LG Neubrandenburg, Az.: 10 O 62/09, Urteil vom 31.03.2011
1. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 24.11.2009 unter TOP 6, der wie folgt lautet:
„Es werden sämtliche Geschäftsanteile des … an der Gesellschaft zwangsweise eingezogen. Die Einziehung sämtlicher Geschäftsanteile des … erfolgt entsprechend § 11 Absatz 2 Buchstabe c des Geschäftsvertrages. Entsprechend § 11 Absatz 5 des Gesellschaftsvertrages hat Herr … keine Stimmrecht.“ ist nichtig.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
3. Das Urteil ist im Hinblick auf die Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Mit der Klage ficht der Kläger einen Gesellschafterbeschluss an.
Der Kläger ist Minderheitsgesellschafter der Beklagten. Diese wirft dem Kläger grobe Verstöße gegen den Gesellschaftsvertrag vor und hat in der Gesellschafterversammlung vom 24.11.2009 die Geschäftsanteile des Klägers eingezogen. Der Kläger hat diesem Beschluss zu Protokoll der Gesellschafterversammlung widersprochen.
Der Kläger wendet sich gegen die inhaltlichen Vorwürfe und macht insbesondere geltend, der Einziehungsbeschluss verstoße gegen § 5 Absatz 3 Satz 2 GmbH-Gesetz, wonach die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile mit dem Stammkapital weiterhin und auf Dauer übereinstimmen müsse, was aber vorliegend aufgrund fehlender weiterer Beschlussfassung nicht gegeben sei.
Der Kläger beantragt, den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 24. November 2009 unter TOP 6, welcher wie folgt lautet:
„Es werden sämtliche Geschäftsanteile der … an der Gesellschaft zwangsweise eingezogen. Die Einziehung sämtlicher Geschäftsanteile des Herrn … erfolgt entsprechend § 11 Abs. 2 c des Gesellschaftsvertrages. Entsprechend § 11 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages hat Herr … keine Stimmrecht.“
für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zu den dem Kläger im Rahmen der Gesellschafterversammlung vom 24.11.2009 gemachten Vorwürfen. Sie vertritt die Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 5 Absatz 3 Satz 2 GmbHG nicht die Nichtigkeit des Beschlusses zu Folge habe und verweist im übrigen auf eine Gesellschafterversammlung vom 25. Februar 2011 in der entsprechende Beschlüsse gefasst worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Gesellschaftsbeschluss in der Gesellschafterversammlung vom 24.11.2009 zu TOP 6, in der die Gesellschaftsanteile des Klägers eingezogen wurden, ist wegen Verstoßes gegen § 5 Absatz 3 Satz 2 GmbHG gemäß § 134 BGB nichtig.
Nach herrschender Meinung führt die Einziehung eines Geschäftsanteils dazu, dass dieser untergeht. Damit würden im vorliegenden Fall die Nennbeträge der Geschäftsanteile und das Stammkapital auseinanderfallen, weil der Beschluss in der Gesellschafterversammlung vom 24.11.2009, in der der Geschäftsanteil des Klägers eingezogen wurde, keine weitergehende Regelung enthält. Auch im Gesellschaftsvertrag findet sich keine Regelung dazu, wie im Falle des Untergangs eines Geschäftsanteils die Übereinstimmung der Nennbeträge mit dem Stammkapital aufrechterhalten werden soll. Damit sind die Voraussetzungen des § 5 Absatz 3 Satz 2 GmbHG nicht gewahrt.
In dem Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde mit Wirkung vom 01.11.2008 ausdrücklich die Forderung formuliert, dass die Nennbeträge der Geschäftsanteile und das Stammkapital auf Dauer übereinstimmen müssen. Dies geschah im Hinblick darauf, dass die Übereinstimmung in der Vergangenheit lediglich im Rahmen der Gründung einer GmbH konsequent beachtet wurde. In der Literatur wird diese gesetzgeberische Entscheidung schon dem Grunde nach nicht akzeptiert im Hinblick darauf, dass danach zahlreiche Einziehungsbeschlüsse nach Inkrafttreten des MoMiG unwirksam sein dürften. Entsprechend wird argumentiert. Die Bandbreite der Argumente geht von der Aussage, der Gesetzgeber habe das alles (entgegen der ausdrücklichen Formulierung) so gar nicht gewollt bis zu Varianten, mit welcher hypothetischen automatischen Folge einer Entziehung der Geschäftsanteile dem Gesetz genüge getan werden könne, oder dass ein entsprechender Einziehungsbeschluss bis zu einer ergänzenden Beschlussfassung als aufschiebend bedingt gefasst zu verstehen sei. Die vielfältigen Argumente, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, überzeugen angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung nicht.
Da der Gesetzgeber auch gerade nicht geregelt hat, wie eine Übereinstimmung im Zweifel herbeizuführen ist (Aufstockung bestehender Anteile, Kapitalherabsetzung oder Neuschaffung eines entsprechenden Gesellschaftsanteils) ist nach Auffassung der Kammer kein Raum, eine automatische, hypothetische Verfahrensweise für den Fall fehlender Festlegung im Zusammenhang mit dem Einziehungsbeschluss anzunehmen.
Es bleibt damit die rechtliche Folge, dass ein Einziehungsbeschluss, der die künftige Übereinstimmung zwischen den Nennbeträgen der Geschäftsanteile und dem Stammkapital nicht regelt, gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig ist. Das Gericht schließt sich insoweit vollinhaltlich der Begründung des Landgerichts Essen in seiner Entscheidung vom 09.06.2010 (NZG 2010, 867 – 869) an.
Eine aufschiebende Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses bis zu einer Entscheidung, die die Voraussetzungen des § 5 Absatz 3 Satz 2 GmbHG erfüllt, sieht das Gesetz nicht vor. Es kommt für die Wirksamkeit des Beschlusses vom 24.11.2009 daher auch nicht darauf an, ob zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechende Regelung getroffen worden ist.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.