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Übersicht:
- ✔ Kurz und knapp
- Glatteisunfall: Wer haftet für Schäden auf ungeräumten Flächen?
- ✔ Der Fall vor dem Landgericht München II
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Verkehrssicherungspflicht
- Was ist eine Verkehrssicherungspflicht und wer trägt sie?
- Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um der Verkehrssicherungspflicht bei Glätte nachzukommen?
- Welche Rolle spielt das Mitverschulden des Geschädigten bei Glatteisunfällen?
- Wie werden die Schadensersatzansprüche bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bemessen?
- Welche Beweispflichten bestehen bei Glatteisunfällen und wie kann man sich als Verkehrssicherungspflichtiger absichern?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht München II
✔ Kurz und knapp
- Der Beklagte hat als beauftragter Räum- und Streudienst die übernommene Verkehrssicherungspflicht für den Parkplatz verletzt.
- Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Beklagte nicht ordnungsgemäß gestreut hat und stellenweise sehr glatte Flächen bestanden.
- Die Klägerin, die auf einer solchen Glatteisfläche stürzte, hat jedoch ein Mitverschulden von 50 %, da sie die erkennbare Glätte beim Befahren des Parkplatzes hätte erkennen müssen.
- Der Beklagte haftet daher anteilig für die geltend gemachten Schäden wie Schmerzensgeld, Verdienstausfall und Anwaltskosten.
- Der Umfang der Schadensersatzpflicht wurde im Urteil lediglich dem Grunde nach festgestellt, da viele Schadenspositionen noch nicht beziffert werden konnten.
- Das Gericht wies den Beklagten an, der Klägerin die materiellen Schäden zu 50 % und die immateriellen unter Berücksichtigung des Mitverschuldens von 50 % zu ersetzen.
- Zwecklose Maßnahmen waren vom Beklagten nicht erforderlich.
- Die Kostenentscheidung bleibt abschließendem Endurteil vorbehalten.
Glatteisunfall: Wer haftet für Schäden auf ungeräumten Flächen?
Bei Unfällen wie Stürzen oder Kollisionen auf glatten Wegen und Flächen stellt sich oft die Frage, wer dafür verantwortlich ist und Schadensersatz leisten muss. Grundsätzlich tragen Eigentümer oder Besitzer einer Liegenschaft die sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Sie sind für die Räumung und Streuung bei Glatteis sowie die Beseitigung anderer Gefahren auf ihren Grundstücken verantwortlich. Kommt dieser Pflicht nicht ordnungsgemäß nach, können Geschädigte Schadenersatz verlangen.
Allerdings ist die Haftung des Pflichtigen nicht unbegrenzt. Er muss nur Maßnahmen ergreifen, die nach den Umständen zumutbar und verhältnismäßig sind. Zudem kann auch ein Mitverschulden des Verletzten die Haftung des Verantwortlichen teilweise ausschließen. Wie diese Abwägung im Einzelfall ausfällt, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil zum Thema Glatteisunfall und Übertragung der Verkehrssicherungspflicht.
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✔ Der Fall vor dem Landgericht München II
Glatteisunfall auf einem Parkplatz führt zu Schadensersatzansprüchen
Am 21. Januar 2022 stürzte die Klägerin auf einem Parkplatz aufgrund von Glatteis und zog sich dabei Verletzungen zu. Sie machte daraufhin Schadensersatzansprüche geltend und klagte vor dem Landgericht München II gegen den Beklagten, der vertraglich den Winterdienst auf diesem Parkplatz übernommen hatte. Der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung lag in der Frage, ob der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte, indem er den Parkplatz nicht ausreichend gestreut hatte. Der Beklagte argumentierte, er habe ordnungsgemäß geräumt und gestreut, und machte zudem geltend, dass die extremen Witterungsverhältnisse am Unfalltag eine vollständige Sicherung des Parkplatzes unmöglich gemacht hätten.
Das Gerichtsurteil und die rechtlichen Erwägungen
Das Landgericht München II entschied, dass die Klage dem Grunde nach begründet sei, jedoch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin in Höhe von 50 %. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Laut Beweisaufnahme war der Parkplatz zwar geräumt, jedoch nicht ausreichend gestreut, sodass es an einigen Stellen sehr glatt war. Die Klägerin trug Winterschuhe und bemerkte bereits beim Befahren des Parkplatzes die Glätte. Trotz dieser Wahrnehmung stieg sie aus ihrem Fahrzeug aus und stürzte kurz darauf. Das Gericht berücksichtigte, dass die Klägerin aufgrund der erkannten Glätte ein Mitverschulden trug.
Der Beklagte hatte in seiner Verteidigung angegeben, am Unfalltag von 08:00 bis 09:30 Uhr den Winterdienst durchgeführt und 100 kg Streusalz aufgebracht zu haben. Diese Angaben wurden jedoch durch die Aussagen des Zeugen und die Feststellungen der Polizei infrage gestellt. Der Zeuge gab an, dass er den Parkplatz geräumt und gestreut, jedoch keine nachträgliche Kontrolle durchgeführt habe. Das Gericht folgerte daraus, dass der Beklagte nicht ausreichend Maßnahmen getroffen hatte, um die Glättegefahr vollständig zu beseitigen.
Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung
Aufgrund der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wurde der Beklagte verpflichtet, der Klägerin 50 % der entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Dazu zählen unter anderem Schmerzensgeld, Verdienstausfall und vorgerichtliche Anwaltskosten. Das Gericht stellte fest, dass eine vollständige Verkehrssicherung nicht erreichbar sei, jedoch Maßnahmen ergriffen werden müssten, die eine gefahrlose Nutzung der Verkehrsfläche bei winterlichen Bedingungen ermöglichen. Der Beklagte habe diese Maßnahmen nicht in ausreichendem Maße getroffen.
Das Gericht betonte, dass eine Verkehrssicherungspflicht dann verletzt sei, wenn die Gefahr, die von der Verkehrsfläche ausgehe, nicht durch zumutbare Maßnahmen beseitigt werde. Im vorliegenden Fall sei dies durch das unzureichende Streuen des Parkplatzes gegeben. Auch das Argument des Beklagten, dass am Unfalltag extreme Wetterverhältnisse geherrscht hätten, überzeugte das Gericht nicht, da keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, die eine vollständige Streuung unmöglich gemacht hätten.
Mitverschulden der Klägerin und weitere rechtliche Aspekte
Die Klägerin wurde ein Mitverschulden in Höhe von 50 % angerechnet, da sie die Glättegefahr erkannt hatte und dennoch ausgestiegen war, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen. Das Gericht berücksichtigte, dass die Klägerin sich auf die Glätte hätte einstellen und entsprechende Vorsicht walten lassen müssen. Das Tragen von Winterschuhen reichte nicht aus, um das Mitverschulden zu negieren.
Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass der Beklagte für alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Vorfall resultieren, ebenfalls zu 50 % haftet, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind. Das Gericht erklärte, dass ein Feststellungsinteresse der Klägerin bestehe, um drohender Verjährung entgegenzuwirken und um zukünftige Schäden geltend machen zu können.
Die Entscheidung verdeutlicht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht bei winterlichen Bedingungen und die Abwägung von Verschuldensanteilen zwischen den beteiligten Parteien. Das Urteil unterstreicht, dass Verkehrssicherungspflichtige Maßnahmen treffen müssen, die eine gefahrlose Nutzung der Verkehrsfläche gewährleisten, und dass Geschädigte bei erkennbaren Gefahren ebenfalls zur Vorsicht verpflichtet sind.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung verdeutlicht die Verkehrssicherungspflicht bei Glatteisunfällen auf Parkplätzen. Der Winterdienst muss zumutbare Maßnahmen ergreifen, um Gefahren zu beseitigen. Unzureichendes Streuen führt zu einer Pflichtverletzung und begründet Schadensersatzansprüche. Bei erkannter Glätte trifft Geschädigte jedoch ein Mitverschulden. Das Urteil zeigt die Abwägung der Verschuldensanteile und die Haftung für zukünftige Schäden.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Verkehrssicherungspflicht
Was ist eine Verkehrssicherungspflicht und wer trägt sie?
Die Verkehrssicherungspflicht ist eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen nach den §§ 823 ff. BGB führen kann. Sie verpflichtet denjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dabei umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
Die Verkehrssicherungspflicht ist zwar in keinem Gesetz ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus der Rechtsprechung in Kombination mit Art. 14 Abs. 2 GG („Eigentum verpflichtet“) und § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht bei Verletzung absoluter Rechte). Sie trifft grundsätzlich denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Sache hat und die Eröffnung eines Verkehrs ermöglicht. Das sind typischerweise Eigentümer oder Besitzer von Grundstücken, Gebäuden und Anlagen mit Publikumsverkehr.
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sind die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden. Nicht jeder abstrakten Gefahr muss vorbeugend begegnet werden. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst, wenn sich die naheliegende Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Anderer ergibt. Dann ist derjenige Sicherheitsgrad zu gewährleisten, den die jeweilige Verkehrsauffassung für erforderlich hält.
Die Verkehrssicherungspflicht kann durch Vereinbarung auch auf Dritte übertragen werden, etwa vom Vermieter auf den Mieter. Der ursprünglich Pflichtige wird dadurch aber nicht völlig entlastet, sondern behält Kontroll- und Überwachungspflichten. Bei Wohnungseigentümergemeinschaften trifft die Verkehrssicherungspflicht für Gemeinschaftsflächen die Eigentümergemeinschaft insgesamt.
Wird die Verkehrssicherungspflicht verletzt und entsteht dadurch ein Schaden, kann der Geschädigte Schadensersatzansprüche geltend machen. Er muss dafür nachweisen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für den Schaden war. Gelingt dieser Nachweis, muss der Verkehrssicherungspflichtige für die Schäden einstehen, sofern ihn ein Verschulden trifft.
Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um der Verkehrssicherungspflicht bei Glätte nachzukommen?
Um der Verkehrssicherungspflicht bei Glätte nachzukommen, müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Rechtzeitiges und ausreichendes Räumen und Streuen der Gehwege. Werktags muss in der Regel zwischen 7 und 20 Uhr geräumt und gestreut werden, an Sonn- und Feiertagen ab 9 Uhr. Die Gehwege müssen auf einer Breite von mindestens 1,20 m geräumt werden, so dass zwei Fußgänger aneinander vorbeigehen können. Auch die Zugänge zum Grundstück sind freizuhalten.
Mehrmaliges Räumen und Streuen bei andauernder Glätte. Wenn es die Witterung erfordert, muss auch mehrmals täglich geräumt und gestreut werden. Allerdings muss bei anhaltendem Schneefall nicht fortlaufend geräumt werden, wenn dies sinnlos wäre. Sobald der Schneefall nachlässt, muss aber unverzüglich tätig geworden werden, meist innerhalb einer halben Stunde.
Verwendung geeigneter abstumpfender Streumittel. Es müssen Streumittel wie Sand oder Splitt verwendet werden, die eine abstumpfende Wirkung haben. Ungeeignet sind z.B. Sägemehl oder Hobelspäne. Streusalz darf nur bei extremer Glätte eingesetzt werden.
Beseitigung von Schnee und Eis auf Dächern. Auch Dachlawinen und Eiszapfen müssen entfernt werden, wenn sie eine Gefahr darstellen. Wo dies gefahrlos möglich ist, kann der Eigentümer selbst tätig werden, ansonsten muss ein Fachbetrieb beauftragt werden.
Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die genannten Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig ergriffen werden und dadurch jemand zu Schaden kommt. Der Geschädigte muss dann nachweisen, dass die Glätte ursächlich für seinen Sturz war und dass der Verkehrssicherungspflichtige seine Pflichten schuldhaft verletzt hat. Gelingt dieser Nachweis, muss der Pflichtige für die entstandenen Schäden einstehen.
Welche Rolle spielt das Mitverschulden des Geschädigten bei Glatteisunfällen?
Bei Glatteisunfällen spielt das Mitverschulden des Geschädigten eine wichtige Rolle für die Haftungsverteilung zwischen dem Verkehrssicherungspflichtigen und dem Verletzten. Grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer im Winter auf die witterungsbedingten Gefahren einstellen und eigenverantwortlich Vorsichtsmaßnahmen zu seinem Schutz ergreifen muss.
Ein Mitverschulden des Geschädigten wird meist dann bejaht, wenn er die winterliche Gefahrenlage erkannt hat, sich ihr aber dennoch ohne zwingende Notwendigkeit ausgesetzt hat. Entscheidend sind dabei immer die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der erkannten Gefahr. Handelt der Geschädigte trotz erheblicher Gefahr den gebotenen Vorsichtsmaßnahmen zuwider, begründet dies regelmäßig ein Mitverschulden nach § 254 BGB.
Allerdings führt nicht schon die bloße Kenntnis der Gefahrenlage automatisch zu einem überwiegenden oder gar alleinigen Mitverschulden des Verletzten. Vielmehr müssen die beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile gegeneinander abgewogen werden. Eine vollständige Überbürdung des Schadens auf den Geschädigten kommt nur ausnahmsweise bei ganz besonders leichtfertiger Selbstgefährdung in Betracht.
Wird ein Mitverschulden des Geschädigten bejaht, mindert sich sein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld entsprechend seinem Verursachungsanteil. Bei der Bemessung der Mithaftungsquote steht den Gerichten ein weiter Ermessensspielraum zu. Häufig wird eine Mithaftung des Geschädigten von einem Drittel bis zur Hälfte angenommen.
Fazit: Das Mitverschulden des Geschädigten kann bei Glatteisunfällen zu einer spürbaren Kürzung seiner Ersatzansprüche führen. Es setzt aber eine unvernünftige Selbstgefährdung trotz erkannter erheblicher Gefahr voraus. Die bloße Gefahrkenntnis genügt nicht. Letztlich kommt es auf die Abwägung aller Umstände des Einzelfalls an.
Wie werden die Schadensersatzansprüche bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bemessen?
Bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten können dem Geschädigten materielle und immaterielle Schäden entstehen, für die er Ersatz verlangen kann.
Zu den materiellen Schäden zählen vor allem Heilbehandlungs- und Reparaturkosten, aber auch Verdienstausfall. Diese werden nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB ersetzt. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (Totalreparation). Bei Sachschäden kann er zwischen Naturalrestitution und Geldersatz wählen.
Daneben können auch immaterielle Schäden wie Schmerzen, Leiden und Entstellungen ersatzfähig sein. Dafür sieht § 253 Abs. 2 BGB die Zahlung einer billigen Entschädigung in Geld vor (Schmerzensgeld). Die Höhe bemisst sich nach der Schwere und Dauer der Beeinträchtigungen sowie dem Grad des Verschuldens. Genaue Berechnungsformeln gibt es nicht, die Gerichte orientieren sich an vergleichbaren Fällen.
Allerdings führt nicht jede Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht automatisch zur vollen Haftung. Vielmehr ist ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB zu berücksichtigen. Hat er selbst fahrlässig zur Entstehung oder Erhöhung des Schadens beigetragen, mindert dies seinen Ersatzanspruch entsprechend. Die Mithaftungsquote hängt vom Verursachungs- und Verschuldensanteil beider Seiten ab.
Ein Mitverschulden kann beispielsweise vorliegen, wenn sich der Geschädigte leichtfertig einer erkannten Gefahr ausgesetzt hat. Allerdings führt nicht schon die bloße Gefahrkenntnis zu einer Mithaftung, solange man sich noch verkehrsgerecht verhalten hat. Abzuwägen sind stets alle Umstände des Einzelfalls. Häufig wird eine Mithaftung des Geschädigten von einem Drittel bis zur Hälfte angenommen.
Welche Beweispflichten bestehen bei Glatteisunfällen und wie kann man sich als Verkehrssicherungspflichtiger absichern?
Bei Glatteisunfällen trägt grundsätzlich der Geschädigte die Beweislast dafür, dass der Verkehrssicherungspflichtige seine Räum- und Streupflicht verletzt hat und dies ursächlich für den Unfall war. <strong>Der Geschädigte muss nachweisen, dass zum Unfallzeitpunkt eine allgemeine Glätte oder zumindest eine ernsthafte lokale Glättegefahr im Verantwortungsbereich des Streupflichtigen bestand</strong>. Zudem muss er belegen, dass sich der Unfall innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht ereignet hat.
Gelingt dem Geschädigten dieser Nachweis, kann ihm eine Beweiserleichterung in Form des Anscheinsbeweises zugutekommen. <strong>Dann wird vermutet, dass die Verletzung der Streupflicht ursächlich für den Unfall war, wenn sich der Sturz innerhalb der Räum- und Streuzeiten ereignet hat</strong>. Diese Vermutung kann der Verkehrssicherungspflichtige nur entkräften, wenn er besondere Umstände darlegt und beweist, die ein Streuen bis kurz vor dem Unfall zwecklos gemacht hätten, z.B. starker anhaltender Schneefall.
Um sich gegen Haftungsansprüche abzusichern, sollte der Streupflichtige daher seine Maßnahmen sorgfältig dokumentieren. <strong>Empfehlenswert ist das Führen eines „Streutagebuchs“ mit Angaben zu Einsatzzeiten, eingesetztem Personal, verwendeten Streumitteln und geräumten Flächen</strong>. Auch Fotos der geräumten Wege können als Beweismittel dienen. Bei Übertragung der Streupflicht auf Dritte sollten klare vertragliche Regelungen getroffen und deren Einhaltung kontrolliert werden.
Kommt es zu einem Unfall, ist eine zeitnahe Beweissicherung durch Fotos der Unfallstelle und Zeugenaussagen ratsam. Wetterdaten und Einsatzprotokolle der Räumdienste können belegen, ob eine allgemeine Glätte vorlag. <strong>Gerichtlich anerkannte Beweismittel sind insbesondere Zeugenaussagen, Urkunden wie Verträge oder Protokolle, Fotos und Sachverständigengutachten</strong>. Je besser die Dokumentation, desto eher kann sich der Streupflichtige entlasten.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht entstehen. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte durch unzureichendes Streuen des Parkplatzes eine Verkehrssicherungspflicht verletzt, was zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin führte.
- § 254 Abs. 1 BGB (Mitverschulden): Dieser Paragraph behandelt die Berücksichtigung des Mitverschuldens des Geschädigten bei der Schadensersatzpflicht. Da die Klägerin die Glätte erkannt und dennoch gehandelt hat, wurde ihr Mitverschulden zu 50 % angerechnet.
- Verkehrssicherungspflicht: Dies ist eine allgemeine Pflicht zur Sicherung von Gefahrenstellen. Der Beklagte hatte durch die Übernahme des Winterdienstes die Verkehrssicherungspflicht für den Parkplatz übernommen und war somit verantwortlich für die Beseitigung der Glätte.
- § 256 Abs. 1 ZPO (Feststellungsklage): Diese Vorschrift ermöglicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Die Klägerin beantragte die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Unfall, um einer möglichen Verjährung entgegenzuwirken.
- BGH NJW 2008, 1440 (Rechtsprechung zur Übertragung der Verkehrssicherungspflicht): Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs besagt, dass die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht klar und eindeutig vereinbart werden muss. Im vorliegenden Fall wurde die Pflicht durch den Vertrag mit dem Eigentümer des Parkplatzes auf den Beklagten übertragen.
- § 304 Abs. 1 ZPO (Grundurteil): Diese Regelung ermöglicht ein Grundurteil, wenn der Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist, aber die Höhe des Schadens noch nicht feststeht. Das Gericht entschied hier dem Grunde nach zugunsten der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens.
- Streupflicht bei winterlichen Verhältnissen: Die Pflicht zur Beseitigung von Schnee und Glatteis auf öffentlichen Flächen. Der Beklagte war verpflichtet, den Parkplatz ausreichend zu streuen, um Unfälle zu verhindern. Da dies nicht ausreichend erfolgt ist, wurde eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht festgestellt.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht München II
Urteil vom 31.07.2023 – LG München II – Az.: 2 O 4022/22
1. Die Klage ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin in Höhe von 50 % begründet.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu 50 % und sämtliche immateriellen Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens in Höhe von 50 % aus dem Vorfall vom 21.01.2022 zu ersetzen, soweit die Ansprüche noch nicht entstanden sind bzw. noch nicht beziffert werden können, und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen eines Glatteisunfalls geltend.
Die Klägerin war im Januar 2022 im … beschäftigt. Vor diesem Geschäft befindet sich ein Parkplatz. Auf diesem Parkplatz stellt die Klägerin ihr Auto ab, wenn sie zu ihrem Arbeitsplatz geht.
Der Beklagte hat den winterlichen Räum- und Streudienst durch vertragliche Vereinbarung mit dem Eigentümer für diesen Parkplatz übernommen.
Am 21.01.2022 gegen 10.20 Uhr wurde die Polizei zum Parkplatz in der … in … gerufen, weil die Klägerin auf dem Weg zur Arbeit wegen Glatteis auf dem Parkplatz gestürzt sei. Als die Beamten vor Ort eintrafen, erfuhren sie vom Arbeitgeber der Klägerin, dass die Klägerin durch den Rettungsdienst ins … verbracht worden sei. Auf dem Parkplatz fanden die Beamten den PKW der Klägerin. Nach dem Ergebnis des Ermittlungsberichts im Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten als Beschuldigten einer fahrlässigen Körperverletzung war laut den Feststellungen der Polizeibeamten der gesamte Parkplatz zu diesem Zeitpunkt schneegeräumt, an einigen Stellen jedoch sehr glatt gewesen; nicht nachgewiesen werden konnte, ob der Beklagte nach den Räumarbeiten auch gesalzen hat. Die Staatsanwaltschaft hat des Strafverfahren gegen den Beklagten eingestellt.
Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Sie verlangt Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 6.000 €, einen Verdienstausfall in Höhe von 141,52 €, eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 30 €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich künftiger Schäden, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 €.
Die Klägerin behauptet, sie sei am 21.01.2022 gegen 09.30 Uhr mit ihrem PKW auf den Parkplatz gefahren, aus ihrem PKW ausgestiegen und dann aufgrund Glatteises ausgerutscht und gestürzt. Dabei habe sie sich verletzt. Wegen der behaupteten Verletzungen und des Behandlungsverlaufs wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, den Beklagten treffe hier eine Verkehrssicherungspflicht, die er verletzt habe. Daher stünden ihr gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche zu.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 171,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, zumindest 6.000 €.
3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 713,76 € außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 21.01.2022 zu ersetzen, soweit die Ansprüche noch nicht entstanden sind bzw. noch nicht beziffert werden können, und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte beantragt, K l a g e a b w e i s u n g.
Der Beklagte ist der Ansicht, er habe mit der Übernahme des Winterdienstes keine Verkehrssicherungspflicht übernommen oder gar eine Haftung oder eine Freistellungsverpflichtung, so dass gegen ihn auch keine Ansprüche geltend gemacht werden könnten.
Der Beklagte behauptet, er habe am streitgegenständlichen Tag von 08.00 bis 09.30 Uhr den Winterdienst auf dem streitgegenständlichen Parkplatz ordnungsgemäß durchgeführt. Er habe geräumt und Salz gestreut. Laut seiner Rechnung an den Eigentümer sei er auf dem Parkplatz 6,5 Stunden tätig gewesen und habe 100 kg Streusalz auf den Parkplatz aufgebracht. Er ist daher der Ansicht, ihn treffe keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, zumal auch die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung eingestellt habe.
Der Beklagte trägt vor, an diesem Tag habe morgens und am Vormittag Sprühregen und Schneefall mit Temperaturen um -5° C geherrscht. Daher habe für ihn gar keine Streupflicht bestanden, wenn überhaupt, nur im Rahmen des Sinnvollen und Zumutbaren. Vorliegend sei das Streuen zwecklos gewesen, da aufgebrachtes Streugut immer wieder ausgewaschen bzw. überdeckt worden wäre und eine nachhaltige Streuwirkung nicht habe erreicht werden können. Zwecklose Maßnahmen könnten aber nicht verlangt werden. Daher habe tatsächlich gar keine Räum- und Streupflicht bestanden. Er sei seiner Räum- und Streupflicht aber trotzdem überobligatorisch nachgekommen.
Er behauptet weiter, die Klägerin habe vermeintlich kein für die winterlichen Verhältnisse geeignetes Schuhwerk getragen. Zudem sei die behauptete Eisfläche am helllichten Tag deutlich erkennbar gewesen. Spätestens bei der Einfahrt in den Parkplatz könne der Klägerin nicht entgangen sein, dass winterliche Verhältnisse durch überfrierende Nässe bzw. Schneefall geherrscht hätten. Bei genügender Aufmerksamkeit hätte die Klägerin die behauptete und bestrittene Glatteisfläche ohne weiteres umgehen können und müssen. Sie habe sich jedoch selbst in eine Gefahrensituation begeben, was ein so erhebliches Mitverschulden begründe, dass ein einmal angenommener Pflichtverstoß durch Unterlassen des Beklagten vollständig zurücktreten würde. In jedem Fall sei aber ein hälftiges Mitverschulden der Klägerin gegeben.
Der Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der Tatsache, dass sich kein weiterer Unfall an diesem Tag ereignet habe, lasse sich das Fehlen einer Sorgfaltspflichtverletzung ableiten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 03.04.2023 Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 03.04.2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils der Klägerin von 50 % begründet. Die der Klägerin entstandenen Schäden sind streitig. Daher konnte hinsichtlich des Leistungsantrags durch Grundurteil nach § 304 I ZPO entschieden werden. Über den Feststellungsantrag konnte abschließend, also durch Teilendurteil, entschieden werden.
I.
Die Klage ist dem Grunde nach begründet, wobei die Klägerin ein Mitverschulden von 50 % trifft.
1. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien und der Beweisaufnahme steht folgender Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
Die Klägerin fuhr am 21.01.2022 gegen 09.30 Uhr mit ihrem PKW auf den Parkplatz vor dem … um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen. Als sie auf den Parkplatz fuhr, bemerkte sie bereits beim Lenken ihres PKW, dass es glatt war. Der Parkplatz war geräumt. Die Klägerin stieg aus ihrem PKW, ging hinter ihrem Auto vorbei und rutschte dann auf einer glatten Stelle aus. Sie trug dabei normale Winterschuhe. Aufgrund des Sturzes verletzte sie sich. Daraufhin wurde sie mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei stellte fest, dass es an einigen Stellen auf dem Parkplatz sehr glatt gewesen ist.
Diese Überzeugung bildet sich aufgrund folgender Umstände:
a. Die Klägerin hat in ihrer informatorischen Anhörung den Sachverhalt so geschildert. Es gibt keinen Grund an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben und an der Glaubwürdigkeit ihrer Person zu zweifeln.
b. Aus dem als Anlage K10 vorgelegten Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion … vom 01.04.2022 ergibt sich, dass die Polizeibeamten, die zu dem Unfall hinzugerufen wurden, vor Ort feststellten, dass der gesamte Parkplatz schneegeräumt gewesen aber an einigen Stellen der Boden sehr glatt gewesen ist. Ferner konnte die Polizei nicht feststellen, ob vom Beklagten auch gesalzen wurde.
c. Der Beklagte gab im Rahmen seiner informatorischen Anhörung an, dass er für den Eigentümer, die Pensionskasse der Mitarbeiter der …, die Durchführung des Winterdienstes übernommen habe. Am Unfalltag habe ein Mitarbeiter von ihm, der Zeuge …, etwa um 05.00 Uhr den kompletten Parkplatz geräumt und danach mit Salz gestreut. Es habe an diesem Tag extrem stark geschneit. Sein Mitarbeiter habe ihn dann angerufen und gebeten, als Verstärkung zu kommen, da er sonst nicht zu den anderen Objekten fahren könne. Der Beklagte sei dann ab 07.00 Uhr vor Ort gewesen. Er habe angefangen, die wichtigsten Stellen vor den Geschäften und die Parkplatzreihen vor den Geschäften zu räumen. Den Schnee habe er mit dem Schneepflug weggeräumt. Dann habe er die Fläche gesalzen. Gegen 08.30 Uhr oder 08.45 Uhr habe er den Parkplatz wieder verlassen. Zu diesem Zeitpunkt habe es noch geschneit. Der Asphalt sei nicht zu sehen gewesen, wie es die Klägerin geschildert habe. Eis habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Eis gebe es erst, wenn es keinen Niederschlag mehr gebe. Schriftsätzlich hatte der Beklagtenvertreter vorgetragen, der Beklagte habe von 08.00 Uhr bis 09.30 Uhr den Winterdienst durchgeführt.
d. Der Zeuge … gab an, er habe am 21.01.2022 auf dem Parkplatz den Schnee geräumt und das komplette Gelände gesalzen. Nach dem Salzen habe er nicht mehr kontrolliert. Danach sei Dauerschneefall gewesen. Er habe seinen Chef angerufen, dass dieser nochmal weitermachen müsse. Gegen 08.00 Uhr sei er dann wieder weiter gefahren. Wie hoch der Schnee lag, als er hinkam, wusste er nicht mehr. Er habe 1,5 oder 2 Stunden lang geräumt und gestreut. Zwischen 07.30 Uhr und 08.00 Uhr sei er wieder gefahren. Als er gefahren sei, sei der Asphalt zu erkennen gewesen. Den Chef, also den Beklagten, habe er nicht mehr gesehen.
e. Die Angaben des Zeugen … weichen von den Angaben des Beklagten ab. Der Beklagte gab an, ab 07.00 Uhr vor Ort gewesen zu sein. Der Zeuge erklärte, er sei zwischen 07.30 Uhr und 08.00 Uhr wieder gefahren; den Beklagten habe er nicht getroffen. Als der Zeuge gefahren sei, sei der Asphalt zu sehen gewesen. Hingegen gab der Beklagte an, er sei gegen 08.30 Uhr oder 08.45 Uhr gefahren und der Asphalt sei da nicht zu sehen gewesen.
f. Das Gericht ist aufgrund der Feststellung der Polizei, dass es an einigen Stellen sehr glatt gewesen ist, davon überzeugt, dass der Beklagte bzw. sein Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß gestreut hat. Zudem gab die Klägerin glaubhaft an, dass sie bereits beim Befahren des Parkplatzes die Glätte bemerkt hat und dass sie dann nach dem Aussteigen auf einer glatten Stelle gestürzt ist. Soweit der Beklagtenvertreter darauf verweist, dass der Beklagte in seiner Rechnung an den Eigentümer für diesen Tag den Einsatz von 100 kg Streusalz abgerechnet habe, so ist dies kein zwingender Beweis dafür, dass das Salz wirklich und ordnungsgemäß eingesetzt wurde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte schriftsätzlich vortragen lässt, 6,5 Stunden für den Winterdienst abgerechnet zu haben, sich aus seinen eigenen Angaben im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, wonach er von etwa 07.00 Uhr bis etwa 08.00 Uhr oder 08.30 Uhr vor Ort gewesen sei, und den Angaben des Zeugen … der 1,5 oder 2 Stunden vor Ort gewesen sei, diese behauptete Stundenzahl nicht erschließt.
2. Der Beklagte hat die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt (§ 823 I BGB).
a. Der Beklagte ist für den streitgegenständlichen Parkplatz verkehrssicherungspflichtig gewesen.
a.a. Wer die Verkehrssicherungspflicht übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird (BGH NJW 2008, 1440, beck-online). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. Dieser ist auf Grund der von ihm mitveranlassten neuen Zuständigkeitsverteilung für den übernommenen Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Insofern ist seine Verkehrssicherungspflicht nicht abgeleiteter Natur. Vielmehr erfährt sie mit der Übernahme durch den Beauftragten in seine Zuständigkeit eine rechtliche Verselbstständigung. Er ist es fortan, dem unmittelbar die Gefahrenabwehr obliegt und der dafür zu sorgen hat, dass niemand zu Schaden kommt. Inhalt und Schutzbereich dieser verselbstständigten Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich allein danach, was objektiv erforderlich ist, um mit der Gefahrenstelle in Berührung kommende Personen vor Schaden zu bewahren (BGH NJW 2008, 1440, beck-online).
b.b. Der Beklagte hat sich vertraglich gegenüber dem Eigentümer des Parkplatzes verpflichtet, den Winterdienst zu übernehmen. Daher ist er für den Parkplatz verkehrssicherungspflichtig geworden.
b. Für den Inhalt und den Umfang der Verkehrssicherungspflicht gilt, dass eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, nicht erreichbar ist (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 51). Der Pflichtige muss daher nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 51). Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen vorausschauend (dh Beurteilung ex ante) zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 51). Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger, verständiger und gewissenhafter in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehörige der betreffenden Verkehrskreise/Berufsgruppen unter Berücksichtigung der Schadenswahrscheinlichkeit und möglicher Schadensfolgen für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, dh die nach den sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlich abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßen oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Der Dritte ist in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbieten Situation, bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht auch vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 51). Welche Maßnahmen (auch wirtschaftlich) zumutbar sind, richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, dem Gewicht möglicher Schadensfolgen und der Höhe des mit etwaigen Sicherheitsvorkehrungen verbundenen Kostenaufwands. Je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung und je gewichtiger der zu erwartende Schaden ist, umso eher sind (auch teurere) Sicherheitsmaßnahmen zumutbar. Im Ergebnis ist eine Gesamtabwägung aller Gesichtspunkte vorzunehmen (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 51).
c. Die Räum- und Streupflicht beruht auf der Verantwortlichkeit durch eine Verkehrseröffnung (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 210). Inhalt und Umfang richten sich auch hier nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebend ist, was zur Sicherung des Verkehrs, dem die jeweilige Einrichtung dient, erforderlich ist und, bezogen auf die einzelnen Maßnahmen, dem Pflichtigen zumutbar ist, unter Berücksichtigung insbesondere der örtlichen Verhältnisse, zB Gefährlichkeit des Verkehrswegs, dessen Art und Wichtigkeit, die Stärke des Verkehrs, die Art der Nutzer, sowie der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen (Grüneberg/Sprau, a.a.O. Rz. 210).
a.a. Räumlich besteht eine Räum- und Streupflicht bei häufiger genutzten Flächen, wie öffentlichen Parkplätzen, soweit die Flächen verkehrswesentlich sind (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212).
b.b. Zeitlich ist für den Beginn und das Ende der Räum- und Streupflicht zum einen das Einsetzen bzw. das Ende der Gefährdung maßgebend und zum anderen die üblichen Zeiten des Verkehrs (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212). Zu berücksichtigen ist eine den Umständen angemessene Reaktionszeit (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212), sofern nicht wegen ernsthaft drohender Gefahr eine vorbeugende Reaktion geboten war (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212). Bei länger anhaltenden Schneefällen ist uU schon während des Schneefalls mit groben Streumitteln, dann in angemessenen Abständen vorzugehen (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212). Bei extremen Witterungsverhältnissen mit ständig sich erneuernder Gefährdung sind Maßnahmen erst erforderlich, wenn die Gefahr dadurch nicht nur unwesentlich und ganz vorübergehend gemindert wird (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212).
c.c. Inhaltlich erfordert die Räum- und Streupflicht grundsätzlich das Wegräumen von Schnee (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212); bei Glätte gegebenenfalls das Streuen mit abstumpfenden Mitteln in einem Umfang (Breite, Intensität), der durch den Verkehrsteilnehmer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt die gefahrlose Nutzung der Verkehrsfläche erlaubt (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212). Streupflicht bedeutet nicht, dass die Wege bei eintretender Winterglätte derart zu bestreuen sind, dass ein Verkehrsteilnehmer oder ein Fahrzeug überhaupt nicht ausgleiten kann; vielmehr müssen die Wege nur derart bestreut werden, dass sie von den Verkehrsteilnehmern ohne Gefahr benutzt werden können, wenn auch die Verkehrsteilnehmer die erforderliche Sorgfalt anwenden. Bei winterlichen Witterungsverhältnissen müssen sich die Verkehrsteilnehmer nämlich grundsätzlich zunächst einmal selbst darauf einstellen (OLG Hamm VersR 1999, 589; Geigel Haftpflichtprozess/Haag, 28. Aufl. 2020, Kap. 14 Rn. 147). Außergewöhnliche Verhältnisse erfordern idR außergewöhnliche Sorgfalt, uU das häufigere Streuen und eine regelmäßige Überprüfung (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 214); sie gestatten aber auch uU Einschränkungen (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 214).
d.d. Die Beweislast für die Verletzung der Streupflicht trägt der Verletzte, wobei dem Verkehrssicherungspflichtigen eine sekundäre Darlegungslast zukommt (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 216). Ebenso hat der Geschädigte die Ursächlichkeit der unmittelbaren Pflichtverletzung für das Schadensereignis zu beweisen (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 212). Dabei spricht aber der Beweis des ersten Anscheins zugunsten des Verletzten, wenn er in unmittelbarer Nähe der zu streuenden Gefahrenstelle und innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht gestürzt ist (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 216). Bei Glatteisunfällen sind nach der Rechtsprechung des BGH die Regeln über den Anscheinsbeweis anwendbar, wenn der Verletzte innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht zu Fall gekommen ist (BGH NJW 1984, 432, 433 = VersR 1984, 40, 41; Nichtannahmebeschluss v. 19. 12. 1991, BGHR BGB § 839 I 1 – Streupflicht 7; NZV 2001, 78, beck-online; NJW 2009, 3302). Dann spricht – ähnlich wie bei einem Verstoß gegen konkret gefasste Unfallverhütungsvorschriften – nach dem ersten Anschein eine Vermutung dafür, dass es bei Beachtung der Vorschriften über die Streupflicht nicht zu den Verletzungen gekommen wäre, dass sich also in dem Unfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Schutzvorschriften verhindern wollten (BGH NJW 2009, 3302, beck-online). Die innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht vorhandene Glätte indiziert dann die Pflichtverletzung (BGH NZV 2001, 78, beck-online). Diese Beweiserleichterung kann mithin aber erst und nur Platz greifen, wenn zuvor festgestellt ist, dass das Unfallereignis in einem Zeitraum stattgefunden hat, während dessen die Unfallstelle gestreut gewesen sein musste. Für die Bestimmung dieses Rahmens ist indessen der Anspruchsteller beweispflichtig (BGH NJW 2009, 3302, beck-online). Der Streupflichtige hat die Umstände zu beweisen, die ein Streuen zwecklos machen (Grüneberg/Sprau, § 823 Rz. 216; BGH NZV 2001, 78, beck-online).
e.e. Im vorliegenden Fall bestand räumlich hinsichtlich des streitgegenständlichen Parklatzes eine Räum- und Streupflicht. Der Parkplatz war für die Mitarbeiter und Kunden der angrenzenden Geschäfte von verkehrswesentlicher Bedeutung. Dies ist auch unstreitig. Dem Beklagten war dies auch klar. Zeitlich bestand die Räum- und Streupflicht innerhalb der üblichen Geschäftszeiten. Der Sturz ereignete sich auch innerhalb dieser Zeit. Inhaltlich war hier das Wegräumen des Schnees und das Streuen von Salz erforderlich. Der Schnee war nach den Feststellungen der Polizei weggeräumt. Es gab aber einige sehr glatte Stellen. Die innerhalb der zeitlichen Grenze vorhandene Glätte indiziert die Pflichtverletzung des Beklagten. Zudem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte seine Streupflicht nicht ausreichend erfüllt hat. Bei einem Geschäftsparkplatz sind möglichst alle Bereiche zu streuen, die von den Mitarbeitern und Kunden auf dem Parkplatz beim Ein- und Aussteigen aus dem PKW und auf dem Weg zu den Geschäften betreten werden. Der Zeuge … gab zwar an, gestreut und kontrolliert zu haben, ob die „Streubüchse“ an seinem Fahrzeug geht. Er hat aber keine Kontrolle des gestreuten Bereichs vorgenommen. Die objektiven Gegebenheiten sprechen jedoch gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen …. Aufgrund der objektiven Gegebenheit, dass einige Stellen sehr glatt waren, ist das Gericht auch davon überzeugt, dass entweder technisch bedingt eine unzureichende Streuung des Parkplatzbereichs erfolgt ist oder dass der Zeuge … und der Beklagte nicht alle Bereiche gestreut hat. Zwar muss ein Fußgänger mit vereinzelten glatten Stellen rechnen. Dabei darf er aber davon ausgehen, dass er bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt die Verkehrsfläche gefahrlos nutzen kann. Dafür, dass die Beklagte nicht die gebotene Sorgfalt angewandt hat, gibt es keine Anhaltspunkte.
f.f. Das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zum Unfallzeitpunkt, wie vom Beklagtenvertreter schriftsätzlich behauptet, hat der Beklagte in seiner informatorischen Anhörung nicht dargelegt, ebensowenig der Zeuge … . Der Beklagte und der Zeuge … gaben zwar an, dass der Zeuge … den Beklagten für die Räumarbeiten zu Hilfe gerufen habe und dann der Zeuge … wieder gefahren sei. Der Zeuge konnte aber nicht angeben, wie hoch der Schnee gelegen hat. Er sprach zwar von Dauerschneefall. Von Sprühregen, wie in der Klageerwiderung behauptet, sprach aber weder der Beklagte noch der Zeuge. Laut dem Zeugen … sei der Asphalt zu sehen gewesen, als er wieder gefahren sei. Der Beklagte hat dies in seiner informatorischen Anhörung verneint. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lagen daher zum damaligen Zeitpunkt keine außergewöhnlichen Verhältnisse vor. Dauerschneefall stellt noch kein außergewöhnliches Ereignis dar, vor allem nicht im Winter in Oberau. Der Schnee konnte geräumt werden, so dass die Räummaßnahmen die Gefahr nicht nur unwesentlich gemindert haben. Die Einholung eines Gutachtens zu den Wetterverhältnissen war somit nicht veranlasst. Dies wäre auch eine reine Ausforschung, nachdem der Beklagte bereits in seiner informatorischen Verhältnisse nicht das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände geschildert hat. Im Übrigen hätten außergewöhnliche Umstände auch außergewöhnliche Maßnahmen erfordert. Es hätte dann in kleineren Abständen geräumt und gestreut werden müssen. Von einer völligen Aussichtslosigkeit ist aber weder der Zeuge … noch der Beklagte ausgegangen. Ansonsten hätten sie gar keine Maßnahmen getroffen. Auch aufgrund der unterschiedlichen Angaben des Beklagten und seines Mitarbeiters … zu den jeweiligen Räumeinsätzen, wobei der Zeuge … zur Schneehöhe auf dem Parkplatz keine Angaben machen konnte und aussagte, dass der Asphalt wieder zu sehen gewesen sei, als er fuhr, bestehen erhebliche Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben des Zeugen … und des Beklagten.
d. Die Klägerin hat sich bei dem Sturz verletzt. Damit haftet der Beklagte für den der Klägerin entstandenen Schaden (§ 823 I BGB). Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten eingestellt hat, lässt das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche unberührt. Auch die Behauptung des Beklagten, es habe sich an diesem Tag kein weiterer Unfall ereignet, ändert nichts an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten. Bei weiteren Unfällen würde er genauso haften. Für eine Haftung genügt bereits ein Unfall.
Die Höhe des entstandenen Schadens ist streitig. Insoweit ist eine weitere Beweisaufnahme erforderlich.
3. Der Klägerin ist aber ein Mitverschulden von 50 % anzurechnen (§ 254 I BGB).
a. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 254 I BGB). Trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, hängt der Umfang der Ersatzpflicht von einer Würdigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ab (Grüneberg/Grüneberg, § 254 Rz. 57).
b. Bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat das Verschulden des Verletzten nur, wenn es den entstandenen Schaden zurechenbar verursacht hat. Der Geschädigte muss die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben (Grüneberg/Grüneberg, § 254 Rz. 9). Voraussetzung ist daher grundsätzlich die Vorhersehbarkeit und die Vermeidbarkeit der Schädigung. Eine bloße Mitverursachung genügt nur, sofern der Geschädigte für eine Sach- oder Betriebsgefahr einzustehen hat.
c. Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Rahmen dieser Abwägung entscheidend darauf abzustellen, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Schadenseintritt in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. Erst in zweiter Linie komme es auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens an, das nur ein Faktor innerhalb der Abwägung sei.
d. Ein vollständiges Zurücktreten der Haftung des Schädigers kommt nur in Betracht, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt. Allein der Umstand, dass der Geschädigte vor Schadenseintritt die bestehende Gefahrenlage erkannt hat, begründet nicht einen solchen Verursachungsanteil, dem gegenüber der Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers stets zurücktreten oder auch nur weniger schwer wiegen müsste (BGH NZV 2013, 534 Rz. 23). Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des konkreten Einzelfalls (BGH NZV 2013, 534 Rz. 23). Der Grad der vom Geschädigten erkannten Gefahr ist in die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge auch auf Seiten des Geschädigten einzubeziehen (BGH NZV 2013, 534 Rn. 24, beck-online). Andernfalls führte dies zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, dass bei einer besonders deutlichen Gefahrenlage, der der Geschädigte nicht ausweichen kann, und einer in solchen Fällen nicht selten besonders schwer wiegenden Verletzung der Räum- und Streupflicht die Pflichtverletzung folgenlos bliebe. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde auf den Geschädigten verlagert, obwohl der Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat (BGH, NZV 2013, 534 Rn. 24, beck-online).
e. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der die Räum- und Streupflicht Verletzende und für die Sicherheit eines Verkehrswegs Verantwortliche durch die Pflichtverletzung die wesentliche Ursache für einen Unfall setzt, der sich infolge der nicht beseitigten Gefahrenlage ereignet. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (BGH NZV 2013, 534; Geigel Haftpflichtprozess/Haag, 28. Aufl. 2020, Kap. 14 Rn. 147).
f. Die Klägerin hat die Glättegefahr bereits erkannt, als sie mit ihrem PKW auf den Parkplatz fuhr. In Kenntnis der Glättegefahr und der Tatsache, dass sie bereits früher einmal auf diesem Parkplatz wegen Glätte gestürzt ist, sich dabei aber nicht verletzt hat, ist sie ausgestiegen und hat sich auf den Weg zur Arbeitsstelle gemacht. Dabei ist sie gleich hinter ihrem PKW gestürzt. Damit hat sich genau die Gefahr verwirklicht, die sie erkannt hatte. Von einem unzureichenden Schuhwerk kann dabei entgegen der Ansicht des Beklagten nicht ausgegangen werden. Insoweit trifft den Beklagten die Beweislast. Einen Beweis hat er nicht angeboten. Die Klägerin gab an, Winterschuhe getragen zu haben. Dies war ausreichend. Der Beklagte konnte das nicht widerlegen. Nach Abwägung aller Umstände sind die Verursachungsbeiträge beider Seiten als gleich zu bewerten, so dass sich die Klägerin ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen muss.
4. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.
a. Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) der Klägerin.
a.a. Ein Feststellungsinteresse ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll (BGH NJW 2001, 1431). Geht es dabei wie hier um den Ersatz erst künftig befürchteter Schäden auf Grund einer nach Behauptung der Klägerin bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so setzt das Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus; diese ist zu verneinen, wenn aus der Sicht der Klägerin bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (vgl.z.B. BGHZ 116, 60 [75] = NJW 1992, 560 = LM H. 7/1992 § 823 [Dc] BGB Nr. 181 m.w. Nachw.); dabei kann im Rahmen der Zulässigkeit nicht darüber hinaus eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit gefordert werden (BGH NJW 2001, 1431).
b.b. Die Klägerin trägt vor, sie habe bis heute unter gesundheitlichen Einschränkungen als Unfallfolge zu leiden. Ausweislich der als Anlage K1 vorgelegten Arztberichte bestehe die nicht nur fernliegende Möglichkeit der zukünftigen Verwirklichung weiterer Schäden.
b. Der Feststellungsantrag ist insoweit begründet als sich die Klägerin bei künftigen Schäden ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen muss bzw. im Rahmen immaterieller Ansprüche ein solches zu berücksichtigen ist.
a.a. Der Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff in ein nach § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut des Geschädigten gegeben ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann (BGH NJW 2001, 1431).
b.b. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 %. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
II.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.