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Steuerberater ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig

BUNDESFINANZHOF

Az.: IV R 81/99

Urteil vom 31.05.2001

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG


Zusammenfassung:

Der Bundesfinanzhof die Berufstätigkeit eines selbständigen Steuerberaters als so genannte Liebhaberei beurteilt und die erzielten Verluste nicht zum Ausgleich mit anderen positiven Einkünften zugelassen.

Leitsätze:

Aus einer objektiv negativen Gewinnprognose kann nur dann auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten –hier bei der Tätigkeit als Steuerberater– müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden.

Norm:

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1


Gründe

Der 1925 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ sich nach seiner Pensionierung als Bediensteter der Finanzverwaltung im April 1988 als Steuerberater nieder. Im Dezember 1988 nahm eine vom Kläger mit einer weiteren Gesellschafterin gegründete Steuerberatungs-GmbH ihre Tätigkeit auf, deren Geschäftsführer der Kläger wurde. Seine selbständige Tätigkeit übte der Kläger gegen Kostenerstattung in Räumen der GmbH aus. Von den Mandaten des Klägers wurden ca. 35 ab Januar 1989 durch die GmbH und die übrigen 6 bis 9 von der Einzelpraxis betreut. Die Steuerberatungs-GmbH erlitt erhebliche Verluste und wurde, nachdem die Eröffnung des Konkurses mangels Masse abgelehnt worden war, im Jahr 1996 aufgelöst und im Handelsregister gelöscht.

Auch mit seiner selbständigen Tätigkeit erzielte der Kläger nahezu nur Verluste. Sie setzten sich wie folgt zusammen:

Jahr Honorareinnahmen Betriebsausgaben (erklärt) Gewinn lt. Veranlagung
1988 49 287 DM 82 267 DM – 24 291 DM
1989 7 350 DM 23 341 DM – 11 145 DM
1990 3 295 DM 17 480 DM – 10 588 DM
1991 6 825 DM 16 120 DM – 5 323 DM
1992 4 025 DM 16 209 DM – 9 063 DM
1993 4 906 DM 14 252 DM – 7 717 DM
1994 5 849 DM 12 937 DM – 6 560 DM
1995 5 967 DM 15 748 DM – 7 644 DM
1996 9 584 DM 10 006 DM 3 255 DM

Für 1997 und 1998 ist nach Angaben des Klägers ein Gewinn von jeweils 3 000 DM entstanden.

Seit dem Veranlagungszeitraum 1991 ergingen die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) erlassenen Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach einer Außenprüfung behandelte das FA die selbständige Tätigkeit als Liebhaberei, erkannte die Verluste nicht mehr an und erließ dementsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1991 bis 1995.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 119 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen aus: Spätestens 1991 sei erkennbar gewesen, dass nach der Art der Betriebsführung objektiv keine Gewinne hätten erzielt werden können. Für die Fortführung des Betriebs sei in erster Linie maßgebend gewesen, dass dem Sohn des Klägers die Möglichkeit zur Praxisübernahme nach Abschluss der Ausbildung offen gehalten werden sollte.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die vom FG getroffenen Feststellungen reichten für die Annahme einer Liebhaberei nicht aus.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

1. Soweit in dem Vorbringen des Klägers Verfahrensrügen enthalten sein sollten, sind diese nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Aus der Rüge fehlenden rechtlichen Gehörs im Einspruchsverfahren kann sich kein Verfahrensfehler des FG ergeben, das im Übrigen umfassend rechtliches Gehör gewährt hat. Die Aufklärungsrüge ist unsubstantiiert, weil der Kläger nicht einmal vorträgt, welche Tatsachen anhand welcher Beweismittel noch hätten aufgeklärt werden sollen und warum er nicht bereits vor dem FG eine entsprechende Rüge erhoben hat.

2. Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Betrieb der Steuerberatungspraxis in den Streitjahren nicht zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit geführt hat.

a) Eine einkommensteuerlich relevante Betätigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur gegeben, wenn die Absicht besteht, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Das ist dann der Fall, wenn ein betrieblicher Totalgewinn erstrebt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3.). Auch bei der Einkunftsart „selbständige Arbeit“ muss eine derartige Gewinnerzielungsabsicht bestehen (BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663).

Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen. Einzelne Umstände können dabei einen Anscheinsbeweis liefern (BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c). In objektiver Hinsicht ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Längere Verlustperioden in der Vergangenheit können dafür einen Anhaltspunkt bieten. Dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte, kann aus der objektiv negativen Gewinnprognose nicht ohne weiteres gefolgert werden. Ein solcher –vom Steuerpflichtigen widerlegbarer– Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (BFH-Urteile in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663, und vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23).

b) Im Streitfall ergibt sich für die Steuerberaterkanzlei des Klägers eine negative Gewinnprognose. Das FG hat diese Prognose ausgehend von den unstreitig mit der Einzelpraxis erzielten Ergebnissen in erster Linie auf den Zeitraum bezogen, in dem der Betrieb wie in den Streitjahren geführt wurde, nämlich die Zeit von 1989 bis 1995, in der der Kläger überwiegend durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Steuerberatungs-GmbH in Anspruch genommen war. Hier kommt das FG auf der Grundlage seiner Feststellungen zu dem Ergebnis, dass angesichts der geringen Zahl der Mandate und der nur beschränkt verfügbaren Zeit für diese sowie unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten ein Gewinn nicht erzielt werden konnte. Hiergegen bestehen revisionsrechtlich keine Bedenken. Denn abzuheben ist für die Gewinnprognose auf den Betrieb, wie er im Streitzeitraum geführt worden ist. Spätere Umstrukturierungen, auf Grund deren eine veränderte Gewinnprognose anzustellen ist, können zwar ein Indiz für eine schon früher bestehende Absicht sein, weitere Verluste nicht hinnehmen zu wollen. Im Streitfall hat dieser Gesichtspunkt aber deshalb keine Bedeutung, weil die spätere Umstrukturierung durch Konkurs der GmbH vom Kläger nicht willentlich und daher auch nicht mit dem Ziel einer Verbesserung der Ertragslage vorgenommen worden ist.

Zwar hat das FG die in der (Einzel-)Praxis möglicherweise liegenden stillen Reserven nicht erwähnt, die bei der Ermittlung des Totalgewinns einzubeziehen wären. Da es aber die diesbezügliche Rechtsprechung des BFH referiert, ist anzunehmen, dass es eine Existenz von erheblichen stillen Reserven verneint. Es ist auch nicht zu erkennen, wo sich stille Reserven angesammelt haben sollten. Insbesondere kann angesichts der Ertragslage nicht von der Existenz eines positiven Praxiswerts ausgegangen werden.

c) Zutreffend hat das FG auch angenommen, dass dem Kläger die Absicht zur Gewinnerzielung fehlte. Allerdings ist der Betrieb einer Steuerberaterkanzlei ebenso wie der Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei typischerweise auf die Erzielung von Gewinnen i.S. des § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerichtet. Es spricht deshalb ein Anscheinsbeweis für das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht. Dieser Beweis ist allerdings durch die Feststellung widerlegt, dass der Kläger die Praxis trotz der Verluste weiter betreiben wollte, um seinem Sohn nach Abschluss der Ausbildung die Praxisübernahme zu ermöglichen. Hierin ist eine private Veranlassung für die Hinnahme der Verluste zu sehen (gl.A. Fischer, Finanz-Rundschau 2000, 624; -va-, EFG-Beilage 3/2000, 19; a.A. Honisch, Deutsches Steuerrecht 2000, 545 f.).

Die Angriffe der Revision gegen die Berücksichtigung der Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung (zur Weiterführung der Praxis durch seinen Sohn) greifen nicht durch. Das FG kann grundsätzlich alle Erklärungen, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung abgibt, auch dann verwenden, wenn sich daraus ungünstige Rechtsfolgen für den Kläger ergeben. Eine Ausnahme wird für Äußerungen gelten müssen, die aufgrund eines unfairen Verfahrens des Gerichts gemacht worden sind, wofür im Streitfall aber keinerlei Anhaltspunkt besteht. Im Übrigen bestreitet die Revision weder, dass die Erklärung so wie vom FG niedergelegt abgegeben worden ist, noch dass sie in der Sache zutrifft.

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