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Girovertrag – Rückerstattung unwirksam erhöhter Kontoführungsgebühren

Rückerstattung von Kontoführungsgebühren abgewiesen

Ein Gericht hat die Klage eines Bankkunden auf Rückerstattung von Kontoführungsgebühren in Höhe von 155,75 € abgewiesen. Der Kunde hatte die Rückforderung der Gebühren erst Jahre nach deren Erhöhung verlangt. Die Entscheidung beruht auf der sogenannten „Dreijahreslösung“ des Bundesgerichtshofs.

Direkt zum Urteil: Az: 21 C 825/21 springen.

Kein Anspruch auf Rückerstattung

Das Gericht stellte fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückerstattung zusteht, da er den Erhöhungen der Kontoführungsgebühren nicht innerhalb von drei Jahren widersprochen hat. Die Rückforderung wurde erst mit Schreiben vom 30.06.2021 verlangt, obwohl die erste Erhöhung bereits am 29.06.2018 erfolgte.

Unwirksame Preisanpassungsklauseln

Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 27.04.2021 solche Preisanpassungsklauseln für unwirksam erklärt, jedoch können im Einzelfall Schranken aus dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gelten. Die „Dreijahreslösung“ besagt, dass Kunden die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht geltend machen können, wenn sie diese nicht innerhalb von drei Jahren nach der ersten Abbuchung beanstandet haben.

Anwendung der Dreijahreslösung

Das Gericht entschied, dass die Anwendung der Dreijahreslösung im vorliegenden Fall zu einem angemessenen Interessenausgleich führt. Dies gilt insbesondere, da es sich ursprünglich um ein „kostenfreies Girokonto“ handelte. Kunden müssen mit der Verpflichtung zur Zahlung des letzten erhobenen Entgelts oder sogar des üblichen Entgelts für die Kontoführung rechnen.


Das vorliegende Urteil

AG Steinfurt – Az.: 21 C 825/21 – Urteil vom 04.05.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage war abzuweisen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückerstattung der ihm gegenüber im Zeitraum vom 01.10.2018 bis 13.09.2019 erhobenen Kontoführungsgebühren in Höhe von insgesamt 155,75 € zu.

Nach der einzigen insoweit in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB ist eine rechtsgrundlose Leistung erforderlich, an welcher es jedoch bezüglich der hier streitgegenständlichen Kontoführungsgebühren fehlt. Denn der Kläger hat den beiden letzten Erhöhungen der Kontoführungsgebühren, welche ihm mit Schreiben der Beklagten vom 19.10.2015 und 16.03.2018 angekündigt worden sind, nicht binnen 3 Jahren seit der jeweilig ersten Abbuchung des erhöhten Betrages für die Kontoführungsgebühr widersprochen, sondern die Rückforderung der Kontoführungsgebühren aus dem Zeitraum vom 01.01.2018 bis 13.09.2019 erstmals mit Schreiben vom 30.06.2021 verlangt. Die erste Inrechnungsstellung der auf 7,50 € erhöhten Kontoführungsgebühr erfolgte jedoch bereits am 29.06.2018, so dass diese gemäß § 188 Abs. 2 BGB hätte spätestens am 29.06.2021 moniert werden müssen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.04.2021 entsprechende Preisanpassungsklauseln wie in Nr. 2 und Nr. 17 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für unwirksam erklärt, weil diese insoweit von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB abweichen, als sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifizieren und unter Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 u. 2 Nr. 1 BGB de facto zu einem einseitigen Preisanpassungsrecht der Banken auch in Bezug auf Hauptleistungspflichten führen würden, obwohl hierfür grundsätzlich ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig ist (BGH, Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, juris Rn. 22 u. 38).

Allerdings hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 27.04.2021 angesprochen, dass sich im Hinblick auf die unechte Rückwirkung der Unwirksamkeit solcher Klauseln im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Schranken aus dem Prinzip der Rechtssicherheit ergeben können (BGH, Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20 –, juris Rn. 35).

In steter Rechtsprechung ist bereits zu den langjährigen Energielieferungsverträgen anerkannt, dass in den Fällen, dass ein Kunde, der eine Preiserhöhung über einen längeren Zeitraum unbeanstandet hingenommen hat und erst im Nachhinein für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit oder die unwirksame Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Diese erfolgt nach der sogenannten „Dreijahreslösung“ dahin, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen nicht geltend machen kann, die er nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (u.a. BGH, Urteil vom 05.10.2016 – VIII ZR 241/15 –, juris Rn. 12 f.; BGH, Urteil vom 10.03.2021 – VIII ZR 200/18 –, juris Rn. 28 f.). In diesen Fällen tritt der Preis der letzten unwidersprochenen Preiserhöhung an die ursprüngliche Preisvereinbarung.

Die dort gegebene Konstellation ist auf den hier vorliegenden Fall der Rückforderung von erhobenen Kontoführungsgebühren gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Hs. BGB übertragbar (vgl. Simon, ZIP 2022, 13, 18).

Ein bloßer Verweis auf die Regelverjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB erscheint nach den Umständen und dem beiderseitigen Rechtsschutzinteresse in Fällen wie dem vorliegenden wieder ausreichend noch angemessen. Würde für den Verjährungsbeginn allein auf die Kenntnis des Kunden von der Kontobelastung und die Information nach § 675g Abs. 1 BGB abgestellt, bliebe unberücksichtigt, dass weder die eine noch die andere Seite vor der Entscheidung vom 27.04.2021 mit der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklauseln rechnen musste. Außerdem würde der reine Wegfall der Klauseln für die Vergangenheit zu einem einseitigen Eingriff in das Vertragsgefüge zugunsten des Bankkunden führen, der völlig außer Ansatz ließe, dass erstens der Zahlungsdienstleister bei Kenntnis der Sachlage keinerlei Erweiterungen seines Leistungsspektrums vorgenommen hätte und es zweitens durchaus allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht, dass in der Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses unter der Hinnahme von veränderten Vertragsbedingungen bei Vorliegen besonderer Umständen eine konkludente Zustimmung zu einem Änderungsvertrag liegen kann.

Die Anwendung der sogenannten Dreijahresrechtsprechung in Bezug auf den hier vorliegenden Streitfall der Kontoführungsgebühren führt nach Ansicht des Gerichts zu einem angemessenen Interessenausgleich. Dies gilt insbesondere auch in den Fällen, in denen es sich wie hier ursprünglich um ein sogenanntes „kostenfreies Girokonto“ gehandelt hat. Denn dass Kreditinstitute die Entgelte für ihre Leistung mehr oder weniger regelmäßig anpassen, ist allgemein bekannt. Insoweit muss ein Kunde entsprechend der Rechtsprechung zu den unwirksamen Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen zumindest mit der Verpflichtung zur Zahlung des letzten erhobenen Entgelts, wenn nicht sogar mit der Verpflichtung zur Zahlung des üblichen Entgelts für die Kontoführung rechnen (vgl. Simon, ZIP 2022, 13, 17, juris).

Mangels Rückerstattungsanspruch steht dem Kläger auch der als Annexanspruch gemäß § 818 Abs. 1 BGB geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 6,80 € nicht zu. Denn es hat keine ungerechtfertigte Kapitalnutzung stattgefunden, für welche grundsätzlich der gesetzliche Verzugszins gemäß den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu leisten wäre (vgl. Simon, ZIP 2022, 13, 18, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 1. Hs. ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 162,55 EUR festgesetzt.

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