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Grundstückskaufvertrag – Rückabwicklung bei arglistigem Verschweigen von Sachmängeln

LG Offenburg – Az.: 2 O 305/18 – Urteil vom 31.01.2020

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, Zug um Zug gegen Rückübertragung der im Grundbuch des Amtsgerichtsbezirks K., Grundbuchamt R. von R. Blatt 490, Gemarkung R. unter Flst.-Nr. **/*-G-Straße 9, eingetragenen Gebäude- und Freifläche zu 7,97 ar und Rückübereignung folgenden Mobiliars:

a) eine Einbauküche nebst Elektrogeräten und zwei Barhocker,

b) ein Kleiderschrank in der Ankleide im Obergeschoss,

c) ein Biedermeier-Schrank mit Nussbaumfurnier im Schlafzimmer im Erdgeschoss,

d) alle Lampen im gesamten Hausanwesen, ausgenommen im Esszimmer,

e) sechs Fensterdekorationen von AJB Anstötz und Laura Ashley im Badezimmer,

f) ein weißer Bücherschrank im Büro im Erdgeschoss,

g) ein Buche-Einbau-Bücherregal im Kinderzimmer im Obergeschoss

279.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.05.2018 an die Kläger als Gesamtgläubiger zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, 52.719,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.07.2018 an die Kläger als Gesamtgläubiger zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, 4.066,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.07.2018 an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren an die Kläger als Gesamtgläubiger zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rückübertragung des unter Ziffer 1. genannten Grundstücks nebst des unter Ziffer 1. a) – g) genannten Mobiliars in Annahmeverzug befinden.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Das Urteil ist mit Ausnahme von Ziffern 4. und 5. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 339.659,69 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages betreffend eine Immobilie in der…………… nebst Mobiliar.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 09.**.2016 erwarben die Kläger von den beklagten Eheleuten deren Grundstück mit dem darauf befindlichen Einfamilienhaus und dem im Klageantrag unter Ziffer 1.) aufgezählten Mobiliar zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 290.000,00 €. Das Einfamilienhaus wurde ca. 1970 in Fertigbauweise errichtet. Die Außenfassade besteht aus asbesthaltigen Faserzementplatten.

Unter Ziffer V. des notariellen Kaufvertrags heißt es (vgl. Anlage K1):

„2. […] Zu den versteckten, also bei der Besichtigung nicht erkennbaren Mängeln versichert der Verkäufer ausdrücklich, von solchen nichts zu wissen, insbesondere nicht verschwiegen zu haben. Darüber hinaus kommen Ansprüche und Rechte des Käufers wegen Sachmängeln am Vertragsgegenstand und vom Käufer übernommenen Gegenständen nicht in Betracht, […]. Der Käufer hat alles eingehend besichtigt und kauft es wie es liegt und steht, in dem Zustand, in dem es sich bei der Besichtigung am 05.09.2016 befand.

[…]

4. Der Verkäufer hat den Käufer darauf hingewiesen, dass bei Starkregen vereinzelt vom Hof durch die Verbindungstreppe zwischen Garage und Wohnhaus Wasser eintritt […]. Der Käufer übernimmt das Kaufobjekt in Kenntnis hiervon.“

Dem Kaufvertragsschluss vorangegangen waren zwei Besichtigungstermine am 22.08.2016 und am 05.09.2016. Die Übergabe des Grundstücks an die Kläger erfolgte im April 2017. Anlässlich einer Renovierungsanfrage bei der Firma S-GmbH (im Folgenden: „Firma S.“), einem Unternehmen aus W., das sich auf die Geruchs- und energetische Sanierung von Fertighäusern spezialisiert hat, teilte deren Geschäftsführer, der Zeuge P.S., den Klägern mit, dass er bereits im März 2016 den Beklagten ein Sanierungsangebot unterbreitet habe (vgl. die E-Mail des Zeugen P.S. unter Anlage K2). In dem genannten „Preisangebot“ vom 02.03.2016 (Anlage K3) und dem überarbeiteten Preisangebot vom Folgetag (Anlage K4) heißt es auf Seite 3:

„Sie werden künftig folgende Vorteile nach der Sanierung Ihrer Fassade haben.

– Sanierung mit dem Gebrauchsmuster geschütztem R-System

– Bausystem, speziell zur Sanierung der Außenwände für ältere Fertighäuser

– […]

– Entfernung und Entsorgung der Zement-Asbestplatten“

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.01.2018 zeigten die Kläger den Beklagten an, dass von ihnen eine erhebliche Geruchsbelästigung im Haus festgestellt wurde, dass die von ihnen entdeckten gesundheitsgefährdenden „Zement-Asbestplatten“ in der Hausfassade ausgetauscht werden müssten und dass es entgegen den Angaben im notariellen Kaufvertrag nahezu bei jedem Regen und nicht nur bei Starkregen zu Wassereintritten im Kellerflur käme (Anlage K7). Die Beklagten wurden weiterhin aufgefordert, bis 07.02.2018 zu erklären, dass sie die Beseitigungskosten für die aufgeführten Mängel in Höhe von ca. 80.000,00 € übernehmen.

Mit Schreiben vom 20.02.2018 wiesen die Beklagten die Forderung als „haltlos“ zurück (Anlage K8).

Mit Schreiben vom 04.05.2018 erklärten die Kläger daraufhin den Rücktritt von vorgenanntem Kaufvertrag (Anlage K11). Zugleich wurden die Beklagten darin aufgefordert 290.000,00 € Zug um Zug gegen Besitzübergabe und Rückübertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück bis 16.05.2018 zu bezahlen.

Die Klageschrift wurde den Beklagten jeweils am 17.07.2018 zugestellt (Bl. 67 ff. d. A.).

Die Kläger behaupten, dass die Beklagten ihnen gegenüber bei Kaufvertragsschluss eine Asbestbelastung durch „Zement-Asbestplatten“ sowie Geruchsbeeinträchtigungen im Haus durch Chloranisole verschwiegen hätten. Dementsprechend seien die vorgenannten Mängel auch nicht im notariellen Kaufvertrag aufgezählt. Den muffigen bis schimmlig-muffigen Geruch im Haus hätten die Kläger erst nach ihrem Einzug im April 2017 wahrgenommen. Dass die Beklagten von der Geruchsbelästigung bereits vor Kaufvertragsschluss gewusst haben müssen, ergäbe sich daraus, dass sie bereits im März 2016 ein Sanierungsangebot der Firma S. eingeholt hätten, in dem auch die Geruchssanierung mit dem geschützten R.-System angeboten worden sei. Von den Asbestplatten hätten sie erst erfahren, als sie im Mai 2017 ein zusätzliches Fenster im Wohnzimmer durch einen Schreiner einbauen lassen wollten.

Die Kläger sind der Ansicht, dass sie wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten seien, sodass der Vertrag rückabzuwickeln sei. Gewährleistungsrechte seien nach § 444 BGB nicht ausgeschlossen, da ihnen die oben genannten Mängel arglistig verschwiegen worden seien. Über die Geruchsbeeinträchtigung und den Verbau von Asbest hätte ohne Nachfrage aufgeklärt werden müssen.

Die Kläger beantragen,

1.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, Zug um Zug gegen Rückübertragung der im Grundbuch des Amtsgerichtsbezirks K., Grundbuchamt R. von R. Blatt 490, Gemarkung Rheinbischofsheim unter Flst.-Nr. ***/*-G-Straße 9, eingetragenen Gebäude- und Freifläche zu 7,97 ar und Rückübereignung folgenden Mobiliars:

a) eine Einbauküche nebst Elektrogeräten und zwei Barhocker,

b) ein Kleiderschrank in der Ankleide im Obergeschoss,

c) ein Biedermeier-Schrank mit Nussbaumfurnier im Schlafzimmer im Erdgeschoss,

d) alle Lampen im gesamten Hausanwesen, ausgenommen im Esszimmer,

e) sechs Fenster-dekorationen von AJB Anstötz und Laura Ashley im Badezimmer,

f) ein weißer Bucherschrank im Büro im Erdgeschoss

g) ein Buche-Einbau-Bücherregal im Kinderzimmer im Obergeschoss

279.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2018 an die Kläger als Gesamtgläubiger zu zahlen.

2.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, 52.719,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Kläger als Gesamtgläubiger zu zahlen.

3.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, 4.066,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren an die Kläger als Gesamtgläubiger zu bezahlen.

4.) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten seit dem 16.05.2018 in Annahmeverzug befinden.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung.

Die Beklagten behaupten, dass das Einfamilienhaus kein Geruchsproblem habe. Bei der Firma S. sei Anfang 2016 lediglich eine energetische Sanierung angefragt worden, nicht aber eine Geruchssanierung. Über die Asbestplatten seien die Kläger im Rahmen eines Besichtigungstermins und in Gegenwart der Zeugin St. aufgeklärt worden. Sie seien deshalb davon ausgegangen, dass die Asbestbelastung nicht im Kaufvertrag hätte erwähnt werden müssen. Das Sanierungsangebot der Firma S. sei den Klägern vor Kaufvertragsschluss übergeben worden.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Rücktritt der Kläger vom Kaufvertrag unwirksam sei, da den Klägern kein Mangel verschwiegen wurde. Im Übrigen hätte auf den Stoff Chloranisol nicht hingewiesen werden müssen, da dieser weder gefährlich noch gesundheitsgefährdend sei. Es verbleibe beim vereinbarten Ausschluss der Gewährleistungsrechte.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst jeweils dazugehöriger Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen P.S., E. sowie N. und C. St. . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 20.11.2019 (Bl. 341 ff. d.A.) und vom 08.01.2020 (Bl. 414 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.) Die Kläger können von den Beklagten nach § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. § 437 Nr. 2, 323 BGB Zahlung von 279.440,00 € nebst Zinsen verlangen.

a) Die Gewährleistungsrechte der Kläger gegen die Beklagten sind nicht durch die Vereinbarung unter Ziffer V. des notariellen Kaufvertrags vom 09.11.2016 ausgeschlossen, da die Beklagten den Klägern offenbarungspflichtige Sachmängel des verkauften Grundstücks arglistig i.S.v. § 444 BGB verschwiegen haben.

aa) Die unstrittig vor Kaufvertragsschluss vorhanden gewesenen Asbestzementplatten in der Fassade des Einfamilienhauses stellen einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB dar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Baustoffe, die bei der Errichtung eines Wohnhauses gebräuchlich waren, später aber als gesundheitsschädlich erkannt worden sind, einen offenbarungspflichtigen Mangel der Kaufsache begründen. Für die Beurteilung als Sachmangel des Kaufgegenstands kommt es – wenn die Vertragsparteien wie hier keine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen haben – entscheidend darauf an, ob der Rechtsverkehr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein älteres Wohnhaus, bei dem der schädliche Baustoff in der konkreten Weise verbaut oder eingesetzt worden ist, als uneingeschränkt geeignet ansieht für die gewöhnliche bzw. für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, § 434 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies kann nicht schematisch für einzelne Baustoffe unter Beachtung allein ihres abstrakten Gefährdungspotenzials beantwortet werden. Von einem Mangel des Kaufgegenstands ist vielmehr erst, aber auch ohne akute Sanierungsbedürftigkeit schon dann auszugehen, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potenzial im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts austreten. Dabei liegt eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit eines Wohngebäudes auch dann vor, wenn übliche Umgestaltungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden können. Das soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls für solche Arbeiten gelten, die üblicherweise auch von Laien und nicht nur von mit dem Umgang gefährlicher Baustoffe vertrauten Betrieben des Fachhandwerks vorgenommen werden. In solchen Bereichen muss ein verständiger Verkäufer in Rechnung stellen, dass Heimwerker mit gesundheitsgefährdenden Stoffen in Berührung kommen, ohne die zur Abwehr von Gesundheitsgefahren notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie nicht wissen, dass die verbauten Materialien gefährliche Stoffe enthalten (BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, NJW 2009, 2120, 2121; OLG München, Urt. v. 01.12.2009 – 5 U 1743/09, NJW-RR 2010, 677).

Das Gericht kann vorliegend offen lassen, ob es sich bei dem von den Klägern intendierten Einbau zusätzlicher Fenster im Esszimmer noch um eine Umbaumaßnahme im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung handelt, die üblicherweise von Laien durchgeführt wird, da jedenfalls zwischen den Parteien unstrittig auch bei üblichen Bohrungen an der Außenfassade krebserregender Asbest austreten könnte.

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Zur Überzeugung des Gerichts steht weiterhin fest, dass das Einfamilienhaus bei Vertragsschluss ein Geruchsproblem hervorgerufen durch Chloranisole hatte, was ebenfalls einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 BGB darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – V ZR 4/19, NZM 2020, 75, 76 Tz. 15 zu muffigem Kellergeruch als Sachmangel; Hinweisbeschl. v. 04.09.2018 – VIII ZR 100/18, NJW-RR 2018, 1483 zu muffiger Luft in der Küche als Mietmangel). Dies unabhängig davon, ob die vom Privatgutachter Dr. R. 2017 v.a. in den nach Norden ausgerichteten Räumen festgestellte Chloranisolkonzentration (Anlage K5) potentiell gesundheitsgefährdend ist oder nicht, da es maßgeblich auf die Einschränkung der Nutzung der genannten Räume zu Wohnzwecken ankommt, die bei der hier vorliegenden „signifikanten Überschreitung der Geruchsschwelle“ (vgl. Seite 21 des vorgenannten Gutachtens) auf der Hand liegt.

Die Überzeugung des Gerichts, dass die nach Vertragsschluss festgestellte Geruchsbelästigung bereits bei Vertragsschluss vorlag, ergibt sich zum einen daraus, dass es das Gericht zunächst für keinen Zufall hält, dass sich die Beklagten bereits im März 2016 ausgerechnet an ein für die Geruchsbeeinträchtigung in älteren Fertighäusern spezialisiertes Fachunternehmen gewandt haben, dessen Sitz sich knapp 170 km vom streitgegenständlichen Grundstück entfernt befindet. Dies ohne sich auch nur ein einziges Konkurrenzangebot aus der näheren Umgebung, insbesondere aus den angrenzenden Großräumen Karlsruhe, Freiburg oder Offenburg, eingeholt zu haben, wo gerichtsbekannt zahlreiche Unternehmen, die eine nur energetische Sanierung anbieten, ihren Sitz haben. In diesem Zusammenhang hält es das Gericht ebenfalls für keinen Zufall, dass ausgerechnet ein R.-Partner von den Beklagten ausgesucht wurde, wo doch das R.-System bei einer Suche auf der Suchmaschine google.de unter dem Stichwort „Fertighaus Geruchssanierung“ an vorderster Stelle steht, während bei einer Suche etwa nach „Fertighaus energetische Sanierung“ reihenweise andere Unternehmen von Google vorgeschlagen werden. Erschwerend kommt die Aussage des sachverständigen Zeugen P.S. hinzu, dem Geschäftsführer der Firma S., der das streitgegenständliche Einfamilienhaus wenige Monate vor Kaufvertragsschluss begangen hatte.

Aus einer Zeugenaussage allein, mag sie auch noch so nachvollziehbar und glaubhaft sein, folgt allerdings weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit des Bekundeten. Es ist grundsätzlich gleich wahrscheinlich, ob die Auskunftsperson lügt, sich irrt oder die Wahrheit sagt (sog. Nullhypothese). Danach hat jede Aussage solange als unwahr zu gelten, bis diese Vermutung sich angesichts der Umstände nicht mehr aufrechterhalten lässt. Methodisch ist deshalb eine Aussage in erster Linie nach Anhaltspunkten für eine realitätsbegründete Schilderung, nach Anzeichen für Wahrheit und nicht für Lüge zu überprüfen (Kirchhoff, MDR 2010, 791, 792 f. m.w.N.). Es ist daher Aufgabe des erkennenden Gerichts nach Anhaltspunkten zu suchen, dass die Auskunftspersonen die Wahrheit sagen. Dies geschieht durch sog. Realitätskennzeichen. Diese deuten darauf hin, dass die Auskunftsperson über Geschehnisse mit realem Erlebnishintergrund berichtet.

Der Zeuge P.S. erfüllt mehrere Realitätskennzeichen, sodass davon auszugehen ist, dass seine Aussage auf einem realen Erlebnishintergrund beruht. So konnte der unaufgeregte Zeuge P.S. besondere Details seines Besuchs im Frühjahr 2016 bei den Beklagten unter Wiedergabe von Gedanken und Gefühlen schildern, ohne den Eindruck zu vermitteln, Teile seiner Aussage spontan erfunden, mit der Klägerseite abgesprochen oder sich vor der Vernehmung ausgedacht zu haben. Er konnte sich insbesondere noch an die Podesttreppe und die Giebelfassade im bzw. am streitgegenständlichen Einfamilienhaus erinnern (vgl. Bl. 357 d.A.). Weiterhin konnte er sich daran erinnern, wie er mit dem Beklagten das Haus beging, insbesondere mit ihm in der Garage über die Entfernung der Asbestplatten sprach (Bl. 351 d.A.) und das Dachgeschoss betrat. Der Zeuge P.S. konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern, dass er die Beklagten auf ein Geruchsproblem aufmerksam gemacht hat. Der Zeuge hat aber gleichzeitig betont, dass er Kunden von sich aus auf Geruchsprobleme im Haus anspricht und die Sanierung mit dem R.-System nur dann nicht in sein Preisangebot aufnimmt, wenn der Kunde dies ausdrücklich wünscht. Letzteres würde dann im Preisangebot mit Fettdruck und Unterstreichung hervorgehoben, nicht es dass von Seiten des Kunden einmal heißt, der Kunde sei „vom P.S.“ nicht aufgeklärt worden (Bl. 353 d.A.). Aus der Tatsache, dass das R.-System im Preisangebot steht (Anlagen K3 und K4), folgerte der Zeuge, dass die Geruchsproblematik auch tatsächlich mit den Beklagten besprochen worden sein muss (Bl. 355 d.A.). Dies vor dem Hintergrund, dass die Geruchssanierung das Angebot aufgrund des kostspieligen Absorbervlieses deutlich teurer mache.

Dass der Zeuge P.S. seit Jahr und Tag derart standardisiert vorgeht und auch die Kompetenz hat, baustoff- bzw. baumittelverursachte Geruchsbeeinträchtigungen von sonstigen unangenehmen Gerüchen zu unterscheiden, steht zur Überzeugung des Gerichts über den Inhalt der Zeugenaussage hinaus auch fest aus dem von Zeugen im Rahmen seiner Vernehmung gewonnenen Gesamteindruck in Verbindung mit den vorgelegten Preisangeboten. So nimmt das Gericht dem fachkundig und integer wirkenden Zeugen ab, dass er aufgrund seiner 15-jährigen Erfahrung bei der Fertighaussanierung den muffigen Geruch von mit Chloranisolen belasteten Fertighäusern von anderen unangenehmen Gerüchen unterscheiden kann. Die Ursache für die Entstehung derartiger Gerüche konnte der Zeuge dem Gericht erklären. Davon, dass der Zeuge P.S. üblicherweise selbst die Erstgespräche auf die immer mehr oder minder gleiche Weise wahrnimmt, konnte sich das Gericht davon überzeugen, als der Zeuge die Frage der Klägervertreterin nach dessen Bildmappe im PKW bejahte (Bl. 355 d.A.). Auch den Aufbau seiner immer ähnlich gestalteten Preisangebote, die er üblicherweise – wie auch im Fall beider Parteien – vorab per Mail verschickt, kennt der Zeuge in- und auswendig.

Das Gericht geht daher summa summarum davon aus, dass die Beklagten vom Zeugen P.S. auf die für ältere Fertighäuser typische Geruchsbelästigung aufmerksam gemacht wurden, die folglich bereits Anfang 2016, d.h. vor Kaufvertragsschluss, vorgelegen haben muss. Dem Gericht leuchtet im Übrigen nicht ein, wieso sich die Beklagten eine mehrere tausend Euro teure Geruchssanierung hätten „aufschwatzen“ lassen sollen, wenn es keine Geruchsproblematik gab. Dies vor dem Hintergrund, dass die Beklagten vom Zeugen P.S. am 02.03.2016 telefonisch sogar ein überarbeitetes Preisangebot angefordert hatten (Bl. 199 d.A.), das dennoch weiterhin die Geruchssanierung enthielt.

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht auf die beiderseits angebotene Zeugenvernehmung (Freunde, Bekannte, Nachbarn der Parteien etc.) sowie die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens verzichtet.

bb) Die Kenntnis der Beklagten von der Asbestbelastung vor Kaufvertragsschluss ist unstrittig. Die Kenntnis der Beklagten von der Geruchsproblematik im Haus ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts nach eben Gesagten aus der Aussage des Zeugen P.S. in Verbindung mit den beiden Preisangeboten der Firma S. vom 02.03.2016 und 03.03.2016 (Anlagen K3 und K4), die den Beklagten unstrittig im März 2016 vom Zeugen P.S. übersandt wurden. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

cc) Die vorgenannten Mängel wurden von den Beklagten auch verschwiegen.

Zur Überzeugung des Gerichts haben die Beklagten die Kläger weder über die Asbestplatten noch über die ihnen bekannte Geruchsproblematik aufgeklärt.

Dass über die Geruchsproblematik nicht vor Kaufvertragsschluss aufgeklärt wurde ist unstrittig, schließlich leugnen die Beklagten bereits deren Kenntnis.

Dass über die Asbestbelastung nicht aufgeklärt wurde, folgt daraus, dass es den Klägern gelungen ist, die von den Beklagten in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise spezifizierte vorgebliche Aufklärung auszuräumen (zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast: BGH, Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09, NJW 2011, 1279, 1281 Tz. 12).

So steht für das Gericht fest, dass die Kläger im Rahmen des Besichtigungstermins am 22.08.2016 nicht von den Beklagten über die Asbestplatten in der Wand aufgeklärt wurden. Dies folgt zum einen daraus, dass das Gericht der Zeugin N. St., die eine Aufklärung durch den Beklagten gehört haben will (Bl. 429 ff. d. A.), keinen Glauben schenkt. Die Zeugin St. hat sich als wortkarge, schüchterne Zeugin präsentiert, die das Gericht nur durch wiederholtes Nachfragen zum Reden bringen konnte. Die angebliche Aufklärung über die Asbestplatten durch den Beklagten konnte sie nicht im Wortlaut wiedergeben, wobei der Beklagte einmal das Wort „Asbest“, dann doch das Wort „Asbestplatten“ benutzt haben soll. Auch die Unterhaltung selbst konnte sie nicht (mehr) im ungefähren Wortlaut wiedergeben. Während die Zeugin in ihrer ersten Vernehmung vor dem Richterwechsel noch eine Aufklärung durch den Beklagten über die Notwendigkeit eines „speziellen Fachunternehmens wegen der Gesundheitsgefahren“ gehört haben will (Bl. 251 d.A.), was in verdächtiger Weise dem klägerischen Vortrag ähnelte (vgl. Bl. 97 d.A.), war hiervon in der zweiten Vernehmung keine Rede mehr. Das Gericht hält es in diesem Zusammenhang auch für keinen Zufall, dass die Zeugin von der gesamten Unterhaltung im Esszimmer ausgerechnet nur die Aufklärung des Beklagten über die Asbestbelastung mitbekommen will. Dass die Zeugin sich hinsichtlich des von ihr seinerzeit angeschauten Preisangebots der Firma S. an Details wie ein „WC“ erinnern kann, nicht aber den Punkt „Entfernung und Entsorgung der Zement-Asbestplatten“, obwohl dies zu den zuvorderst genannten zentralen Leistungen gehörte, lassen ebenfalls Zweifel an der Wahrheit der Aussage der Zeugin beim Gericht aufkommen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Zeugin St. von den Beklagten in der außergerichtlichen Korrespondenz anonymisiert noch als „familienfremde Zeugin“ bezeichnet wurde, die bei der Besichtigung anwesend gewesen sein soll (vgl. Anlage K8 und K12), während die Kläger bis zum Eintreffen der Klageerwiderung nicht einmal in der Lage waren zu raten, wer diese Person überhaupt sein soll (Bl. 21 d.A.). Im Hinblick darauf, dass auch die glaubwürdige Zeugin E. die Zeugin St. nicht wahrgenommen haben will (Bl. 359 ff. d.A.), bestehen seitens des Gerichts ernsthafte Zweifel, ob die Zeugin St. überhaupt bei der genannten Besichtigung anwesend oder zumindest in Hörweite war.

Das Gericht nimmt weiterhin mit Unverständnis zur Kenntnis, dass der Zeuge C. St., der von Beruf Stuckateur ist und der sich ebenfalls das Angebot der Firma S. seinerzeit angeschaut haben will, sich nicht mehr an den Punkt „Entfernung und Entsorgung der Zement-Asbestplatten“ erinnern will und ihm zudem als „Mann vom Fach“ nicht aufgefallen sein soll, dass das Preisangebot der Firma S. vom März 2016 eine Geruchssanierung für mehrere tausend Euro beinhaltet.

Zur Überzeugung des Gerichts steht weiterhin fest, dass den Klägern im Rahmen des Besichtigungstermins auch nicht das Angebot der Firma S. vom März 2016 dauerhaft oder auch nur vorübergehend ausgehändigt wurde. Abgesehen davon, dass das Gericht mit der Klägerin aufgrund des von ihr gewonnen Eindrucks darin übereinstimmt, dass sie mit Sicherheit nicht monatelang ein Preisangebot, das auf eine Asbestbelastung und Geruchsproblematik schließen lässt, unkommentiert bei sich aufbewahrt hätte, waren sich die Beklagten selbst nicht einig, ob das Angebot der Firma S. nun dauerhaft (Bl. 85 und 345 d.A.) oder nur kurz zur Einsicht (Bl. 427 d.A.) an die Kläger übergeben wurde. Auffällig auch, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2019 entsprechend dem Aktenvortrag behauptete, dass er das Angebot der Firma S. im Rahmen des Besichtigungstermins an die Kläger übergeben habe (Bl. 345 d.A.), während dies in der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2020 die Beklagte der Klägerin kurz zur Einsicht überlassen haben will (Bl. 427 d.A.) und sich der Beklagte nicht einmal mehr daran erinnern konnte, ob überhaupt über das Angebot gesprochen wurde (Bl. 427 d.A.). Dies vor dem Hintergrund, dass die Existenz des Angebots der Firma S. von den Beklagten in der außergerichtlichen Korrespondenz zunächst geleugnet wurde (Anlage K10), andererseits aber – als es nichts mehr zu leugnen gab – als PC-Ausdruck im Besichtigungstermin übergeben worden sein soll (Anlage K8). Außergerichtlich hatten die Beklagten gar behauptet, dass selbst ein „Austausch der Asbestplatten“ von den Beklagten nicht beabsichtigt war (vgl. Anlage K12), obwohl dieser Punkt ebenso wie die Geruchssanierung selbst im überarbeiteten Preisangebot der Firma S. noch enthalten war. Diesen widersprüchlichen Vortrag wertet das Gericht im Rahmen einer Gesamtschau zulasten der Beklagten.

Restzweifel, dass es doch zu einer Übergabe der Preisangebote der Firma S. gekommen sein soll, hat das Gericht im Übrigen auch deshalb nicht, weil die Beklagten keine vernünftige Erklärung dafür hatten, wieso sie den Klägern am 08.09.2016 (Datum des Poststempels, vgl. Anlage K48), d.h. in zeitlicher Nähe zum zweiten Besichtigungstermin, einen Brief geschickt haben. Wären die Angebote der Firma S. bzgl. der Fassadensanierung und die sonstigen Unterlagen, die die Beklagten für den Besichtigungstermin angeblich vorbereitet hatten, tatsächlich im Besichtigungstermin übergeben wurden, wäre nicht ersichtlich, wieso die Beklagten per Post Unterlagen nachreichen sollten. Das Gericht geht daher in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerseite davon aus, dass die Beklagten den Klägern am 08.09.2016 das Sanierungsangebot der Firma D-GmbH bzgl. der Reparatur einer Wassereintrittsstelle im Haus auf deren vorherige telefonische Anfrage übermittelt haben.

dd) Die Beklagten handelten auch arglistig i.S.v. § 444 BGB.

Arglist setzt neben der Kenntnis des Mangels voraus, dass der Verkäufer weiß oder zumindest für möglich hält, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und er bei Offenbarung den Vertrag nicht oder zumindest nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09, NJW 2011, 1279, 1281 Tz. 14 f.).

Dass die Kläger das Grundstück nicht bzw. nicht zu diesem Preis gekauft hätten, wenn sie über die Sanierungsbedürftigkeit aufgeklärt worden wären, ist unstrittig.

Zur Überzeugung des Gerichts steht nach Würdigung sämtlicher Indizien auch fest, dass die Beklagten sich bei Kaufvertragsschluss auch bewusst waren, dass der Kaufvertrag bei Aufklärung über die vorgenannten Mängel nicht, jedenfalls nicht zu diesem Preis, geschlossen worden wäre.

Dies deshalb, weil die Beklagten wussten, dass das Einfamilienhaus mit der Asbestbelastung und der Geruchsbelästigung zwei gravierende Mängel hat, die nur durch eine umfassende, mehrere zehntausend Euro teure Sanierung behoben werden konnten. Ein entsprechendes Angebot einer Fachfirma lag ihnen in zeitlicher Nähe zum Hausverkauf bereits vor. Die Beklagten wussten zudem vor Vertragsschluss, dass die Kläger Schwierigkeiten hatten, überhaupt den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 290.000,00 € zeitnah aufzubringen (vgl. Bl. 83 im Anlagenheft Beklagte). Dies insbesondere deshalb, weil der Kaufpreis vor Kaufvertragsschluss sogar noch um 25.000,00 € hochgesetzt wurde (Bl. 221 d.A.). Vor diesem Hintergrund mussten die Beklagten zur Überzeugung des Gerichts davon ausgehen, dass zumindest eine deutliche Kaufpreissenkung von den Klägern verlangt worden wäre. Das Gericht kann sich im Übrigen bei lebensnaher Sachverhaltsbetrachtung nach dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck im Übrigen nicht vorstellen, dass diese als promovierte Mutter von drei Kinder extra aus Freiburg i.Br. weggezogen wäre, um in einem mit Asbest belasteten Haus ein neues Familienheim zu gründen, was auch den Beklagten vor Kaufvertragsschluss nicht verschlossen geblieben war.

Nicht geklärt werden konnte vom Gericht, wieso die Beklagten kurz nach Erhalt des Sanierungsangebotes der Firma S. Hals über Kopf selbst das streitgegenständliche Grundstück ohne vorherige Durchführung der Sanierung verkaufen wollten, um wenige Kilometer weiter ein neues Grundstück zu kaufen. Hierüber hüllten sich die Beklagten permanent in Schweigen (vgl. Bl. 205 d.A.). Diesbezügliche Spekulationen können nicht zum Gegenstand der Überzeugungsbildung gemacht werden.

ee) Zur Überzeugung des Gerichts hatten die Kläger vor Kaufvertragsschluss anderweitig weder Kenntnis von der Asbestbelastung noch von der Geruchsproblematik.

(1) Aus den Bauunterlagen (Anlage K9) ergibt sich entgegen dem Vortrag der Beklagtenseite nicht, dass die Wände Eternit enthalten, sodass offen bleiben kann, ob diese den Klägern vor Kaufvertragsschluss bekannt waren. Selbst für den Fall, dass dies der Fall wäre, sieht das Gericht keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass jedem Hauskäufer der Begriff Eternit in Zusammenhang mit Asbest geläufig ist.

(2) Zur Überzeugung des Gerichts steht weiterhin fest, dass die Kläger nicht von der Maklerin, der Zeugin E., über eine Asbestbelastung aufgeklärt wurden.

Die Zeugin E. hat sich im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung als – ähnliche wie der Zeuge S. – sehr seriöse Geschäftsfrau präsentiert, die Wert auf einen guten Ruf legt und ebenfalls standardisiert bei Vertragsverhandlungen vorgeht. Das Gericht konnte sich bereits bei der Ladung der Zeugin E. einen Eindruck davon machen, dass es sich bei ihr um eine selbstbewusste Frau handelt, die nicht auf den Mund gefallen ist, vgl. die Mail der Zeugin E. vom 06.05.2019 (Bl. 205 d.A): „[…] mit großer Begeisterung habe ich Ihre erneute Terminänderung zur Kenntnis genommen. […]. Das war nun die vierte oder fünfte Terminänderung. Ich habe in diesem Jahr zum zweiten Mal den Jahresurlaub meiner Familie angepasst und habe nun die Schnauze voll.“. Ähnlich offen hat sich die Zeugin auch im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung präsentiert, vgl. deren Aussage: „Ich habe nicht dagegen [gemeint sind die Asbestplatten, d.Verf.] geklopft und gesagt: Toll, Asbest, das ist genau das Richtige für die C.“ (Bl. 363 d.A.). Den ihr unstrittig bekannten Mangel bzgl. der Bohrungen im Keller hat die Zeugin dagegen – zwischen den Parteien unstrittig – couragiert im Besichtigungstermin angesprochen. Vor dem Hintergrund, dass die Zeugin ihre Gedanken und Gefühle vom Besichtigungstag schildern konnte und auch den Vater der Klägerin im Gerichtssaal wiedererkannt hat, hält das Gericht die Aussage der Zeugin E., insbesondere dass sie die Asbestbelastung der Hausfassade nicht erkannt hat, für wahr. Das Gericht nimmt der Zeugin daher auch ab, dass sie, wenn sie von einer Asbestbelastung des Gebäudes gewusst hätte, dies offen angesprochen hätte. Dem Gericht leuchtet auch nicht ein, wieso die Zeugin E. – wie der Beklagte selbst vorträgt (Bl. 427 d.A.) – intern einen Kaufpreis über 300.000,00 € vorgeschlagen haben sollte, wenn sie selbst von einer Asbestbelastung ausgegangen wäre. Dass eine Asbestbelastung Einfluss auf den Wert eines Gebäudes hat, ist der Zeugin E. als Wertgutachterin hinlänglich bekannt.

(3) Zu guter Letzt hält das Gericht den Vortrag der Klägerin, wonach ihr und ihrem Mann bei den Besichtigungsterminen kein muffiger Geruch aufgefallen sei, für glaubhaft. Abgesehen davon, dass der für ältere Fertighäuser typische modrige Geruch durch Duftkerzen und Öffnen von Fenstern übertüncht werden kann, was auch der sachverständige Zeuge P.S. bestätigt hat (vgl. Bl. 351 d.A.), beschränken sich Aufenthalte bei Besichtigungsterminen in einzelnen Zimmern auf kurze Augenblicke, in denen üblicherweise weder an Möbeln gerochen wird noch man sich einen Gesamteindruck von der Zusammensetzung der Raumluft machen kann, sofern auf eine Geruchsbelastung aufgrund der Situation überhaupt geachtet wird. Im Hinblick darauf, dass der Zeuge P.S. bei den Klägern im Januar 2018, bei den Beklagten im März 2016 zu Hilfe gerufen wurde, geht das Gericht weiterhin davon aus, dass der modrig-muffige Geruch entsprechend der These der Kläger (Bl. 137 d.A.) besonders in den feuchten und kalten Monaten deutlich wahrnehmbar ist, wohingegen die Besichtigungstermine vor Kaufvertragsschluss im Sommer stattfanden.

b) Die Setzung einer angemessenen Frist zur Beseitigung der Mängel war gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich.

Dies deshalb, weil die Beklagten den Klägern die vorgenannten Mängel arglistig verschwiegen haben (BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835; Palandt/Grüneberg, § 323 Rn. 22). Es kann daher offen bleiben, ob die Beklagten die Nacherfüllung mit Schreiben vom 20.02.2018 (Anlage K8) ernsthaft und endgültig verweigert haben.

c) Die vorgenannten Mängel waren im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung auch erheblich i.S.v. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

Ob ein Sachmangel geringfügig ist, erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229 Rn. 16). Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Rahmen von 5 % des Kaufpreises nicht übersteigt (BGH, a.a.O., Rn. 38).

Zwischen den Parteien unstrittig betragen die Kosten für die Entfernung der Asbestplatten sowie für die Fassadensanierung mit dem R.-System mehr als 14.500,00 € (= 5% von 290.000,00 €). Dies vor dem Hintergrund, dass nach der glaubhaften Aussage des Zeugen P.S. dessen damaliges Angebot aus dem Frühjahr 2016 im Folgejahr des Rücktritts definitiv nicht mehr zu dem damaligen Preis aufrecht erhalten bleiben kann (vgl. Bl. 351 d.A.). Weitere Ausführungen erübrigen sich vor diesem Hintergrund.

d) Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle des wirksamen Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. gemäß dessen Abs. 2 Wertersatz zu leisten. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Pflichten sind dabei gemäß § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllen.

Dementsprechend können die Kläger von den Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des gekauften Grundstücks nebst Mobiliar verlangen. Die Vorteile infolge des Gebrauchs des Einfamilienhauses durch die Kläger im Zeitraum April 2017 bis Februar 2018 bewertet das Gericht anhand der vertraglich vereinbarten Miete unter Punkt IV.2. des notariellen Kaufvertrags mit 960,00 € pro Monat. Dies ergibt einen vom Zahlungsanspruch abzuziehenden Betrag in Höhe von 10.560,00 € (= 11x 960,00 €).

Die Verzinsungspflicht ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB und beginnt analog § 187 BGB ab dem Tag nach Ablauf der mit anwaltlichem Schreiben vom 04.05.2018 gesetzten Zahlungsfrist zum 16.05.2018.

2.) Die Kläger können von den Beklagten Zahlung weiterer 51.076,30 € nebst Zinsen aus § 284 BGB i.V.m. § 437 Nr. 3 BGB verlangen.

a) Der Geltendmachung des Aufwendungsersatzes steht nach oben Gesagtem der vertraglich vereinbarte Ausschluss der Gewährleistungsrechte nicht entgegen.

b) Zu ersetzen sind daher einerseits die geltend gemachten Vertragskosten (Notar, Grundbuchamt etc.), anderseits aber auch die detailliert aufgelisteten Verwendungsinvestitionen, die die Kläger im Jahr 2017 billigerweise machen durften (grundlegend: BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848; MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 284 Rn. 17).

Das pauschale Bestreiten der Beklagten in der Klageerwiderung (Bl. 81 d.A.) hat die Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge (MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl. 2016, § 138 Rn. 19).

3.) Der Ersatz der Kosten für das Privatgutachten des Herrn Dr. R. in Höhe von 1.643,39 € (Anlage K46) folgt aus § 280 Abs. 1 und 3 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, NJW 2009, 2120, 2121 Tz. 11 ff.).

4.) Die Kläger können von den Beklagten Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen.

Der Klägervertreterin steht für ihre außergerichtliche Tätigkeit nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV-RVG aufgrund deren Umfangs eine 1,7-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 350.000,00 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 € und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG zu. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 5.309,90 €. Eingeklagt waren allerdings nur 4.066,11 €. Mehr kann folglich nicht zugesprochen werden, § 308 Abs. 1 ZPO. Die Pflicht zur Verzinsung des vorgenannten Betrags folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB und beginnt ab dem Tag nach Zustellung der Klage, d.h. dem 18.07.2018 (§ 187 Abs. 1 BGB analog).

5.) Auch der Feststellungsantrag ist zulässig und überwiegend begründet.

a) Das Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO folgt aus §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO.

b) Die Beklagten befinden sich im Annahmeverzug i.S.v. §§ 293 ff. BGB.

Die Kläger haben den Beklagten mit Schriftsatz vom 04.05.2018 die Übergabe und Übereignung der Immobilie nebst Mobiliar in Annahmeverzug begründender Weise angeboten, wobei die Rückgabe nach §§ 346, 348 BGB berechtigterweise von der Rückzahlung des Kaufpreises abhängig gemacht werden durfte. Um den Vereinfachungs- und Beschleunigungseffekt im Vollstreckungsverfahren zu erreichen, genügt allerdings die Feststellung, dass sich die Beklagten in Annahmeverzug befindet. Ab wann sie sich in Annahmeverzug befunden hat, ist grundsätzlich irrelevant. Wer den Annahmeverzug für einen Zeitpunkt vor Schluss der mündlichen Verhandlung festgestellt haben will, muss sein Interesse daran gesondert dartun. Daran fehlt es hier, so dass die Tenorierung insoweit auf die bloße Feststellung des Annahmeverzugs zu begrenzen war (OLG Frankfurt, Urt. v. 18.05.2018 – 8 U 198/17, BeckRS 2018, 10739 Tz. 55).

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 S. 2 ZPO. Zum Streitwert vergleiche Bl. 53 d.A. .

 

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