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Gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten Wohnmobils – gefälschte Zulassungsbescheinigung II

LG Kleve – Az.: 3 O 257/17 – Urteil vom 12.01.2018

Es wird festgestellt, dass der Kläger Eigentümer des Wohnmobils Ford/H-70/156 mit der Fahrgestell-Nr. … ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen; dies gilt nicht für die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Regenburg entstanden sind, und dem Kläger auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um das Eigentum an dem im Tenor bezeichneten Wohnmobil.

Ursprünglich war der Beklagte Eigentümer des streitgegenständlichen Wohnmobils. Er vermietet das Wohnmobil am 22.10.2015 an eine Person, die sich ihm gegenüber als G. C. ausgab. Der Beklagte behielt die Zulassungsbescheinigung II.

Der Kläger, der gelernter KFZ-Meister ist, sichtete in der Internetplattform „mobile.de“ eine Anzeige über das streitgegenständliche Wohnmobil, wonach dieses zum Preis von 21.900 EUR veräußert werden sollte. Über die dort benannte Telefonnummer veranlasste der Kläger einen Besichtigungstermin. Zu dem Termin erschien eine Person, die sich als Mitarbeiter des Klägers ausgab. Nach einer Probefahrt einigte sich der Kläger per Telefon mit dem Verkäufer auf einen Verkaufspreis von 20.000 EUR. Vor Ort wurde ein von Verkäuferseite schon teilweise vorausgefüllter schriftlicher Vertrag weiter vervollständigt. Der Kläger entrichtete den Kaufpreis in bar.

Er erhielt vor Ort eine Zulassungsbescheinigung Teil I, ferner eine gefälschte Zulassungsbescheinigung II (Fahrzeugbrief). Mit diesen Unterlagen erreichte der Kläger am 10.11.2015 die Umschreibung des Fahrzeugs bei der Zulassungsbehörde der Stadt Regensburg auf sich.

Gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten Wohnmobils - gefälschte Zulassungsbescheinigung II
(Symbolfoto: Elena Yakusheva/Shutterstock.com)

Nach Strafanzeige durch den Beklagten wurde zunächst das streitgegenständliche Fahrzeug polizeilich sichergestellt. Der Kläger beauftragte unter dem 13.11.2015 den Klägervertreter, der sich mit Anwaltsschreiben vom 16.11.2015 an den Beklagten wandte und diesen vergeblich aufforderte, bis zum 30.11.2015 rechtsverbindlich zu erklären, dass ihm keine Ansprüche auf Fahrzeugrückgabe gegen den Kläger mehr zustünden (vgl. Beiakte 311 Js 411/16 StA Kleve, Bd. I, Bl. 130 ff.).

Der Kläger trägt vor:

Er habe das Fahrzeug gutgläubig erworben. Insbesondere sei die Fälschung von ihm – ebenso wie von der Zulassungsstelle – nicht erkannt worden.

Die Gesamtumstände des Fahrzeugerwerbs hätten ihn nicht misstrauisch werden lassen und auch nicht misstrauisch werden lassen müssen: Im Internet-Portal „mobile.de“ sei nur eine Handy-Nummer angegeben gewesen. Der „Mitarbeiter“ des Verkäufers habe nicht den Kaufpreis verhandelt, sondern der Kläger habe ein Telefonat mit jemanden geführt, der sich als „Herr V…“ ausgegeben habe und dann den Kaufpreis von 20.000 EUR verhandelt.

Auch weiche der Marktwert des Fahrzeugs nicht eklatant vom vereinbarten Kaufpreis ab.

Der Beklagte habe auch die Kosten der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit des Klägers in Höhe von 1.171,67 EUR nach näherer Darstellung von Seite 5 der Klageschrift zu ersetzen.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der Kläger Eigentümer des Wohnmobils Ford / H-70/156 mit der Fahrgestellnummer … ist und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Der Kläger habe das Wohnmobil nicht gutgläubig erwerben können, weil der Fahrzeugbrief mehrere Anzeichen einer Fälschung aufgewiesen habe, die der Kläger als KFZ-Meister, der öfter mit derartigen Dokumenten zu tun habe, hätte erkennen müssen. Auch liege der Verkaufspreis (20.000 EUR) weit unterhalb des Marktpreises bei einem Ankauf von privat (30.000 EUR). Schließlich hätte es weitere Besonderheiten um den Ankaufsvorgang gegeben, die den Kläger hätten veranlassen müssen, misstrauisch zu werden (vgl. näher Beklagtenschriftsatz vom 10.11.2016).

Der Kläger hatte die Klage zunächst vor dem Landgericht Regensburg erhoben, dort war sie als unzulässig abgewiesen worden. Das OLG Nürnberg hat durch Urteil vom 16.06.2017 im Berufungsverfahren das Urteil des Landgerichts Regensburg aufgehoben, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger auferlegt und den Rechtsstreit an das Landgericht Kleve verwiesen, das noch über etwaige Mehrkosten durch die Anrufung nach § 281 Abs. 3 S. 1 ZPO zu entscheiden habe. In der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2017 war die Akte 311 Js 411/16 StA Kleve beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist weitgehend begründet.

Hier war das Eigentum des Klägers festzustellen, da dieser das Fahrzeug gutgläubig von einem Nichtberechtigten gemäß §§ 929, 932 BGB geworden ist.

Dass der Kläger selbst in die kriminellen Machenschaften der Personen verwickelt ist, die sich in den Besitz des Wohnmobils brachten, behauptet auch der Beklagte nicht.

Der insoweit beweispflichtige Beklagte hat den Nachweis dafür, dass der Kläger bei Erwerb des Fahrzeugs im Sinne des § 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB „nicht in gutem Glauben war“, nicht erbracht:

Denn der Beklagte hat nicht iSd § 286 ZPO nachgewiesen, dass der Kläger bei dem Erwerbsvorgang positive Kenntnis oder aber grob fahrlässig keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Verkäufers hatte:

Der Kläger hatte sich die Zulassungsbescheinigung II vorlegen lassen. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese derart gefälscht war, dass die Fälschung nur aufgrund von grober Fahrlässigkeit (vgl. etwa BGH LM Nr. 21, KG OLGR 03,302) übersehbar war: In der Ermittlungsakte (Bd. I, Bl. 208) ist eine Kopie der dem Kläger überlassenen Zulassungsbescheinigung II aufgenommen einschließlich der Fälschungsmerkmale: Danach ist ein total gefälschtes Klebesiegel des Kreises „Siegen-Wittgenstein“ aufgebracht, es gibt zwei Rechtschreibfehler („weis“ und „Diesl“) und eine Radierung im Feld „Hubraum“, außerdem weist die Formularnummer WM744667 auf ein entwendetes Blankodokument hin. Aus dem letztgenannten Umstand können von allen Personen, die keinen Zugriff auf entsprechende Datenbanken haben, keine Rückschlüsse gezogen werden. Es ist auch nicht allgemein bekannt, über welche Klebesiegel der Kreis Kleve verfügt. Ferner sind sowohl die Rechtschreibfehler als auch die Radierung nicht ohne weiteres als Fälschungskennzeichen zu erkennen. Schreibfehler, Auslassungen usw. sind auch in amtlichen Dokumenten nicht unüblich und können selbst in weitgehend automatisierten Verfahren zur Ausstellung von behördlichen Bescheinigungen oder Ähnlichem auftreten (OLG Saarbrücken NJW-RR 2017, 1454 ebenfalls zum gutgläubigen Erwerb eines Wohnmobils vom Nichtberechtigten mit weiteren Nachweisen). Gegen grobe Fahrlässigkeit ist auch anzuführen, dass der Mitarbeiter der Stadt Regensburg, der mit derartigen Umschreibevorgängen beruflich befasst ist, keine Anhaltspunkte hatte, an der Echtheit der Zulassungsbescheinigung II („Fahrzeugbrief“) zu zweifeln.

Dem Kläger mussten auch aufgrund anderer Umstände keine Zweifel daran kommen, dass sein Verkäufer tatsächlich der im Fahrzeugbrief ausgewiesene Herr V… ist: Nach Angaben des Klägers war in der Annonce „mobile.de“ nicht angegeben, wer Verkäufer ist. Anderweitiges hat der Beklagte auch nicht unter Beweis gestellt. Auch aus den Angaben der Firma „mobile.de“ (Ermittlungsakte Bl. 201 GA) ergibt sich nicht, dass der dort als Anbieter aufgenommene „P… L…“ mit den dort benannten Daten tatsächlich schon in der Annonce erschien und daher überhaupt von dem Kläger wahrnehmbar war.

Schließlich gebieten auch geringfügige Abweichungen zwischen Kaufvertrag und Zulassungsbescheinigung II keine Annahme einer groben Fahrlässigkeit: Ob im Kaufvertrag der Wohnort („Rheurdt“) tatsächlich überhaupt falsch mit („RAEURDT“) angegeben war, lässt sich nicht einmal sagen, weil der handschriftliche zweite Buchstabe ggf. auch als schlecht geschriebenes „H“ aufgefasst werden kann ist. Die Angabe „Banstraße“ unter der Anschrift des Verkäufers statt – wie aus der Zulassungbescheinigung II „Bahnstraße“ ist als Fehlangabe nicht sofort ersichtlich, zumal die Eintragung auch nicht in Gegenwart durch den angeblichen Verkäufer vor den Augen des Klägers erfolgte, sondern schon vorher erfolgt war.

Zwar sind die Begleitumstände der Besichtigung einschließlich der Vorführung durch einen „Mitarbeiter“ ungewöhnlich, ebenso wie die Überlassung nur eines Schlüsselsatzes. Nach den Angaben des Klägers, der am 11.11.2015 (Bl. 47 der Ermittlungsakte) und ergänzend am 08.12.2015 (Bl. 77 ff. der Ermittlungsakte) ebenso wie die Mutter des Klägers (Bl. 84 ff. der Ermittlungsakte) zu den Erwerbsvorgängen als Zeugen im Ermittlungsverfahren vernommen wurden, hatte der „Mitarbeiter“ für sämtliche Umstände jedoch plausible Erklärungen. Sofern es für die Besichtigung an einem ungewöhnlichen Ort derartige nachvollziehbare Erläuterungen gibt, ist hieraus nicht auf ein unrechtmäßiges Verhalten zu schließen, zumal gerade Wohnmobile nicht zwingend auf Privatgelände besichtigt werden und für Verhandlungen das Wohnmobil selbst vergleichbar einer Wohnung zur Verfügung steht (vgl. etwa auch OLG Saarbrücken NJW-RR 2017, 1454, Tz [38]); Vergleichbares gilt für den Ortswechsel vom Hotel zum Sportplatz (vgl. auch OLG Saarbrücken aaO, Tz. [39]). Auch das Vorhandensein nur eines Schlüsselsatzes ist nicht verdächtig, jedenfalls dann, wenn nach Verkäuferangaben der weitere Schlüsselsatz nachgeliefert werden soll (vgl. auch OLG Saarbrücken aaO. Tz [40]).

Gerade auch das nach diesen Angaben zugrunde zu legende „Nachverhandeln“ mit dem angeblichen Herr V… per Telefon ließ die Gesamtsituation für den Kläger als ordnungsgemäßen Verkauf nachvollziehbar erscheinen.

Schließlich bietet der Kaufpreis keine Veranlassung für den Kläger, besonders gründlichen oder skeptischen Nachforschungen zur Ordnungsgemäßheit des Verkaufs vorzunehmen: Auch wenn entsprechend den Angaben des Beklagten das Fahrzeug seinerzeit einen Marktwert von 30.000 EUR gehabt hat, musste dies den Kläger nicht zu besonderer Vorsicht veranlassen. Denn die Beklagtenseite hat nicht einmal vorgetragen, dass dieser Marktwert allgemein bekannt oder dem Kläger bekannt war, so dass er von einem „verdächtigen Sonderangebot“ ausgehen musste. Eher gegen ein derartiges „verdächtiges Sonderangebot“ spricht die von der Firma „mobile.de“ vorgelegte Anzeigedokumentation (Bl. 202 der Ermittlungsakte): Denn danach ist das Fahrzeug zunächst am 30.10.2015 zum Preis von 23.500 EUR eingestellt worden und wohl mangels ausreichender Interessebekundung ist der Preis dann in der Annonce am 02.11.2015 auf 21.900 EUR reduziert worden, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger von der Preisreduktion wusste. Ferner kommt hinzu, dass (angebliche) Privatverkäufer ihre Angebote weniger nach einem Marktpreis orientieren, so dass hieraus kein zwingender Hinweis auf einen „verdächtigen Verkauf“ hervorgeht (vgl. auch OLG Saarbrücken aaO Rz [41]).

Nach alledem begründen die aufgezeigten Umstände weder für sich noch in der Gesamtschau eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers.

Dem gutgläubigen Erwerb des Klägers steht nicht § 935 BGB entgegen, weil der den unmittelbaren Besitz an dem Wohnmobil nicht gegen seinen Willen verloren hatte, sondern durch Vermietung an den vorgeblichen Herrn C..

Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten:

Zweifelhaft ist bereits, ob ihm für den geltend gemachten Schadenersatz überhaupt eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht, weil jedenfalls zur ersten feststellbaren Tätigkeit des Klägeranwaltes (nach Ermittlungsakte 16.11.2015) kein Schuldverhältnis iSd §§ 241 ff. BGB zwischen den Parteien bestanden haben dürfte und damit auch kein Anspruch nach § 280 BGB gegeben sein dürfte. Darüber hinaus fehlt es aber jedenfalls am Verschulden des Beklagten: Dieser durfte als Alteigentümer an dem Fahrzeug jedenfalls solange Eigentümerrechte gegenüber dem Kläger behaupten, bis er ausreichende Anhaltspunkte für einen gutgläubigen Erwerb durch den Kläger gewonnen hat. Dass der Beklagte bereits vor dem 16.11.2015 detailliert über den Erwerbsvorgang informiert wurde und daher nunmehr eine Eigentümerstellung des Klägers akzeptieren musste, ist daher weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 281 Abs. 3 ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 709 ZPO.

– Streitwert: 20.000 EUR –

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