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GS-Zeichen – Entziehung und Schadensersatz

Landgericht München I

Az: 14HK O 7323/07

Urteil vom 19.11.2007


In dem Rechtsstreit wegen Schadenersatz erlässt das Landgericht München I, 14. Kammer für Handelssachen, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2007 am 19.07.2007 folgendes Grund- und Feststellungsurteil:

1. Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die Entziehung des entgegen geltendem Recht von der Beklagten erteilten Zertifikats mit Nr. … vom 02.05.2006 entstanden sind und noch entstehen werden.

3. Die Entscheidung über Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Kosten, die die Klägerin geltend gemacht hat, weil die Beklagte unmittelbar nach Erteilung eines sogenannten „Geprüfte Sicherheit Zeichens“ (GS-Zeichen) dieses Zeichen sofort nach Erteilung wieder entziehen musste, da die Erteilung des GS-Zeichens durch die Beklagte für diese erkennbar rechtswidrig gewesen sei.

Die Beklagte ist staatlich autorisierte GS-Stelle nach dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz.

Die Klägerin ist Herstellerin von industriell als Maschinenkomponenten eingesetzten Sicherheitskupplungen. Zweck dieser Kupplungen ist es, bestimmte Überlastungszustände bei den Maschinen zu vermeiden, in denen die Kupplungen eingesetzt werden. Nach § 7 des GPSG ist die Beklagte berechtigt, das sogenannte GS-Zeichen zu verleihen.

Im Herbst 2005 erstellte die Beklagte auf Antrag der Klägerin ein Prüfprogramm für die Kupplungen der Klägerin.

Einen entsprechenden Prüfauftrag bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 16.2.2006 (vgl. Anl. K 4). Mit Begleitschreiben vom 3.5.2006 erlaubte die Beklagte der Klägerin, dass die Kupplungen der Modellreihen … und … mit dem GS-Zeichen zertifiziert seien und gestattete damit der Klägerin auch, diese Produkte mit den entsprechenden Prüfzeichen zu kennzeichnen.

Die Klägerin begann sodann ihre Produkte dementsprechend zu bewerben bzw. für eine adäquate Werbung vorzubereiten; beispielsweise ließ sie entsprechende Aufkleber mit dem GS-Zeichen fertigen und klebte diese auf ihre Waren.

Mit Schreiben vom 17.8.2006 informierte die Beklagte die Klägerin, dass die Überwachungsbehörde der Beklagten, die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS), das der Klägerin verliehene GS-Zeichen als rechtlich unzulässig reklamiert habe.

Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte die Beklagte daher die Klägerin auf, das im Tenor bezeichnete Zertifikat, da ungültig geworden, an die Beklagte zurückzusenden; die Beklagte gestattete der Klägerin lediglich die Verwendung eines „Type Tested-Prüfzeichen“.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage diverse Aufwendungen geltend, die sich aufgrund der Entziehung des GS-Zeichens als unnütz herausgestellt hätten. Sie habe gleich nach Verleihung eine Werbekampagne gestartet, entsprechendes Material erstellen lassen und u.a. Kataloge in Auftrag gegeben.

Die Klägerin beantragte daher zuletzt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 79.514,70 nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die Entziehung des entgegen geltendem Recht von der Beklagten erteilten Zertifikats mit Nr. … vom 2.5.2006 entstanden sind und noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Sie ist zum einen der Ansicht, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorgelegen habe; es sei vertretbar gewesen, die Sicherheitskupplungen der Klägerin als prüffähig mit dem Ziel der Erteilung eines GS-Zeichens anzusehen. Im Übrigen weist die Beklagte auf ihre Haftungsbeschränkung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hin und bestreitet im Übrigen die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen sowohl im Entstehensgrund als auch in der Höhe.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.9.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.

Das Gericht macht von seinem Ermessen nach § 304 ZPO Gebrauch bei Erlass dieses Grundurteils. Es erscheint im Interesse beider Parteien zu liegen, über die zugrundeliegende Rechtsfrage zunächst Klarheit zu gewinnen, bevor eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Schadenshöhe durchgeführt wird.

Da der weitergehende Feststellungsantrag der Klägerin letztlich mit den Prüfungsvoraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils übereinstimmt, war zusätzlich bereits auch der Feststellungsantrag zu tenorieren.

2.

Die Beklagte haftet dem Grunde nach der Klägerin aus § 311 a Abs. 2 i.V.m. § 284 BGB für die mit dieser Klage geltend gemachten Aufwendungen, ferner gem. §§ 311 a Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB für etwaige sonstige Schäden wie beispielsweise Inanspruchnahme auf Unterlassung durch Mitbewerber.

a) Für die hier vorliegend geltend gemachten Aufwendungen – soweit sie in der Höhe dann bestätigt werden – kann die Klägerin von der Beklagten Ersatz nach §§ 311 a Abs. 2 S. 1, 284 BGB verlangen. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag auf Durchführung der Prüfung und im Falle des Bestehens der Prüfbestimmungen Erteilung des GS-Zeichens wertet das Gericht als einen Vertrag, der von Anfang an auf eine unmögliche Leistung gerichtet war. Die Beklagte war daher gem. § 275 Abs. 1 BGB nicht verpflichtet, das GS-Zeichen zu erteilen.

aa) Nach § 7 GPSG kann das GS-Zeichen verliehen werden für technische Arbeitsmittel und verwendungsfertige Gebrauchsgegenstände. Um ein solches handelte es sich bei den Kupplungen der Klägerin nicht.

Die hatten den Zweck, in eine Maschine eingebaut zu werden, um Überlastungszustände zu vermeiden.

Die von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 28.6.2007, dort S. 3 (vgl. Bl. 37 d.A.) aufgeführten Beispiele wie Dächlastträger, Abschleppstangen, Leinen für Haustiere, Skibremsen u.a. stellen tatsächlich solche verwendungsfertigen Gebrauchsgegenstände dar. Sie unterscheiden sich jedoch erheblich von den Kupplungen der Klägerin, die gerade als solches nicht verwendungsfertig waren, sondern von vornherein dazu bestimmt sind in Maschinen eingebaut zu werden, die erst ihrerseits dann – unabhängig von der Frage, ob die Kupplungen der Klägerin eingebaut sind oder nicht – verwendungsfertig sind.

Dies erkannte die Beklagte letztlich auch an, da sie – wozu sie ggf. aus dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag sogar verpflichtet gewesen wäre – in keiner Weise rechtlich bei ihrer Überwachungsstelle vorstellig wurde und rechtliche Schritte unternahm gegen die Wertung der Überwachungsstelle, dass das der Klägerin erteilte GS-Zeichen rechtswidrig sei.

Die Beklagte hat auch ihre Unkenntnis von diesem rechtlichen Leistungshindernis zu vertreten.

Die Beklagte hat zum einen gem. § 276 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB das Beschaffungsrisiko dafür übernommen, dass bei erfolgreicher Absolvierung des Testlaufs dieses GS-Zeichen erteilt wurde. Ihre ausdrückliche vertragliche Vereinbarung richtete sich darauf. Sie ist eine von wenigen Stellen, die dieses GS-Zeichen überhaupt erteilen darf. Der Vertragspartner muss sich darauf verlassen können, dass die Beklagte nur ihm Zeichen erteilt, deren Erteilung auch tatsächlich rechtlich möglich ist.

bb) Die Haftung der Beklagten ist auch nicht durch deren Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig von der Frage, inwieweit diese im vorliegenden Fall überhaupt wirksam Vertragsbestandteil geworden wären.

Eine Haftungsbeschränkung gem. Ziff. 4 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Anl. B 4) scheidet schon deshalb aus, weil die Ziff. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haftung beschränkt für den Fall der Gewährleistung. Gewährleistung setzt jedoch überhaupt Leistung als solche voraus, zu der die Beklagte gem. § 275 BGB überhaupt nicht fähig war.

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Die Haftung der Beklagten war jedoch auch nicht beschränkt gem. Ziff. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zweifelhaft ist hierbei zum einen schon, ob die Ziff. 5 vom Wortlaut überhaupt eine Haftung im Sinne von § 311 a Abs. 2 BGB meint. Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an, da für diesen Fall die entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 242 BGB nichtig wäre. Wie sich aus der gesetzgeberischen Wertung auch des § 308 Nr. 8 BGB ergibt, ist sogar schon ein Rücktrittsvorbehalt in Fällen des § 311 a BGB unwirksam, wenn sich der Verwender, hier also die Beklagte, nicht verpflichten würde zur sofortigen Erstattung etwaiger Gegenleistungen des Vertragspartners und unverzüglicher Informierung des Vertragspartners über die Nichtverfügbarkeit der Leistung. Darüber hinaus muss dies erst recht gelten für Schadensbegrenzungen, da diese ggf. auch Gegenleistungen des Vertragspartners im Fall der genannten Haftungsbeschränkung gem. Ziff. 5 AGB der Beklagten erfassen könnten.

Da jedoch die Höhe der Aufwendungen der Klägerin zwischen den Parteien streitig ist, konnte vor Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme der Klägerin hier ein Betrag nicht zugesprochen werden.

b) Die Haftung der Beklagten folgt im Übrigen auch aus § 311 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 1. Alt., 280, 281 BGB. Das Gericht schließt sich zwar der herrschenden Meinung an, wonach der Ersatzanspruch nach § 284 BGB auch bei kommerziellen Verträgen neben einer Ersatzpflicht nach §§ 280, 281 BGB anwendbar ist.

Dies ist für den im Tenor Ziff. 2 genannten Feststellungsausspruch von Bedeutung, da z.B. die Inanspruchnahme durch Wettbewerber und daraus resultierende Rechtsverteidigungskosten nicht unter vergebliche Aufwendungen subsumiert werden könnten.

Sofern man sich jedoch der Mindermeinung (vgl. Palandt-Heinrichs, Rdn. 8 zu § 311 a BGB) anschließt, wäre die gesamte Klage dem Grunde nach begründet gem. §§ 311 a Abs. 2 S. 1, 280, 281 BGB, da insoweit bezüglich der Haftung dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen gleich sind.

3.

Die Entscheidung über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit bleiben dem Endurteil vorbehalten.

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