OLG Frankfurt – Az.: 2 U 43/19 – Urteil vom 12.02.2020
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden – 7. Zivilkammer – vom 8.3.2019 (Az.: 7 O 8/19) teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.426,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.3.2017 zuzüglich 413,90 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.426,19 € festgesetzt.
Gründe
I. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO:
Der Beklagte mietete bei der Klägerin am 11.9.2016 einen Pkw Marke1 Typ1, amtl. Kennzeichen …. Im Mietvertrag Anlage K1) vereinbarten die Parteien eine Haftungsfreistellung zu Gunsten des Beklagten für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 1.050,- € pro Schadenfall. Nach I 2. der in den Mietvertrag einbezogenen Allgemeinen Vermietbedingungen (Anlage K2) ist die Klägerin, sofern der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt wurde, berechtigt, ihre Leistungsverpflichtung zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Am 14.9.2016 gegen 18:15 Uhr verursachte der Beklagte einen Schaden am Mietfahrzeug. Er befuhr die BAB A … aus Richtung Stadt1 kommend in Richtung Stadt2. Auf dem Rücksitz des Fahrzeugs befanden sich die beiden damals acht bzw. neun Jahre alten Kinder des Beklagten. In Höhe der Abfahrt Stadt3 wechselte er von der linken auf die rechte Fahrspur. Da er bei seinem zuvor getätigten kurzen Schulterblick wahrgenommen hatte, dass sein rechts hinter ihm sitzender achtjähriger Sohn einen Gegenstand in der Hand hielt, den er zunächst nicht identifizieren konnte, drehte er sich nach Beendigung des Fahrspurwechsels nach hinten zu diesem Kind auf der Rückbank um. Da er hierbei kurzzeitig das Verkehrsgeschehen außer Acht ließ, bremste er nicht mehr rechtzeitig und fuhr auf das etwa mittig vor ihm auf der rechten Spur fahrende Motorrad des Zeugen A auf.
Ausweislich des von der Klägerin eingeholten Eigenschaden-Gutachtens der B GmbH, Stadt4 vom 16.9.2016 nebst Nachtrag vom 22.9.2016 (Anlage K4) betragen die erforderlichen Reparaturkosten 10.026,48 € netto sowie die Wertminderung 850,- €. Die Kosten des Gutachtens belaufen sich ausweislich der Rechnung vom 16.9.2016 (Anlage K7) auf 45,90 € netto. Auf eine Zahlungsaufforderung der Klägerin hin ließ der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 2.1.2017 (Anlage B1, Blatt 41 f. der Akte) erklären, er werde den Betrag der Selbstbeteiligung nach Erhalt einer ordnungsgemäßen Rechnung über diesen Betrag zahlen. Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Erstattung der genannten Schadensbeträge nebst einer Auslagenpauschale von 30,- € in erster Instanz anteilig in Höhe von 70 % und in der Berufungsinstanz noch in Höhe von 50 %, jeweils abzüglich der von dem Beklagten nach Zustellung des Mahnbescheids am 16.3.2017 am 17.3.2017 gezahlten Betrages der Selbstbeteiligung in Höhe von 1.050,- € sowie Erstattung der auf die noch geltend gemachte Forderung entfallenden Rechtsanwaltskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen A und persönlicher Anhörung des Beklagten die Klage durch Urteil vom 8.3.2019, der Klägerin zugestellt am 18.3.2019, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte hafte nicht über die vereinbarte Selbstbeteiligung hinaus, da ihm keine grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Das Verhalten des Beklagten sei als Augenblicksversagen zu werten, zu welchem besondere weitere Umstände nicht hinzukämen. Vielmehr liege in subjektiver Hinsicht gerade kein schweres Verschulden vor, wenn der Beklagte sich, wie er vorgetragen habe, als Vater ohne weitere erwachsene Begleitperson nach einem damals gerade siebenjährigen Kind umdrehte, um abzuklären, dass dieses keinen gefährlichen Gegenstand in der Hand hielte. Dass dem Beklagten schon zuvor klargewesen sei, dass es sich nicht um einen gefährlichen Gegenstand gehandelt habe, habe die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht bewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts verwiesen.
Mit ihrer am 15.4.2019 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20.6.2019 am 19.6.2019 begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren teilweise, nämlich in Höhe von 50 % des geltend gemachten Schadens abzüglich der geleisteten Selbstbeteiligung, weiter. Die Klägerin wiederholt ihre Ansicht, das Verhalten des Beklagten sei als grob fahrlässig zu werten. Er habe seine Aufmerksamkeit über eine längere Wegstrecke nach hinten gewandt und damit seine Aufmerksamkeit vollständig vom Verkehrsgeschehen abgewandt. Hierin liege eine betriebsfremde Handlung. Durch die Aussage des Zeugen A sei bestätigt worden, dass für den Beklagten bereits seit längerer Zeit erkennbar gewesen sei, dass stockender Verkehr bzw. Stau geherrscht habe. Daraus folge, dass er das Verkehrsgeschehen für längere Zeit außer Acht gelassen habe. Es handele sich nicht um ein Augenblicksversagen. Der Beklagte habe in der damaligen Situation auch keine Gefährdung seines Kindes annehmen dürfen, welche sein Umdrehen während der Fahrt hätte verständlich erscheinen lassen können, insbesondere auf der Autobahn und bei stockendem Verkehr. Ferner hätte gegebenenfalls auch der gleichfalls auf der Rückbank befindliche Bruder eingreifen können. Ergänzend bezieht die Klägerin sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19.6.2019 (Blatt 178 ff. der Akte) verwiesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 8.3.2019 (Az. 7 O 8/19) dahingehend abzuändern, dass die beklagte Partei verurteilt wird, an sie 4.426,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 10.3.2017 zu zahlen sowie an sie 413,90 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen, hilfsweise sie hiervon freizustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Begründung des Landgerichts sowie auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hält die Würdigung durch das Landgericht für zutreffend. Er behauptet, er habe sich nur kurz und erst dann nach hinten umgesehen, als er den Spurwechsel auf die rechte Fahrspur bereits vollendet habe. Er ist der Ansicht, Eltern müssten sich auch während einer Autofahrt in dieser Weise um ihre Kinder kümmern dürfen. Sein Sohn habe einen glänzenden Gegenstand in der Hand gehalten, der unter Umständen als Messer hätte bezeichnet werden können, der ihm selbst oder den Kindern hätte gefährlich werden können. Den Zeugen A treffe ein eigenes Verschulden, weil er entgegen § 2 Abs. 2 StVO nicht rechts, sondern in der Mitte der rechten Fahrspur gefahren sei. Zudem habe er seinen Spurwechsel unmittelbar vor ihm gerade zu dem Zeitpunkt vollzogen, als er selbst sich nach seinem Sohn umgeschaut habe. Er selbst habe zuvor davon ausgehen dürfen, dass die Fahrbahn vor ihm frei sei. Die Höhe des geltend gemachten Schadens stellt er in Abrede. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19.7.2019 (Blatt 189 ff. der Akte) Bezug genommen.
II. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§ 511, 517, 519 f. ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz wegen der Beschädigung des an ihn vermieteten Fahrzeugs über die gezahlte Selbstbeteiligung von 1.050,- € hinaus in Höhe von weiteren 4.426,19 € zu (§ 280 Abs. 1, § 535, § 823 Abs. 1 BGB).
Der Beklagte hat seine aufgrund des abgeschlossenen Mietvertrages bestehende Verpflichtung, das von der Klägerin an ihn vermietete Fahrzeug nach Ablauf des Mietzeitraums unbeschädigt an sie zurückzugeben, verletzt, da das Fahrzeug durch den eingetretenen Unfall erheblich beschädigt war. Dies geschah während der Mietdauer und damit in seinem Obhutsbereich. Hieran traf ihn auch ein Verschulden, da er nicht hinreichend aufmerksam gefahren ist, sondern sich während der Fahrt auf der Autobahn zu seinem Kind auf der Rückbank umgesehen und dabei die vor ihm befindliche Fahrbahn nicht mehr beobachtet hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Haftung des Beklagten ist nicht auf den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt in Höhe von 1.050,- € beschränkt, welchen der Beklagte anerkannt und bereits gezahlt hat. Die Verpflichtung der Klägerin zur Haftungsfreistellung ist gemäß Ziffer I. Nr. 2 ihrer Allgemeinen Vermietbedingungen, welche Vertragsinhalt geworden sind, jedenfalls in Höhe der von ihr in der Berufungsinstanz noch verlangten Quote von 50 % entfallen, da der Beklagte den Unfall grob fahrlässig verursacht hat und die Schwere seines unfallursächlichen Verschuldens in dieser Höhe zu bewerten ist.
Das unfallursächliche Verhalten des Beklagten ist als grob fahrlässig anzusehen. Diese Wertung ergibt sich aus dem unstreitigen und dem von dem Landgericht festgestellten Hergang. Danach hat der Beklagte sich während der Fahrt mit nach seinen Angaben ca. 50 bis 60 km/h auf der rechten Spur der zweispurigen Autobahn nach hinten umgewandt und dadurch seinen Blick für einen gewissen kurzen Zeitraum vollständig von dem Verkehrsgeschehen vor ihm abgewandt. Dadurch bemerkte er nicht rechtzeitig, dass der mit seinem Motorrad etwa mittig vor ihm fahrende Zeuge A abbremste, und konnte darum seinerseits nicht mehr rechtzeitig bremsen, so dass er mit dem Pkw der Klägerin auf das Motorrad auffuhr. Durch das Umdrehen nach rechts hinten machte der Beklagte es sich kurzzeitig unmöglich, das vor ihm befindliche Verkehrsgeschehen zu beobachten und hierauf gegebenenfalls zu reagieren. Auch wenn der Verkehrsfluss auf der Autobahn seinerzeit nicht in der für eine Autobahn üblichen hohen Geschwindigkeit erfolgte, sondern infolge des stockenden Verkehrs auf der rechten Fahrspur nur mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 bis 60 km/h gefahren wurde, wie der Beklagte vorgetragen hat und woraus unmittelbar auf das Stocken des Verkehrs geschlossen werden kann, so musste doch jeder Fahrer gerade aufgrund dieses Stockens des Verkehrs die vor ihm befindlichen Fahrzeuge ständig beobachten, um weitere Stockungen, die bei einer solchen Verkehrssituation auf der Autobahn üblicherweise und gerade auch aufgrund von Fahrspurwechseln anderer Verkehrsteilnehmer schnell auftreten können, sogleich wahrzunehmen und daraufhin sein Fahrzeug abbremsen zu können.
Der Beklagte hat hingegen seine Aufmerksamkeit während der Fahrt seinem auf der Rückbank befindlichen Kind zugewandt. Dabei handelte es sich nicht um ein reflexartiges Augenblicksversagen, da der Beklagte nach seinen Angaben seinen Blick gerade nach dem ersten Erkennen, dass sein Sohn einen Gegenstand in der Hand hielt, zunächst wieder nach vorne wandte und sich erst dann wieder nach hinten umdrehte. Der Beklagte konnte damit die Verkehrssituation vor ihm für die entsprechende Zeit nicht einmal mehr im Augenwinkel wahrnehmen. Dass dies unter den gegebenen Umständen zu in hohem Maße gefährlichen Verkehrssituationen führen kann, muss jedem Fahrer einleuchten. Dass ein Fahrzeugführer während der Fahrt die vor ihm befindliche Fahrspur beobachten muss, stellt eine einfachste, ganz naheliegende Überlegung dar. Wenn der Fahrer eines Pkw in einer solchen Verkehrssituation auf der Autobahn seinen Blick mehr als nur ganz kurz deutlich von der Fahrbahn abwendet, lässt er hingegen die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte befürchtete, sein auf der Rückbank sitzender Sohn halte einen gefährlichen Gegenstand, möglicherweise ein Messer in der Hand. Das Umwenden im Fahrzeug – ohne jedes vorsorgliche Herabsetzen der Geschwindigkeit – war ohnehin nicht geeignet, eine solche Gefahr zu bannen. Der Beklagte hätte allein diesen Gegenstand in der Hand seines Sohnes identifizieren, nicht aber unmittelbar eingreifen können. In gleicher Weise hätte er aber ohne Weiteres seinen bereits achtjährigen Sohn ansprechen und hinsichtlich des Gegenstandes befragen können. Ferner hätte er seinen damals neunjährigen gleichfalls auf der Rückbank sitzenden anderen Sohn hierzu befragen können. Daraufhin hätte er seinen Söhnen auch ohne Blickkontakt unmittelbare Anweisungen geben können, wie sie sich zu verhalten hätten, bis er gegebenenfalls eine sichere Haltemöglichkeit erreicht hätte. Das Umwenden im Fahrzeug während der Fahrt eröffnete ihm hingegen noch keinerlei Möglichkeit, dem Sohn gegebenenfalls den Gegenstand aus der Hand zu nehmen oder sonst unmittelbar einzugreifen. Vielmehr hätte er durch ein solches Verhalten während der Fahrt gerade die konkrete Gefahr eines Unfalls begründet. Bereits durch das Umdrehen während der Fahrt gefährdete der Beklagte nicht nur sich selbst sowie andere Verkehrsteilnehmer, sondern auch seine im Fahrzeug befindlichen Kinder. Ein Fahrer eines Kraftfahrzeugs muss sich stets so verhalten, dass das sichere Führen des Fahrzeugs während der Fahrt nicht beeinträchtigt werden kann. Dieses Erfordernis dient nicht nur der Sicherheit des gemieteten Fahrzeugs, sondern allgemein und vorrangig sowohl der eigenen Sicherheit als auch der der weiteren Fahrzeuginsassen und der anderen Verkehrsteilnehmer. Kinder müssen bereits so im Fahrzeug platziert und befördert werden, dass sie das sichere Führen des Fahrzeugs nicht beeinträchtigen können. Dabei ist vorab sicherzustellen, dass Kinder nicht während der Fahrt mit gefährlichen Gegenständen hantieren können. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, woher im Fahrzeug plötzlich ein Messer in der Hand seines Sohnes aufgetaucht sein soll. Das verständliche Bedürfnis eines Fahrzeugführers, sich um seine Kinder zu kümmern, muss in einer solchen Situation aus Sicherheitsgründen vorübergehend zurückgestellt werden. Für eine so erhebliche Gefahr, dass der Sohn mit einem etwaigen Messer sich selbst, den Bruder oder ihn – den Vater – erheblich verletzt hätte, was ein unmittelbares Tätigwerden des Beklagten während der Fahrt hätte rechtfertigen können, bestanden auch unter zugrundelegen des Vortrags des Beklagten keinerlei Anhaltspunkte, es erschien vielmehr als völlig ausgeschlossen.
Den Zeugen A, auf dessen Motorrad der Beklagte aufgefahren ist, trifft kein eigenes Verschulden an dem Unfall, welches gegebenenfalls bei der Bewertung des Verschuldens des Beklagten hätte berücksichtigt werden müssen. Er hat sich vielmehr verkehrsgerecht verhalten. Der Umstand, dass er auf der rechten Fahrspur der Autobahn etwa mittig und nicht am rechten Fahrbahnrand fuhr, hat keine Ursache für den Unfall gesetzt. Denn auch wenn sich das Motorrad des Zeugen A am rechten Rand der Fahrbahn befunden hätte, wäre es ebenso zum Auffahren des von dem Beklagten geführten Fahrzeugs gekommen. Das Rechtsfahrgebot soll sicherstellen, dass Fahrzeuge sich gefahrlos begegnen und überholen können (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 157 ff.). Ein Vorbeifahren neben dem Motorrad auf derselben Fahrspur der Autobahn wäre aber ohnehin wegen der sonst eintretenden unmittelbaren Gefährdung des Motorradfahrers unzulässig gewesen. Auch ein Motorradfahrer ist vielmehr auf der Autobahn aus Sicherheitsgründen auf einer gesonderten Fahrspur zu überholen. Ferner besteht kein konkreter Anhaltpunkt anzunehmen, der Zeuge A habe seinerseits den Fahrspurwechsel verkehrswidrig und insbesondere ohne den hinter ihm befindlichen Beklagten zu beachten, vorgenommen. Irgendwelche Tatsachen, welche dies belegen könnten, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Beklagten noch aus den Angaben des Zeugen in seiner Vernehmung vor dem Landgericht. Ein solches verkehrswidriges Verhalten des Zeugen A hat auch das Landgericht nicht festgestellt. Der Beklagte hat nicht dargelegt, welche Verkehrssituation er vor dem Umwenden zu seinem Sohn wahrgenommen haben will und wo sich zu diesem Zeitpunkt insbesondere das Motorrad des Zeugen A befunden haben soll. Vielmehr hat er in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung erklärt, er könne nicht sagen, wo sich der Motorradfahrer vor seinem Spurwechsel befunden habe. Die erstmals in der Berufungsinstanz seitens des Beklagten geäußerte Vermutung, der Zeuge A habe gerade in dem Moment die Fahrspur nach rechts gewechselt, als er sich nach hinten umgedreht habe, ergibt sich weder aus den Angaben des Zeugen A, welche sich der Beklagte nun zu eigen macht, noch aus sonstigen Tatsachen. Nur eine Kenntnis von einer konkreten, eindeutig übersichtlichen und ungefährlichen Verkehrssituation hätte es dem Beklagten überhaupt erlauben könne, sich kurzzeitig nach hinten umzuwenden. Das Auffahren das Beklagten auf das Motorrad des Zeugen A beruhte mithin ausschließlich auf der Unaufmerksamkeit des Beklagten.
Aus einer Abwägung der genannten Umstände ergibt sich ein Schweregrad des Verschuldens des Beklagten von 50 %.
Der Klägerin steht demzufolge gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung des ihr entstandenen Schadens zu 50 % und somit in Höhe von 5.476,19 € zu abzüglich des bereits gezahlten Teilbetrages von 1.050,- € und somit noch in Höhe von 4.426,19 €.
Der Klägerin ist ein Sachschaden an dem Fahrzeug in Gestalt der Reparaturkosten von 10.026,48 € netto entstanden. Dabei ist die abstrakte Berechnung des Schadens anhand eines Gutachtens grundsätzlich zulässig. Das Entstehen dieser durch das vorgelegte Gutachten der B GmbH, Stadt4, vom 22.9.2016 belegten Kosten hat der Beklagte im Schriftsatz vom 9.8.2017 (Blatt 39 der Akte) nicht hinreichend konkret in Abrede gestellt. Insoweit hat er lediglich bestritten, dass die im Gutachten angeführten Schäden sämtlich aus dem Unfallgeschehen herrührten sowie dass die angesetzten Reparaturkosten erforderlich gewesen seien, die Klägerin habe vielmehr wesentlich geringere Aufwendungen gehabt. Hieraus ergibt sich aber noch nicht, welche konkreten angesetzten und abgerechneten Positionen unberechtigt seien. Im Hinblick auf die detaillierten Angaben in dem Sachverständigengutachten reicht ein pauschales Bestreiten der Unfallursächlichkeit der begutachteten Frontschäden an dem Fahrzeug nicht aus. Der Beklagte hätte hierzu vortragen müssen, welche der einzelnen Schäden, die zu den aufgeführten Kostenpositionen führten, nicht aus dem Unfall herrühren sollen und aus welchem Grund die jeweiligen Kosten nicht oder nur in geringerer Höhe angefallen seien. Weitere Einwände hatte weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz bis zur mündlichen Verhandlung vom 5.2.2020 erhoben. Das neue Vorbringen, die Klägerin könne ihre Fahrzeuge kostengünstiger reparieren, erfolgte verspätet erst in der mündlichen Verhandlung vom 5.2.2020. Hinzu kommen eine Wertminderung in Höhe von 850,- €, welche gleichfalls durch das Gutachten belegt ist und welche der Beklagte gleichfalls nicht konkret in Abrede gestellt hat, ferner die Kosten für das Gutachten in Höhe von 45,90 € netto gemäß der Rechnung vom 16.9.2016 sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von geschätzt 30,- €, so dass sich ein Gesamtbetrag von 10.952,38 € netto ergibt, den der Beklagte hälftig zu erstatten hat abzüglich des bereits geleisteten Teilbetrages.
Der Zinsanspruch steht der Klägerin auf den zuerkannten Betrag in dem beantragten Umfang aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB).
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu tragen; dabei hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens als insoweit vollständig unterliegende Partei insgesamt zu tragen (§ 92 Abs. 1 ZPO).
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits auch nicht hinsichtlich des anerkannten Teilbetrages der Forderung in Höhe von 1.050,- € selbst zu tragen (entsprechend § 93 ZPO). Zwar ist der Beklagte diesem Teil der Forderung bereits im Mahnverfahren nicht entgegengetreten und hat insoweit keinen Widerspruch eingelegt. Er hat aber Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hatte, da er auch auf die Fristsetzung zum 9.3.2017 im Anwaltsschreiben vom 2.3.2017 keine Zahlung leistete. Dieser Teilanspruch der Klägerin war fällig, insbesondere war die Klägerin nicht verpflichtet, dem Beklagten insoweit eine besondere Rechnung auszustellen, wie er dies mit Anwaltsschreiben vom 2.1.2017 gefordert hatte. Der Beklagte hatte in diesem Anwaltsschreiben seine angekündigte Zahlung aber gerade von der Überlassung einer entsprechenden Rechnung abhängig gemacht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).