LG Landshut – Az.: 54 O 1121/16 – Urteil vom 11.11.2016
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Notar R. mit dem Amtssitz in O. (-) anzuweisen, den notariellen Kaufvertrag vom 13.11.2016 (Urkundenrolle Nr. -) zu vollziehen, sodass das Grundstück Gemarkung O. Flur -, Flurstücke – zur Größe von 545 qm und – zur Größe von 440 qm, eingetragen im Grundbuch von O. Bl. -, mit der Postanschrift -, O., an die Klägerin aufgelassen und die Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wird.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 312.500 € festgesetzt.
Tatbestand
Klage und Widerklage betreffen die Durchführung eines notariellen Kaufvertrags.
Die Klägerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 13.11.2015 das im Tenor näher bezeichnete Grundstück zu einem Kaufpreis von 250.000 €. In „§ 2 Kaufpreis/Kaufpreisfälligkeit“ heißt es u. a.
3. Der Kaufpreis ist fällig und zahlbar 10 Tage nach Vorliegen der nachfolgend aufgeführten Fälligkeitsvoraussetzungen, frühestens jedoch zum 15.01.2016:
a) die Eigentumsverschaffungsvormerkung zu Gunsten des Käufers ist im Grundbuch eingetragen.
b) (…)
c) (…)
d) Das Kaufobjekt mietfrei und geräumt und frei von Nutzungsrechten Dritter ist. Die Räumung hat spätestens bis zum 15.01.2016 zu erfolgen.
Mit Schreiben vom 05.02.2016 teilte der Beklagte der Klägerin folgendes mit:
In vorbezeichneter Kaufvertragssache liegt nun folgende, letzte Voraussetzung vor:
§2 3. d) Das Kaufobjekt ist mietfrei, geräumt und frei von Nutzungsrechten Dritter
Kaufpreiszahlungsfrist: Donnerstag, 18.02.2016
Die Klägerin überwies mit Eingang auf dem Konto des Beklagten am 18.02.2016 den Kaufpreis von 250.000 €, wobei es im Verwendungszweck heißt:
UR – unter Vorbehalt der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln
Der Beklagte überwies den Betrag umgehend an die Klägerin zurück, woraufhin die Klägerin nochmals den Betrag an den Beklagten überwies, der das Geld umgehend wieder zurücküberwies.
Mit Schreiben vom 19.02.2016 trat der Kläger unter Hinweis auf das Rücktrittsrecht im Kaufvertrag von Vertrag zurück.
Die Klägerin behauptet, die Räumung sei erst zum 15.02.2016 erfolgt. Nichtsdestotrotz habe man pünktlich den Kaufpreis an den Beklagten überwiesen. Der Rücktritt des Beklagten sei insoweit unwirksam.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Notar R. mit dem Amtssitz in O. (-) anzuweisen, den notariellen Kaufvertrag vom 13.11.2016 (Urkundenrolle Nr. -) zu vollziehen, sodass das Grundstück Gemarkung O. Flur -, Flurstücke – zur Größe von 545 qm und – zur Größe von 440 qm, eingetragen im Grundbuch von O. Bl. -, mit der Postanschrift -, O., an die Klägerin aufgelassen und die Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt im Wege der Widerklage, die Klägerin zu verurteilen, der Löschung der zu Gunsten der Klägerin im Grundbuch von O., Blatt -, eingetragenen Auflassungsvormerkung betreffend das Grundstück -, O., Gemarkung O., Flur -, Flurstück – und Flurstück -, zuzustimmen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, sein Rücktritt im Schreiben vom 19.02.2016 sei wirksam. Die Gutschrift zum 18.02.2016 sei keine Erfüllungsleistung der Klägerin gewesen, da diese unter Vorbehalt der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen erfolgt sei.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Zur Vervollständigung des Tatbestands wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet, die Widerklage unbegründet.
I. Die Klage ist vollumfänglich begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch aus dem notariellen Kaufvertrag vom 13.11.2015 auf Anweisung an den Notar zur Vornahme der entsprechenden Mitteilungen an das Grundbuchamt (§ 2 Nr. 4 c aa des Kaufvertrags, Anlage K1). Die Klägerin hat nämlich die ihr obliegende Kaufpreiszahlungspflicht im Sinne des § 362 BGB erfüllt.
2. Soweit der Kläger sein (vertragliches) Rücktrittsrecht unter Hinweis auf § 2 Nr. 4 b bb des notariellen Kaufvertrags auf Zahlungsverzug stützt, hat die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten die vom Beklagten gesetzte Frist zur Zahlung des Kaufpreises bis 18.02.2016 (vgl. Anlage B10) eingehalten. Die Tatsache, dass die Gutschrift am 18.02.2016 unter einem „Vorbehalt der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen“ erfolgte, ändert nichts an der Tatsache, dass Erfüllung im Sinne des § 362 BGB eingetreten wäre.
Insoweit ist die Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen. Wie der BGH unter Hinweis auf seine vorherigen Entscheidungen im Urteil vom 06.10.1998 (Az. XI ZR 36/98, NJW 1999, 494) festgestellt hat, kann eine Leistung unter Vorbehalt unterschiedliche Bedeutung haben: „Im allgemeinen will der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistungen als Anerkenntnis (§ 208 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, sich also die Möglichkeit offen halten, das Geleistete gemäß § 812 BGB zurückzufordern. Ein Vorbehalt dieser Art stellt die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung nicht in Frage. Anders ist es, wenn der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt leistet, dass ein Leistungsempfänger für den späteren Rückforderungsstreit die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen soll. Ein solcher Vorbehalt ist keine Erfüllung im Sinne des § 362 BGB.“ Der BGH führt ausdrücklich den Beispielsfall an, dass ein Schuldner während eines Rechtsstreits zahlt und seine Rechtsverteidigung fortsetzt, weil damit zum Ausdruck kommt, dass die Zahlung auf den Ausgang des Rechtsstreits keinen Einfluss haben soll.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin allerdings nicht die Richtigkeit der Kaufpreisforderung an sich bestritten, sondern schon bereits im Verwendungszweck die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen nicht ausgeschlossen. Auch wenn der Beklagte diese Ansprüche im Hinblick auf den Gewährleistungsausschluss im notariellen Kaufvertrag (§ 4) für nicht gegeben hält, ist trotz Gewährleistungsausschlusses eine Berufung auf Sachmängelgewährleistung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wie bereits die Vorschrift des § 444 BGB zeigt. Damit hat allerdings die Klägerin nicht geltend gemacht, dass dem Kläger ein Kaufpreisanspruch in dieser Höhe gar nicht bestünde, sondern wollte nur dem Anschein entgegen wirken, sie habe auf aufgrund der Regelung des § 444 BGB bestehende Rechte in irgendeiner Weise verzichtet oder die Ordnungsgemäßheit des Grundstücks in irgendeiner Art und Weise anerkannt.
3. Der Rücktritt des Beklagten ist daher unwirksam und der Beklagte verpflichtet, die Anweisung an den Notar zum Vollzug des Kaufvertrags zu erteilen.
II. Aus denselben Gründen ist die Widerklage abzuweisen, da auf Grund des Vollzugsanspruchs der Klägerin eine Löschung der Auflassungsvormerkung nicht zu erfolgen hat.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO.
Der Streitwert wurde für die Klage auf 250.000 €, entsprechend dem Wert des Grundstücks nach dem Kaufvertrag, festgesetzt. Für die Widerklage wurde ein Viertel des Grundstückswertes berücksichtigt, da die Widerklage die Löschung der Auflassungsvormerkung betrifft. Ein Viertel des Grundstückswertes sind 62.500 €. Nachdem es sich um verschiedene Streitgegenstände handelt, waren die Streitwerte zu addieren.