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Fehlende Baugenehmigung als Sachmangel bei Grundstückskaufvertrag

LG Krefeld – Az.: 3 O 256/16 – Urteil vom 26.10.2017

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.050,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2016 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, im Falle der Mängelbeseitigung die auf den vorgenannten Betrag entfallende Mehrwertsteuer an die Klägerin zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Stellung eines Bauantrages und die Planung und Bauüberwachung im Zusammenhang mit der Nutzungsänderung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und des ersten Obergeschosses zu gewerblichen Zwecken auf dem Grundstück, Grundbuch des Amtsgerichts L. von L., Blatt XX, Gemarkung L., Flur XX, Flurstück XXX, entsteht.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.358,86 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2016 zu bezahlen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen einer baurechtlich nicht genehmigten Nutzung eines von der Beklagten käuflich erworbenen Grundstücks.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 29.10.2012 erwarb die Klägerin von der Beklagten das streitgegenständliche Grundstück, Grundbuch des Amtsgerichts L. von L., Blatt XX, Gemarkung L., Flur XX, Flurstück XXX. Auf dem Grundstück befindet sich ein dreigeschossiges Gebäude, in dem neben Wohnungen auch Gewerbeeinheiten untergebracht sind. Im Dachgeschoss befinden sich zwei Wohnungen. Hiervon waren bis zum 01.09.2011 beide, im Zeitpunkt des Übergangs der Nutzen und Lasten des Grundstücks auf die Klägerin wegen der zwischenzeitlichen Kündigung eines Mieters nur noch eine vermietet. Im Erdgeschoss befand sich eine Apotheke. Die Klägerin betrieb seit dem 01.10.2003 im ersten Obergeschoss des Gebäudes als Mieterin der Beklagten eine Arztpraxis. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Nutzung des ersten Obergeschosses als Arztpraxis nicht genehmigt.

Der vorgenannte Kaufvertrag enthält u.a. folgende Klauseln:

„B. III.

1. Eine Haftung des Verkäufers für jede Art von Sachmängeln des Grundstücks und des aufstehenden Gebäudes wird ausdrücklich ausgeschlossen. […]

5. Die bestehenden Miet- und Pachtverhältnisse sind dem Käufer bekannt und werden von dem Käufer übernommen.

[…]

Der Verkäufer erklärt weiterhin, dass die vorhandene Bebauung baurechtlich genehmigt ist und keine behördlichen Auflagen zu der Bebauung und Nutzung der Bebauung bestehen, die nicht erfüllt wären.

Diese Angaben werden als Beschaffenheit des Kaufgegenstandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt vereinbart. Auf die damit verbundene Haftung des Verkäufers für diese Beschaffenheit des Kaufgegenstandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt und die regelmäßige Frist für die Haftung von zwei Jahren hat der Notar hingewiesen.“

Für den weiteren Inhalt wird Bezug genommen auf die Urkunde des Notars C. in L., UR-Nr. XXX, Anlage A1, Bl. 9 ff. der Akte.

Die Klägerin verlegte ihre Arztpraxis nach dem Erwerb in das Erdgeschoss. Mit E-Mail vom 08.04.2014 teilte die Bauaufsicht der Stadt L. dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass eine Genehmigung zur Nutzung zu Wohnzwecken für Räumlichkeiten im Dachgeschoss grundsätzlich möglich sei (Anlage A3, Bl. 25 der Akte).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.05.2014 forderte die Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung von 14 Tagen zur Stellungnahme im Hinblick auf die fehlende Genehmigung der Wohnnutzung im Dachgeschoss auf, insbesondere zur Anerkennung einer Haftung, dem Grunde nach so gestellt zu werden, wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte (Anlage A4, Bl. 26 ff. der Akte). Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2014 wies die Beklagte Ansprüche der Klägerin mit der Begründung zurück, der von der Klägerin dargestellte Sachverhalt sei von der Beschaffenheitsvereinbarung nicht umfasst (Anlage A5, Bl. 29 der Akte).

Unter dem 16.09.2014 leitete die Kläger ein selbständiges Beweisverfahren vor dem hiesigen Gericht mit dem Ziel ein, den finanziellen Aufwand sachverständig zu ermitteln, der für eine nachträgliche Genehmigung der Dachgeschosswohnung zu Wohnzwecken und des ersten Obergeschosses zur Nutzung als Arztpraxis erforderlich wäre. Auf den Inhalt der Akten des selbständigen Beweisverfahrens (Az. 3 OH 15/14) wird insoweit Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet unter Berufung auf das Sachverständigengutachten aus dem selbstständigen Beweisverfahren, um das Dachgeschoss und das erste Obergeschoss in einen genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen seien bauliche Maßnahmen erforderlich, die netto 29.050,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 5.519,50 Euro betragen würden. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte auch für das Fehlen einer Genehmigung, die sich auf die Nutzung des Gebäudes beziehe. Die vertragliche Klausel enthalte insoweit keine Einschränkung.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2017 beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 34.569,50 EUR und zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34.569,50 EUR Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden über den Betrag von 34.569,50 EUR hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht und/oder bereits entstanden ist, dass die Genehmigung zur Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Nutzung des 1. OG als Arztpraxis vor und bei Abschluss des diesbezüglichen geschlossenen notariellen Kaufvertrages vom 29.10.2012 gefehlt hat.

3. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht und/oder bereits entstanden ist, dass die Genehmigung zur Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Nutzung des 1. OG als Arztpraxis vor und bei Abschluss des diesbezüglichen geschlossenen notariellen Kaufvertrages vom 29.10.2012 gefehlt hat.

4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 9.044,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, wobei hiervon 2.400,00 EUR (netto) auf die Kosten des Bauantrags, 5.400 EUR (netto) auf die Planungs- und Überwachungskosten und 1.444,00 EUR auf die MWSt entfallen.

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.474,89 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit der nach der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2017 gestellten Anträge. Sie erhebt die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, die Klägerin müsse bei der Betriebsaufnahme ihrer Arztpraxis mit den Behörden geklärt haben, ob sie das erste Obergeschoss hierfür nutzen dürfe. Die Klägerin könne die von ihr angesetzten Kosten nicht erstattet verlangen, weil an das 1969 errichtete Gebäude lediglich der damalige Standard anzusetzen sei. Die Beklagte ist der Ansicht, sie hafte aufgrund des Gewährleistungsausschlusses im Kaufvertrag nicht für die fehlende Nutzungsgenehmigung. Aus ihrer Erklärung im Kaufvertrag, dass die vorhandene Bebauung baurechtlich genehmigt sei, ergäbe sich nichts anderes. Jedenfalls fehle es an einem Schaden. Zum einen betreibe die Klägerin die Arztpraxis nicht mehr im ersten Obergeschoss, zum anderen bestehe keine behördliche Nutzungsuntersagung hinsichtlich der Arztpraxis oder der Wohnungen. Hinsichtlich des ersten Obergeschosses könne die Klägerin allenfalls die Differenz zwischen Gewerbe- und Wohnraummiete ersetzt verlangen. Umsatzsteuer könne die Klägerin nicht ersetzt verlangen, da diese nicht angefallen sei. Gewährleistungsansprüche der Klägerin seien verjährt, da die fünfjährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB mangels Bauwerksbezug nicht einschlägig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt und die Feststellungen in den Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Klageantrag zu 1) ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 29.050,00 Euro aus §§ 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 4, 280, 281 BGB.

1.

Die Parteien sind durch einen notariellen Grundstückkaufvertrag miteinander verbunden.

2.

Ein Sachmangel liegt vor. Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.

a.

Die Parteien hatten als Beschaffenheit vereinbart, dass die bei Vertragsschluss vorhandene bauliche Nutzung genehmigt war. Dies ergibt eine Auslegung der Vereinbarung in Abschnitt III Ziffer 5 Absatz 4 des notariellen Kaufvertrages. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Grundstückskäufer die Erklärung, der Bau sei genehmigt, sofern die Vertragsparteien damit nicht übereinstimmend etwas anderes verbinden, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) dahin verstehen, das nicht nur das verkaufte Gebäude als solches, sondern auch die die Nutzung des Gebäudes nach dem konkreten Ausbauzustand, den dieses bei Vertragsschluss aufweist, baurechtlich genehmigt ist. Ist das nicht der Fall, muss der Verkäufer den Käufer hierauf ausdrücklich hinweisen und seine Erklärung entsprechend eingrenzen (vgl. BGH, BGH, Urteil vom 31. Oktober 1997 – V ZR 248/96 -, Urteil vom 17. September 1999 – V ZR 220/98 -, beide zitiert nach juris). Nach Abschnitt III Ziffer 5 Absatz 4 des notariellen Kaufvertrages wird als Beschaffenheit des Kaufgegenstandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt vereinbart, dass die vorhandene Bebauung baurechtlich genehmigt ist und keine behördlichen Auflagen zu der Bebauung und Nutzung der Bebauung bestehen, die nicht erfüllt werden. Die Beschaffenheitsvereinbarung bezieht sich damit ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Verkaufs und nicht den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes. Bereits daraus folgt, dass sie sich auch auf alle nach Fertigstellung des Bauwerks erfolgten genehmigungsbedürftigen Änderungen oder Ausbauten bezieht. Auch die systematische Stellung der Klausel im Abschnitt über die bekannten Mietverhältnisse spricht dagegen, dass die Parteien die Genehmigung der vorhandenen Bebauung übereinstimmend nur auf das Haus „als solches“ bezogen haben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zweiten Halbsatz der Klausel, der im Unterschied zum ersten Halbsatz zwischen Bebauung und Nutzung differenziert. Insoweit wäre nämlich ein ausdrücklicher Hinweis erforderlich gewesen, dass die vorhandene bauliche Nutzung nicht genehmigt ist.

Auch hinsichtlich der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses leerstehende Dachgeschosswohnung war nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte die Genehmigung zu Wohnzwecken vertraglich vereinbart, da die Parteien diese Art der baulichen Nutzung auf Grund der vorangegangenen Vermietung dieser und der gegenwärtigen Vermietung der anderen Dachgeschosswohnung vorausgesetzt haben.

b.

Bei Gefahrübergang lag eine negative Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vor. Eine fehlende Baugenehmigung stellt einen Sachmangel des veräußerten Eigentums dar, weil die Baubehörde die Nutzung jedenfalls bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung untersagen kann, und zwar unabhängig von der Frage, ob eine Genehmigung erteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11 -, juris). Die Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und des ersten Obergeschosses als Arztpraxis war bei Gefahrübergang nicht genehmigt. Auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an. Die unberechtigte Nutzung stellt überdies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld geahndet werden kann (vgl. § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW).

3.

Eine Fristsetzung war entbehrlich, denn das Verhalten und die Erklärungen der Beklagten sind als endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 281 Abs. 2 Fall 1 BGB zu werten. Zwar sind an eine solche strenge Anforderungen zu stellen. Das Leugnen eines Mangels kann einen Hinweis auf eine ernsthafte und endgültige Verweigerung sein, lässt aber nicht zwingend diesen Schluss zu (vgl. BGH Urt. v. 12.1.1993, X ZR 63/91; OLG Koblenz Urt. v. 13.11.2008, 5 U 900/08,- beide zitiert nach Juris). Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 06.05.2014 die fehlenden Baugenehmigungen gerügt und diese zur Anerkennung der Haftung für den entstandenen Schaden aufgefordert. Mit Schreiben vom 16.06.2014 hat die Beklagte die Ansprüche der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, dass der von der Klägerin dargestellte Sachverhalt nicht von der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung umfasst sei. Damit hat die Beklagte Gewährleistungsansprüche der Klägerin auf Grund der fehlenden Baugenehmigungen per se in Abrede gestellt und zum Ausdruck gebracht, dass sie insoweit jede – tatsächliche und rechtliche – Verantwortung ablehnt. Aus Sicht der Klägerin musste es daher aussichtslos erscheinen, mit einer Fristsetzung die Beklagte noch umstimmen zu können. Eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung hätte in dieser Situation eine bloße Förmelei dargestellt. Das prozessuale Verhalten der Beklagten im selbstständigen Beweisverfahren und im Klageverfahren, mit dem diese das Eingreifen der Beschaffenheitsvereinbarung vehement in Abrede gestellt hat, bestätigen die endgültige Verweigerung einer Nachbesserung durch die Beklagte.

4.

Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht der in Abschnitt III Ziffer 1 des notariellen Kaufvertrages vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Im Falle einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung kann ein daneben vereinbarter Gewährleistungsausschluss nur dahin ausgelegt werden, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) beziehungsweise sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 117/12 -, juris).

5.

Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen nach § 442 S. 1 BGB. Danach sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss kennt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der von der Klägerin bestrittene Vortrag der Beklagten, die Klägerin werde im Rahmen der Betriebsaufnahme mit den Behörden geklärt haben, ob sie ihre Arztpraxis in den Räumlichkeiten des 1. Obergeschosses nutzen durfte, rechtfertigt nicht die Annahme, die Klägerin habe Kenntnis von der fehlenden Nutzungsgenehmigung gehabt. Die Aufnahme der baurechtwidrigen Nutzung durch die Klägerin spricht gerade dagegen, dass diese die Frage der Genehmigungspflichtigkeit mit den Behörden geklärt hatte, da die Behörde gemäß § 61 Abs. 1 BauO NRW zum Einschreiten verpflichtet gewesen wäre nach.

6.

Der der Klägerin zu ersetzende Schaden umfasst die zur Herstellung eines genehmigungsfähigen Bauzustandes erforderlichen Kosten in Höhe von netto 29.050,00 Euro. Die Klägerin hat insofern den Beweis geführt, indem sie sich auf die im selbstständigen Beweisverfahren festgestellten Tatsachen berufen hat, § 493 Abs. 1 ZPO. Der Sachverständige hat dort festgestellt, dass Baumaßnahmen mit einem Kostenaufwand in Höhe von netto 29.050,00 Euro erforderlich sind, um die Räumlichkeiten in einen genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten entfällt ein Schaden der Klägerin auch nicht, weil eine Nutzungsuntersagung nicht vorliegt. Die Beklagte hat der Klägerin nach § 437 Nr. 3, §§ 440, 280, 281 BGB im Wege des Schadensersatz statt der Leistung die Kosten zu ersetzten, die zur Beseitigung des Mangels erforderlich sind. Der Sachmangel liegt darin begründet, dass die Baubehörde die Nutzung jedenfalls bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung untersagen kann. Der Mangel kann daher nur durch die Erlangung einer Baugenehmigung beseitigt werden. Dass die Klägerin ihre Arztpraxis aus dem 1. Obergeschoss ins Erdgeschoss verlegt hat, steht der Annahme eines Schadens ebenfalls nicht entgegen. Vertraglich vereinbart war, dass die tatsächliche bauliche Nutzung genehmigt ist. Die Beklagte hat der Klägerin daher auch die Kosten zu ersetzten, die erforderlich sind, um das 1. Obergeschoss in einen für eine ärztliche Praxis genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin könne insoweit nur die Differenz zwischen Geschäfts- und Wohnraummiete verlangen, greift daher ebenfalls nicht durch.

Die Umsatzsteuer kann die Klägerin von der Beklagten nicht ersetzt verlangen. Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist bei Beschädigung einer Sache die Umsatzsteuer nur zu ersetzten, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Diese Vorschrift findet auf vertragliche Schadensersatzansprüche zwar keine unmittelbare Anwendung. Sie ist jedoch entsprechend anzuwenden, wenn ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB nach Maßgabe der Aufwendungen zur Schadensbeseitigung bemessen wird (vgl. Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 249 Rn. 461). So hat der Bundesgerichtshof zum werkvertraglichen Schadensersatzanspruch aus § 634 Nr. 4 BGB entschieden, dass ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen der Mängel an einem Bauwerk nicht die auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. 7. 2010 – VII ZR 176/09,- juris). Nach dem Bundesgerichtshof führt die Schadensberechnung nach geschätzten Mängelbeseitigungskosten im Bereich des Baurechts häufig zu einer Überkompensation, als dem Geschädigten rechnerische Schadensposten ersetzt werden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht anfallen. Dies rechtfertige es, gerade bei der Umsatzsteuer eine entsprechende Einschränkung zu machen, weil dieser Anteil eindeutig, leicht feststellbar und abgrenzbar sei und den größten preisbildenden Faktor unter den durchlaufenden Posten der Mängelbeseitigungskosten darstelle. Diese Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden kaufrechtlichen Fall ohne weiteres übertragen, weil hier ebenfalls ein Bauwerk in Rede steht, und die Mangelbeseitigungskosten auf Bauleistungen entfallen. Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin die Umsatzsteuer nicht zu ersetzten, da diese noch nicht angefallen ist.

7.

Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB verjährt der in§ 437 Nr. 2 a) BGB bezeichnete Anspruch bei einem Bauwerk in fünf Jahren. Die Regelung gilt beim Verkauf bebauter Grundstücke nur für das Bauwerk, nicht für das Grundstück. Für Grundstücksmängel bleibt es bei der Zweijahresfrist von § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB (vgl. Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, 2014, § 438 Rn. 41). Begründet eine Rechtsbeziehung einen Mangel, ist auch insofern zu unterscheiden, ob sich diese auf das Grundstück als solches oder auf das Gebäude bezieht. So stellen Grundschulden oder Mietverhältnisse an dem Grundstück Grundstücksmängel dar, die nach der zweijährigen Frist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjähren. Demgegenüber ist § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB einschlägig, wenn eine gekaufte Wohnung vermietet ist (vgl. Grunewald in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 438 BGB Rn. 7). Die fehlenden Nutzungsgenehmigungen sind bauwerksbezogen. Die Genehmigung der konkreten baulichen Nutzung einzelner Räumlichkeiten bezieht sich nicht auf das Grundstück als solches, sondern auf das Bauwerk. Dies wird im vorliegenden Fall auch dadurch deutlich, dass die Genehmigungsfähigkeit der betreffenden Räumlichkeiten durch bauliche Veränderung des Gebäudes hergestellt werden kann.

Der notarielle Kaufvertrag wurde am 29.10.2012 geschlossen. Legt man diesen Zeitpunkt mangels Übergabe auf Grund des Besitzes der Klägerin als Verjährungsbeginn gemäß § 438 Abs. 2 BGB zu Grunde, war der Anspruch bei Schluss der mündlichen Verhandlung am 05.10.2017 nicht verjährt, sodass es auf eine Hemmung der Verjährung nicht ankommt.

II.

Der Klageantrag zu 2) ist zulässig und begründet.

Der Klageantrag zu 2) wurde mit Schriftsatz vom 08.06.2017 erhoben. Es liegt insoweit eine nachträgliche kumulative Klagehäufung vor, deren Zulässigkeit nach den Vorschriften über die Klageänderung zu beurteilen ist. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klageänderung bereits nach § 264 Nr. 2 BGB zulässig ist. Sie ist jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO, da mit dem Antrag die Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Mängelkosten begehrt wird. Dass der Antrag nach der Verhandlung am 16.05.2017 erhoben wurde, ist unschädlich, da die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen war.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Dieses besteht bereits dann, wenn dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte ein Recht des Klägers ernstlich bestreitet, und wenn das von dem Kläger erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Die Beklagte bestreitet nicht nur künftige Ansprüche der Klägerin, es droht auch der Ablauf der Verjährung der Ansprüche nach § 437 Abs. 1 Nr. 2 a BGB. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht ausgeschlossen, weil der Klägerin eine bessere Rechtschutzmöglichkeit zur Verfügung stünde. Die Erhebung einer vorrangigen Leistungsklage (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 256 Rn. 7a) ist der Klägerin weder möglich noch zumutbar. Eine schlüssige Klage auf Leistung kann die Klägerin bereits nicht erheben, da der Sachverständige die Kosten für die Stellung eines Bauantrages und die Planungs- und Überwachungskosten in seinem Gutachten nur überschlägig geschätzt und nicht spezifiziert hat. Die Erhebung einer Leistungsklage ist der Klägerin aber auch nicht zumutbar. Der Klägerin würde dadurch die Möglichkeit genommen, anstelle fiktiver Mangelbeseitigungskosten die konkret anfallenden Kosten geltend zu machen.

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Beklagte ist der Klägerin zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die zur Einholung der erforderlichen Genehmigungen entstehen. Dieser Anspruch umfasst auch die für die Vorbereitung und Erstellung eines entsprechenden Antrags anfallenden Planungs- und Überwachungskosten, als auch die eigentlichen Genehmigungskosten (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 07. Januar 2013 – 4 U 585/12 -, juris).

III.

Der (Hilfs-)antrag zu 3) ist zulässig und begründet.

Der Antrag ist dahin auszulegen, dass dieser jedenfalls auch für die Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu 1) gestellt wird. Dass er ausschließlich für die Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu 2) geltend gemacht wird ist nicht ersichtlich, zumal er generell die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für Schäden auf Grund der fehlenden Baugenehmigungen begehrt und nicht wie der Hauptantrag zu 2) auf den Schaden begrenzt ist, der den mit dem Hauptantrag zu 1) begehrten Betrag übersteigt. Dass der (Hilfs-)antrag zu 3) (nur) unter der Bedingung der Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu 2) gestellt wurde erschließt sich auch deshalb nicht, weil nicht ersichtlich ist, warum die mit diesem Antrag begehrte Feststellung bei Erfolglosigkeit der mit dem Hauptantrag zu 2) verfolgten Feststellungsklage Erfolg haben könnte.

Infolge der Teilabweisung des Klageantrags zu 1) ist somit die Bedingung eingetreten, sodass über den Hilfsantrag zu 3) zu entscheiden war.

Der Hilfsantrag ist zulässig, soweit mit ihm die Feststellung der Ersatzpflicht der Umsatzsteuer hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 1) begehrten Mangelbeseitigungkosten geltend gemacht wird. Das Feststellungsinteresse ist gegeben, weil Leistung insoweit nicht begehrt werden kann und möglich ist, dass bei den baulichen Maßnahmen zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit der Räumlichkeiten Umsatzsteuer anfällt. Auf Grund der Ersatzpflicht der Beklagten ist der Antrag auch begründet.

IV.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro. Dem liegt eine 1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG und ein Gegenstandswert von 29.050,00 Euro zu Grunde.

V.

Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen aus §§ 288, 291 ZPO.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 709 S. 1 u. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 40.649,50 EUR festgesetzt.

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