OLG Koblenz
Az.: 5 W 590/12
Beschluss vom 26.10.2012
In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes hier: sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz am 26. Oktober 2012 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28. September 2012 unter Zurückweisung des weiter greifenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
2. Jede der Parteien hat 50 % der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
Der Kläger hatte von der Beklagten Schadensersatz verlangt, weil eine auf deren Grundstück unter Nichtbeachtung der maßgeblichen Abstandsvorschrift gepflanzte Buchenhecke im Laufe der Zeit die unmittelbar angrenzende Mauer auf dem Grundstück des Klägers beschädigt, insbesondere aus der Vertikalen gedrückt hatte. Nach Beweiserhebung haben die Parteien mit Blickrichtung auf einen außergerichtlich vereinbarten Grundstückstausch die Hauptsache für erledigt erklärt.
Durch die nunmehr angefochtene Entscheidung hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt mit der Begründung, die Klage sei bereits unzulässig gewesen, da der Kläger versäumt habe, ein Schlichtungsverfahren nach § 15 a EGZPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Rheinland – Pfälzischen Landesschlichtungsgesetzes durchzuführen.
Dadurch sieht der Kläger sich überrascht. Er meint, das Landesschlichtungsgesetz sei hier nicht anwendbar.
Dem ist beizupflichten. § 15 a EGZPO ermächtigt die Landesgesetzgeber eine Schlichtung vorzuschreiben in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 BGB und nach § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikels 124 EGBGB.
§ 1 des rheinland – pfälzischen Landesgesetzes vom 10. September 2008 zur Ausführung des § 15 a EGZPO (Landesschlichtungsgesetz – LSchlG -) bestimmt, dass die Erhebung einer Klage erst zulässig ist, nachdem von einer in § 3 genannten Gütestelle versucht worden ist, die Auseinandersetzung einvernehmlich beizulegen, in Streitigkeiten über Ansprüche wegen
a) der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelten Einwirkungen, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
b) Überwuchses nach § 910 BGB,
c) Hinüberfalls nach § 911 BGB,
d) eines Grenzbaumes nach § 923 BGB.
Unter Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 9. Juli 2012 – 7 U 302/11 – hat das Landgericht die Auffassung vertreten, die Streitschlichtung sei auch vor der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus der Nichtbeachtung der genannten Vorschriften obligatorisch.
Dem kann derart pauschal nicht gefolgt werden. Der Senat muss dabei nicht entscheiden, ob er die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Zweibrücken für unzutreffend hält, so dass sich eine Übertragungsentscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung erübrigt (§ 568 Nr. 2 ZPO). Der Sachverhalt der Entscheidung des OLG Zweibrücken ist nämlich mit dem vorliegenden Fall im entscheidenden Punkt nicht vergleichbar. Hier wie dort kann die Anwendung des Landesschlichtungsgesetzes nur aus § 906 BGB hergeleitet werden. Zum Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vertritt der Senat jedoch seit jeher die Ansicht, dass er auf die Kosten der Beseitigung solcher Nachteile beschränkt ist, denen der Beeinträchtigte nicht mit einer Abwehrklage nach § 1004 BGB begegnen konnte (durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 15. Dezember 2011 – V ZR 68/11 – bestätigtes Senatsurteil 5 U 1146/10 vom 24. Februar 2011, auszugsweise abgedruckt in JurBüro 2012, 501).
Anders als im Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken hätte der Kläger hier die Beeinträchtigung seines Eigentums mit einer Beseitigungsklage nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB unterbinden können, weil die Buchenhecke nicht den maßgeblichen Grenzabstand einhielt. Gegenstand der Zahlungsklage war demnach ein unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB abzuleitender Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsbeeinträchtigung. Dass die gerichtliche Durchsetzung eines derartigen Anspruchs erst nach erfolgloser Schlichtung zulässig ist, wird nach den Erkenntnismöglichkeiten des Senats nirgends vertreten (vgl. BGH in MDR 2012, 579 – 580; OLG Hamm, Urteil 5 U 32/11 vom 6. Juni 2011; jeweils mit weiteren Nachweisen).
Nach alledem war die Zahlungsklage zulässig. Sie hätte aller Voraussicht nach auch einen Teilerfolg gehabt. Dass die Buchenhecke auf dem Grundstück der Beklagten mit ihrem Wurzelwerk die Mauer auf dem Grundstück des Klägers erheblich aus dem Lot gedrückt hatte, ist durch die Bilder in den Akten belegt. Die gegenläufige Behauptung der Beklagten, von ihrem Grundstück sei keinerlei Beeinträchtigung der Mauer ausgegangen, hält der Senat nach Prüfung des gesamten Prozessstoffs für widerlegt. Die Beklagte war daher dem Grunde nach schadensersatzpflichtig (§ 823 Abs. 1 BGB). Bei der Bezifferung hat der Kläger jedoch nicht berücksichtigt, dass ein erheblicher Abzug Neu für Alt vorgenommen werden musste. Die Bilder der Mauer belegen nämlich, dass sie schon vor vielen Jahren errichtet worden war und sich darüber hinaus – ungeachtet der Beeinträchtigungen, die der Beklagten anzulasten sind – in einem suboptimalen Erhaltungszustand befand. Den angemessenen Schadensersatz schätzt der Senat auf die Hälfte des zuletzt verlangten Betrages (§ 287 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91, 92 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit 1810 KV – GKG.