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Glatteisbedingter Sturz auf Eingangstreppe – Schmerzensgeld

AG Hamburg-Blankenese – Az.: 531 C 261/18 – Urteil vom 20.02.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt weitere 500,00 € (fünfhundert EURO) nebst 5 Prozentpunkte Zinsen hieraus seit 15.02.2017 an die Klägerin zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3.

4. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin (geboren 1948) macht Schmerzensgeldansprüche aus einem glatteisbedingten Sturz vom 08.01.2017 auf der zum Mietobjekt/Haus führenden Eingangstreppe gegenüber dem Beklagten als Vermieter und Eigentümer geltend.

Durch Blitzeis im Norden Deutschlands kam es schwerpunktmäßig am 07.01.2017 zu einer Vielzahl von Glatteisunfällen.

Die Klägerin verließ am Nachmittag des Folgetages (08.01.2017) das Haus zusammen mit der ebenfalls dort zur Miete wohnenden Zeugin K.

Tagsüber hatte die Sonne geschienen und die Klägerin hatte beobachtet, dass bereits wieder Spaziergänger unterwegs waren.

Der Beklagte ist in den Mietvertrag vom 03.04.1992 auf Vermieterseite eingetreten. In § 10 des Mietvertrages heißt es zu Wegereinigung und Streupflicht:

„Während der Wintermonate sind Schnee und Eis zu den üblichen Verkehrszeiten zu beseitigen. … Sofern der Mieter zur Reinigung verpflichtet ist, erfolgen die Gehwegreinigung, Schnee- und Eisbeseitigung und das Streuen nach einem vom Vermieter aufgestellten Plan.“

Einen derartigen Winterdienstplan für die dortigen Mieter gibt es nicht.

Der Beklagte hat lediglich die Firma S.- GmbH (vergleiche deren Schreiben vom 22.03.2017, Blatt 9 der Akte) mit der Reinigung des öffentlichen Gehweges sowie dem dortigen Winterdienst beauftragt.

Die Treppenstufen, auf denen die Klägerin ausrutschte, sind nicht Bestandteil dieses Vertrages.

Die Klägerin stürzte beim Heruntergehen auf der Hauseingangstreppe. Sie hatte das dort befindliche Geländer nicht benutzt. Dort stand die Zeugin K, die nach ihr die Treppe begehen wollte.

Aufgrund des Sturzes zog die Klägerin sich zumindest ein Hämatom am Gesäß zu, erlitt hierdurch eine mindestens einwöchige Arbeitsunfähigkeit und eine Blockade des SI-Gelenkes.

Die Klägerin begab sich in ärztliche Behandlung. Auf die als Anlage K 1 und K 1 a vorgelegten ärztlichen Atteste vom 05.09.2017 und 28.02.2017 wird verwiesen.

Der Beklagte hat vorprozessual 500,00 € Schmerzensgeld hierauf geleistet.

Die Klägerin behauptet, es sei für sie und die Zeugin K nicht erkennbar gewesen, dass die Treppe im Unfallzeitpunkt noch vereist war. Die Betonplatten zwischen öffentlichem Weg und Treppe seien abgetaut gewesen, da bis zum späten Nachmittag die Sonne geschienen hatte.

Die Treppe sei mit einer Beschichtung versehen im Gegensatz zu den Gehwegplatten. Hierdurch sei es besonders glatt gewesen.

Die Klägerin hätte 2 Monate lang erhebliche Schmerzen beim Sitzen und Gehen im Beckenbereich gehabt.

Sie habe ärztlich verordnete Therapiemaßnahmen, insbesondere Physiotherapie und Analgesie wahrgenommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe gegen seine Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass der Vermieter/der Beklagte die Schnee- und Eisbeseitigung veranlasse, da er sie auch entsprechend in den Betriebskostenabrechnungen auf die Mieter umgelegt habe.

Der Beklagte sei – falls das teilweise nicht der Fall war – verpflichtet gewesen, die Mieter hierüber zu unterrichten.

Die Klägerin hält ein Mitverschulden für nicht gegeben und ein Schmerzensgeld von 2.000,00 € abzüglich gezahlter 500,- € für gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.500,00 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen seit 15.12.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass die Mietpartei F Hausmeisterdienste übernimmt und nach § 10 des Mietvertrages die Klägerin und die Mitmieter zum Winterdienst verpflichtet seien.

Zumindest hätten die Mieter in der Vergangenheit gelegentlich den Winterdienst ausgeführt.

Nicht nur am 07.01.2017 sondern auch am 08.01.2017 hätten in Norddeutschland extreme Wetterbedingungen in Form von Blitzeis geherrscht.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden treffe. Sie habe seit 23 Jahren die örtlichen Gegebenheiten gekannt, deswegen hätte sie sich nicht darauf verlassen dürfen, dass andere (Mieter) die Eingangstreppe abstreuen würden.

Schon wegen des am Vortag extremen Blitzeises hätte die Klägerin nur mit höchster Vorsicht das Haus verlassen dürfen. An den Eingangsstufen hätte sie den Handlauf nutzen sollen.

Für die unstreitigen Verletzungen käme bei 50-prozentigem Mitverschulden lediglich ein Schmerzensgeldbetrag von 200,00 € in Frage (vgl. die nicht vorgelegte Entscheidung AG Osnabrück vom 20.06.2011, Aktenzeichen 52 C 290/10).

Das Gericht hat Beweis erhoben über den Hergang des Sturzes auf der Hauseingangstreppe durch Vernehmung der Zeugin K.

Insoweit wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2019.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin stehen unstreitig dem Grunde nach Schmerzensgeldansprüche gemäß § 253 Absatz 2 BGB in Verbindung mit §§ 535 f. BGB gegenüber dem Beklagten als ihrem Vermieter und Verkehrssicherungspflichtigem zu.

Der unglückliche und letztlich schmerzhafte Sturz der Klägerin am 08.01.2017 nach 16.00 Uhr auf der Hauseingangstreppe zum Mietobjekt ist Folge mehrfacher Verkehrssicherungspflichtverletzungen des Beklagten.

Glatteisbedingter Sturz auf Eingangstreppe - Schmerzensgeld
(Symbolfoto: Von Astrid Gast/Shutterstock.com)

Der Beklagte hat seine Organisationspflichten als Vermieter verletzt in dem er zwar versucht hat über § 10 den Winterdienst auf die Mieter zu überwälzen. Allerdings hat er sich nicht an die eigenen Vorgaben in § 10 Ziffer 2 des Mietvertrages gehalten, wonach die Schnee- und Eisbeseitigung und das Streuen nach einem vom Vermieter aufzustellenden Plan erfolgen sollten. Von einem solchen Plan hat der Beklagte nichts berichtet und der Klägerin ist ein Plan auch nicht bekannt.

Insoweit hat die Zeugin K berichtet, dass sie – von sich aus – gelegentlich in der Zeit vor dem Glatteisunfall der Klägerin auf dem Grundstück Schnee beseitigt habe. Dies sei nicht auf Weisung des Beklagten als Vermieter erfolgt, sondern lediglich damit der Dreck von draußen nicht in die Wohnung der Zeugin getragen werde.

Darüber hinaus steht fest, dass die Treppenstufen – im Gegensatz zum Zuweg selbst – mit einer Beschichtung versehen sind, die keine hinreichende Rutschfestigkeit aufweist. Nach der Berufsgenossenschaftsregel 181 – erstellt für Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr – muss ein Fußboden einen Wert von R 9 für den Eingangsbereich innen erreichen, während etwa Garagen im Innenbereich einen Wert von R 10 erreichen müssen.

Eine Rampe im Außenbereich muss eine Rutschfestigkeit von R 11 erreichen.

Dies ist im Regelfall nur möglich, wenn zur Erhöhung der Rutschfestigkeit dem Anstrich der Hauseingangstreppe ein Granulat beigemischt worden wäre.

Die Rutschfestigkeit R 11 wird als „laufsicher“ eingestuft, während darunter liegende Rutschfestigkeiten nur mit „schrittsicher“ bezeichnet werden.

Bei Treppen muss die Rutschfestigkeit noch erheblich höher sein als bei Außenflächen.

Durch den von der Zeugin K berichteten Anstrich ist die Rutschfestigkeit sogar weiter herabgesetzt worden, so dass die Treppe sogar an Regentagen glatt ist. Insoweit ist die Beschichtung erkennbar kontraproduktiv.

Das Mitverschulden der Klägerin ist vor dem Hintergrund, dass ihr die örtlichen Verhältnisse – genauso wie der Zeugin K – bekannt waren und dem Vorhandensein eines von der Beklagten nicht genutzten aber vorhandenen Treppengeländers mit einem Drittel zu bewerten. Das Schmerzensgeld wird bei 100 % mit 1.500,00 € angesetzt. Mit Rücksicht auf die unstreitig geleisteten 500,00 € auf das Schmerzensgeld schuldet der Beklagte weitere 500,00 €.

Die Klägerin war hier aufgrund ihrer örtlichen Kenntnisse und aufgrund zahlreicher vorangegangener Begehungen der Hauseingangstreppe quasi vorgewarnt. Die Klägerin hätte auch dem Zustand der Treppe aufgrund dieser Vorkenntnisse größere Aufmerksamkeit widmen können oder die Treppenanlage nach der Zeugin K unter Benutzung des Geländers verlassen sollen.

Die dem Beklagten obliegende Verkehrssicherungspflicht bedeutet nämlich lediglich, dass ein hinreichend sicherer Zustand der Treppe aufrechterhalten werden musste. Einen Anspruch auf völlige Gefahrlosigkeit der Treppenanlage hatte die Klägerin nicht. Der vorliegende Fall ist jedoch nicht mit der sogenannten „Fähranlegerentscheidung“ des AG Hamburg-Blankenese (Urteil vom 09.07.1997, 508 C 151/97) zu vergleichen. Dort hatte der Benutzer trotz glatten Fähranlegers bewusst – weil er es eilig hatte – das Geländer nicht genutzt.

Hier hatte die Klägerin, ebenso wie die Zeugin K, die Gefahr auf der Treppe nicht realisiert. Die Klägerin hatte auch jahreszeitadäquates Schuhwerk an. Das überwiegende Verschulden am Glatteisunfall der Klägerin trifft den Beklagten.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes stehen im Hinblick auf die Kompensationsfunktionen Umstände im Vordergrund, die die Verletzte betreffen, unter anderem Ausmaß und Schwere der Verletzungen und der Schmerzen, Dauer der Behandlung sowie Belastung durch sonstige Behandlungsmaßnahmen.

Das Gericht sieht es aufgrund der Angaben der Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Hintergrund insbesondere des ärztlichen Attestes vom 28.02.2017 als erwiesen an, dass die von der Orthopädin vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen, insbesondere Physiotherapie, durchgeführt wurden und dass die Patientin bis 28.02.2017 zwar deutlich beschwerdegebessert jedoch nicht beschwerdefrei war und deswegen die Physiotherapie noch fortgesetzt wurde.

Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gerechtfertigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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