Bundesgerichtshof zum gutgläubigen Erwerb von Fahrzeugen
Beim gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt es sich um den Erwerb eines Fahrzeugs, der aufgrund des guten Glaubens des Käufers an die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers erfolgt. Käufer, die einen Gebrauchtwagen von jemandem erwerben, der nicht der eigentliche Eigentümer ist, können dennoch Eigentum erwerben, vorausgesetzt, sie sind gutgläubig. Doch wie kann bewiesen werden, dass der Käufer tatsächlich gutgläubig war, wenn möglicherweise ein gefälschter Fahrzeugbrief vorliegt? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich entschieden.
Übersicht:
- Bundesgerichtshof zum gutgläubigen Erwerb von Fahrzeugen
- Treu und Glauben beim Autokauf
- BGH konkretisiert die Rahmenbedingungen für den gutgläubigen Kauf
- Die Frage der Eigentumsverhältnisse
- Die rechtliche Definition der Gutgläubigkeit
- Die Frage, wer die Beweislast zu tragen hat
- Der BGH stimmt der Ansicht des OLG Stuttgart zu
- Der Käufer muss laut BGH nicht prüfen
- Strafrechtliche Konsequenzen für den Verkäufer
- Haben Sie Probleme beim Autokauf?
Treu und Glauben beim Autokauf
Jedes Kaufgeschäft, welches zwischen einem Käufer und einem Verkäufer realisiert wird, unterliegt letztlich dem Grundsatz von Treu und Glauben. Der Käufer ist im Glauben, dass es sich bei dem Verkäufer um den rechtmäßigen Eigentümer des Verkaufsgegenstandes handelt, während hingegen der Verkäufer in dem Glauben ist, dass der Käufer den Verkaufsgegenstand mit seinem realen Geld erwirbt. Nicht selten jedoch gibt es Fallkonstellationen, in denen ein Kaufgeschäft gutgläubig durchgeführt wird. Der Käufer erwirbt einen Kaufgegenstand von einem Verkäufer, der bedauerlicherweise eben nicht der rechtmäßige Eigentümer des Verkaufsgegenstandes ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nunmehr mit der Frage beschäftigen müssen, welche Vertragspartei nunmehr diesbezüglich in der Beweislast steht und unter welchen Rahmenumständen ein Käufer bei einer derartigen Fallkonstellation zum rechtmäßigen Eigentümer des Verkaufsgegenstandes werden kann.
Der für die Entscheidung des BGH zugrundeliegende Fall handelte von einem Kaufgeschäft, bei dem ein Käufer einen Gebrauchtwagen gutgläubig von einem Verkäufer erwarb. Der Verkäufer war nicht der rechtmäßige Eigentümer des Gebrauchtwagens, da die Eigentumsverhältnisse mittels eines gefälschten Fahrzeugbriefs nachgewiesen wurden.
BGH konkretisiert die Rahmenbedingungen für den gutgläubigen Kauf
Damit ein Kauf als gutgläubig gilt, hat der Gesetzgeber in Deutschland gewisse Rahmenvoraussetzungen festgeschrieben. Die Problematik liegt jedoch in dem Umstand, dass diese Rahmenbedingungen bedauerlicherweise bis zu der Entscheidung des BGH nicht ausreichend konkretisiert gewesen sind. Eine derartige Konkretisierung wurde nunmehr jedoch von dem BGH vorgenommen. Maßgeblich bei dem Fall war bislang die Frage, welche Vertragspartei in der Beweislast steht. Es geht darum, welche Partei den Umstand der Gutgläubigkeit bei dem Käufer nachweisen muss. Der rechtliche Knackpunkt liegt in dem Umstand, dass die Gutgläubigkeit des Käufers davon abhängig ist, ob sich der Käufer den Fahrzeugbrief des Fahrzeugs von dem Verkäufer zeigen ließ und ob der Käufer diesen Fahrzeugbrief hinreichend auf die Echtheit prüfte.
Durch die Entscheidung des BGH wurde festgelegt, dass die Beweislast im Hinblick auf die Echtheit des Fahrzeugbriefs bei dem Verkäufer respektive Eigentümer von dem Fahrzeug liegt. Der Käufer trägt lediglich die Beweislast dahin gehend, dass er sich von dem Verkäufer den Fahrzeugbrief zeigen ließ (vgl. Urteil des BGH vom 23. September 2022, Aktenzeichen V ZR 148/21).
Die Frage der Eigentumsverhältnisse
Der Käufer erwarb das Gebrauchtfahrzeug bei einer Gesellschaft, welche dem italienischen Recht unterliegt. Mittels eines Vermittlers wurde das Fahrzeug letztlich von einem Autohaus erworben, welches dem deutschen Recht unterliegt. Wie sich nunmehr herausgestellt hat, befand sich das Gebrauchtfahrzeug überhaupt nicht in dem Eigentum von dem Autohaus, da dieses das betreffende Fahrzeug von dem Vermittler lediglich geleast hatte. Der rechtmäßige Eigentümer von dem Gebrauchtwagen wollte das Fahrzeug überhaupt nicht verkaufen und machte gem. § 985 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend, dass das Autohaus das Fahrzeug wieder an ihn zurückgibt. Damit zeigte sich das Autohaus jedoch nicht einverstanden und machte deutlich, dass der Wagen gem. § 932 BGB auf der Basis von Gutgläubigkeit erworben wurde.
Im Zuge dieses Schritts verlangte das Autohaus auch von dem Eigentümer die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gem. § 985 BGB in Verbindung mit § 952 BGB. Problematisch hierbei ist, dass der Käufer das entsprechende Fahrzeug lediglich in dem Fall das Fahrzeug rechtmäßig erworben haben konnte, wenn zu dem Zeitpunkt des Kaufs tatsächlich der Zustand der Gutgläubigkeit vorgeherrscht hätte. Die Verkäuferin war dem reinen Grundsatz nach zu dem Verkauf des Fahrzeugs überhaupt nicht berechtigt.
Die rechtliche Definition der Gutgläubigkeit
Der Gesetzgeber in Deutschland definiert die Gutgläubigkeit des Käufers dahin gehend, dass ein Käufer zu dem Zeitpunkt des Kaufs nicht die Kenntnis davon haben musste, dass es sich bei dem Verkäufer nicht um eine zum Verkauf berechtigte Person handelte. Dementsprechend ist die Rechtmäßigkeit des Kaufs davon abhängig, ob der Verkäufer zu dem Zeitpunkt des Kaufgeschäfts die Zulassungsbescheinigung II, allgemein hin bekannt als Fahrzeugbrief, vorlegen konnte oder nicht. Die beteiligten Unternehmen hatten diesbezüglich einen Rechtsstreit. Die Käuferin vertrat die Auffassung, dass der Vermittler einen gefälschten Fahrzeugbrief verwendet hatte, in dem der Eigentümer eingetragen gewesen ist.
Die Frage, wer die Beweislast zu tragen hat
Da sich die realen Gegebenheiten bedauerlicherweise im Nachhinein nicht aufklären ließen, musste der Fall auf der Basis der Beweislast zu einer Entscheidung kommen. Für den BGH war dementsprechend die Frage entscheidend, ob die Gutgläubigkeit als gegeben anzusehen ist oder nicht und wer diesen Umstand zu beweisen hat. In der ersten Instanz dieses Falles, der vor dem Landgericht (LG) Stuttgart verhandelt wurde, kam das LG zu der Auffassung, dass der Gebrauchtwagen an den ursprünglichen Eigentümer wieder zurückgeführt werden muss. Die Klage auf die Herausgabe des Fahrzeugscheins an den Käufer wurde dementsprechend abgelehnt. Dieser Auffassung folgte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in der zweiten Instanz nicht. Das OLG vertrat die Auffassung, dass der Käufer sehr wohl gutgläubig gewesen ist und dass der Eigentümer dementsprechend den Fahrzeugbrief an den Käufer herausgeben muss. In der Urteilsbegründung führte das OLG aus, dass den Käufer lediglich die „sekundäre Darlegungslast“ trifft und dementsprechend lediglich vonseiten des Käufers dargelegt werden muss, dass der Fahrzeugbrief dem Käufer vorgelegt wurde respektive eine als hinreichend anzusehende Prüfung der Echtheit stattfand.
Das OLG Stuttgart führte mit seinem Urteil aus, dass der Verkäufer die Beweislast im Hinblick auf die gegenteiligen Umstände zu tragen habe.
Der BGH stimmt der Ansicht des OLG Stuttgart zu
Der Fall landete schlussendlich vor dem BGH, welcher mit seinem Urteil der Auffassung des OLG Stuttgart folgte. Dementsprechend ist der BGH ebenfalls der Auffassung, dass der Eigentümer in der Beweislast bezüglich der nicht vorhandenen Gutgläubigkeit des Verkäufers steht. Da der Käufer darlegen konnte, dass sämtliche Bescheinigungen im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse des Fahrzeugs vorgelegt wurden und der Verkäufer das Gegenteil nicht beweisen konnte, verpflichtete der BGH mit seinem Urteil den Eigentümer zur Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II an den Käufer.
Der Käufer muss laut BGH nicht prüfen
Unabhängig von dem Umstand, ob es sich bei dem Fahrzeugbrief um eine Fälschung handelt oder nicht, steht laut Ansicht des BGH der Käufer nicht in der Prüfungspflicht bezüglich der Echtheit. Weitergehende Nachforschungspflichten des Käufers diesbezüglich gibt es laut Auffassung des BGH nicht, sodass der Kauf tatsächlich auf der Basis der Gutgläubigkeit vorgenommen wurde. Dementsprechend ist der Käufer auch der rechtmäßige Eigentümer des Gebrauchtwagens.
Strafrechtliche Konsequenzen für den Verkäufer
Für den Verkäufer des Gebrauchtwagens hat der Fall weitergehende strafrechtliche Konsequenzen. Mittlerweile ist der Verkäufer nicht mehr auf dem Markt tätig und er muss sich in mehr als 100 Fällen wegen Betruges vor dem jeweils zuständigem Gericht verantworten. Das Urteil des BGH hat jedoch weiterreichende Konsequenzen für das Kaufgeschäft eines Gebrauchtwagens an sich. In der gängigen Praxis ist es nicht unüblich, dass ein Gebrauchtwagen von einer Privatperson an die andere Privatperson verkauft wird. Nicht selten kommt hier das Prinzip des Treu und Glaubens zum Tragen, sodass die Frage nach der Beweislast von entscheidender Bedeutung ist. Eine Privatperson kann sich lediglich im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse des Gebrauchtwagens dahin gehend absichern, dass der Fahrzeugbrief gesichtet wird.
Eine genaue Prüfung der Echtheit dieser Zulassungsbescheinigung II ist für die meisten Privatleute, mangels der entsprechenden Fachkenntnisse, überhaupt nicht möglich. Würde die Beweislast diesbezüglich bei dem Käufer liegen, so ergäbe sich aus vielen Kaufgeschäften heraus eine Unsicherheit. Durch das Urteil des BGH wurde die Position des Käufers jedoch dahin gehend gestärkt, als dass lediglich der Umstand der Vorlage des Fahrzeugscheins zur Sichtung von dem Käufer nachgewiesen werden muss. Die Beweislast im Hinblick auf das Gegenteil liegt jedoch bei dem Verkäufer, was in der gängigen Praxis ein schwieriges Unterfangen sein dürfte. Trotz dieses Umstandes wird diese Fallkonstellation in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit noch viele Gerichte beschäftigen.
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