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Grundstückskaufvertrag zwischen Verkäufer und Gemeinde – städtebaulicher Vertrag

OLG München – Az.: 1 U 3490/09 – Urteil vom 10.12.2009

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20.05.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Rückauflassung der Grundstücke Fl.Nr. …30/4, …30/5, …30/6, …30/7 und …80/7 der Gemarkung E. Zug um Zug gegen Auflassung des Grundstückes Fl.Nr. …80/8 der Gemarkung E. und Zahlung von 37.074,78 €.

Die Beklagte erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 29.07.1999 die Grundstücke, deren Rückübertragung die Kläger verlangen. Unter Ziffer II. des Kaufvertrages ist vermerkt, dass die Veräußerung zur Vermeidung einer Enteignung bzw. Besitzeinweisung erfolgt. Des Weiteren ist dort festgehalten, dass für einen Teil der veräußerten Flächen der Besitzübergang erst dann erfolgt, wenn wesentliche bauliche Veränderungen an den Außenwänden der auf den Grundstücken bestehenden Bebauung vorgenommen werden. Es wurde ein Kaufpreis von 25,– DM pro Quadratmeter vereinbart (Ziffer V.). Unter Ziffer VII. ist geregelt, dass die Kläger berechtigt sind, die Vertragsflächen bis zur Inanspruchnahme durch die Beklagte unentgeltlich zu nutzen.

Gleichfalls am 29.07.1999 wurde zwischen den Parteien ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen. In der Vorbemerkung ist dargelegt, dass im verfahrensgegenständlichen Gewerbegebiet, obwohl die bestehenden Baurechte erst etwa zur Hälfte ausgenutzt sind, ein Verkehrskollaps droht und die Beklagte deshalb bisher nicht ausgenützte Baurechte aufgehoben hat. Neue Baurechte können nur noch ausgewiesen werden, wenn dem eine entsprechende Erweiterung der Verkehrskapazität gegenübersteht. Da die Beklagte nicht in der Lage ist, die Erstellung einer Anbindung an das überörtliche Straßenverkehrsnetz vollständig aus eigenen Mitteln zu bezahlen, ist Voraussetzung für eine Ausweisung von Baurechten der Abschluss entsprechender städtebaulicher Verträge, durch die die Aufbringung eines angemessenen Anteils an den Kosten für die Herstellung neuer Verkehrswege durch die Grundeigentümer sichergestellt wird. Die Kläger verpflichteten sich zu einer Zahlung von 800.000,– DM.

Die Kläger haben im ersten Rechtszug vorgebracht, dass der notarielle Grundstückskaufvertrag vom 29.07.1999, da der vereinbarte Kaufpreis von 25,– DM pro Quadratmeter wesentlich unter dem tatsächlich anzusetzenden Wert liege, gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Es sei auch Wucher gemäß § 138 Abs. 2 BGB gegeben. Die Beklagte habe die Kläger hinsichtlich der weiteren baulichen Nutzung von deren Grundstücken unter Druck gesetzt. Außerdem verstoße der Kaufvertrag gegen das Koppelungsverbot und sei daher gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig. Es ergebe sich auch eine Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. §§ 291, 253 StGB. Darüber hinaus werde die Anfechtung des Kaufvertrages gemäß §§ 119 Abs. 1 und 2 und 123 BGB erklärt. Hilfsweise träten die Kläger gemäß § 313 Abs. 3 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vom Vertrag zurück.

Die Kläger haben im ersten Rechtszug beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Grundstücke der Gemarkung E.:

  • Fl.Nr. …30/4, Nähe O.straße, Straße zu 0,1465 ha,
  • Fl.Nr. …30/5, Nähe O.straße, Straße zu 0,0265 ha,
  • Fl.Nr. …30/6, Nähe O.straße, Straße zu 0,0411 ha,
  • Fl.Nr. …30/7, Nähe D.straße, Straße zu 0,0550 ha und
  • Fl.Nr. …80/7, Nähe L.straße, Straße zu 0,0223 ha

voreingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Freising. für E., Blatt …27,

Grundstückskaufvertrag zwischen Verkäufer und Gemeinde - städtebaulicher Vertrag
(Symbolfoto: DifferR/Shutterstock.com)

Zug um Zug gegen Auflassung des Grundstücks der Gemarkung E., Fl.Nr. …80/8, Nähe L.straße, Gebäude und Freifläche zu 0,0013 ha, voreingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Freising für E., Blatt …27 und gegen Zahlung von 37.074,78 € an die Beklagte den Klägern zum Eigentum in Gütergemeinschaft aufzulassen.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der von ihr gezahlte Kaufpreis von 25 DM pro Quadratmeter sei angemessen gewesen. Die Kläger seien in keiner Weise unlauter zum Abschluss des Kaufvertrages vom 29.07.1999 veranlasst worden. Ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot bestehe nicht. Der notarielle Kaufvertrag vom 29.07.1999 stehe nicht in unmittelbarem inhaltlichem Zusammenhang mit dem städtebaulichen Vertrag vom gleichen Tag.

Das Landgericht hat drei schriftliche Gutachten des Sachverständigen für Immobilienbewertung Bl. erholt und den Sachverständigen angehört sowie den Zeugen W. vernommen.

Mit Urteil vom 20.05.2009, dem Klägervertreter zugestellt am 08.06.2009, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Landshut die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 24.06.2009 eingegangene und gleichzeitig begründete Berufung der Kläger.

Die Kläger sind der Auffassung, dass der städtebauliche Vertrag und der Grundstückskaufvertrag als Einheit im Sinne von § 139 BGB anzusehen seien. Dies ergäbe sich auch aus der auf den hiesigen Rechtsstreit übertragbaren Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2008. Die vom Verwaltungsgerichtshof dort festgestellte Nichtigkeit des städtebaulichen Vertrages erstrecke sich damit auch auf den Grundstückskaufvertrag. Die Einheitlichkeit der beiden Verträge habe, da der städtebauliche Vertrag nicht notariell beurkundet worden sei, auch die Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen Formmangels gemäß § 125 BGB zur Folge.

Der Sachverständige Bl. habe den Qualitätsstichtag fehlerhaft auf den Zeitpunkt vor der Bebauung der streitgegenständlichen Grundstücke vorverlegt. Die Absenkung der Entschädigung auf 10 % des Verkehrswertes von Bauerwartungsland durch den Sachverständigen sei ebenfalls falsch. Tatsächlich sei für die streitgegenständlichen Flächen ein Wert von mindestens 100,– € pro Quadratmeter anzusetzen. Angesichts eines tatsächlichen Kaufpreises von 25,– DM pro Quadratmeter sei der Grundstückskaufvertrag gemäß § 138 BGB nichtig.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20.05.2009 – Az. 54 O 2638/07 – aufzuheben und wie folgt zu erkennen:

Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs dahingehend zu erteilen, dass die Kläger und Berufungskläger als gemeinschaftliche Eigentümer der Grundstücke der Gemarkung E.:

  • Fl.Nr. …30/4, Nähe O.straße, Straße zu 0,1465 ha,
  • Fl.Nr. …30/5, Nähe O.straße, Straße zu 0,0265 ha,
  • Fl.Nr. …30/6, Nähe O.straße, Straße zu 0,0411 ha,
  • Fl.Nr. …30/7, Nähe D.straße, Straße zu 0,0550 ha und
  • Fl.Nr. …80/7, Nähe L.straße, Straße zu 0,0223 ha,

voreingetragen im Grundbuch von E., Blatt …27, Gemeinde E., Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundstücks der Gemarkung E., Fl.Nr. …80/8, Nähe L.straße, Gebäude und Freifläche zu 0,0013 ha, voreingetragen im Grundbuch von E., Blatt …27, Gemeinde E., an die Beklagte und Berufungsbeklagte und gegen Zahlung von 37.074,78 € an die Beklagte und Berufungsbeklagte eingetragen werden und diese Grundstücke an die Kläger und Berufungskläger herauszugeben.

Hilfsweise beantragen die Kläger:

Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Grundstücke der Gemarkung E.:

  • Fl.Nr. …30/4, Nähe O.straße, Straße zu 0,1465 ha,
  • Fl.Nr. …30/5, Nähe O.straße, Straße zu 0,0265 ha,
  • Fl.Nr. …30/6, Nähe O.straße, Straße zu 0,0411 ha,
  • Fl.Nr. …30/7, Nähe D.straße, Straße zu 0,0550 ha und
  • Fl.Nr. …80/7, Nähe L.straße, Straße zu 0,0223 ha,

voreingetragen im Grundbuch von E., Blatt …27, Gemeinde E., Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundstücks der Gemarkung E., Fl.Nr. …80/8, Nähe L.straße, Gebäude und Freifläche zu 0,0013 ha, voreingetragen im Grundbuch von E., Blatt …27, Gemeinde E., an die Beklagte und Berufungsbeklagte und gegen Zahlung von 37.074,78 € an die Beklagte und Berufungsbeklagte den Klägern und Berufungsklägern rückaufzulassen und an die Kläger und Berufungskläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, dass der städtebauliche Vertrag und der Grundstückskaufvertrag kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB bildeten. Dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.12.2008 läge ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde.

Der Sachverständige habe die streitgegenständlichen Flächen zu Unrecht als Bauerwartungsland eingestuft. Diese hätten zunächst im Außenbereich gelegen und seien sodann durch Bebauungsplan als private Grünfläche ausgewiesen worden. Eine Bebaubarkeit habe sich zu keinem Zeitpunkt abgezeichnet.

Der Senat hat im Termin vom 12.11.2009 den Sachverständigen Bl. angehört.

Im Übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze der Kläger vom 24.06., 19.10., 29.10. und 23.11.2009 sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 29.09.2009 und 04.11.2009 (2 Schriftsätze) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Der Grundstückskaufvertrag vom 29.07.1999 ist wirksam. Damit kommen Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte auf Rückübertragung der Grundstücke aus § 812 Abs. 1 BGB bzw. auf Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB nicht in Betracht.

A.

I.

Der Grundstückskaufvertrag vom 29.07.1999 und der städtebauliche Vertrag vom gleichen Tag bilden kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB.

1. Zwar hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 18.12.2008 im Verfahren 4 BV 07.3067 (Anlage K 27), insoweit könnten die Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofs auf das hiesige Verfahren übertragbar sein, festgestellt, dass der dortige städtebauliche Vertrag nichtig ist. Der Senat geht deshalb zugunsten der Kläger davon aus, dass auch der zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits am 29.07.1999 abgeschlossene städtebauliche Vertrag nichtig ist.

2. Da der städtebauliche Vertrag und der streitgegenständliche Grundstückskaufvertrag keine Einheit im Sinne des § 139 BGB bilden, schlägt die Nichtigkeit des städtebaulichen Vertrages weder unmittelbar über § 139 BGB noch mittelbar über §§ 125 BGB, 313 BGB a.F., 311 b Abs. 1 BGB n.F. auf den streitgegenständlichen Grundstückskaufvertrag durch.

Ein Einheitlichkeitswillen der Parteien ist das für die Einheit des Rechtsgeschäftes im Sinne von § 139 BGB entscheidende Kriterium. Aus den Erklärungen der Parteien muss sich unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Verkehrssitte (§ 157 BGB) der Wille ergeben, dass die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen. Bei Aufnahme in eine Urkunde besteht eine tatsächliche Vermutung für einen Einheitlichkeitswillen der Parteien. Bei getrennter Beurkundung ist prima facie Selbständigkeit zu vermuten. Bei formell selbständigen Rechtsgeschäften trägt derjenige, der die Gesamtnichtigkeit geltend macht, die Beweislast für die Einheitlichkeit des Geschäftes (Palandt-Ellenberger, 68. Aufl., Rdnr. 5 zu § 139 BGB m.w.N.).

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Für den Standpunkt der Kläger spricht, dass beide Verträge am gleichen Tag abgeschlossen wurden und im Vorfeld zunächst ein einheitlicher Vertragsentwurf bestanden hatte. Insofern besteht zwischen den beiden Verträgen ersichtlich ein gewisser Zusammenhang. Es darf jedoch nicht außer Acht bleiben, dass für eine Einheitlichkeit im Sinne von § 139 BGB nicht nur irgendein Zusammenhang verlangt wird, vielmehr müssen die Geschäfte miteinander stehen und fallen.

Der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis von 25,– DM pro Quadratmeter ist, was unten unter Ziffer II. näher ausgeführt wird, angemessen. Insofern überzeugt die zentrale Behauptung der Kläger, dass als Gegenleistung für die Ausweisung weiterer Baurechte und die Errichtung des Autobahnzubringers nicht nur der im städtebaulichen Vertrag genannte Betrag von den Klägern aufzubringen gewesen sei, sondern dass zum vereinbarten Gesamtpaket auch der Verkauf der streitgegenständlichen Flächen weit unter Wert gehört habe, nicht. Die Behauptung der Kläger würde nur dann an Schlagkraft gewinnen, wenn, was der Sachverständige Bl. zutreffend verneint, ein Verkauf weit unter Wert vorläge.

Auch das Vorbringen der Kläger, dass beide Verträge Voraussetzung dafür gewesen seien, dass die Kläger auf ihren Grundstücken die Bebauung ausweiten konnten, leuchtet nicht ein. Voraussetzung dafür, dass die Kläger bauen konnten, war die Ausweisung eines entsprechenden Baurechtes durch die Beklagte. Dieser Gesichtspunkt kommt nur im städtebaulichen Vertrag zum Ausdruck.

Gegen eine Einheitlichkeit im Sinne von § 139 BGB spricht indiziell, dass zwei getrennte Verträge abgeschlossen wurden, es sich einerseits um einen privatrechtlichen und andererseits um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt und dass die Verträge keine unmittelbare oder mittelbare Bezugnahme auf den jeweils anderen Vertrag enthalten.

Massiv gegen eine Einheitlichkeit gemäß § 139 BGB spricht, dass die Beklagte Besitz und Eigentum an den streitgegenständlichen Flächen, was im Kaufvertrag unter Ziffer II. auch ausdrücklich angesprochen wurde, auch im Wege von Besitzeinweisung und Enteignung hätte erlangen können. Die Beklagte war folglich insoweit weder auf den Konsens der Kläger noch darauf angewiesen, das von den Klägern behauptete Gesamtpaket zu schnüren.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2008, auf das sich die Kläger berufen, fußt auf einem anders gelagerten Sachverhalt. Insbesondere waren in dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall das Grundstücksgeschäft und der städtebauliche Vertrag in einer einheitlichen Vertragsurkunde niedergelegt. Deshalb sind die Argumente des Verwaltungsgerichtshofs auf Seiten 19/20 des Urteils vom 18.12.2008 auf den hiesigen Rechtsstreit nicht übertragbar.

Der Umstand, dass die Beklagte den städtebaulichen Vertrag nicht ohne vorherigen Abschluss des Grundstückskaufvertrags abgeschlossen hätte, könnte dazu führen, dass der städtebauliche Vertrag, soweit die Interessen der Beklagten betroffen wären, ohne den Grundstückskaufvertrag keinen Bestand hätte. Hier geht es jedoch um die umgekehrte Konstellation und nicht die Interessen der Beklagten, sondern der Kläger.

Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass der Grundstückskaufvertrag und der städtebauliche Vertrag kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB bilden. Jedenfalls können die Kläger dies nicht beweisen.

3. Laut ärztlichem Attest vom 07.10.2009 kann die Zeugin Br. „aus gesundheitlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht vor Gericht erscheinen“. Der Senat musste deshalb, wie das Landgericht, da die Zeugin unerreichbar ist, von deren Vernehmung absehen.

Soweit die Kläger ihren Prozessbevollmächtigten dazu vernommen sehen wollen, dass „die beiden Verträge miteinander stehen und fallen“, durfte der Senat dem nicht nachkommen. Es handelt sich um keine Tatsachen- sondern um eine Rechtsbehauptung.

Dass die Beklagte, was die Kläger ebenfalls unter Beweis gestellt haben, den Abschluss des Grundstückskaufvertrages vor Abschluss des städtebaulichen Vertrages wollte und verlangt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Ebenso der Umstand, dass zunächst ein einheitlicher Vertragsentwurf erstellt worden war.

II.

Der streitgegenständliche Grundstückskaufvertrag ist nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Es fehlt schon an einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Parteien haben einen Kaufpreis von 25,– DM (12,78 €) pro Quadratmeter vereinbart. Der Sachverständige Bl. kommt zu einem maximalen Wert von 15,50 € pro Quadratmeter, mithin zu einer Erhöhung um allenfalls 21,3 %, eine, die Grundstücksbewertung ist keine exakte Wissenschaft, in komplex gelagerten Fällen tolerable, wenn nicht gar systemimmanente Abweichung.

1. Da der Kaufvertrag vom 29.07.1999 zur Abwendung einer Enteignung abgeschlossen wurde, bemisst sich der angemessene und faire Kaufpreis danach, in welcher Höhe die Kläger eine Enteignungsentschädigung erhalten hätten.

2. Nach § 95 Abs. 1 BauGB bemisst sich die Entschädigung für den durch die Enteignung eintretenden Rechtsverlust nach dem Verkehrswert des zu enteignenden Grundstücks. Maßgebend ist zunächst der Verkehrswert in dem Zeitpunkt, zu dem die Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag entscheidet. Dieser Zeitpunkt kann sich jedoch ausnahmsweise nach den Grundsätzen der sogenannten Vorwirkung verschieben (§ 95 Abs. 2 BauGB). Es kommt dann nach ständiger Rechtsprechung für die Qualität des entzogenen Grundeigentums, wovon der Sachverständige Blank zutreffend ausgeht, auf den Zeitpunkt an, in dem das zu enteignende Grundstück endgültig von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen wurde (BGH, Urteil vom 19.06.1986, III ZR 22/85). Im Bebauungsplan Nr. 3 der Beklagten vom 30.07.1980 sind die streitgegenständlichen Flächen als private Grünflächen ausgewiesen. Damit wurden diese von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung des freien Grundstücksverkehrs ausgeschlossen. Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass die Grundstücke, zu denen die streitgegenständlichen Flächen gehörten, am 30.07.1980 bereits bebaut waren. Deshalb vertreten die Kläger auch den Standpunkt, dass als Grundstücksqualität Bauland zugrunde zu legen ist. Dabei lassen die Kläger jedoch außer Acht, dass die Bebauung, der Bebauungsplans Nr. 3 ist erst nach erheblichen zeitlichen Verzögerungen in Kraft getreten, im Vorgriff auf diesen unter der Maßgabe zugelassen worden war (vgl. § 33 BauGB), dass dessen Vorgaben eingehalten werden. Deshalb hat der Sachverständige zutreffend den Qualitätsstichtag auf den Zeitpunkt vor der Errichtung dieser Bebauung zurückverlegt und Bauerwartungsland angenommen. Da den Klägern die Bebauung nur im Vorgriff und unter Beachtung des noch in Kraft zu setzenden Bebauungsplans genehmigt worden war, ist die Enteignungsentschädigung nicht anders zu bemessen wie wenn die Bebauung erst nach Erlass des Bebauungsplans errichtet worden wäre. Im Übrigen würde der Standpunkt der Kläger, dass von Bauland auszugehen sei, dazu führen, dass die streitgegenständlichen Flächen, die von der Beklagten im Zuge und als Konsequenz der Bebaubarkeit als private Grünflächen ausgewiesen wurden, enteignungsrechtlich auch als solche behandelt werden müssten.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass nicht Bauerwartungsland, sondern Agrarland zugrunde zu legen sei, berücksichtigt sie nicht ausreichend, dass sich die Ausweisung des Gewerbegebiets schon seit geraumer Zeit recht zuverlässig abgezeichnet hatte.

3. a) Der Sachverständige Blank setzt als angemessene Entschädigung zutreffend maximal 10 % des Verkehrswertes von Bauerwartungsland an.

Der Sachverständige geht bei der Bestimmung des Wertes der streitgegenständlichen Flächen von der sogenannten Differenzmethode aus. Diese vergleicht den Wert der Grundstücke vor der Abtrennung der streitgegenständlichen Flächen mit deren Wert danach. Die Wertdifferenz entspricht dem Entschädigungsbetrag. Die Differenzmethode ist von ihrem gedanklichen Ansatz her hier auch deshalb geeignet, weil es für die atypisch geformten verfahrensgegenständlichen Grundstücksstreifen keinen nennenswerten freien Grundstücksmarkt und folglich auch keine geeigneten Vergleichsgrundstücke gibt. Nach der Differenzmethode ergibt sich kein Wertunterschied. Der Sachverständige Bl. hat dem Senat erläutert, dass sich der Wert von Gewerbegrundstücken primär daran orientiert, was in welchem Umfang auf dem Grundstück gebaut und betrieben werden darf. Durch die Abtrennung der streitgegenständlichen Flächen wird die Bebaubarkeit der Grundstücke nicht beeinträchtigt. Folglich ist es unter dem Blickwinkel der Differenzmethode schlüssig, dass sich eine geringfügige Verkleinerung nicht wertmindernd auswirkt. Der Senat teilt aber die Einschätzung des Sachverständigen, dass es enteignungsrechtlich nicht angeht, die streitgegenständlichen Flächen als wertlos einzustufen. Allerdings überzeugt im Lichte des Umstandes, dass die Differenzmethode zu keiner Wertminderung führt, die Auffassung des Sachverständigen, dass vom Verkehrswert für Bauerwartungsland ein Abschlag von mindestens 90 % vorzunehmen ist. Dies wird auch dadurch erhärtet, dass die Kläger einen nicht unwesentlichen Teil der streitgegenständlichen Flächen auf unabsehbare Zeit, der Eintritt der Bedingung „wesentliche bauliche Veränderungen an den Außenwänden der Gebäude“ liegt allein in ihrer Hand, unentgeltlich weiter nutzen dürfen. Dieser Gesichtspunkt betrifft allerdings nicht die Fläche, die zur Erstellung des Wendehammers benötigt wird. Diese Fläche wurde jedoch, was im Termin vom 12.11.2009 unstreitig war, schon lange Zeit vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 3 als Parkplatz und faktische Wendefläche, also als Verkehrsfläche genutzt. Dient ein Grundstück schon seit langem Verkehrszwecken, rechtfertigt dies einen erheblichen Abschlag (vgl. auch VGH, Beschluss vom 21.07.2009, 8 ZB 07.2105).

Bestätigt wird die vorgenannte Bewertung auch dadurch, dass die Beklagte, was im Termin vom 12.11.2009 ebenfalls unstreitig war, in einer Vielzahl von Fällen im verfahrensgegenständlichen Gewerbegebiet Grundstücke in der Preislage von 25,– DM pro Quadratmeter angekauft hat.

b) Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 24.06.2009 Beweis dafür angeboten haben, dass im Gewerbegebiet E.-Ost Gewerbebaulandgrundstücke, die teilweise mit unbebaubarem privaten Grünland ausgewiesen sind, mit einem festen einheitlichen Quadratmeterpreis (Durchschnittswert der ungeteilten Fläche) gehandelt werden, unterstellt der Senat diesen Umstand als wahr. Es geht hier nicht um die Frage des Verkaufes der ungeteilten Grundstücke, sondern darum, was dem Eigentümer tatsächlich genommen wird, wenn er die Randstreifen verliert. Es geht also um die isolierte Bewertung der Randstreifen, die im freien Grundstücksverkehr bei Veräußerung des gesamten Grundstückes nicht stattfindet. Deshalb lässt die Praxis des Grundstücksverkehrs auch keinen Rückschluss auf die hier maßgebliche Fragestellung zu.

c) Die von den Klägern vorgelegten Gutachten des Gutachterausschusses (Anlagen K 14 und K 17) geben, wie vom Landgericht dargelegt, keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Teilweise betreffen diese Gutachten mit den streitgegenständlichen Flächen nicht vergleichbare Grundstücke. Teilweise erklärt sich die Abweichung von der Bewertung des Sachverständigen Bl. dadurch, dass der vom Senat als angemessen und richtig erachtete 90 %-ige Abschlag vom Verkehrswert für Bauerwartungsland nicht erfolgt.

4. Über die vorgenannten Gesichtspunkte hinaus stünde einer Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages nach 138 BGB auch entgegen, dass es in Anbe-tracht der Unwägbarkeiten der Bewertung von Grundstücken in atypisch gelagerten Fällen im allgemeinen und der Einschätzung des Grundstückswertes durch den Sachverständigen Bl. im besonderen und weil die Beklagte, wie erwähnt, in einer Vielzahl von Fällen im streitgegenständlichen Gewerbegebiet Grundstücke in der Preislage von 25 DM pro Quadratmeter angekauft hatte, an der verwerflichen Gesinnung der Beklagten (§ 138 Abs. 1 BGB) beziehungsweise an deren Kenntnis vom auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 2 BGB) fehlen würde.

III.

Bezüglich Koppelungsverbot, Nichtigkeit gemäß § 134 BGB i.V.m. §§ 291, 253 StGB, Anfechtung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, Gesichtspunkten, auf die die Berufung nicht mehr wesentlich abstellt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts vom 20.05.2009 verwiesen.

B.

1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Der Rechtsstreit wirft keine über den Einzelfall hinausreichenden grundsätzlichen Rechtsfragen auf.

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