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GOA – medizinische Behandlungsmaßnahme – Abrechnungsfähigkeit

AMTSGERICHT HAMBURG-BARMBEK

Az.: 815 C 284/08

Urteil vom 27.01.2011


In dem Rechtsstreit erlässt das Amtsgericht Hamburg-Barmbek auf Grund des Sachstands vom 27.01.2011 folgendes Urteil:

1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 856,20 € nebst Zinsen daraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.03.2008 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 € zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger hat die Beklagte am 02.01.2008 privatärztlich schulterchirurgisch operiert. Das Gericht nimmt Bezug auf den Operationsbericht, Anlage K 2.

Der Kläger hat seine Leistungen gemäß Anlage K 1 mit insgesamt 1.751,38 Euro in Rechnung gestellt. Streitgegenständlich ist hiervon ein Restbetrag über 881,38 €. Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei den in Rechnung gestellten Ziffern 2112, 684 analog, 5295, 2064, 2405, 2263, 2076 (2x) und 2073 (3x) GoÄ um selbständig abrechenbare medizinische Leistungen handelt, die auf einer eigenständigen medizinischen Indikation beruhen oder um methodisch notwendige Bestandteile der Ziel- bzw. Komplexleistung gemäß Ziffer 2137 GoÄ. Jene ist zwar nicht Bestandteil der Rechnung, wurde aber von der Beklagten anstelle der genannten Ziffern zum 3,5fachen Satz vergütet.

Der Kläger ist der Auffassung, bei den in Rechnung gestellten Leistungen handelt es sich um selbständig abrechenbare medizinische Leistungen, da sie auf einer eigenständigen medizinischen Indikation beruhten.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 881,38 € nebst Zinsen daraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.03.2008 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die in Rechnung gestellten klägerischen Leistungen seien nicht einzeln abrechenbar, sondern Teil der Zielleistung gemäß Ziffer 2137 GoÄ (Arthroplastik des Schultergelenks). Unter diese Ziffer fielen alle Leistungen, die zur Wiederherstellung eines schmerzfrei funktionsfähigen Schultergelenks erforderlich seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 26.03.2009. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird Bezug genommen auf die gutachterlichen Ausführungen vom 21.10.2009, 30.03.2010 und 29.08.2010.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es sich bei den streitigen Rechnungspositionen um selbständige medizinische Leistungen handelt, die nicht von der Ziel- oder Komplexleistungsziffer 2137 erfasst sind. Das Gericht folgt dem gerichtlichen Sachverständigengutachten.

Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens bestehen nicht. Zwar hat der Gutachter das Gutachten nicht alleine erstellt, sondern eine Hilfsperson hinzugezogen (Dr. …, die „im Auftrag und in Absprache mit Prof. Dr. … schriftliche Ausfertigung des Gutachtens vorgenommen“ hat. Der Sachverständige hat jedoch das Gutachten unterzeichnet und „aufgrund eigener Prüfung und Sachkunde die volle Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens“ übernommen. Damit ist das Gutachten als von ihm erstellt anzusehen. Die Einschaltung von Hilfspersonen und auch die Ausarbeitung im einzelnen nach Weisung ist rechtlich zulässig, § 407 a II S. 2 ZPO (vergl. Zöller, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., § 407a Rn. 2 sowie § 404 Rn. 1a).

Die Selbständigkeit der medizinischen Indikationen für die einzelnen Abrechnungsziffern (außer 5295) hat der Sachverständige auf S. 4, 5 seines Ausgangsgutachtens vom 21.10.2009 eingehend dargelegt. Es wurden unterschiedliche medizinische Problemkonstellationen bearbeitet. Auch die Beklagte sieht dies letztlich so, führt sie doch in der Stellungnahme zu dem Gutachten aus (Bl. 7, Schriftsatz vom 14.01.2010), es seien verschiedene anatomische Strukturen des Schultergelenks krankhaft verändert gewesen.

Die Einzelleistungen lassen sich auch nicht unter der Ziffer 2137 GoÄ zusammenfassen. Die Arthroplastik eines Schultergelenks gemäß Ziffer 2137 GoÄ bezieht sich nach Maßgabe der Ausführungen des Sachverständigen auf Eingriffe innerhalb des Gelenkraumes, konkret innerhalb der Gelenkkapsel. Weitergehende Ursachen für Störungen in der Beweglichkeit des Schultergelenks im gelenkumgebenden Gewebe seien davon nicht erfasst. Hierauf indes habe sich die Operation am 02.01.2008 vorrangig gezogen.

Insofern dienten zwar alle operativ durchgeführten Maßnahmen dazu, die Funktionalität des Schultergelenks bezüglich Beweglichkeit, Kraftentfaltung und Beschwerdefreiheit wieder herbeizuführen. Indes sei die Abrechnungsziffer 2137 nicht auf einen derart weitläufigen Umfang gerichtet, sondern beziehe sich eben nur auf die eigentlich Gelenkneubildung, also den Eingriff innerhalb der Gelenkkapsel.

Auch diesen Ausführungen des Sachverständigen folgt das Gericht. Letztlich beschreibt dies auch der Privatgutachter der Beklagten in dieser Weise (Seite 4, 5 = Bl. 72, 73, Bd. II der Gerichtsakte). Alle von ihm unter dem Stichwort „Arthroplastik“ aufgeführten operativen Vorgänge bezüglich des Schultergelenks beziehen sich auf das Gelenk selbst, nicht auf die umgebenden Weichteile. Indes führt er dann weiter aus „Arthroplastik sei mehr oder weniger der Übergriff, der auch im unfallchirurgischen Bereich, Wiederherstellung zerstörter Gelenkstrukturen bedeutet“. Dementsprechend fielen gemäß Kommentar der Bundesärztekammer zur GoÄ bei Kiefer-, Hand- oder Fußgelenken auch die Weichteileingriffe unter die Abrechnungsziffer 2135 (im Privatgutachten fälschlich als 3135 bezeichnet). Dies mag zutreffen und wird auch von dem gerichtlichen Gutachter in seiner daraufhin erfolgten ergänzenden Stellungnahme vom 29.08.2010 im Wesentlichen bestätigt, betrifft aber andere und medizinisch anders strukturierte Gelenke.

Letztlich bestreitet die Beklagte auch gar nicht die medizinischen Ausführungen des Sachverständigen, sondern ist lediglich der Auffassung, gebührenrechtlich sei der Begriff „Arthroplastik eines Schultergelenks“ derart umfassend zu verstehen, dass damit alles zur Wiederherstellung der Funktionalität des Schultergelenks medizinisch Erforderliche gemeint sei – selbst wenn dazu, um es krass überspitzt zu formulieren, die Amputation eines Zehennagels gehören würde. Zwischen medizinischer Betrachtung und gebührenrechtlicher Beurteilung sei streng zu trennen. Die GoÄ sei geschaffen worden, um die Honorierung privatärztlicher Behandlungen transparenter und von dem Patienten prüfbar zu machen. Daher sei bei der Auslegung der GoÄ Gebührenziffern eine gleichsam umgangssprachliche Interpretation zugrunde zu legen.

Dem folgt das Gericht nicht. Die GoÄ beschreibt, für welche medizinischen Behandlungsmaßnahmen welches Honorar verlangt werden darf. Dabei ist die Definition einer Behandlungsmaßnahme an den fachbezogenen ärztlichen Sprachgebrauch und die medizinischen Usancen angelehnt, nicht an ein fachfremdes, kaum inhaltlich bestimmtes, umgangssprachliches Begriffsverständnis. Entsprechendes gilt für die übrigen Gebührenordnungen, der Zahnärzte, der Notare, der Steuerberater oder der Rechtsanwälte. Auch letztere beispielsweise würden den Begriff „derselben Angelegenheit“ (§15 II S. 1 RVG) zu Recht nicht umgangssprachlich umgangssprachlich verstanden wissen wollen. Die fachbezogenen Gebührenordnungen sind im Hinblick auf die leistungsbeschreibenden Tätigkeiten auch fachspezifisch zu verstehen.

Nach alledem folgt das Gericht also der klägerischen Auffassung, dass eine Arthroplastik des Schultergelenks vorliegend gar nicht durchgeführt wurde, sondern vielmehr die in Rede stehenden Einzelleistungen als jeweils medizinisch eigenständig indiziert und daher einzeln abrechenbar.

Die Klage ist hingegen unbegründet bezüglich der abgerechneten Ziffer 5295 GoÄ (Durchleuchten als selbständige Leistung, 25,18 €). Insoweit will der Kläger die gefertigte Videoprintdokumentation der Operation abgerechnet wissen. Die Dokumentation des medizinischen Vorgehens ist indes – gleichviel wie aufwändig sie erfolgt – Teil der abgerechneten Leistungen und nicht gesondert abrechenbar.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286 ff BGB, 92 II, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Hinsichtlich der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Teilabweisung irrelevant, da hierdurch keine Gebührenschwelle unterschritten wird.

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