OLG Stuttgart – Az.: 9 U 90/21 – Urteil vom 21.07.2021
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.02.2021, Az. 15 O 43/20, abgeändert:
(1) Die Beklagte wird verurteilt, die Zulassungsbescheinigung Teil II zu dem Fahrzeug Mercedes Benz C43 AMG, FIN WDD205… an die Klägerin herauszugeben.
(2) Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 €, wenn nicht vor der Vollstreckung die Klägerin Sicherheit in Höhe von 15.000 € leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt die Herausgabe der sich in dem Besitz der Beklagten befindlichen Zulassungsbescheinigung Teil II eines Fahrzeugs, welches sie von der Leasingnehmerin der Beklagten übereignet und gutgläubig erworben zu haben behauptet. Die Beklagte verlangt widerklagend die Herausgabe dieses Fahrzeugs.
Die Klägerin, die Fahrzeuge in I. vertreibt, kaufte – vermittelt durch den Zeugen Ch. – am 22.03.2019 aufgrund einer Internetanzeige ohne vorherige Besichtigung das streitgegenständliche, im Eigentum der Beklagten stehende Fahrzeug von der vormals als Autohaus R. GmbH firmierenden P. C. Germany GmbH (nachfolgend: P. GmbH) für 30.800 € (Anlage K 1). Die genauen Umstände der Übereignung sind streitig, insbesondere ob sich der Zeuge Ch. eine (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen ließ.
Im Übrigen wird auf die tatbestandlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass sich das Fahrzeug zwischenzeitlich in Italien befindet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II nach §§ 985, 952 Abs. 1 BGB (analog). Sie habe das Fahrzeug von der P. GmbH nicht gutgläubig erworben. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzung der Gutgläubigkeit i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB bei dem Zeugen Ch., auf den es insoweit ankomme (§ 166 BGB), bei Übereignung des Fahrzeugs vorgelegen habe. Beim gutgläubigen Erwerb eines Fahrzeugs stelle es eine Mindestvoraussetzung dar, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lasse. Hierfür trage der Erwerber trotz § 932 Abs. 2 BGB die Beweislast. Denn der Alteigentümer sei beim Erwerbsvorgang typischerweise nicht zugegen, wohingegen es dem Erwerber in der Regel leicht möglich sei, die Papiere vorzulegen und damit zu seinen Gunsten einen Anschein zu begründen, ihm seien sie beim Erwerb vorgelegt worden. Jedenfalls treffe den Erwerber bei nachgewiesenen Unstimmigkeiten des Erwerbsvorgangs eine sekundäre Darlegungslast.
Im Streitfall sei das Landgericht nicht überzeugt, dass der Zeuge Ch. gutgläubig i.S.d. § 932 Abs. 2, § 366 HGB gewesen sei. Zwar habe er glaubhaft angegeben, er habe sich die Papiere, darunter die Zulassungsbescheinigung Teil II, zeigen lassen und die Fahrgestellnummern verglichen. Auch habe er – insoweit in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag (Anlage K 1) – nachvollziehbar ausgeführt, dass im internationalen Handel bei Nettogeschäften regelmäßig die Zulassungsbescheinigung Teil II bis zum Erhalt der Gelangensbestätigung vom Verkäufer zurückgehalten werde. Auffällig sei jedoch, dass der Zeuge gegenüber der Polizei die angebliche Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht erwähnt habe, sondern vielmehr angegeben habe, ihm sei gesagt worden, der Erhalt der Papiere verzögere sich, weil der Kaufpreis an den vorherigen Verkäufer noch nicht vollständig gezahlt worden sei. Dazuhin stelle es ein Verdachtsmoment dar, dass der Zeuge lediglich über eine Handynummer einer ihm namentlich nicht bekannten Frau verfügt haben will, ohne dass es eine Festnetznummer gegeben habe. Schließlich falle auf, dass der Zeuge angab, bei Übergabe eines Fahrzeugs nur Fotos zu machen, um dessen Zustand zu dokumentieren, nicht aber von den Papieren. Dem widerspreche es, wenn die Klägerin angebe, im Falle eines kurz zuvor von der P. GmbH erworbenen Mercedes E220 habe der Zeuge ein französisches Fahrzeugpapier (Anlage K 3) fotografiert.
Habe die Beklagte ihr Eigentum nach alledem nicht verloren, stehe ihr der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gemäß § 985 BGB zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und mit einer Begründung versehenen, den Anforderungen der §§ 517, 519 ZPO entsprechenden Berufung. Die Beweiswürdigung des Landgerichts überzeuge nicht. Es sei bereits nicht klar, wie das Landgericht, das in Bezug auf die Umstände des Erwerbs an der einen Stelle von einer Beweislast der Klägerin und an anderer Stelle von einer sekundären Darlegungslast ausgehe, zu seiner Entscheidung gekommen sei. Jedenfalls sei die Annahme falsch, der Klägerin obliege der Beweis, dass die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden und daher eine Gutgläubigkeit der Klägerin, vertreten durch den Zeugen Ch., anzunehmen sei. Auf diese Weise werde die gesetzliche Vermutungswirkung des § 932 Abs. 2 BGB ausgehöhlt und unzulässigerweise eine Beweislastumkehr statuiert, die letztlich dazu führe, dass der Erwerber seinen guten Glauben beweisen müsse. Dies stehe in einem unauflösbaren Widerspruch zur gesetzlichen Regelung. Soweit man davon ausgehe, dass die Klägerin bezüglich des Erwerbsvorgangs, insbesondere der Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II eine sekundäre Darlegungslast treffe, sei die Klägerin dieser hinreichend nachgekommen.
Schließlich könne die Beweiswürdigung auch inhaltlich nicht überzeugen. Die angeblichen Widersprüche des Zeugen entwerteten dessen Aussage nicht. Wenn der Zeuge tatsächlich von einem Eigeninteresse getrieben gewesen wäre, so hätte er die aufgeworfenen Widersprüche durch entsprechende Vorbereitung besser umgehen können. Fehlerhaft sei es im Weiteren, wenn das Landgericht angebliche gegen eine Eigentümerstellung der P. GmbH sprechende Umstände dazu verwende, um die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.
Die Klägerin beantragt, jeweils unter Abänderung des am 26.02.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az. 15 O 43/20
a. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, der Klägerin und Berufungsklägerin die Zulassungsbescheinigung Teil II zum Fahrzeug Mercedes Benz C43 AMG, Fahrzeugidentifikationsnummer WDD205… zu übergeben.
b. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig. Die Beweiswürdigung des Landgerichts gebe keinen Anhalt für Zweifel. Sie sei daher nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Berufungsverfahren bindend. Das Landgericht habe hierbei auch nicht die Beweislast verkannt, sondern zu Recht die Klägerin als beweisbelastet dafür angesehen, dass der Zeuge Ch. sich eine (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II beim Erwerb habe vorlegen lassen. Im Übrigen spreche – da die Beklagte im Besitz des Originals der Zulassungsbescheinigung Teil II sei, ein Anscheinsbeweis dafür, dass sie bei Erwerb nicht vorgelegen habe.
II.
Die gemäß § 511 ZPO statthafte sowie fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg. Die deutschen Gerichte sind im Streitfall zur Entscheidung unter Anwendung deutschen Sachrechts berufen (1.). Die Beklagte ist auf die zulässige und begründete Klage hin zur Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II zu verurteilen. Die Widerklage hingegen ist unbegründet und daher abzuweisen (2.).
1.
Es besteht eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (a.). Anzuwenden ist deutsches Sachrecht (b.).
a.
Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Für die Klage folgt dies aus Art. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 EuGVVO. Hierbei ist es ohne Auswirkung, dass sich das Fahrzeug – was im Berufungsverfahren wohl nicht im Streit steht – während des Verfahrens nach Italien verbracht wurde. Denn dieser Umstand ist lediglich im Rahmen der Widerklage relevant. Für sie gilt allerdings der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art. 8 Nr. 3 EuGVVO. Ohnehin hat sich die Klägerin auf die Widerklage rügelos eingelassen (Art. 26 Abs. 1 EuGVVO).
b.
Materiell kommt deutsches Sachenrecht zur Anwendung. Für die Klage ergibt sich dies daraus, dass die herausverlangte Zulassungsbescheinigung Teil II im Besitz der Beklagten ist und gemäß Art. 43 Abs. 1 EGBGB Rechte an einer Sache dem Recht des Staates unterliegen, in dem sich die Sache befindet (lex rei sitae).
Auch der Herausgabeanspruch bezüglich des Fahrzeugs, der Gegenstand der Widerklage ist, richtet sich nach deutschem Recht. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass zwischenzeitlich das Fahrzeug während des Klageverfahrens nach Italien geschafft wurde. Zwar hat die Anknüpfung des Sachstatuts an den Lageort der Sache zur Konsequenz, dass durch das bloße Verbringen der Sache in ein anderes Staatsgebiet für das Rechtswirkungsstatut gemäß Art. 43 Abs. 2 EGBGB ein Statutenwechsel eintritt, ohne dass es grundsätzlich darauf ankommt, auf Grund welcher Umstände der Lageort verändert wurde (BGH, Urteil vom 22.02.2010 – II ZR 286/07, NJW-RR 2010, 983 [Rn. 21]). Der international-sachenrechtliche Grundsatz der Anerkennung bestehender Rechte hat jedoch zur Folge, dass nach dem Erststatut (Rechtsbestandsstatut) verwirklichte dingliche Tatbestände den Statutenwechsel überdauern und vom Zweitstatut hingenommen werden (NK-BGB/von Plehwe, 4. Aufl. 2021, Art. 43 EGBGB Rn. 27). So liegt es hier bezüglich des behaupteten (gutgläubigen) Eigentumserwerbs. Dieser wurde abgeschlossen zu einer Zeit, als das Fahrzeug sich noch im Inland befand. Die Frage seiner Wirksamkeit richtet sich folglich nach materiellem deutschem Recht.
2.
Die Klägerin hat gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der im Besitz der Beklagten befindlichen Zulassungsbescheinigung Teil II für das streitgegenständliche Fahrzeug. Das Eigentum an den Fahrzeugpapieren folgt entsprechend § 952 BGB (Palandt/Herrler, BGB, 80. Aufl. 2021, § 952 Rn. 6) dem Eigentum an dem Fahrzeug. Eigentümerin des Fahrzeugs ist die Klägerin (a.). Daher kann die Beklagte dieses Fahrzeug ihrerseits nicht mit der Widerklage gemäß § 985 BGB herausverlangen. Die Widerklage ist vielmehr unbegründet (b.).
a.
Für das Eigentum der Klägerin an dem Fahrzeug streitet bereits § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach zugunsten des (Eigen-)Besitzers einer beweglichen Sache vermutet wird, dass er Eigentümer dieser Sache ist. Die Widerlegung der Vermutung setzt den gemäß § 286 ZPO zu führenden Beweis voraus, dass der Erwerber das Eigentum nie erlangt oder es wieder verloren hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2003 – IX ZR 55/02, NJW 2004, 217, 219). Zu führen hat den (Voll-)Beweis der Vermutungsgegner, also die Beklagte. Das ist ihr nicht gelungen. Die Beklagte zieht ohne Erfolg in Zweifel, dass die Klägerin das Fahrzeug wirksam zu Eigentum erworben hat.
aa. Der zwischen der Klägerin und der P. GmbH vollzogene Erwerbsvorgang steht an sich nicht in Streit. Die dingliche Einigung vollzog sich zwischen dem für die Klägerin handelnden Zeugen Ch. und einem für die P. GmbH auftretenden Vertreter am 01.04.2019. Das Fahrzeug wurde, wie es § 929 S. 1 BGB voraussetzt, übergeben.
bb. Zwar sind eine Berechtigung der P. GmbH zur Verfügung über das Fahrzeug oder eine Genehmigung des Verfügungsgeschäfts (§ 185 BGB) weder behauptet noch sonst ersichtlich. Das hindert für sich die Wirksamkeit des Eigentumserwerbs jedoch nicht. Denn die Klägerin hat das Eigentum wirksam von der P. GmbH als Nichtberechtigte erworben gemäß der §§ 929 S. 1, 932 BGB, 366 HGB.
(1)
Ein Abhandenkommen des an die P. GmbH verleasten Fahrzeugs behauptet die Beklagte nicht. Ein solches liegt auch fern. Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB meint nur den unfreiwilligen Verlust des unmittelbaren Besitzes. Unmittelbare Besitzerin war jedoch im Zeitpunkt der Übereignung an die Klägerin nicht die Beklagte, sondern die P. GmbH. Diese hat sich im Rahmen der Veräußerung an die Klägerin des unmittelbaren Besitzes freiwillig entledigt.
(2)
Dass die Klägerin bei Erwerb nicht gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB) war, hat die Beklagte nicht zu beweisen vermocht.
(a) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter grober Fahrlässigkeit wird hierbei im Allgemeinen ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 19.07.2019 – V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 [Rn. 45]). Dabei trifft den Erwerber in Bezug auf die Eigentumslage freilich keine Nachforschungspflicht (vgl. bereits BGH, Urteil vom 22.06.1966 – VIII ZR 141/64; BeckOK-BGB/ 58. Ed. Stand 01.05.2021, § 932 BGB Rn. 16). Andererseits kann eine Bösgläubigkeit vorliegen, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt (BGH, Urteil vom 19.07.2019 – V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 [Rn. 47]); Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 [Rn. 13], jeweils m.w.N.).
Diese Maßstäbe beanspruchen auch für den Erwerb eines – wie hier – gebrauchten Kraftfahrzeugs Geltung. Allerdings begründet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB bzw. § 366 HGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (BGH, Urteil vom 13.05.1996, II ZR 222/95, NJW 1996, 2226, 2227 m.w.N.). Dahinter steht die Erwägung, dass es Argwohn erwecken und zu weiteren Nachforschungen Anlass geben muss, wenn der Veräußerer den Fahrzeugbrief nicht vorlegen kann (BGH, Urteil vom 13.04.1994 – II ZR 196/93, NJW 1994, 2022, 2023), jedenfalls aber nicht das schützenswerte Vertrauen rechtfertigt, der Besitzer des Gebrauchtwagens sei Eigentümer oder doch zur Verfügung über die Sache ermächtigt (BGH, Urteil vom 13.05.1996, II ZR 222/95, NJW 1996, 2226, 2227).
Das gilt auch beim Erwerb von einem Kraftfahrzeughändler. Ob insoweit in Bezug auf den nach § 366 HGB hinreichenden guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers eine Erkundigungspflicht besteht, wenn ein gebrauchtes Fahrzeug von einem Händler im Rahmen von dessen Geschäftsbetrieb erworben wird, dabei die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kfz-Brief) samt allen sonstigen Unterlagen dem Käufer übergeben werden und sonstige Umstände, die einen Verdacht des Käufers hervorrufen müssen, nicht vorliegen, erscheint angesichts der häufigen kommissionsweisen Einschaltung von Händlern beim Gebrauchtwagenverkauf zweifelhaft (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736), so dass allein die fehlende Eintragung des Kfz-Händlers zur Begründung einer Bösgläubigkeit wohl nicht ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456, 1457; OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, BeckRS 2019, 814 [Rn. 48] m.w.N.; OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.1986 – 6 U 161/85, NJW-RR 1987, 1266, 1267; Gerdemann/Helmes, JA 2019, 856, 858). Der Senat muss diese Frage jedoch nicht entscheiden. Zwar wäre es nach den vorstehenden Ausführungen im Ausgangspunkt dann gleichgültig, ob die P. GmbH in der – dem Vortrag der Klägerin zufolge – dem Zeugen Ch. vorgelegten gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen war oder nicht. Das wird aber von den Parteien nicht besonders thematisiert. Im Kern geht es auch in Bezug auf die Frage eines guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis daher darum, ob die Zulassungsbescheinigung Teil II überhaupt vorgelegt wurde. Schließlich setzt auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis (§ 366 HGB) jedenfalls die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II voraus (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.1996, II ZR 222/95, NJW 1996, 2226, 2227), lässt also nicht etwa den Umstand allein, dass von einem Händler erworben wird, hinreichen, um eine grobe Fahrlässigkeit auszuschließen.
(b) Angewendet auf den Streitfall hätte eine Gutgläubigkeit der Klägerin auszuscheiden, wenn der Zeuge Ch., auf dessen Person es insoweit ankommt (§ 166 Abs. 1 BGB), sich die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorlegen ließ (aa)/(bb) oder wenn andere konkrete Verdachtsmomente für ein Fehlen der Eigentümerstellung oder Verfügungsbefugnis der P. GmbH auszumachen wären (cc). Beides ist nicht feststellbar.
(aa) Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass dem Zeugen Ch. die Zulassungsbescheinigung Teil II oder wenigstens eine echt aussehende Fälschung nicht vorgelegt wurde.
Das Landgericht hat ausgeführt, der Zeuge Ch. habe zwar nachvollziehbar und glaubhaft angegeben, dass ihm eine Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden sei. Es bestünden aber letztlich Zweifel, u.a. weil der Zeuge den Vorgang zwar als insgesamt unauffällig und sein Verhalten als standardisiert bezeichnete, bei einem anderen Kauf kurze Zeit zuvor jedoch ein Foto der Papiere gefertigt habe. Zudem habe er gegenüber der Polizei einen anderen Grund für das Nichtvorliegen der Papiere angegeben. Dabei treffe die Klägerin die Beweislast dafür, dass die Bescheinigung tatsächlich vorgelegt worden sei.
An diese Feststellung ist der Senat im Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht gebunden. Denn das Landgericht, dessen Begründung ohnehin zwischen Beweislast, sekundärer Darlegungslast und einer (nicht existierenden) „sekundären Beweislast“ schwankt, hat die Verteilung der Beweislast im Streitfall verkannt.
Nach den oben (2.a.) genannten Grundsätzen ist es Sache der Beklagten, die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB zu widerlegen. Soweit sie das – wie hier – dadurch versucht, dass sie einen wirksamen Eigentumserwerb in Abrede stellt, hilft es ihr noch nicht, wenn sie darauf hinweist (was feststeht), dass die Klägerin vom Nichtberechtigten erworben hat. Voraussetzung ist wie bereits gezeigt, dass die Erwerberin (i.e. die Klägerin) beim Erwerb bösgläubig war. Insoweit enthält § 932 Abs. 2 BGB wegen der negativen Wendung des Normwortlauts eine Beweisregel, wonach der aus dem Eigentum Vertriebene die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Erwerber nicht in gutem Glauben war (MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl. 2020, § 932 BGB Rn. 70).
Diese Grundsätze behalten auch insoweit Geltung, als es um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs geht. Wenn die Rechtsprechung hier es als eine Mindestanforderung bezeichnet, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, hat dies auf die allgemeine Verteilung der Darlegungs- und Beweislast keinen Einfluss. Es handelt sich lediglich um eine Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen. Die Beweislast trägt auch insoweit also derjenige, der sich auf den fehlenden guten Glauben beruft (zutr. OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, BeckRS 2019, 814 [Rn. 48]; a.A. MüKo-BGB/Oechsler, 8. Aufl. 2020, § 932 BGB Rn. 71 und 57; KG, Beschluss vom 22.05.2014 – 8 U 114/13, Rn. 18, juris [ohne nähere Begründung]). Soweit dagegen eingewandt wird, der Herausgabekläger stehe außerhalb des Erwerbsvorgangs, und ihm werde dieserhalb ein Nachweis schwerfallen, handelt es sich letztlich um ein i.R.d. Herausgabeanspruchs strukturell angelegtes Problem. Schließlich enthebt die Vermutung des § 1006 BGB den Besitzer im Grundsatz nicht nur der Beweis-, sondern auch der Darlegungslast dafür, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (st. Rspr., BGH, Urteil vom 10.05.1960 – VIII ZR 90/59, NJW 1960, 1517, 1518; Urteil vom 04.02.2002 – II ZR 37/00, Rn. 7, juris). Er ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, aufzuklären, wie er den Eigenbesitz und das Eigentum konkret erlangt hat, und genießt die Rechtswohltat des § 1006 BGB bereits dann, wenn er seinen unmittelbaren Besitz nachweist und die Rechtsbehauptung aufstellt, Eigentümer der Sache zu sein (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.02.2015 – 12 U 105/14, Rn. 34, juris; Saarländ. OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014 – 4 U 393/11, Rn. 28, juris). Allenfalls kommt deswegen vorliegend in Betracht, dass der Erwerber eine sekundäre Darlegungslast in Bezug darauf zu tragen hat, ihm sei die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden (vgl. Eggert, in: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 4765a; Gerdemann/Helmes, JA 2019, 856, 857). Das kann der Senat freilich offenlassen. Denn die Klägerin ist einer etwaigen sekundären Darlegungslast jedenfalls nachgekommen. Sie hat die Umstände des Erwerbs hinreichend detailliert geschildert und auch angegeben, wer für sie handelte.
Es wäre deswegen an der Beklagten, Beweis für die von ihr aufgestellte – gegenteilige – Behauptung anzubieten. Das hat sie nicht getan. Sie hat im Termin vor dem Senat ausdrücklich erklärt, den Zeugen Ch. nicht zu benennen. Letztlich ist sie beweisfällig geblieben. Dabei hilft es der Beklagten nicht weiter, sich darauf zu berufen, es spreche der erste Anschein dafür, dass die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden sei, weil sie sich schließlich aktuell im Besitz der Beklagten befinde (Ss. v. 02.07.2021 S. 3). Dass das Original der Bescheinigung nicht vorgelegt wurde, ist gar nicht im Streit. Es zerstört den guten Glauben allerdings nicht, wenn dem Erwerber eine unechte Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wird, diese aber keine Auffälligkeiten aufweist und letztlich wie ein Original aussieht. Gerade darum geht es hier.
(bb) An dem Umstand, dass die Klägerin – was die Beklagte nicht widerlegt hat – eine Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II gezeigt, aber nicht ausgehändigt bekam, scheitert die Annahme der Gutgläubigkeit nicht.
Zwar mag es grundsätzlich eine Verdachtssituation begründen, wenn der Veräußerer die Papiere zurückbehält und nicht aushändigt, weil dann zu vermuten ist, dass etwa ein Vorbehaltseigentum besteht. Gibt es aber – wie hier – einen Grund für das Zurückbehalten der Papiere, reicht es aus, wenn zumindest die Papiere vorgezeigt werden, sich also offensichtlich nicht bei der Bank o.ä. befinden. Dies gilt hier, weil anzunehmen ist, dass im internationalen Kfz-Handel üblicherweise die Papiere zurückbehalten werden bis zum Erhalt der sog. Gelangensbestätigung (§§ 4 Nr. 1b, 6a UStG, § 17a UStDV). Der Annahme eines solchen Brauches ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Für ihn spricht im Übrigen, dass in dem Kaufvertrag (Anlage K 1) eigens darauf hingewiesen wurde. Der Umstand, dass die Klägerin das gefälschte Papier jetzt im Nachhinein nicht in den Händen hält, bietet demzufolge entgegen der Ansicht der Beklagten (Ss. v. 02.07.2021 S. 2 mit Verweis auf MüKo-BGB/Oechsler 8. Aufl. 2020, § 932 BGB Rn. 55) auch keinen Ansatz für die Annahme eines gegen sie sprechenden Anscheinsbeweises.
(cc) Andere konkrete Verdachtsmomente, die bei Übereignung des Fahrzeugs gegen die Eigentümerstellung oder Verfügungsbefugnis der P. GmbH gesprochen hätten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat eine Verdachtssituation nicht nachzuweisen vermocht.
Richtig ist, dass der Erwerber eines Fahrzeugs auch dann, wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, gleichwohl bösgläubig sein kann. Dies setzt voraus, dass besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt (BGH, WM 1966, 678 = BeckRS 1966, 31180082 m.w.N.). Die Verdachtssituation hat jedoch der Herausgabekläger darzulegen und zu beweisen. Zwar mag unter Umständen in den Fällen, in denen eine Erkundigungs- oder Nachforschungspflicht ausnahmsweise besteht, eine Vermutung für die grobe Fahrlässigkeit des Erwerbers sprechen. Zum Nachweis der groben Fahrlässigkeit sind aber stets die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Erkundigungs- oder Nachforschungspflicht des Erwerbers ergibt. Erst anschließend liegt es am Erwerber darzulegen, dass er geeignete Erkundigungen eingezogen hat. Demzufolge hat auch beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs der Herausgabekläger etwa eine Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II oder deren leichte Erkennbarkeit zu beweisen (Eggert, in: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 4765a; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, NJOZ 2018, 1581 [Rn. 17]). Auch hier findet eine Beweislastumkehr nicht statt. Im Einzelfall kommt lediglich nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast des Erwerbers in Betracht (vgl. Gerdemann/Helmes, JA 2019, 856, 857).
Eine Verdachtssituation, die den guten Glauben zerstören würde, vermag der Senat im Streitfall nicht zu erkennen. Die Vorlage einer gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II unterstellt, hat die Beklagte keine Auffälligkeiten dargelegt und bewiesen, die eine für den Zeugen Ch. offenbare Unstimmigkeit begründen würde, etwa Schreibfehler, eine andere Fahrgestellnummer, Radierungen o.ä.
Auch in der Gesamtschau der Kaufsituation hatte der Erwerbsvorgang keine besonderen Auffälligkeiten, die bei dem Zeugen Ch. Bedenken aufkommen lassen mussten. Im Gegenteil fand der Zeuge nach den insoweit nicht bestrittenen Angaben ein Autohaus vor, in dem eine Vielzahl an Fahrzeugen vorrätig war. Die P. GmbH machte deswegen nicht den Eindruck, eine „fliegende Händlerin“ zu sein. Dass das Unternehmen umgezogen war und dass dem Zeugen „nur“ eine Handynummer bekannt war (GA 24/25), war nicht geeignet, ein besonderes Misstrauen zu begründen. Zum einen war der Zeuge offenbar nur mit der Abholung des Fahrzeugs betraut. Zum anderen waren der Klägerin im Rahmen der Vertragsanbahnung sehr wohl eine Festnetznummer und ein Faxanschluss benannt worden (Anlage K 1). Auch der Preis des Fahrzeugs (vgl. zum Kaufpreis als mögliches Verdachtsmoment BGH, Urteil vom 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736; Urteil vom 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456, 1457) war nicht übermäßig günstig. Soweit die Beklagte meint, der Zeuge Ch. (auf dessen Einvernahme vor dem Senat sie verzichtet hat) habe in erster Instanz anderes kundgetan, irrt sie sich. Er gab lediglich an, dass das erworbene Fahrzeug noch eines der „günstigeren“ der am Standort zum Kauf angebotenen Fahrzeuge gewesen sei. Insgesamt war das Angebot höherpreisiger Fahrzeuge indes (laut Zeuge) in sich stimmig (Protokoll vom 11.08.2020 S. 4, GA 55). Die Fahrzeuge wurden auch nicht etwa außerhalb des Unternehmensareals, gleichsam „auf der Straße“ (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 737) veräußert. Bezahlung und weitere Abwicklung des Geschäfts geschahen ohne Besonderheiten. So wurden dem Zeugen – was die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat – alle Schlüssel für das Fahrzeug ausgehändigt. Untauglich ist der Versuch der Beklagten, eine Verdachtssituation darauf zu gründen, dass das Fahrzeug ohne vorherige Besichtigung gekauft und bezahlt wurde (GA 66). Denn dies war offenbar die Entscheidung der Klägerin. Dass die P. GmbH eine Besichtigung im Vorfeld verhindert hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b.
Die auf Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Widerklage ist zulässig, aber nicht begründet.
Ein Anspruch der Beklagten aus § 985 BGB besteht nicht. Er setzte voraus, dass die Beklagte Eigentümerin des Fahrzeugs ist. Das ist wie gezeigt (oben 2.a.) nicht der Fall.
3.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.
Die Revision wird aufgrund von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Der Senat weicht bei der – auch in der Literatur streitigen – Frage der Verteilung der Beweislast in Bezug auf die Übergabe bzw. Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II im Rahmen der Beurteilung der Gutgläubigkeit eines Fahrzeugerwerbers von der Ansicht des Kammergerichts (KG, Beschluss vom 22.05.2014 – 8 U 114/13, Rn. 18) ab.