebrauch der Mietsache durch den Mieter beeinträchtigt ist (BGH NJW 2008, 2271; Palandt – Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., 2011, § 536 BGB, Rdn. 29). Eine zu einem Rechtsmangel führende Beeinträchtigung der Gebrauchsgewährung liegt bei der Vermietung von Räumen zwar schon dann vor, wenn der Dritte gegen den Mieter einen ihm zustehenden Herausgabeanspruch geltend macht und Räumung verlangt (BGHZ 63, 132 (137); NJW 1975, 44; NJW 1996, 46). Daran fehlt es hier zum Zeitpunkt der Kündigung vom 6.2.2009. Der Eigentümer hatte dem Beklagten vielmehr mit Schreiben vom 15.1.2009 den Räumungstitel zur Information übersandt und einen neuen Mietvertrag angeboten. Auch fehlt es an einer entsprechenden Abhilfefrist und Abmahnung der Klägerin, § 543 Abs. 3 BGB. Die tatsächliche Besitzentziehung erfolgte erst im März 2009 durch Austausch der Schlösser durch den Gerichtsvollzieher.
Ebenfalls zutreffend ist das Amtsgericht von einem Anspruch auf Miete für den vollen Monat März 2009 ausgegangen. Die Klägerin hat diesen Anspruch unabhängig davon, an welchen Tag des März der Gerichtsvollzieher im Auftrag des Eigentümers und ohne Kenntnis der Klägerin das Schloss auswechselte und dem Beklagten die Räume weiterhin zur Nutzung zur Verfügung stellte. Denn die Entziehung des mittelbaren Besitzes erfolgte hier nicht durch den Vermieter, sondern durch den Eigentümer. Damit hatte der Beklagte zunächst die Verpflichtung, die Besitzentziehung der Klägerin gegenüber anzuzeigen und ggf. Wiedereinräumung zu verlangen.
2.
Der Beklagte hatte ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) hinsichtlich der streitgegenständlichen Mieten wegen fehlenden Nachweises der ordnungsgemäßen Anlage der in bar übergebenen Kaution in Höhe von 3.750 €.
Der Vermieter von Gewerberäumen ist auch bei Fehlen einer entsprechenden Regelung im Mietvertrag verpflichtet, eine Barkaution getrennt von seinem übrigen Vermögen anzulegen. Kommt der Vermieter dieser Verpflichtung nicht nach, so kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen (OLG Nürnberg MDR 2006, 1100 f.).
Dieses Zurückbehaltungsrecht wurde nochmals mit Schreiben vom 6.2.2009 geltend gemacht. Der entsprechende Vortrag erfolgte bereits erstinstanzlich durch Bezugnahme und Einreichung des Schreibens als Anlage B 3 (mit Schriftsatz vom 18.9.2009, Bl. 30 f. d.A.) und ist daher nicht verspätet. Selbst wenn es sich dabei um ein neues Verteidigungsmittel handelte, ist dieses jedenfalls nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mangels Hinweises nach § 139 ZPO zuzulassen (vgl. Zöller – Heßler, ZPO, 27. Aufl., 2009, § 531 Rdn. 29).
Angesichts des zuvor ausgeübten Zurückbehaltungsrechts war der Beklagte mit den streitgegenständlichen Mieten nicht in Verzug, so dass kein Anspruch auf Zinsen besteht. Das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten endet jedoch jedenfalls mit Ende des Mietvertrages, hier spätestens mit dem Ende der Mietzeit gemäß § 2 Nr. 2 des Mietvertrages (15.7.2009).
3.
Der Anspruch der Klägerin auf Mietzins ist durch Aufrechnung mit einem Teilbetrag der Kaution in Höhe von 2.830,00 € erloschen, § 389 BGB.
Der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution ist fällig. Er ist durch das Ende des Mietvertrages und die Rückgabe der Mietsache aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB; BGH Z 84, 345). Beide Bedingungen liegen hier vor.
Eine Rückgabe der Mietsache ist im März 2009 erfolgt. Durch die Rückgabe der Mietsache an den Eigentümer hat der Beklagte seine Verpflichtung zur Rückgabe der Mietsache auch gegenüber der Klägerin als Untervermieterin erfüllt. Der Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB tritt neben den des Hauptmieters aus § 546 Abs. 1 BGB. Für diese Ansprüche gilt § 428 BGB, so dass der Untermieter durch die Leistung an einen von beiden befreit wird (Palandt – Weidenkaff, a.a.O., § 546 BGB, Rdn. 21). Hauptmieter und Dritter sind dem Hauptvermieter gegenüber Gesamtschuldner, § 431 BGB (allgemeine Meinung, OLG München NJW-RR 1989, 524; Münchener Kommentar zum BGB – Bieber, BGB, 5. Auflage 2008, § 546 Rn 23). Durch eine Herausgabe der Sache an den Hauptvermieter wird der Untermieter auch gegenüber dem Untervermieter befreit (BGH NJW 1996, 46 ff., zitiert nach juris, Rdn. 12; Blank/Börstinghaus – Blank, Miete, 3. Auflage 2008, § 546 BGB, Rdn. 55). Gelingt es dem Untermieter später, mit dem Vermieter einen neuen Mietvertrag abzuschließen, so erlischt seine Rückgabeverpflichtung sowohl gegenüber dem Vermieter als auch gegenüber dem Hauptmieter (OLG Celle NJW 1953, 1474; Blank/Börstinghaus – Blank, a.a.O., Rdn. 55).
Etwaige Abrechnungsfristen des Vermieters sind zwischenzeitlich abgelaufen. Der Kautionsrückzahlungsanspruch ist fällig. Es ist auch nicht ersichtlich, dass weitere Ansprüche der Klägerin als Vermieterin bestehen, für die die Kaution haftet (vgl. hierzu BGH Z 141, 160, 162).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten waren insgesamt gegeneinander aufzuheben, da die Klägerin mit ihrer streitigen Klageforderung wegen der Hilfsaufrechnung mit einer Gegenforderung ganz abgewiesen wurde (OLG Köln MDR 1982, 941).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.