AG Bremen, Az.: 9 C 420/10, Urteil vom 25.08.2011
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Zahlung aus einer kaufvertraglichen Nebenvereinbarung.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.02.2010 (Bl. 10 ff. d.A.) erwarb der Kläger vom Vater des Beklagten, Herrn R…, die Immobilie S. in N.. Als Übergabe- und Fälligkeitszeitpunkt wurde der 01.09.2010 bestimmt (§§ 3, 4). Unter § 5 wurde die Auflassung vereinbart.
Die Auflassungsvormerkung wurde am 08.03.2010 in das Grundbuch eingetragen. Die Übergabe der Immobilie erfolgte nach Kaufpreiszahlung am 01.10.2010.
Mit Beschluss vom 06.08.2010 bestellte das Amtsgerichts Norden den Streitverkündeten zum Betreuer von Herrn R…
Mit Schreiben vom 23.08.2010 (Bl. 21 d.A.) machte der Kläger gegenüber dem Streitverkündeten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 3.491,00 € im Hinblick auf die „Verschiebung der Übergabe des gekauften Hauses“ geltend.
Am 31.08.2010 vereinbarte der Streitverkündete mit dem Kläger einen – notariell nicht beglaubigten – „Nachtrag zum Kaufvertrag“ (Bl. 20 d.A.); hierauf findet sich der handschriftliche und unterzeichnete Vermerk: „Aufwandsentschädigung lt Rechg v. 23.8.10“.
Der Betreute verstarb in der Folgezeit und wurde vom Beklagten beerbt.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte als Rechtsnachfolger des seinerzeit durch den Streitverkündeten vertretenen Erblassers aufgrund eines Schuldanerkenntnisses zur bezifferten Aufwandsentschädigung verpflichtet sei.
Der Kläger beantragt im Urkundsverfahren,
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.491,- zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die Zusatzvereinbarung formunwirksam sei. Im Übrigen habe der Kläger überhöhte Beträge abgerechnet.
Das Gericht hat den Parteien im Termin vom 09.06.2011 Hinweis erteilt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Zusatzvereinbarung vom 31.08.2010 i.V.m. dem Abrechnungsschreiben vom 23.08.2010 ist jedenfalls gemäß §§ 125, 311b I 1 BGB nichtig.
Denn die Vereinbarung hätte als Zusatz- bzw. Änderungsvereinbarung zum notariellen Kaufvertrag vom 25.02.2010 der notariellen Form bedurft (BGHZ 66, 271).
Die ausdrückliche Abänderung des im Kaufvertrag geregelten Übergabe- und Fälligkeitszeitpunkts vom 01.09.2010 auf den 02.10.2010 betraf einen wesentlichen Vertragsbestandteil im Sinne des § 433 BGB und keine bloße Nebenabrede. Die nachträglichen Modifizierungen zu § 3 und § 4 des Kaufvertrags sind daher nichtig. Auch die möglicherweise pauschal vereinbarte Aufwandsentschädigung bezöge sich inhaltlich auf die (unwirksam) vereinbarte Aufhebung des (rechtswirksam) vereinbarten Übergabezeitpunkts. Insofern ist die Vereinbarung vom 31.08.2010 als Ganzes nichtig; eine Teilnichtigkeit kommt nicht in Betracht. Die nachträglich vereinbarte Veränderung der Lieferzeit bedarf bei einem Grundstückgeschäft der notariellen Form (BGH NJW 1974, 271; Palandt, 69. A., § 311b, Rn. 41; vgl. auch OLG Oldenburg, Urteil vom 19.08.2004, 1 U 8/04-Juris).
Unbeachtlich ist, dass die Zusatzvereinbarung nach Eintragung der Auflassungsvormerkung erfolgte und im Kaufvertrag die Auflassungserklärungen (§ 5) bereits enthalten waren.
Zwar soll nach BGH NJW 1985, 266 (zu § 313 BGB a.F. m.w.N.) die Formbedürftigkeit eines nach Auflassung (aber noch vor Eigentumsumschreibung) abgeschlossenen Abänderungsvertrags zu verneinen sein. Der BGH begründet seine Ansicht mit der Erwägung, dass die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung in vollem Umfang erfüllt ist und deshalb nach erklärter Auflassung nicht mehr besteht (BGH WM 1971, 896). Dieser Ansicht vermag das Gericht zumindest im vorliegenden Fall nicht zu folgen:
Wann die Grundbuchumschreibung bzw. der Eigentumsübergang vollzogen wurde, ist von den Parteien nicht vorgetragen worden. Der Zusatzvertrag betraf mit der Regelung der Lieferzeit einen wesentlichen Leistungsbestandteil des Kaufvertrags und keine bloße Regelung von Abwicklungsformalitäten (Palandt, a.a.O., § 271, Rn. 1). Mit der Verlegung des Übergabezeitpunkts sollte seinerzeit auch der Zeitpunkt des zukünftigen Eigentumübergangs bestimmt werden; die Änderungsvereinbarung betraf also auch den Erwerb an sich. Schließlich haben die Parteien keinen Einfluss darauf, wann das Grundbuch tatsächlich umgeschrieben wird. Der entsprechend bevollmächtigte Notar leitet die (unbedingt erklärten) Auflassungserklärungen der Kaufvertragsparteien typischerweise erst in dem Zeitpunkt an das Grundbuchamt weiter, in dem die vertraglich bestimmten Auflassungsvoraussetzungen geprüft vorliegen. Eine Verschiebung der Leistungszeit führt de facto also zu einem entsprechend verzögerten Eigentumsübergang. Nachtragsvereinbarungen, die auch nur mittelbar die Eintragung betreffen, sind formbedürftig (vgl. Palandt, 69. A., § 311b, Rn. 42; OLG Düsseldorf, NJW 1998, 2225).
In notariellen Kaufverträgen sind die Auflassungserklärungen der Parteien (§§ 873, 925 BGB) regelmäßig mit enthalten. Somit wäre unter alleiniger Zugrundelegung des (zufälligen) Kriteriums der bereits erfolgten Auflassung jede nachträgliche Vertragsänderung formfrei möglich, also selbst die per Handschlag beschlossene Halbierung des Kaufpreises auf dem Heimweg vom Notartermin (dagegen jedoch: BGH NJW 1982, 434). Dieser Konsequenz steht der Schutzzweck des § 311b BGB, nämlich Schutz der Beteiligten eines Immobiliengeschäfts vor unüberlegten und spontanen Erklärungen, jedoch entgegen. Die Heilungsvorschrift des § 311b 2 BGB, die ausdrücklich auf den Grundbucheintrag abstellt, liefe in diesen Fällen leer, weil es mangels Formbedürftigkeit auf die Heilung nicht ankäme.
Eine Heilung nach § 311b I 2 BGB kommt nicht in Betracht, da unklar bleibt, ob die Willensübereinstimmung hinsichtlich der Zusatzvereinbarung vom 31.08.2010 zum Zeitpunkt der Auflassung und Eintragung noch fortbestand (vgl. Palandt, a.a.O., Rn. 55, 49; BGHZ 127, 136). Eine Vermutung für das Fortbestehen des übereinstimmenden Willens kann vorliegend nicht angenommen werden, weil zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers nicht vorgetragen wurde. Möglicherweise war zum Zeitpunkt der Eintragung bereits der Beklagte in die Rechtsstellung des Erblassers eingetreten (§ 1922 BGB); auf den fortbestehenden Willen des Streitverkündeten ist daher nicht ohne weiteres abzustellen.
Der nicht auszuschließende Wegfall des übereinstimmenden Willens im Zeitraum zwischen Auflassung und Eintragung ist aus den genannten Gründen nicht unbeachtlich (a.A. wohl: BGH WM 1973, 612 unter Hinweis auf die dingliche Bindung der Auflassung).
Somit kann offen bleiben, ob die handschriftliche Bezugnahme auf das Schreiben vom 23.08.2010 im Vertrag vom 31.08.2010 als Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB auszulegen ist und insofern der Schriftform des § 126 BGB genügt (vgl. hierzu Palandt, a.a.O., § 126, Rn. 4).
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11 Alt 2 ZPO.