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Gutachterhaftung – Verkehrswertgutachtens in der Zwangsversteigerung eines Grundstücks

OLG Celle, Az.: 4 U 71/15, Beschluss vom 07.07.2015

Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Den Klägern wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3. August 2015 gegeben.

Gründe

Gutachterhaftung - Verkehrswertgutachtens in der Zwangsversteigerung eines Grundstücks
Symbolfoto: Von RTimages /Shutterstock.com

Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten gemäß § 839 a BGB kommt vorliegend gleich aus mehreren Gründen nicht in Betracht.

a) Die Klage war von vornherein unschlüssig.

aa) Ein – wie vorliegend – Verkehrswertgutachten nach § 74 a Abs. 5 Satz 1 ZVG ist nur dann im Sinne von § 839 a BGB „unrichtig“, wenn der in ihm festgestellte Verkehrswert nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – III ZR 345/12, juris Rdnr. 18).

bb) Die Kläger haben das streitgegenständliche Grundstück zu einem Preis von 157.000 € ersteigert. Sie tragen in der Klageschrift (S. 3 = Bl. 15 d. A.) selbst vor (so auch in der Berufungsbegründung auf S. 2 = Bl. 291 d. A.), dass der tatsächliche Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks 160.000 € betragen habe. Gemessen an diesem eigenen Vorbringen der Kläger wäre das streitgegenständliche Gutachten des Beklagten zwar nicht richtig gewesen, indes wäre den Klägern hierdurch kein Schaden entstanden, da sie das für das Grundstück keinen Preis gezahlt haben, der über den von ihnen selbst behaupteten Verkehrswert des Grundstücks hinausgeht.

Die Kläger haben stattdessen ihre Klage argumentativ dergestalt aufgebaut, dass sie Ersatz der Schäden verlangen, der ihnen dadurch entstanden ist, dass sie einzelne, angeblich schon zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Beklagten mangelhafte, Gewerke des ersteigerten Objektes erneuert haben. Das ist rechtsirrig. Die Kläger verkennen, dass sie mit dem Beklagten kein Kauf- oder Werkvertrag verbindet, aus dem sie diesen auf Gewährleistung wegen etwaiger Mängel der Kauf- oder Werksache in Anspruch nehmen könnten. Entscheidend für einen Anspruch der Kläger aus § 839 a BGB ist vielmehr allein, ob der Beklagte in seinem Gutachten einen richtigen Verkehrswert ermittelt hat. Das wäre zwar – wie ausgeführt – unter Zugrundelegung der entsprechenden Behauptung der Kläger als solches nicht der Fall, indes wäre den Klägern hierdurch schon nach ihrem eigenen Vortrag kein Schaden entstanden, da der von ihnen selbst behauptete tatsächliche Verkehrswert des Grundstücks immer noch höher ist, als der von ihnen hierfür entrichtete Ersteigerungsbetrag.

b) Im Hinblick auf die vorstehend unter a) gemachten Ausführungen war aus Sicht des Senats die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Landgericht bereits überflüssig. Da das Landgericht aber nun einmal ein solches Gutachten eingeholt und damit auch sein angefochtenes Urteil begründet hat, kann der Senat hilfsweise auch damit argumentieren.

aa) Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. H. ist in seinem Gutachten vom 28. November 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verkehrswert „zum Stichtag“ 195.000 € betragen hat. Nach Maßgabe dieses Gutachtens war also das streitgegenständliche Verkehrswertgutachten des Beklagten schon nicht „unrichtig“ im Sinne von § 839 a BGB, geschweige denn, dass dieses „grob fahrlässig unrichtig“ im Sinne von § 839 a BGB gewesen ist, was aber notwendige (Tatbestands-)Voraussetzung für einen Anspruch der Kläger gewesen wäre. Die Berufungsbegründung der Kläger geht auf dieses Gerichtsgutachten und die dementsprechende Begründung des landgerichtlichen Urteils mit keinem Wort ein.

bb) Das gerichtlich eingeholte Gutachten ist vom Landgericht auf Basis einer prozessual unrichtigen Tatsachengrundlage beauftragt und sodann (auftragsgemäß) von dem Sachverständigen H. erstellt worden. Dies wirkt sich allerdings allein zugunsten der Kläger aus.

Der Sachverständige H. hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2015 (Bl. 253 d. A.) noch einmal – was sich aber bereits andeutungsweise aus seinem schriftlichen Gutachten ergeben hat – klargestellt, dass er sein Gutachten „anhand der Aktenlage und der Fotos“ (Hervorhebung durch den Senat) erstellt hat. Mit den „Fotos“ sind – was sich auch aus dem schriftlichen Gutachten ergibt – ganz ersichtlich die von Seiten der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Juni 2014 bei Gericht eingereichten Lichtbilder (Bl. 135 ff. d. A.) gemeint. Davon ausgehend ist das Sachverständigengutachten aber prozessual auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage erstellt worden, wodurch allerdings allein die Kläger begünstigt worden sind. Denn die Lichtbilder datieren nach dem eigenen Vorbringen der Kläger in dem Schriftsatz vom 6. Juni 2014 (S. 2 = Bl. 130 d. A.) aus dem Juli 2009. Entscheidend für eine etwaige Haftung des Beklagten ist aber allein der Zustand des streitgegenständlichen Objektes zum Zeitpunkt der Begehung durch den Beklagten am 16. Februar 2008. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 (Bl. 85 f. d. A.) im Einzelnen bestritten, dass die von Seiten der Kläger behaupteten Mängel, die sie Anfang Juli 2009 wahrgenommen haben wollen, schon zum Zeitpunkt seiner Begehung, also ca. 1 1/4 Jahre zuvor vorgelegen haben. Beweisangebote dafür, dass die von ihnen behaupteten Mängel schon zum Zeitpunkt 16. Februar 2008 vorgelegen haben, haben die hierfür beweispflichtigen Kläger nicht erbracht. Wie ausgeführt, sind die von ihnen im Juli 2009 gefertigten Lichtbilder hierfür ebenso untauglich wie auch das Angebot der Vernehmung des – später dann verstorbenen – Zeugen P., der auch nur die Zustände zum Zeitpunkt Juli 2009 hätte bekunden können.

2. Eine Haftung des Beklagten kommt auch nicht im Hinblick auf dessen angebliche Erklärung am 21. Juli 2009 in Betracht. Insoweit haben die Kläger mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 (S. 2 = Bl. 228 d. A.) Folgendes vorgetragen (von Seiten des Beklagten mit Schriftsatz vom 11. Februar 2015 bestritten):

„Der Beklagte verteidigte sich zwar u. a. mit dem Bemerken, er sei z. B. keineswegs verpflichtet, auf dem Fliesenboden vorhandene Teppiche hochzuheben, um den dortigen Zustand in Augenschein zu nehmen, letztlich erklärte er sich allerdings zum Schadensersatz bereit. Dafür sei er versichert, auch wenn er eine Selbstbeteiligung von 2.000 € zahlen müsse. Dann habe er eben an diesem Auftrag nichts verdient.“

a) Nach Maßgabe dieses Vorbringens (siehe insoweit aber nachfolgend c)) läge zunächst kein abstraktes („selbständiges“) Schuldversprechen im Sinne von § 780 BGB vor. Ein selbständiges Schuldversprechen im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d. h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll (BGH, Urteil vom 14. Januar 2008 – II ZR 245/06, juris Rdnr. 15).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht erfüllt, was sich allein schon daran zeigt, dass der Beklagte auch nach dem Vorbringen der Kläger gar keinen konkreten Betrag genannt hat, den er bzw. seine Versicherung den Klägern zu zahlen gedenke, mithin die Kläger sich zur Begründung ihres (Klage-)Anspruchs nicht isoliert auf das angebliche Versprechen des Beklagten hätten berufen können (vgl. dazu Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 780 Rdnr. 4).

b) Auch ein sogenanntes kausales Schuldanerkenntnis läge selbst nach Maßgabe der o. g. Behauptung der Kläger nicht vor.

Ein kausales Schuldanerkenntnis liegt nur dann vor, wenn die Parteien mit ihm den Zweck verfolgen, ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen. Der Wille der Parteien, eine derart weitgehende rechtliche Wirkung herbeizuführen, kann, wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden ist, nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden. Der erklärte Wille der Beteiligten muss die mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbundenen Rechtsfolgen tragen. Das setzt insbesondere voraus, dass diese Rechtsfolgen der Interessenlage der Beteiligten, den mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen. Eine generelle Vermutung dafür, dass die Parteien ein bestätigendes Schuldanerkenntnis vereinbaren wollten, gibt es nicht. Seine Annahme ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten dafür unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass hatten. Ein solcher besteht nur dann, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrschte (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – XI ZR 239/07, juris Rdnr. 1).

Gemessen daran hat der Beklagte mit seiner – angeblichen – Erklärung ersichtlich auch kein kausales Schuldanerkenntnis abgegeben. Es gab bereits nach dem eigenen Vortrag der Kläger keine konkret bezifferte Forderung, die diese zuvor an den Beklagten gerichtet hatten, weshalb schon deshalb der Beklagte kein „bestehendes Schuldverhältnis endgültig festlegen“ konnte und wollte. Im Übrigen ergibt sich aus der behaupteten Erklärung des Beklagten nicht, dass dieser damit tatsächlich weitreichende rechtsverbindliche Erklärungen gegenüber den Klägern abgeben wollte, mit der der Beklagte im Übrigen eine Obliegenheitsverletzung im Verhältnis zu seiner Berufshaftpflichtversicherung vorgenommen hätte.

c) Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass das von den Klägern vorgelegte persönliche Schreiben vom 27. Juli 2009 an den Beklagten (Bl. 229 d. A.) mit ihrem vorgenannten schriftsätzlichen Vorbringen nicht in Einklang steht. In diesem Schreiben haben die Kläger u. a. ausgeführt:

„Sie waren über die nicht aufgenommenen erheblichen Mängel doch sehr erstaunt und sagten uns, dass sie eine Vermögenschadenhaftpflicht haben und diese mit einer Eigenleistung von 2.000 € für sie gedeckt ist. Sie wollten den Schaden sofort melden. Am gleichen Tag riefen sie uns an und teilten uns mit, dass wir den Schaden beziffern sollen und Ansprüche schriftlich anmelden sollten“.

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Diese Erklärung des Beklagten wäre „haftungsrechtlich“ gänzlich unproblematisch in dem Sinne, dass sich hieraus – selbstverständlich – nicht ansatzweise ein selbständiges oder kausales Schuldanerkenntnis ergeben würde, der Beklagte mit einer solchen Erklärung vielmehr lediglich eine in einer derartigen Situation völlig „normale“ Erklärung abgegeben hätte, nämlich, dass er über eine Haftpflichtversicherung verfügt und dass er diese über den von dritter Seite gegen ihn geltend gemachten bzw. angekündigten Schadensersatzanspruch informieren werde.

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