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Gewinneinbussen wegen Bauarbeiten – Schadensersatz

AG Bad Segeberg

Az: 17 C 39/11

Urteil vom 20.10.2011


Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 4.680,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz wegen Gewinneinbußen infolge der Durchführung von Bauarbeiten durch die Beklagte.

Die Klägerin betreibt in von ihr in der …. in … angemieteten Räumen eine Parfümerie mit einem Kosmetikstudio. Sie führt u.a. sog. Wellnessbehandlungen durch. Im rückwärtigen, zu einem benachbarten Parkplatzgelände belegenen bereich befinden sich zwei Räume mit jeweils einer Liege, in denen die Behandlungen stattfinden.

Die Beklagte betreibt in der … in …. ihre Hauptstelle …. Im Bereich zwischen den beiden Gebäuden unterhält die Beklagte einen Parkplatz. Wegen der Einzelheiten über die Örtlichkeit wird auf die in Kopie zur Akte gereichte Skizze Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.).

In der Zeit vom 19. bis 24.04., vom 04. bis 06.05. sowie vom 17. bis 19.05.2010 führte die Beklagte ohne Vorankündigung gegenüber der Klägerin auf dem Parkplatzgelände Baurarbeiten durch, insbesondere ließ sie den Bodenbelag erneuern.

Mit Schreiben vom 29.06.2011 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Durchführung weiterer Arbeiten für den 08.07.2011 an. Tatsächlich kam es am 08.07.2011 jedoch nicht zu Baulärm. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 4, Bl. 71 d.A.).

Die Klägerin macht mit ihrer Klage entgangenen Gewinn infolge der von der Beklagten durchgeführten Bauarbeiten geltend. Ferner begehrt sie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter Zugrundelegung einer 1,3-Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 4.320,00 €, also 354,90 €, zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 €, insgesamt also 374,90 €.

Sie behauptet, infolge der Bauarbeiten sei es zu massivem Baulärm gekommen, verursacht u.a. durch Presslufthammer, Rüttler, Schweißgeräte und Bagger. Infolgedessen sei in dem Zeitraum vom 19.04. bis 24.04.2010 eine Durchführung von Kosmetik- und Wellnessbehandlungen in den beiden Räumen nicht möglich gewesen. Sie habe fest vereinbarte Termine telefonisch absagen müssen. In beiden Räumen hätten sich in dem Zeitraum keine Umsätze erzielen lassen. Die Räume seien aufgrund der Bauarbeiten nicht nutzbar gewesen. Neben dem Baulärm sei auch die Staubentwicklung unerträglich gewesen, die Räume hätten infolge dessen nicht belüftet werden können. Zu den selben extremen Belastungen sei es in den Zeiträumen vom 04. bis 06.05. sowie vom 17. bis 19.05.2010 gekommen (Beweis für den gesamten vorstehenden Sachvortrag: Zeugnis des Herrn W…; Zeugnis der Frau J….; Zeugnis der Frau G…). In den Räumlichkeiten hätten keine Telefonate geführt werden können (Beweis: Zeugnis des Herrn B…). Pro Tag sei ein endgültiger Ausfall in Höhe von 360,00 € zu verzeichnen gewesen, weshalb sich unter Zugrundelegung von 12 Tagen ein Gesamtschaden in Höhe von 4.320,00 € ergebe. Durchschnittlich betrage die Auslastung pro Raum vier Behandlungen pro Tag, insgesamt also acht Behandlungen täglich. Die Auslastung schwanke zwischen zwei und sieben Behandlungen pro Kabine und Tag, weshalb vier Behandlungen ein durchschnittlicher Mittelwert sei. Pro Kunde sei ein durchschnittlicher Umsatz von 90,00 € zu verzeichnen. Bei acht ausgefallenen Behandlungen folge dies zu einem entgangenen Umsatz von 720,00 € pro Tag; dies ergebe einen entgangenen Gewinn von 360,00 € pro Tag (Beweis für den gesamten vorstehenden Sachvortrag: Zeugnis des Herrn W…; Zeugnis der Frau J…; Zeugnis der Frau G…; Einholung eines Sachverständigengutachtens). Zu den geschäftsüblichen Zeiten herrsche ohne Bauarbeiten kein erheblicher Geräuschpegel, der die Kosmetik- und Wellnessbehandlungen der Klägerin negativ beeinflusse (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens). Derart ausgefallene Termine sowohl der Stamm- als auch der Laufkundschaft könnten nicht später nachgeholt werden. Die Kunden, die regelmäßig kämen, würden nur in dem selben Turnus im nächsten Monat wieder erscheinen, um die regelmäßige Behandlung fortzusetzen, ein Behandlungstermin falle dann ersatzlos weg. Sie könne daher in aller Regel ausgefallene Umsätze nicht „aufholen“ (Beweis: Zeugnis der Frau G…; Zeugnis des Herrn W…; Einholung eines Sachverständigengutachtens). Aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 29.06.2011 habe sie alle Behandlungen am 08.07.2011 abgesagt, in keiner der Kabinen hätten Termine stattgefunden (Beweis: Zeugnis der Frau G…; Zeugnis des Herrn W…). An diesem Tag sei ihr daher ein Gewinn in Höhe von 360,00 € entgangen (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens). Dies werde als Hilfsvortrag zur Begründung des Zahlungsantrages vorgebracht.

Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.320,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 01.10.2010 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 374,90 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, für sie sei eine Erkennbarkeit irgendwelcher Einbußen nicht gegeben gewesen. Sie meint, der Klägerin stehe kein Recht auf „absolute Ruhe“ zu.

Mit Beschluss vom 11.08.2011 hat das Gericht aufgrund des von den Parteien in dem Verhandlungstermin am 11.08.2011 erklärten Einverständnisses das schriftliche Verfahren angeordnet (§ 128 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Der Klägerin steht kein Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1, 242 BGB zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet das sog. nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis schon kein (gesetzliches) Schuldverhältnis (BGH, Urt. v. 25.11.1964 – V ZR 185/62, juris Rn. 8 m.w.N. zum Streitstand). Selbst wenn man insoweit der Gegenmeinung folgen wollte (zu dieser etwa Palandt/Heinrichs, BGB, § 278 Rn. 3 m.w.N.; einschränkend auch LG Dortmund, Urt. v. 04.05.2007 – 3 O 464/06, NJW-RR 2008, 471, juris Rn. 17), ergäbe sich vorliegend ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gleichwohl nicht. Dies ergibt sich aus folgendem:

a. Soweit die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch in der Sache darauf stützt, ihr Betrieb sei infolge der von der Beklagten durchgeführten Bauarbeiten, nämlich durch „massiven Baulärm“ sowie „unerträgliche“ Staubentwicklung erheblich beeinträchtigt worden, folgt hieraus kein Ersatzanspruch aus der Verletzung von Pflichten des sog. nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass sich aus diesem Rechtsinstitut eigenständige, über die im Gesetz geregelten Tatbestände – vorliegend insbesondere § 906 BGB – hinausgehende Ansprüche nicht ergeben; sie können lediglich bestehende Rechte beschränken oder ausschließen und in diesem Rahmen Ausgleichs-, Handlungs- oder Unterlassungsansprüche geben (BGH, Urt. v. 28.09.1962 – V ZR 233/60, BGHZ 38, 61, juris Rn. 51; LG Dortmund, Urt. v. 04.05.2007 – 3 O 464/06, NJW-RR 2008, 471, juris Rn. 17; LG Konstanz, Urt. v. 22.06.1990 – 1 S 72/90, NJW-RR 1991, 916, 917; Palandt/Bassenge, BGB, § 903 Rn. 13 m.w.N.).

b. Auch soweit die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch darauf stützt, die Beklagte habe die von ihr durchgeführten Bauarbeiten nicht gegenüber der Klägerin angekündigt, folgt hieraus kein Schadensersatzanspruch zugunsten der Klägerin. Allerdings spricht nach Auffassung des Gerichts manches dafür, dass die Beklagte gemäß § 242 BGB dazu verpflichtet gewesen ist, die von ihr durchgeführten Arbeiten gegenüber der Klägerin anzukündigen (zu einer Hinweispflicht, wenn im Rahmen der Durchführung von Kanalarbeiten Baumwurzeln eines Nachbarn durchtrennt werden vgl. OLG Hamm, Urt. v. 06.06.1991 – 6 U 334/90). Vorliegend wäre ein solcher Hinweis für die Beklagte ohne erheblichen Kosten- und Zeitaufwand möglich gewesen. Dass durch die durchgeführten Bauarbeiten Lärmbeeinträchtigungen entstehen, hat die Beklagte selbst nicht in Abrede gestellt. Jedenfalls gegenüber den Nachbarn, die ihren Gewerbebetrieb in unmittelbarer Nähe zu dem Parkplatzgelände betreiben, hätte die Beklagte vor diesem Hintergrund eine solche Ankündigung machen können, ohne dass es hierbei darauf ankommt, ob für sie auch erkennbar gewesen ist, dass bzw. in wie weit es bei den benachbarten Gewerbebetrieben durch die Baurarbeiten tatsächlich zu konkreten Beeinträchtigungen kommt.

Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Beklagte eine solche Ankündigungspflicht traf. Denn selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass eine solche Pflicht bestand, die Beklagte diese also verletzt hat, könnte die Klägerin gemäß § 249 Abs. 1 BGB nur verlangen so gestellt zu werden, wie sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Sie könnte daher nur den Schaden ersetzt verlangen, der ihr gerade aus der unterlassenen Ankündigung entstanden ist. Der Verdienstausfall, der infolge des Baulärms entstanden sein soll, stellt demnach grundsätzlich gerade keinen kausalen, nämlich auf der Verletzung der Ankündigungspflicht entstandenen Schaden dar. Vielmehr wäre dieser Schaden auch bei einer Erfüllung der Ankündigungspflicht entstanden. Die Klägerin könnte vor diesem Hintergrund nur den Schaden ersetzt verlangen, der ihr gerade infolge der Nichtankündigung der Arbeiten entstanden ist, wenn und soweit sie also infolge der unterlassenen Ankündigung nicht in der Lage gewesen ist, den in dem streitgegenständlichen Zeitraum eingetretenen Schaden abzuwenden. Hierzu hat die Klägerin allerdings selbst vorgetragen, dass die infolge der Baurbeiten ausgefallenen Umsätze von ihr nicht „aufgeholt“ werden können, sondern die fest gebuchten Termine ersatzlos entfallen und die Kunden einfach in dem selben Turnus die regelmäßige Behandlung fortsetzen, der Behandlungstermin bei einer Absage also ersatzlos entfällt. Dann ist aber davon auszugehen, dass der entstandene Schaden auch bei einer Erfüllung der Ankündigungspflicht entstanden wäre, also nicht auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Hinsichtlich der sog. Laufkundschaft gilt Entsprechendes.

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ein Schadensersatzanspruch nicht zu (vgl. hierzu AG Köln, Urt. v. 01.02.2006 – 126 C 464/05, juris Rn. 36 ff.). Die Klägerin hat selbst nicht behauptet und im Übrigen auch auf den Hinweis des Gerichts vom 11.08.2011 nicht vorgetragen, dass die Beklagte die von ihr verursachten Lärm- und Staubentwicklungen nach dem Stand der Technik hätte vermeiden können.

3. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte ferner keine Ersatzansprüche gemäß § 906 BGB zu. Ein solcher könnte allenfalls dem Eigentümer eines Grundstückes zustehen. Die Klägerin ist jedoch nicht Eigentümerin, sondern Mieterin.

Unabhängig hiervon ergibt sich aus dem Vorstehenden zugleich, dass der Klägerin aus § 906 BGB keine Ersatzansprüche zustehen, insbesondere hat die Klägerin nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die von der Beklagten durchgeführten Arbeiten nicht ortsüblich sind (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 04.05.2007 – 3 O 464/06, NJW-RR 2008, 471, juris Rn. 25; LG Konstanz, Urt. v. 22.06.1990 – 1 S 72/90, NJW-RR 1991, 916, 917). Dass die von der Beklagten im Rahmen der Durchführung der Arbeiten verursachten Lärm- und Staubentwicklungen vermeidbar gewesen sind, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Schließlich ergibt sich auch unter Zugrundelegung des Sachvortrages der Klägerin nicht, dass die ortsübliche Nutzung des von ihr angemieten Grundstückes oder dessen Ertrag über das „zumutbare Maß“ hinaus beeinträchtigt worden sind i.S. des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Vielmehr muss die Klägerin solche Beeinträchtigungen hinnehmen (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 04.05.2007 – 3 O 464/06, NJW-RR 2008, 471, juris Rn. 26 ff. für die Durchführung von Abrissarbeiten an einem Gebäude; AG Köln, Urt. v. 01.02.2006 – 126 C 464/05, juris Rn. 68). Da selbst unter Zugrundelegung des Klägervorbringens davon auszugehen ist, dass von einer hinreichenden Beeinträchtigung des von der Klägerin genutzten Grundstückes nicht ausgegangen werden kann, muss vorliegend nicht weiter geklärt werden, ob der Sachvortrag der Klägerin, die überwiegend wertende Begriffe wie „massiv“ oder „unerträglich“ verwendet hat, überhaupt hinreichend substantiiert ist.

4. Darüber hinaus steht der Klägerin gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch nicht zu.

a. Die Klägerin kann von der Beklagten keinen Schadensersatz wegen der Verletzung von Eigentum verlangen. Allerdings geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Eigentumsverletzung auch ohne eine Substanzbeeinträchtigung vorliegen kann, wenn nämlich eine sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgt (BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall], juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 11.01.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, juris Rn. 12; vgl. auch LG Dortmund, Urt. v. 04.05.2007 – 3 O 464/06, NJW-RR 2008, 471, juris Rn. 19). Ob vorliegend von einer solchen Eigentumsbeeinträchtigung auszugehen ist, kann dahinstehen, weil die Klägerin selbst vorgetragen hat, nicht Eigentümerin des Gebäudes zu sein, sondern dieses lediglich angemietet zu haben.

b. Die Klägerin kann von der Beklagten keinen Schadensersatz wegen der Verletzung des berechtigten Besitzes als „sonstiges Recht“ verlangen. Allerdings ist die Klägerin als Mieterin der Räumlichkeiten berechtigte Besitzerin. Auch ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der berechtigte Besitz gegenüber Störungen im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB Schutz genießt (BGH, Urt. v. 04.11.1997 – VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89 = NJW 1998, 377, juris Rn. 26; BGH, Urt. v. 11.01.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, juris Rn. 16). Allerdings geht der Schutz des berechtigten Besitzes nicht weiter als der Schutz des Eigentums (BGH, Urt. v. 11.01.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, juris Rn. 16). Von einer Eigentumsverletzung in Form einer sonstigen Einwirkung auf die Eigentümerbefugnisse geht der Bundesgerichtshof aber nur dann aus, wenn die Beeinträchtigung ihrer Dauer und Intensität nach als eine Verletzung des Eigentums angesehen werden kann (BGH, Urt. v. 11.01.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, juris Rn. 12, 16). Hiervon kann vorliegend nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht ausgegangen werden. Durch die Bauarbeiten soll nach dem Sachvortrag der Klägerin lediglich ein Teilbereich ihres Gewerbebetriebes betroffen gewesen sein, nämlich die Durchführung von Kosmetik- und Wellnessbehandlungen in zwei Räumen. Die Arbeiten sind zudem unstreitig in einem Zeitraum von insgesamt 12 Tagen erfolgt. Bei dieser Sachlage ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts der berechtigte Besitz der Klägerin und damit einhergehend die Erzielung einer wirtschaftlichen Nutzung an den Räumlichkeiten lediglich vorübergehend eingeengt, nicht aber in einer der Verletzung von Eigentum vergleichbaren Weise betroffen worden (für ein „eingeschlossenes“ Motorschiff vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall], juris Rn. 15).

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c. Schließlich steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch auch nicht wegen einer Verletung des „eingerichteten und ausgebüten Gewerbebetriebes“ als „sonstiges Recht“ zu. Zwar kommen die Grundsätze des sog. „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes“ vorliegend zur Anwendung, weil nach dem oben Gesagten andere Anspruchsgrundlagen für das Schadensersatzbegehren der Klägerin nicht bestehen (vgl. zur Subsidiarität der Haftungsgrundsätze zum „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes“ nur BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall], juris Rn. 14 m.w.N.).

Jedoch entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nicht jede Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit eines Dritten Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auslöst. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes darstellt, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (s. nur BGH, Urt. v. 09.12.1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 = NJW 1959, 478, juris Rn. 14 [Stromkabel-Fall]; BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall], juris Rn. 18).

Vorliegend dürfte zwar ein Eingriff in den Gewerbebetrieb gegeben sein, da es der Klägerin infolge von Lärm- und Staubentwicklungen durch die Bauarbeiten nicht möglich gewesen ist, in den beiden Räumen ihres Betriebs Kosmetik- und Wellnessbehandlungen durchzuführen (anders etwa für die Schiffbarkeit einer Wasserstraße für einen Schifffahrttreibenden BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall], juris Rn. 18; für die Befahrbarkeit von Gleisen durch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen BGH, Urt. v. 11.01.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, juris Rn. 18; unklar bzw. die Frage der Unmittelbarkeit mit der des Schutzbereichs vermengend noch BGH, Urt. v. 09.12.1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 = NJW 1959, 478, juris Rn. 14 [Stromkabel-Fall], juris Rn. 17).

Indes fehlt es nach Auffassung des erkennenden Gerichts an der nach dem Gesagten erforderlichen „Unmittelbarkeit“, nämlich der Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Bei den von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen in Form von Lärm und Staubentwicklung handelt es sich um mittelbare Beeinträchtigungen, die durch ein von außerhalb eintretendes Ereignis, nämlich die Durchführung der Bauarbeiten, entstanden sind. In einem solchen Fall fehlt es an der erforderlichen „Betriebsbezogenheit“ bzw. „Unmittelbarkeit“ des Eingriffs (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, juris Rn. 17; BGH, Urt. v. 21.06.1977 – VI ZR 58/76, NJW 1977, 2264, juris Rn. 24; LG Dortmund, Urt. v. 04.05.2007 – 3 O 464/06, NJW-RR 2008, 471, juris Rn. 21; LG Hannover, Urt. v. 27.07.2006 – 19 S 18/06, NJW-RR 2006, 1458; LG Frankenthal, Urt. v. 31.01.1990 – 2 S 273/89, ZfS 1990, 336; AG Achim, Urt. v. 22.03.2006 – 10 C 632/05, SP 2006, 273 f.; AG Hannover, Urt. v. 29.09.2009 – 560 C 8046/09, SP 2010, 178; AG Essen, Urt. v. 12.11.2007 – 10 C 627/07, SP 2008, 103).

Soweit die Klägerin (wohl) die Auffassung vertritt, von einer Unmittelbarkeit des Eingriffs könne – jedenfalls bei einem fahrlässigen Handeln – bereits dann ausgegangen werden, wenn die Handlung die Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes unter den gegebenen Umständen zum Ziel gehabt haben könne und der Handelnde diese Richtung seines Tuns in seine Vorstellung aufgenommen, aber darauf vertraut habe, dass der Erfolg nicht eintrete (in diese Richtung auch AG Hannover, Urt. v. 29.09.2009 – 560 C 8046/09, SP 2010, 178 und AG Essen, Urt. v. 12.11.2007 – 10 C 627/07, SP 2008, 103, die jeweils von einer [fehlenden] Zielgerichtetheit eines Handelns sprechen), vorliegend also für die Beklagte jedenfalls erkennbar gewesen sein soll, dass infolge der von ihr durchgeführten Bauarbeiten die in der Nachbarschaft belegenen Gewerbebetriebe durch die Bauarbeiten beeinträchtigt werden können, trägt diese Auffassung zur Begründung eines Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht. Der Bundesgerichtshof ist einer solchen, auf den Vorsatz bzw. die Vorstellungen des Handelnden bezogenen Auslegung des Begriffs der „Unmittelbarkeit“ zu Recht nicht gefolgt (BGH, Urt. v. 09.12.1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 = NJW 1959, 478, juris Rn. 14 [Stromkabel-Fall], juris Rn. 15). Ebenso hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Begriff der „Unmittelbarkeit“ nicht aus der Kausalitätslehre definiert werden kann (BGH, Urt. v. 09.12.1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 = NJW 1959, 478, juris Rn. 14 [Stromkabel-Fall], juris Rn. 14), weshalb unerheblich ist, dass der Gewerbebetrieb der Klägerin „unmittelbar“ im Sinne der Kausalitätslehre durch die Bauarbeiten betroffen ist, insbesondere Zwischenursachen für den behaupteten Schaden fehlen (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 74 = NJW 1959, 478, juris Rn. 14 [Stromkabel-Fall], juris Rn. 14).

Soweit die Klägerin meint, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.12.1970 (BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall]) ergebe sich etwas Abweichendes, kann hiervon nach dem Gesagten nicht ausgegangen werden. Der Bundesgerichthof hatte dort eine Eigentumsverletzung für ein eingeschlossenes Motorschiff bejaht, einen Schadensersatzanspruch wegen der Nichterreichbarkeit einer Mühle durch Schuten dagegen verneint und dabei die Auffassung vertreten, die Schiffbarkeit einer Wasserstraße sei nicht Bestandteil des Gewerbebetriebes eines Schifffahrttreibenden (BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 [Fleet-Fall], juris Rn. 18). Hieraus ergibt sich nichts zugunsten der Klägerin.

d. Da nach dem Gesagten ein Ersatzanspruch bereits mangels Verletzung eines absoluten Rechts ausscheidet, kann dahinstehen, ob eine etwaige Rechtsgutverletzung durch die Beklagte auch als rechtswidrig und schuldhaft angesehen werden könnte. Insoweit spricht gegen die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Rechtsgutverletzung, dass die Klägerin nach dem oben Gesagten die von der Beklagten im Rahmen der Bauarbeiten verursachten Lärm- und Staubentwicklungen zu dulden hat, insbesondere hat die Klägerin weder dargetan, dass die Durchführung der Arbeiten nicht ortsüblich ist, noch dass die Beklagte unter Verstoß gegen die Regeln der Technik Lärm und Staub hervorgerufen hat. Dann aber kann das Handeln der Beklagten nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Da der Klägerin ein Schadensersatzanspruch schon aus Rechtsgründen nicht zusteht, war das Gericht nicht gehalten, den von der Klägerin angebotenen Beweisen (Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens) nachzugehen. Auch ist unerheblich, ob die Klägerin ohne Baulärm in der Lage ist, in den von ihr angemieteten Räumlichkeiten die Kosmetik- und Wellnessbehandlungen durchzuführen.

5. Soweit die Klägerin hilfsweise ihren Ersatzanspruch in Höhe von 360,00 € darauf stützt, dass es entgegen der Ankündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29.06.2011 am 08.07.2011 nicht zu Baulärm gekommen sei, dringt sie damit ebenfalls nicht durch, wobei auch hier dahinstehen kann, ob zwischen den Parteien überhaupt ein (gesetzliches) Schuldverhältnis i.S. des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte lediglich gehalten ist, der Klägerin gegenüber mitzuteilen, dass es an bestimmten Tagen zu Baulärm kommen kann. Dies hat die Beklagte in dem Schreiben vom 29.06.2011 auch getan, indem sie mitgeteilt hat, dass am 08.07.2011 zeitweise mit Baulärm „zu rechnen“ sei. Hieraus folgt aber nicht, dass die Beklagte in jedem Fall dafür einzustehen hat, wenn der Klägerin ein Schaden entsteht, weil sie auf diese Mitteilung Behandlungstermine abgesagt hat. Eine solche generelle Einstandspflicht der Beklagten besteht, wie oben im Einzelnen dargelegt, gerade nicht. Wenn die Beklagte an dem besagten Tag Arbeiten ausführt, ohne dass es zu Baulärm kommt, folgt alleine hieraus also noch keine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten.

Eine Schadensersatzhaftung der Beklagten – sei es auch gemäß § 826 BGB – könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn die Beklagte bewusst eine unrichtige Ankündigung durch ihr Schreiben vom 29.06.2011 an die Klägerin übersandt, die Beklagte also von Anfang an gar nicht die Durchführung von Arbeiten mit Baulärm am 08.07.2011 geplant hätte. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Beklagte eine solche unzutreffende Ankündigung in die Welt hätte setzen sollen, hat die Klägerin selbst nicht behauptet, dass die Beklagte bereits bei Abfassung des Schreibens vom 29.06.2011 wusste, dass es am 08.07.2011 tatsächlich keinen Baulärm geben wird.

Im Übrigen könnte eine Pflichtverletzung der Beklagten noch darin gesehen werden, dass sie es unterlassen hat, der Klägerin mitzuteilen, dass entgegen ihrer Anknündigung aus dem Schreiben vom 29.06.2011 am 08.07.2011 kein Baulärm entstehen wird. Diesbezüglich hat die Klägerin aber wiederum nicht dargetan, dass ihr aus einer etwaigen Pflichtverletzung der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Die Klägerin hat auf den gerichtlichen Hinweis vom 11.08.2011 selbst vorgetragen, dass sie die abgesagten Termine und damit auch den hieraus entstandenen Schaden nicht „aufholen“ kann. Dann aber ist für den vorliegend hilfsweise geltend gemachten Anspruch davon ebenfalls auszugehen, dass die Klägerin den Schaden nicht hätte vermeiden können.

Aus dem Gesagten folgt, dass das Gericht nicht gehalten war, Beweis über das Absagen von Terminen für den 08.07.2011 zu erheben. Da die Klage auch insoweit schon unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens unschlüssig ist, war das Vorbringen der Klägerin nicht als verspätet zurückzuweisen.

Ein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO besteht nicht, weil das Gericht auf die maßgeblichen Rechtsfragen in dem Verhandlungstermin vom 11.08.2011 hingewiesen und die Klägerin hieraufhin selbst einen Sachverhalt vorgetragen hat, der die von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht trägt.

6. Da der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nicht zusteht, war die Klage auch hinsichtlich der auf die Hauptforderung bezogenen Zinsen sowie die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 374,90 € unbegründet und damit abzuweisen.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Soweit die Klägerin ihren Zahlungsantrag in Höhe von 360,00 € hilfsweise auf den Schaden stützt, der ihr nach ihrem Vorbringen infolge der Ankündigung vom 29.06.2011 entstanden ist, handelt es sich um einen sog. verdeckten Hilfsantrag, weil dieser Schaden auf einem anderen Lebenssachverhalt beruht. Da das Gericht über diesen Hilfsantrag entschieden hat, war er bei der Streitwertberechnung hinzuzurechnen. Ein Fall des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG liegt nicht vor, weil keine wirtschaftliche Identität vorliegt. Die Anträge hängen nicht in dem Sinne miteinander zusammen, dass bei Stattgabe des Hauptsacheantrages der Hilfsantrag abzuweisen ist und umgekehrt.

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