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Gläubiger und Titelgläubiger identisch -Keine Rechtsnachfolgeklausel erforderlich

LG Rottweil – Az.: 1 T 10/21 – Beschluss vom 05.04.2022

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar vom 23.12.2020, Az. 3 M 1275/20, aufgehoben.

2. Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Zwangsvollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 07.07.2020 auf deren Erinnerung vom 04.08.2020 hin auszuführen.

3. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens, wobei Gerichtskosten für das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 390 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 29.05.2001, Az. 01-8227017-0-9, ausgestellt auf die Gläubigerin …… AG, die Zwangsvollstreckung gegen …… in Höhe einer Teilforderung von 390 Euro. Gemäß Umwandlungsbeschluss vom 13.12.2005 wurde die …… AG formwechselnd in die …… GmbH umgewandelt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.09.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der …… GmbH eröffnet. Die dem Vollstreckungsbescheid vom 29.05.2001 zugrundeliegende Forderung wurde – ausweislich der notariellen Urkunde des Notars ……, ……, vom 26.03.2010, UR ……, und unter Bezugnahme auf die Urkundenrolle …… vom 23.03.2010 nebst Anlage (Auflistung der streitgegenständlichen Forderung) – an die …… Services AG und von dieser an die …… Limited mit Sitz in …… abgetreten und von letzterer schließlich wieder an die Gläubigerin (rück)abgetreten. In der notariellen Urkunde vom 26.03.2010 bestätigte der Insolvenzverwalter der Gläubigerin zudem, dass sich die von der Urkunde erfassten Forderungen „im freien Vermögen der Fa. …… GmbH in Insolvenz“ befinde und dieser, daher die Forderungszuständigkeit obliege.

Mit Vollstreckungsauftrag vom 07.07.2020 beauftragte die von der Gläubigerin bevollmächtigte …… Services GmbH den Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht Oberndorf Dr. mit der Zwangsvollstreckung der Forderung. Der Vollstreckungsauftrag wird unter der Geschäftsnummer …… geführt. Der Gerichtsvollzieher lehnte am 10.07.2020 die Zwangsvollstreckung ab. Wegen der Gründe wird auf die Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 10.07.2020 sowie 18.08.2020 Bezug genommen.

Hiergegen legte die Gläubigerin am 04.08.2020 Erinnerung ein. Die Erinnerung wies das Amtsgericht Oberndorf mit Beschluss vom 23.12.2020 schließlich zurück. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberndorf legte die Gläubigerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein. Durch Beschluss vom 22.01.2021 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte dem Beschwerdegericht die Akten zur Entscheidung vor. Auf die Begründungen in den vorgenannten Beschlüssen und Erinnerungs – bzw. Beschwerdeschreiben wird jeweils Bezug genommen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.08.2021 hat de Gläubigerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Stellung genommen.

Die Beteiligten erhielten gem. Verfügung v. 09.03.2022 nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die zulässige Beschwerde ist – jedenfalls im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung – begründet.

1. Die Gläubigerin ist ausweislich des bei den Akten befindlichen Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts Fürth, HRB 10449, mit der Titelgläubigerin identisch und trägt nur aufgrund einer Rechtsformänderung eine andere Bezeichnung. Aus diesem Grund benötigt sie keine Rechtsnachfolgeklausel i.S.d. § 727 ZPO (vgl. BGH, Beschluss v. 14.01.2016 – V ZB 148/14).

2. Auch die zwischenzeiltlich – mehrfach – erfolgte Forderungsabtretung und Rückabtretung an die Gläubigerin macht eine qualifizierte Vollstreckungsklausel gem. § 727 ZPO nicht erforderlich. Der Regelung des § 727 ZPO liegt die Überlegung zugrunde, dass nach § 750 ZPO nur der aus dem Titel ersichtliche Gläubiger vollstrecken kann.

Ist der Gläubiger mit dem Titelgläubiger identisch, ist eine Rechtsnachfolgeklausel – wie unter II.1. dargelegt – gerade nicht erforderlich. Nicht zu prüfen hat der Gerichtsvollzieher im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren hingegen die materiell-rechtliche Forderungsinhaberschaft des Vollstreckenden nach Erlass des Titels. Würde das Vollstreckungsgericht aber den lückenlosen Nachweis sämtlicher Abtretungsvorgänge fordern, um den Titel als Vollstreckungsgrundlage zu akzeptieren, würde dies aber auf eine solch materiell-rechtliche Prüfung hinauslaufen (vgl. LG Bielefeld, Beschluss v. 05.02.2020 – 23 T 51/20). Vielmehr muss der Schuldner derartige Einwände, die nach Erlass des Titels entstanden sind, im Wege der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO geltend machen.

3. Der Zwangsvollstreckung steht auch nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gläubigerin entgegen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Liquidation der Gesellschaft zur Folge, lässt aber die Identität der Gesellschaft unberührt, weshalb – wo soeben dargestellt – auch diesbezüglich keine Titelumschreibung nach § 727 ZPO erforderlich ist (vgl. LG München I, Beschluss v. 16.08.2017 – 16 T 2094/17 m.w.N.).

4. Schließlich steht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch der Prozessführungsbefugnis der Gläubigerin – die als allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens und damit auch vom Beschwerdegericht zu prüfen ist – nicht entgegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter die Zwangsvollstreckung aus dem Titel selbst betreiben wollte. In diesem Fall wäre eine Titelumschreibung auf ihn erforderlich (vgl. BGH, Beschluss v. 02.02.2017 – I ZR 146/16).

Dass die Gläubigerin hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auch prozessführungsbefugt ist, hat sie unterdessen durch Vorlage der notariellen Urkunde des Notars …… vom 26.03.2010, UR …… in Verbindung mit der Urkundenrolle …… vom 23.03.2010 nebst Auflistung der streitgegenständlichen Forderung hinreichend glaubhaft gemacht. Der Insolvenzverwalter erklärte in Bezug auf die in der Urkunde geregelten Forderungen die Freigabe aus der Insolvenzbefangenheit.

Soweit die Gläubigerin durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über die titulierte Forderung gem. § 80 InsO verloren hätte, müsste dies der Schuldner wiederum im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend machen oder – wie dargestellt – der Insolvenzverwalter die Erteilung einer Klausel nach § 727 ZPO zu seinen Gunsten beantragen (vgl. BGH, Beschluss v. 05.07.2005 – VII ZB 16/05; BGH, Beschluss v. 02.02.2017 – I ZR 146/16; LG München, Beschluss v. 16.08.2017 – 16 T 2094/17; LG Hagen, Beschluss v. 13.02.2020 – 3 T 35/20).

5. Auch die weiteren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Die Gläubigerin hat im Beschwerdeverfahren den Titel – Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 29.05.2001, Az. 01-8227017-0-9 – vorgelegt der der Schuldnerin am 01.06.2001 zugestellt wurde. Eine Vollstreckungsklausel ist nicht erforderlich, § 796 Abs. 1 ZPO. Auch hier gilt entsprechend der Darstellungen unter II.1, dass es sich bei der …… GmbH noch um dieselbe Gläubigerin handelt, auf die der Titel ausgestellt ist (Quelle AG).

Da ein Fall des § 727 ZPO gerade nicht vorliegt (s.o.), bedarf es vorliegend auch keiner Vollstreckungsklausel (vgl. Geimer in: Zöller/ZPO, 33. Aufl. 2020, § 796 ZPO, Rn. 1).

6. Schließlich hat die Gläubigerin im Beschwerdeverfahren auch den Nachweis einer Inkassovollmacht der …… Services GmbH vorgelegt, wonach diese von der Gläubigerin bevollmächtigt ist, alle erforderlichen Betreibungsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Maßnahmen zur Einziehung der titulierten Forderungen zu ergreifen.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 788 ZPO. Hinsichtlich der Gerichtskosten wurde von § 21 Abs. 1 S. 1 GKG Gebrauch gemacht.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Interesse der Gläubigerin an der Vollstreckung der Forderung in Höhe von 390 Euro.

3. Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert. Es handelt sich vorliegend um eine reine Einzelfallentscheidung.

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