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Gewichtsabnahmetherapie – auch wenn Therapie nicht funktioniert muss gezahlt werden

AG Frankfurt – Az.: 31 C 2664/18 (23) – Urteil vom 22.03.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 700,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.09.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 76 % und die Klägerin zu 24 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche anlässlich einer Therapie zur Gewichtsabnahme.

Die Beklagte schloss mit der Klägerin am 13.09.2016 einen Vertrag über eine vier-wöchige Abnahmetherapie zum Preis von EUR 1.390,00, die am ersten Behandlungstag zu entrichten waren (Anlage K 1, Bl. 13 d. A.). Bei Beginn der Behandlung am 14.09.2016 leistete die Beklagte eine Anzahlung in Höhe von EUR 690,00. Eine in Aussicht gestellte Restzahlung erfolgte nicht. Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 12.10.2019 mit sofortiger Wirkung (Anlage B 2, Bl. 30 d. A.). Auf den Inhalt des Kündigungsschreibens wird Bezug genommen.

Die Restzahlung ist trotz Mahnung durch die Klägerin ausgeblieben. Die Klägerin beauftragte zunächst die Inkasso Consulting Stumpf e. K. mit der Beitreibung der Forderung, die unter anderem mit Schreiben vom 17.05.2017, 02.06.2017 und 19.06.2017 tätig geworden ist (Anlagen K 2 bis K 4, Bl. 14-16 d. A.). Die Beklagte lehnte eine Zahlung wiederholt ab (Anlagen B 27, Bl. 30-37 d. A.). Zuletzt ließ die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.06.2018 (Anlage K 5, Bl. 17 f. d. A.) unter Fristsetzung bis zum 06.07.2018 auffordern. Auf Antrag der Klägerin ist per 03.08.2018 ein Mahnbescheid über EUR 926,64 gegen die Beklagte erlassen worden, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 4 d. A.).

Die Klägerin beantragt zuletzt unter Rücknahme im Übrigen, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Euro 700,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit 13.9.2016 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 124,00 zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins darauf seit 6.7.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, nach Einnahme der homöopathischen Mittel habe sich ihr Gesundheitszustand erheblich verschlechtert, es sei ein Blutdruckanstieg von 130/80 auf 170/105 zu verzeichnen gewesen. Der Blutdruck habe sich nach dem Abbruch der Therapie normalisiert. Die Beklagte behauptet weiterhin, nicht über die Zusammensetzung der Präparate bzw. möglichen (Neben-)Wirkungen aufgeklärt worden zu sein. Es bestehe schließlich der Verdacht, dass das verabreichte Präparat Schwangerschaftshormone enthalten habe. Die Beklagte ist der Ansicht, es läge ein Behandlungsvertrag im Sinne von § 630a BGB vor. Sie macht den Einwand der Schlechterfüllung geltend. Der Vertrag sei zudem wegen sittenwidrigen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nichtig. Sie erklärt hilfsweise/vorsorglich die Anfechtung der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Gewichtsabnahmetherapie – auch wenn Therapie nicht funktioniert muss gezahlt werden
(Symbolfoto: Von kurhan/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin kann aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung Zahlung der weiteren EUR 700,00 verlangen.

Unstreitig haben die Parteien einen Vertrag über die Behandlung Therapie zur Gewichtsabnahme geschlossen.

Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht um einen Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB. Ein solcher setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes eine medizinische Behandlung voraus. Der Begriff der medizinischen Behandlung ist gesetzlich nicht definiert. Hierzu gehören neben diagnostischen Maßnahmen alle Eingriffe und therapeutische Maßnahmen am Körper oder Gesundheit eines Menschen, um Krankheit, Leiden, körperliche Schäden und Beschwerden einschließlich nicht krankhafter seelischer Störung zu erkennen, zu heilen oder zu lindern bezwecken (vgl. Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl. 2018, Vorb zu § 630a Rn. 2).

Dem entspricht die hier streitgegenständliche Erbringung nicht individualisierter standardmäßiger Anwendungen nicht. Weder erfordert die abstrakte Feststellung von Übergewicht an sich einer gesonderten fachlichen Ausbildung oder Qualifikation. Noch ist vorliegend ersichtlich, dass eine aufgrund von einem individuellen Beschwerde- oder Leidensbild (etwa einer krankhaften Adipositas-Störung) der Beklagten getragenen Anlass eine individuelle heilkundliche oder ernährungsberatende Behandlung angewendet worden sein sollte (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Häberle, 222. EL Dezember 2018, HeilPraktG § 1 Rn. 13). Vielmehr liegen hier typisierte Anwendungen ohne Individualbezug vor. Unter Berücksichtigung dessen stellt sich das streitgegenständliche Vertragsverhältnis im Schwerpunkt als Dienstleistungsvertrag nach § 611 BGB dar.

Dieser Dienstleistungsvertrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig.

Dabei kann es dahinstehen, ob – wie die Beklagtenseite hier geltend macht – ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gegeben ist, weil nach Berechnung der Beklagten ein Stundensatz von EUR 70,00 vereinbart worden sei.

Denn die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB setzt jedenfalls auch voraus, dass in subjektiver Hinsicht der Wucherer (hier: die Klägerin) eines der dort genannten Defizite, also eine Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwächen oder Ausbeutung bei seinem Vertragspartner ausbeutet. Eine demgemäß erforderliche verwerfliche Gesinnung der Klägerin (bzw. eines ihr zuzurechnenden Mitarbeiter) ist indes weder vorgetragen noch sonst aus dem Umständen ersichtlich.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen schuldet die Beklagte – pacta sunt servanda – das vereinbarte Entgelt.

Soweit die Beklagte hiergegen Schlechtleistung einwendet, folgt hieraus nichts anderes. Denn die damit begehrte Rechtsfolge (Herabsetzung der Vergütung) sieht das Gesetz für Dienstleistungsverträge (anders als im Kaufrecht) gerade nicht vor. Die erforderliche Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche (§§ 280, 241 BGB), denen es bislang jedenfalls an der Darlegung eines konkreten Schadens fehlt, hat sich die Beklagte lediglich vorbehalten.

Soweit die Beklagte sich schließlich im Wege der Eventualanfechtung nach § 123 BGB zu verteidigen sucht, folgt auch daraus nichts anderes.

Die vorliegend erfolgte Eventualanfechtung ist – obschon grundsätzlich bedingungsfeindlich – vorliegend zulässig. Denn es liegt keine Bedingung im Rechtssinn vor. Streiten die Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts, will aber die eine Partei an den Vertrag nicht gebunden sein, wenn er in ihrem Sinne ausgelegt wird, und ficht sie anderenfalls das Rechtsgeschäft vorsorglich an, so ist die Anfechtungserklärung nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Vielmehr soll die (unbedingte) Anfechtungserklärung nur für den Fall gelten, dass die Auslegung in einem der Auffassung des Anfechtenden widersprechenden Sinne erfolge. Für diesen Fall will der Anfechtende an den Vertrag nicht gebunden sein. Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich dann aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung (vgl. etwa Staudinger/Co/ng, BGB, 11. Aufl., § 143 Anm. 2; Soergel/Hefermehl, BGB, 10. Aufl., § 143 Bem. 3).

Indes ist zum einen eine Anfechtung eines Dienstvertrages nur mit Wirkung ex nunc möglich, sofern der Dienstverpflichtete seine Tätigkeit – wie hier – bereits aufgenommen bzw. erbracht hat, da die Rückgewähr der geleisteten Dienste nicht möglich ist.

Zum anderen setzt eine erfolgreiche Anfechtung wegen arglistiger Täuschung neben einer objektiven Täuschungshandlung im Sinne einer Erregung, Verstärkung oder Unterhaltung eines Irrtums, der für die Willenserklärung des Getäuschten kausal werden muss, in subjektiver Hinsicht eine Arglist des Täuschenden – bzw. eines Dritten im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB – voraus. Arglist liegt vor bei bewusst unwahren Angaben oder Verschweigen von Tatsachen, aber auch bei Angaben „ins Blaue hinein“, bei denen der Täuschende damit rechnet, dass sie falsch sein können. Die Beklagte hat indes nichts vorgetragen, was die konkrete Annahme eines solchen der Klägerin zurechenbaren Verhaltens rechtfertigen würde.

Die Zinsforderung folgt aus § 280, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB. Zinsen waren indes ab dem ersten Behandlungstag (14.09.2016) geschuldet. Insoweit war die Klage teilweise abzuweisen.

Im Übrigen war die Klage hinsichtlich der nach Teilrücknahme noch verfolgten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abzuweisen.

Ein Anspruch auf Ersatz dieser vorgerichtlichen Kosten steht der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des Verzugs nicht zu. Denn nach einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung der Beklagten, wie sie diese in Reaktion auf die diversen Schreiben des vorbefassten I. C. S. e. K. unmissverständliche zum Ausdruck gebracht hat, ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit einem außergerichtlichen Tätigwerden nicht zweckmäßig und verstößt gegen die der Klägerin obliegende Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und entspricht – unter Berücksichtigung der Teilrücknahme – dem anteiligen Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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