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Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung – Duldungspflicht?

LG Köln – Az.: 22 O 452/15 – Urteil vom 21.09.2018

Die Beklagten werden verurteilt, die an ihrem Hause „J“ angebrachte Dämmung zu entfernen, soweit sie die gemeinsame Grundstücksgrenze zwischen den Häusern „B“ überschreitet.

Die Beklagten werden verurteilt, die infolge der bei den Bauarbeiten eingetretenen Setzrisse im Wintergarten der Kläger angefallenen Gutachterkosten i.H.v 455,18 EUR an die Kläger zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die zur Beseitigung dieser Risse entstehenden Kosten von den Beklagten zu zahlen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 63%, die Beklagten zu 37% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Im Hinblick auf den Klageantrag zu 1.) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 EUR. Im Übrigen ist das Urteil für die Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Wegen der Vollstreckung der Kosten wird den Klägern nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Parteien sind Nachbarn. Die auf den ihnen gehörenden Grundstücken errichteten Häuser sind dergestalt aneinander gebaut, dass jedes Gebäude teilweise über eine eigenständige Außenwand entlang der Grundstücksgrenze verfügt.

Die Beklagten bauten von August 2013 bis Oktober 2014 ihr Reihenhaus um und nahmen einen Anbau vor. An der Grenzwand brachten die Beklagten eine Außendämmung im Bereich des Bestandsbaus und der neu errichteten Mauer des Anbaus an, die über die Grundstücksgrenze ragt. Das genaue Maß des Überbaus über die Grundstücksgrenze ist zwischen den Parteien streitig. Die überragende Dämmung wurde teilweise auf die vor den Umbaumaßnahmen bestehende, teilweise auf die durch den Anbau neu gezogene Außenwand aufgebracht.

In einem Schreiben der Kläger an die Beklagten vom 20.12.2013 heißt es unter anderem: „Ihre Ansprüche, die sie aus dem von Ihnen vorgelegten Grenzverlauf ableiten, weisen wir zurück.“ (GA: Bl. 90).

Entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichteten die Beklagten zudem eine 1,2 m hohe Hohlblocksteinmauer. Auf Seiten der Kläger befand sich die Mauer weiterhin im Rohbauzustand.

Im Zuge der Bauarbeiten hing ein Baugerüst fast vier Monate lang über dem Grundstück der Kläger.

Im Zuge der nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen beauftragten die Kläger einen Rechtsanwalt. Dieser beriet und vertrat die Kläger.

Durch das Haus der Kläger verlief zudem seit längerer Zeit eine Telefonleitung der E AG. Im Oktober 2013 meldeten die Beklagten den Anschluss zur Nummer 7390 ab. Im Herbst 2014 beantragten die Beklagten bei der Telekom einen neuen Anschluss.

Die Kläger behaupten, die Überbauung durch die Anbringung der Isolierung auf der Außenwand betrage mehr als 10 Zentimeter. Auch das Dach sei um ca 30 cm über die gemeinsame Grenze gebaut worden. Die Überbauung führe zu erheblichen Beeinträchtigungen, vornehmlich sei die Reinigung der Dachrinne am klägerischen Wintergarten kaum noch möglich. Auch könne ein Küchenabzug nicht vergrößert werden.

Sie sind der Ansicht die Voraussetzungen des § 23a NachbG NRW, die sie zur Duldung des Überbaus durch die Aufbringung der Isolierung verpflichteten lägen nicht vor.

Die Kläger behaupten weiter, im Zuge der Bauarbeiten sei der Wintergarten der Kläger untergraben worden, so dass in der Folge Setzrisse in der Wand des Wintergartens aufgetreten seien. Die Kläger hätten 455,18 EUR für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung des Schadens ausgegeben. Auch sei während der Dämmarbeiten ein SAT-Kabel durchtrennt worden. Zudem sei im Zuge der Arbeiten eine Bleiabdichtung am Dach der Kläger ersatzlos entfernt worden. Für die Instandsetzung seien 8 Stunden zu 25 EUR aufgewendet worden. Das Dach des Wintergartens der Kläger sei zudem verschmutzt und zerkratzt worden. Als Aufwand für die Reinigung seien 150,00 EUR angefallen. Es sei auch eine Wertminderung von 500,00 EUR angefallen.

Sie behaupten die Beklagten hätten unabgestimmt eine Mauer auf der Grundstücksgrenze errichtet, deren Nägel über die Grundstücksgrenze ragten. Auch sei auf Veranlassung der Beklagten eine zusätzliche Telefonleitung in das klägerische Haus eingebracht worden.

Die Kläger haben zunächst unter dem Klageantrag zu 2.) beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Dach des Anbaus – Dachrinne und Ziegel – im Altbestand auf das frühere Überbaumaß von 14 cm zurückzubauen und in der Länge am Neu-Anbau um 20 cm zu kürzen. In Termin vom 31. August 2018 haben die Parteien über den Klageantrag zu 2.) einen Teilvergleich (GA: Bl. 321) geschlossen und vereinbart, dass die Kostenentscheidung nach §91a ZPO getroffen werden und im Endurteil erfolgen soll.

Die Kläger beantragen nunmehr sinngemäß,

1.  die Beklagten zu verurteilen, die an ihrem Hause „J“ angebrachte Dämmung zu entfernen, soweit sie die gemeinsame Grundstücksgrenze zwischen den Häusern „B“ überschreitet.

Hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, die an ihrem Hause „B“ angebrachte Dämmung am im Jahre 2014 errichteten Anbau im 1. OG (Küche) auf einer Breite ab der Außenkante einschließlich aufgebrachter Dämmung von 62,5 cm und einer Höhe von 3,74 m zu entfernen, soweit die gemeinsame Grundstücksgrenze zwischen den Häusern „B“ überschritten wird.

2.  Die Beklagten zu verurteilen, die infolge bei den Bauarbeiten eingetretenen Setzrissen im Wintergarten der Kläger angefallenen Gutachterkosten in Höhe von 455,18 EUR zu zahlen und festzustellen, dass die zur Beseitigung dieser Risse entstehenden Kosten von den Beklagten zu zahlen sind.

3.  die Beklagten zu verurteilen, für die Reparatur der von ihnen im Zuge der Bau- und Dämmarbeiten durchtrennten ST-Kabel verursachten Kosten in Höhe von 407,70 EUR zu zahlen.

4.  Die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 200,00 EUR für die Wiederanbringung einer im Zuge ihrer Bauarbeiten entfernten Bleiabdichtung am Dach des Hauses der Kläger zu zahlen.

5.  Die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 680,00 EUR zu zahlen als Schadensersatz für beschmutzte und beschädigte Scheiben an deren Wintergarten.

6.  Die Beklagten zu verurteilen, für die Minderung des Wohnwertes während der Bauarbeiten von August 2013 bis Oktober 2014, Nutzung des Grundstücks der Kläger durch ungenehmigt angebrachtes Baugerüst – während vier Monaten – 1.200,00 EUR an die Kläger zu zahlen.

7.  Die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger Anwaltskosten in Höhe von 892,02 EUR zu erstatten, welche als Schadensersatz geltend gemacht werden.

8.  Die Beklagten zu verurteilen, die im vergangenen Jahr entlang der Grundstücksgrenze errichtete Gartenmauer zu beseitigen.

9.  Die Beklagten zu verurteilen, die durch das Haus der Kläger verlegten Telefonleitungen zu entfernen.

Hilfsweise, die Nutzung der durch das Haus der Kläger verlegten Telefonleitungen einzustellen.

Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung – Duldungspflicht?
(Symbolfoto: Von Bilanol/Shutterstock.com)

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten die Voraussetzungen eines zu duldenden Überbaus lägen vor. Insbesondere sei die angebrachte Isolierung ENEV – konform. Es handele sich zumindest teilweise um eine bestehende Wand, so dass die Wertungen des BGH (BGH, Urt. v. 2.6.2017 – V ZR 196/16) nicht übertragbar seien. Eine Innendämmung sei weder technisch möglich noch sinnvoll.

Sie sind der Ansicht, dass die Kläger eine Duldungspflicht nach §23a Abs.1 S.1 NachbG NRW treffe.

Die Beklagten behaupten, dass das Dach ihres Bestandsgebäudes infolge der Bauarbeiten das Klägerische Grundstück nicht weiter überbaue. Im Zuge der Sanierung sei das Dach lediglich neu gedeckt worden, im Übrigen bestehe es seit 1974. Sie erheben die Einrede der Verjährung.

Im Zuge der Bauarbeiten seien Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden. Die Setzrisse im Wintergarten seien nicht auf die Baumaßnahmen rückführbar.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Sachverständigen G und C1. Das Gericht hat den Sachverständigen G am 31.8.2018 und den Sachverständigen C1 am 10.02.2017 persönlich angehört. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen C1 vom 20.7.2016 (GA: Bl. 158 ff) sowie dessen Ergänzungsgutachten vom 24.10.2016 (GA: Bl. 187 ff) das Gutachten des Sachverständigen G vom 14.7.2017 (GA: Bl. 248 ff) sowie die Sitzungsprotokolle vom 10.2.2017 (GA: Bl. 212 ff) und 31.8.2018 (GA: Bl. 321 ff) Bezug genommen.

Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist im Hinblick auf die Klageanträge zu 1.) und 2.) begründet im Übrigen unbegründet.

1.

Die Klage ist im Hinblick auf den Antrag zu 1.) zulässig und begründet.

Die Klägerin kann die Beklagte gemäß §§ 1004, 903 BGB auf Beseitigung des an der Außenwand  zu ihrem Grundstück „B“ erfolgten Überbaus in Form der dort nachträglich angebrachten Wärmedämmung in Anspruch nehmen.

Die Kläger sind nicht nach § 912 BGB zur Duldung des infolge der Wärmedämmung erfolgten Überbaus verpflichtet ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2009, 24) findet vorgenannte Vorschrift keine unmittelbare Anwendung, weil die Beklagten im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen und nicht dagegen, wie in der Norm vorausgesetzt, bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut haben. Die Vorschrift ist aber Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, welcher über den unmittelbar im Gesetz geregelten Fall hinaus auf ähnliche Tatbestände ausgedehnt werden kann. Denn sie will die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte vermeiden, die dadurch entsteht, dass sich der Abbruch eines überbauten Gebäudeteils meist nicht auf diesen beschränken lässt, sondern zu einer Beeinträchtigung und Wertminderung auch des bestehen bleibenden, auf eigenem Grund gebauten Gebäudeteils führt. Zu diesem Zweck stellt § 912 BGB das Interesse an dem Erhalt der Gebäudeeinheit über das Interesse des Nachbarn an der Durchsetzung seiner Eigentumsrechte, sofern der Überbauer nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt und der Nachbar dem Überbau nicht sofort widersprochen hat.

Die unstreitige Grenzüberschreitung erfolgte nach Auffassung des Gerichts zumindest grob fahrlässig. Wer an der Grundstücksgrenze baut, muss sich über den Grenzverlauf zuverlässig unterrichten, dies ggf. durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs. Eine solche Unterrichtung wurde von den Beklagten weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Die Beweislast für die Duldungspflicht nach §912 Abs. 1 BGB, also für das fehlende Verschulden an der Grenzüberschreitung, trifft jedoch den Überbauenden (BeckOK BGB/Fritzsche BGB § 912 Rn. 31-32).

Es spielt für die Begründetheit auch keine Rolle, in welchem maße überbaut wurde, denn auch ein geringer Überbau ist nicht zu dulden.

Das Gericht ist auch aufgrund der persönlichen Anhörung der Kläger davon überzeugt, dass ein Widerspruch gegen die Überbauung nach Kenntnis des  Überbaus erfolgte. Die Angaben der Kläger sind glaubhaft, wenn sie, angesichts der vielfachen nachbarschaftlichen Streitigkeiten einen sofortigen Widerspruch gegen die Baumaßnahmen der Beklagten behaupten. Es wäre logisch nicht nachvollziehbar, wenn die Kläger angesichts der im Umfang nach weitaus kleineren Streitigkeiten, auch unter Hinzuziehung von Rechtsanwälten, einer Überbauung nicht widersprechen würden. Auch der Hinweis der Beklagten auf den fehlenden Widerspruch im Hinblick auf die Baugenehmigung verfängt nicht. Denn es erscheint nicht schlüssig, dass die Baugenehmigung des Anbaus bereits einen Überbau im Bereich Bestandsbau und Anbau vorsah.

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Die zeitliche Grenze für einen Widerspruch sofort nach der Grenzüberschreitung ist unter Berücksichtigung des Normzwecks zu ziehen. Es muss also einerseits die Grenzüberschreitung für den Nachbarn erkennbar und andererseits eine Zerstörung wirtschaftlich erheblicher Werte noch vermeidbar sein. Dabei reicht der bloße Beginn irgendwelcher möglicherweise zur Grenzüberschreitung geeigneter Baumaßnahme noch nicht aus. Da der Nachbar auch nicht ohne weiteres zu Nachforschungen verpflichtet ist, muss die Grenzüberschreitung ohne besondere Mühe erkennbar sein (Beck´scher Online – Kommentar § 912 BGB Rdn. 18). Das Gericht geht davon aus, dass diese Voraussetzungen, angesichts des geringen Überbaus frühestens erfüllt waren, als die von den Beklagten nachdem die beauftragten Handwerker mit der Anbringung der Wärmedämmung begonnen hatten. Das Schreiben vom 20.12.2013, kann insoweit bereits als Widerspruch angesehen werden. In den dortigen Ausführungen heißt es „Ihre Ansprüche, die sie aus dem von Ihnen vorgelegten Grenzverlauf ableiten, weisen wir zurück.“ (GA: Bl. 90). Daraus ergibt sich, dass die Kläger, nachdem sie von dem Vorhaben erfahren haben und dieses geprüft hatten ihr Einverständnis zu der geplanten Maßnahme nicht erteilten.

Anders als die Beklagten meinen folgt auch aus der bereits zum Zeitpunkt des Überbaus geltenden Vorschrift des § 23 a NachbG NRW keine Duldungspflicht zulasten der Kläger. Nach § 23 a Abs.1 vorgenannter Vorschrift hat der Eigentümer die Überbauung seines Grundstücks aufgrund von Maßnahmen, die an bestehenden Gebäuden für Zwecke der Wärmedämmung vorgenommen werden, zu dulden, wenn diese über die Bauteileanforderungen in der Energiesparverordnung vom 24.7.2007, geändert durch Verordnung vom 29.4.2009, in der jeweils geltenden Fassung nicht hinausgeht, eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und die Überbauung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.

Das von der Kammer in Auftrag gegebene schriftlich erstattete Gutachten des Sachverständigen G vom 14.7.2017 in Verbindung mit der mündlichen Anhörung vom 31.8.2018 hat ergeben, dass vorgenannte Voraussetzungen, von deren Vorliegen das Bestehen einer Duldungspflicht abhängig ist, nicht erfüllt sind.

Denn wie der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den erforderlichen Wärmeschutz mit vertretbarem Aufwand durch eine Innendämmung zu erreichen. Die demgegenüber vorgebrachten Bedenken der Beklagten hat der Sachverständige hinreichend berücksichtigt, so dass die vorgebrachten Einwände nicht zu überzeugen vermögen und daher weitere Feststellungen nicht geboten waren.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass eine Innendämmung vorliegend – auch unter besonderer Berücksichtigung der Wärmebrücken – erfolgen kann. Hierzu legt er die aus seiner Sicht erforderlichen Einzelschritte schlüssig dar (GA: Bl. 266). Die Kosten veranschlagt er mit 1854,13 EUR, während die Außendämmung mit Kosten von 1094,65 EUR beziffert wird. Als Nachteile einer Innendämmung beschreibt der Sachverständige neben den höheren Kosten, einen Raumverlust von 0,275 m², erhöhte Wärmeverluste und eine Einschränkung der Oberflächengestaltung. Diese Angaben sind aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar dargelegt worden. Die Anknüpfungstatsachen sind zutreffend gewählt, die Berechnungen erfolgen ohne erkennbare logische Fehler.

Das Gericht hält die Möglichkeit einer Innendämmung hier für vergleichbar, obwohl der Transmissionswärmeverlust bei der Innendämmung höher ist. Denn der Verlust erfolgt über einzelne Wärmebrücken, was sich nach Angaben des Sachverständigen nicht vermeiden lässt. Insofern ist von keinem besonders erhöhtem Wärmeverlust, der nach Auffassung des Gerichts erforderlich wäre und für den die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast tragen, um eine Vergleichbarkeit zu verneinen, auszugehen. Gleiches gilt für den Raumverlust, den das Gericht hier angesichts des geringen Ausmaßes als nicht erheblich einstuft.

Auch kann eine Innendämmung mit vertretbarem Aufwand gemäß §23a Abs.1 NachbG NRW vorgenommen werden. Angesichts der um knapp 760,00 EUR höheren Kosten liegt ein Mehraufwand von ungefähr 69% vor. Dies hält das Gericht unter Berücksichtigung des erheblich anzusehenden Überbaus von unstreitig 10 Zentimetern für einen vertretbaren Mehraufwand.

Weiterhin handelt es sich vorliegend nach Auffassung des Gerichts nicht um ein bestehendes Gebäude im Sinne des §23a Abs.1 des genannten Gesetzes. Bereits aus diesem Grunde ergibt sich keine Duldungspflicht der Kläger. Die Wertungen des BGH (BGH, Urt. v. 2.6.2017 – V ZR 196/16) zu dem Berliner Nachbarschaftsgesetzes sind angesichts des im Hinblick auf die Voraussetzung eines bestehenden Gebäudes, gleichen Wortlauts, auf die Vorschriften in NRW zu übertragen. Entscheidend ist daher, ob sich die Wärmedämmung als nachträgliche Sanierungsmaßnahme darstellt. Die Duldungspflicht nach § 23 a I NachbG NRW gilt somit nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt. Dies ist vorliegend zumindest im Hinblick auf die neu eingezogene Anbauwand der Fall.

Es muss vorliegend jedoch im Hinblick auf die Bestandswand berücksichtigt werden, dass der Gesamteidruck der Sanierung hier auf eine völlige Umgestaltung des Hauses hinauslief. Sinn und Zweck des §23a NachbG NRW ist die Lösung des bestehenden Spannungsfelds zwischen den Anforderungen der ENEV und des Verbot des Überbaus gemäß §912 BGB. Hier sollte einer pragmatischen, kostenorientierten Lösung der Vorzug gegeben werden. Diese Zielsetzung würde untergraben, wenn man bei Anbauten im Hinblick auf die neu eingezogene Wand eine Innendämmung verlangen müsste und im Hinblick auf die bestehende Wand eine Außendämmung zulassen würde. Insofern ist aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auf den Gesamteindruck der Maßnahme abzustellen. Bei großflächigen Neuerrichtungen mit anschließender Sanierung ist im Hinblick auf §23a Abs.1 NachBG NRW jedenfalls nicht von einem bestehenden Gebäude im Sinne der Vorschrift auszugehen.

Weiterhin ergibt sich zulasten der Kläger keine Duldungspflicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die Ableitung von Rechten und Pflichten aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis muss eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben, da sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber entsprechende Überbauregelungen getroffen haben. Die darin zum Ausdruck kommende grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers, dass nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen ist, hat zur Folge, dass den Normen des Energie – und Technikrechts kein zivilrechtlicher Reflex auf Nachbarschaftsverhältnisse zukommt. Der politische Wunsch zur Verbesserung des Klimaschutzes wirkt sich also zivilrechtlich insbesondere nicht anspruchsbegründend aus. Deshalb bedarf es insoweit nicht des billigen Ausgleichs widerstreitender nachbarlicher Interessen (Dr. I, Grenzüberbau durch Wärmedämmung, NJW 2010, 122, in diesem Sinne auch OLG Karlsruhe NZM 2010, 176).

2.

Der Klageantrag zu 2.) ist zulässig und begründet.

Es liegt ein Feststellungsinteresse der Kläger vor. Ein Feststellungsinteresse kann gegeben sein, wenn zu erwarten ist, dass sich der Beklagte einem Feststellungsurteil beugen wird (MüKoZPO/Becker-Eberhard ZPO § 256 Rn. 54-61). Angesichts der von den Beklagten im Hinblick auf die Berechnung des Schadens unbestrittenen Ausführungen des Sachverständigen G kann dies vorliegend angenommen werden.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §823 Abs.2 iVm §909 BGB. Nach den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen G beruhen die Setzrisse im Wintergarten des Klägers mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf den Baumaßnahmen der Beklagten. Der Sachverständige geht von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus und zieht nachvollziehbare Schlüsse. Verfehlt ist auch nicht die Bezugnahme auf die in der Akte befindlichen Fotografien, da die im Hinblick auf die Sicherungsmaßnahmen gemachten Angaben der Beklagten nicht hinreichend substantiiert erfolgen. Soweit der Gutachter von einer „sehr hohen Wahrscheinlichkeit“ spricht, wertet das Gericht diese Angaben gemäß §286 ZPO als ausreichend für die Feststellung der Ursächlichkeit der Maßnahmen, insbesondere da sich aus der Akte und den sonstigen Darlegungen der Parteien keine schlüssigen Alternativen zur Setzrissbildung erkennen lassen.

Die Einwendungen der Beklagten im Hinblick auf das Angebot an die Kläger, den Wintergarten zu unterfangen sind nicht hirneichend substantiiert. Insofern ist der Vortrag bereits widersprüchlich, denn die Beklagten geben an, dass der Kläger auf das Angebot „nicht geantwortet bzw dies abgelehnt“ habe (GA: Bl. 34). Insoweit fehlt es an hinreichend konkreten Darlegungen der insofern beweisbelasteten Beklagten. Auch ist nicht hirneichend nachvollziehbar dargelegt worden, dass und ggf welche Sicherungsmaßnahmen von den Beklagten ergriffen wurden.

Im Hinblick auf die Schadenshöhe bezüglich der Gutachterkosten hat der Sachverständige G überzeugend dargelegt, dass die entstandenen Kosten und der hierfür zugrunde gelegte Aufwand angemessen sind. Das Gericht hat nach eigener Prüfung der Ausführungen keinerlei Veranlassung diesen Darlegungen keinen Glauben zu schenken, zumal das Bestreiten der Erforderlichkeit durch die Beklagten hierzu ins Blaue hinein erfolgt.

Im Hinblick auf die Schadenshöhe ist das Bestreiten der Beklagten im Hinblick auf die Erfüllung der Forderung unsubstantiiert. Der Sachverständige hat die Kosten von 455,18 EUR in Rechnung gestellt (GA: Bl.12). Es sind keinerlei Umstände dargetan oder sonst ersichtlich, die auf eine Nichtzahlung schließen lassen, insbesondere, da der in Rechnung gestellte Betrag sofort fällig war. Das Bestreiten der Beklagten erfolgt hier erkennbar ins Blaue hinein.

3.

Der Klageantrag zu 3.) ist zulässig jedoch unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §823 Abs.1 BGB wegen Zerstörung des SAT-Kabels. Der Verletzte hat den objektiven Tatbestand, also die Verletzung eines Rechtsguts (BGH NJW-RR 2011, 1662), eine Handlung einschließlich des Unterlassens und die haftungsbegründende Kausalität (§ 286 ZPO, BGHZ 192, 303 [für Unterlassen]) darzulegen und zu beweisen. Die Beklagten haben den von den Klägern behaupteten Vorgang bestritten. Ein Sachvortrag ist jedoch erst schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Kläger vermögen jedoch weder einen konkreten Hergang darzulegen, noch diesen unter Beweis zu stellen. Auch die vorgelegten Bildaufnahmen sind für sich genommen zur konkreten Darlegung nicht geeignet, da dort nicht zwingend ersichtlich ist, dass die Durchtrennung durch die Beklagten erfolgte.

4.

Der Klageantrag zu 4.) ist zulässig jedoch unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §823 Abs.1 BGB wegen Zerstörung einer Entfernung der Bleiabdichtung. Auch insofern gilt, dass der Verletzte den objektiven Tatbestand, also die Verletzung eines Rechtsguts, eine Handlung einschließlich des Unterlassens und die haftungsbegründende Kausalität darzulegen und zu beweisen hat. Die Beklagten haben den von den Klägern behaupteten Vorgang unter Benennung positiver Tatsachen bestritten. Die Kläger vermögen auch hier weder einen konkreten Hergang darzulegen, noch diesen unter Beweis zu stellen. Der als Zeuge in Betracht kommende Herr C wurde jedenfalls nicht ordnungsgemäß benannt.

5.

Der Klageantrag zu 5.) ist zulässig jedoch unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §823 Abs.1 BGB wegen Beschmutzung und Beschädigung des Wintergartens. Es fehlt auch hier, nachdem die Beklagten den Vortrag der Kläger bestritten haben, an einem Beweisantritt der Kläger. Auch im Hinblick auf die Schadenshöhe fehlt es an hinreichend konkretisierten Angaben. Eine Beweisaufnahme würde auf eine Ausforschung hinauslaufen. Auch ein Anspruch nach §§ 16, 17 Abs.3 NachbG NRW besteht nicht. Die Kläger tragen zudem eine (fehlerhafte) Säuberung durch die von den Beklagten beauftragten Arbeiter vor, insofern ist eine Verschmutzung der Schreiben bereits unschlüssig dargelegt. Eine Beschädigung durch das Putzen ist weder ausreichend dargelegt, noch unter Beweis gestellt worden.

6.

Der Klageantrag zu 6.) ist zulässig jedoch unbegründet.

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung nach §25 Abs.1 NachbG NRW. Zwar kommt ein Anspruch nach den Darlegungen der Kläger dem Grunde nach in Betracht. Jedoch ist der Sachvortrag auch hier unschlüssig. Die Möglichkeit der richterlichen Schätzung nach §287 ZPO entbindet den Anspruchsteller nicht von Darlegung und ggf. Beweis der zugehörigen Anknüpfungstatsachen. Insoweit erfolgt jedoch überhaupt kein Vortrag der Kläger. Ein Sachvortrag ist jedoch im Hinblick auf den geltend gemachten Schaden nur dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen, was hier nicht geschehen ist. Insbesondere wurden keinerlei Anknüpfungstatsachen behauptet und unter Beweis gestellt, die dem Gericht eine Schätzung des Schadens erlauben würden.

7.

Der Klageantrag zu 7.) ist zulässig jedoch unbegründet.

Auch besteht ein Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten nicht. Es ist nicht substantiiert dargelegt worden, dass sich der Beklagte in Verzug befand. Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist unschlüssig.

8.

Im Hinblick auf den Klageantrag zu 8.) ist die Klage ebenfalls zulässig jedoch unbegründet. Im Hinblick auf die Gartenmauer besteht kein Anspruch auf Beseitigung nach §§ 1004 iVm 35,50 NachbG NRW. Der Anspruch greift nach §32 NachbG NRW nur ein, wenn einer der Nachbarn vom anderen die Einfriedung verlangt, wofür keine Anhaltspunkte bestehen.

Auch ein Anspruch nach §§1004,921,922 BGB besteht nicht, da sich die Mauer unstreitig auf dem Beklagtengrundstück befindet.

Ein Anspruch nach §1004 Abs.1 BGB scheidet aus, da Einwirkungen, die nur das ästhetische Empfinden des Nachbarn beeinträchtigen nicht abwehrfähig sind.

9.

Auch ein Anspruch auf Entfernung der Leitungen ist nicht gegeben. Der Klageantrag zu 9.) ist zulässig jedoch unbegründet. Im Hinblick auf einen möglichen Anspruch nach §1004 Abs.1 BGB fehlt es, nachdem die Beklagten den Vortrag bestreiten, an einem Beweisantritt. Insoweit sind auch die Voraussetzungen des Hilfsantrags nicht ausreichend dargelegt worden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§91 Abs.1, 91a ZPO. Im Hinblick auf den Teilvergleich waren die Kosten hälftig zu teilen (§91a ZPO), da eine ohne die Erledigung erforderliche Beweisaufnahme durch den Teilvergleich unterblieb. Es wäre hier eine weitere Beweisaufnahme erforderlich geworden, da Umfang des Überragens und Zustand des Ursprungsdachs, was die mögliche Verjährung eines Anspruchs beträfe, zwischen den Parteien streitig blieben sind.

Für eine Niederschlagung der Sachverständigenkosten (GA: BL. 146) blieb kein Raum, da die Voraussetzungen des §21 GKG ersichtlich nicht vorliegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11 2. Alt, 709 S.1, S.2, 711 S.1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 19.379,72 EUR festgesetzt.

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