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Gutgläubiger Gebrauchtwagenerwerb bei Vorlage gefälschter Zulassungsbescheinigungen

OLG Köln – Az.: I-16 U 233/19 – Beschluss vom 07.04.2020

1.   Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 30.08.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn (10 O 448/18) gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2.   Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

1.  Die Berufung der Beklagten ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint, ist eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt.

2.  Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges der Marke Audi Typ A plus ist und die Beklagte verurteilt, die Zulassungsbescheinigung Teil II zu diesem Kraftfahrzeug binnen der im erstinstanzlichen Urteil bestimmten Frist an den Kläger herauszugeben. Auch hat das Landgericht die Widerklage zu Recht abgewiesen.

Auch der Senat geht davon aus, dass der Kläger der Eigentümer des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges geworden ist, so dass er von der Beklagten nach §§ 985, 952 analog BGB die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen kann, während der Beklagten der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges aus § 985 BGB gegen den Kläger mit Blick auf dessen Eigentümerstellung nicht zusteht.

a.  Zwar steht zwischen den Parteien außer Streit, dass ursprünglich die Klägerin Eigentümerin des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges war. Auch hat die Klägerin Eigentum an diesem nicht bereits am 20.09.2018 mit der Übergabe an einen vermeintlichen Käufer desselben übergeben, da in dem zugrundliegenden Kaufvertrag ein Eigentumsvorbehalt vereinbart war, die Bedingung für den Eigentumsübergang auf den Käufer jedoch nicht eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund ist der Kläger auch nicht etwa nach § 929 S. 1 BGB mit der Übergabe des Kraftfahrtzeuges aufgrund einer entsprechenden Einigung am 26.09.2018 Eigentümer desselben worden, da es der ihm gegenüber als „B“ aufgetretenen Verkäuferin an der Berechtigung fehlte.

b.  Der Kläger hat das Eigentum an dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug jedoch, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nach § 932 Abs. 1 S. 1 BGB gutgläubig erworben, da er sich am 26.09.2018 mit der Verkäuferin über den Eigentumsübergang einig geworden ist und diese ihm den Besitz an dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug verschafft hat.

Das streitgegenständliche Kraftfahrzeug war auch nicht abhandengekommen im Sinne von § 935 Abs. 1 BGB, denn die Beklagte hat den Besitz an diesem am 20.09.2018 nicht etwa ohne ihren Willen verloren. Die Beklagte hat den Besitz an dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug vielmehr bewusst aufgegeben. Dass sie hierzu durch eine Täuschung veranlasst wurde, ist für die Frage des Abhandenkommens im Sinne von § 935 Abs. 1 BGB ohne Belang (vgl. nur RGZ 101, 224; Palandt – Herrler, a.a.O., Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage, § 935, Rdnr. 5).

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger aber auch nicht etwa bösgläubig. Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nämlich nur dann nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Davon kann vorliegend aber auch auf Grundlage des Vorbringens der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten (vgl. nur Palandt – Herrler, a.a.O., § 932, Rdnr. 16) auch nicht ausgegangen werden.

Die Beklagte beruft sich nicht darauf, dass der Kläger Kenntnis davon gehabt hätte, dass die Verkäuferin nicht zum Verkauf des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges berechtigt war. Auch im Übrigen liegen hierfür keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte vor.

Der Kläger hat bei Erwerb des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges die fehlende Berechtigung der Verkäuferin aber auch nicht grob fahrlässig verkannt. Unter grober Fahrlässigkeit wird ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.06.1980 – VIII ZR 119/79, BGHZ 77, 274 ff., Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 ff., Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, MDR 2018, 144; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, zitiert nach juris). Beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs begründet dabei nach allgemeiner Auffassung der Besitz des Veräußerers noch nicht den für den Gutglaubenserwerb erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindestanforderungen des gutgläubigen Erwerbs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu überprüfen (BGH, Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 92/12, a.a.O.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16, NJW-RR 2017, 1454 ff., Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, a.a.O.; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, a.a.O.). Auch wenn der Veräußerer im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht besteht dagegen nicht (BGH, Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 92/12, a.a.O.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16, a.a.O., Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, a.a.O.; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, a.a.O.).

Gutgläubiger Gebrauchtwagenerwerb bei Vorlage gefälschter Zulassungsbescheinigungen
(Symbolfoto: HJBC/Shutterstock.com)

Bei Anlegung dieses Maßstabes ist der gute Glauben des Klägers aber entgegen der Auffassung der Beklagten auch im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung  jedenfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu verneinen, denn auch wenn eine Vielzahl kleinerer Auffälligkeiten vorlag, stellen diese sich bei Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten der Verkäuferin um einen Privatverkauf handelte, auch in ihrer Gesamtheit nicht als ausreichend dar, um von grober Fahrlässigkeit des Klägers in Bezug auf die fehlende Berechtigung der Verkäuferin auszugehen. Dem Kläger wurden anlässlich des Kaufs die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II (Bl. 23 ff. d.A.) vorgelegt. Die Eintragungen dort stimmen mit dem Namen und der Anschrift der Verkäuferin in dem in Ablichtung zu den Akten gereichten Kaufvertrag (Bl. 26 d.A.) überein, aus dem sich entgegen der Ausführungen in der Berufungsbegründung auch ohne weiteres ergibt, dass die Verkäuferin dem Kläger gegenüber als „B“ aufgetreten ist und hierbei eine Anschrift in C angegeben hat. Zwar waren diese Zulassungsbescheinigungen gefälscht. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger bösgläubig gewesen wäre. Die Fälschung einer Zulassungsbescheinigung steht dem guten Glauben nämlich nur entgegen, wenn sie also solche deswegen leicht durchschaubar ist (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16, a.a.O.; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, a.a.O.). Richtig ist zwar, dass die Zulassungsbescheinigungen die von der Beklagten beanstandeten Auffälligkeiten, insbesondere Schreibfehler und inhaltliche Unstimmigkeiten aufweisen. Dem ortsfremden Kläger musste jedoch nicht auffallen, dass die Stadt D nicht zum E-Kreis gehört. Da im Übrigen selbst in offiziellen Dokumenten Schreibfehler nicht ausgeschlossen werden können, musste der Kläger auch nicht wegen der in den Zulassungsbescheinigungen enthaltenen, ohnehin nicht sofort auffallenden Tippfehler misstrauisch werden, zumal für die Fälschungen echte Blankobescheinigungen verwendet wurden. Auch muss es einem Laien wie dem Kläger nicht auffallen, dass die Eintragungen in den Zulassungsbescheinigungen nicht ganz vollständig waren und an einer Stelle der Vorname und der Nachname der Verkäuferin vertauscht eingetragen worden waren.

Ebenso stellen die weiteren Umstände des Erwerbs den guten Glauben des Klägers nicht durchgreifend infrage. Dass es sich um einen Barverkauf handelte, ist bei einem Gebrauchtwagenverkauf unter Privatleuten kein Umstand, der Verdacht erregen muss (Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, a.a.O.). Gleiches gilt für die Abwicklung des Kaufes auf einem Parkplatz, denn die Erklärung des angeblichen Ehemannes der Verkäuferin, dass es sich um einen Parkplatz in der Nähe der Arbeitsstelle seiner Ehefrau handelt, war nicht evident auffällig oder unrichtig (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16, a.a.O.; Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, a.a.O.). Der Kläger musste auch nicht etwa deshalb von einer fehlenden Berechtigung der Verkäuferin in Bezug auf das streitgegenständliche Kraftfahrzeug ausgehen, weil diese einen deutschen Vor- und Nachnamen angegeben hatte, aber nicht akzentfrei gesprochen hat. Der Kläger hat behauptet, dass die Verkäuferin sich ihm gegenüber als Österreicherin ausgegeben und durch einen österreichischen Ausweis sowie einen Führerschein ausgewiesen hat, ohne dass die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte die Richtigkeit dieses Vorbringens hätte durchgreifend widerlegen können. Es war damit aber ohne weiteres denkbar, dass die Verkäuferin trotz eines deutsch anmutenden Namens aus Ost- oder Südosteuropa stammt, über eine österreichische Staatsangehörigkeit verfügt und sich infolge der Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums nunmehr dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Auch steht der vorliegend vereinbarte Kaufpreis dem guten Glauben des Klägers nicht entgegen, denn dieser war auch bei Berücksichtigung der Gesamtumstände des Geschäfts gerade nicht so niedrig, dass der Kläger in Anbetracht dessen hätte Verdacht schöpfen musste (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16, a.a.O., Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, a.a.O.; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.01.2019 – 9 U 32/18, a.a.O.). Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hat der Kläger mehrere Vergleichsangebote vorgelegt, nach denen ähnliche Fahrzeuge auch zu einem ähnlichen Preis erworben werden können. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass dem Kläger der Zweitschlüssel anlässlich der Übergabe des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges nicht ausgehändigt wurde, da die Verkäuferin nicht angegeben hatte, über diesen nicht zu verfügen, sondern dem Kläger die Nachsendung des Zweitschlüssels per versichertem Versand im Kaufvertrag explizit zugesichert hat (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 2 U 72/16, a.a.O.; Senatsurteil vom 29.11.2017 – 16 U 86/17, a.a.O.). Schließlich ergeben sich auch aus den vom Senat beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Bonn 664 Js 2399/18 keine vom Landgericht nicht berücksichtigten Umstände, die insoweit zugunsten der Beklagten streiten würden.

Da somit auch bei Zugrundelegung des berücksichtigungsfähigen Vorbringens der Beklagten davon auszugehen ist, dass die Beklagte ihr Eigentum an dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug an den Kläger verloren hat, war dementsprechend auch keine Beweisaufnahme zur Richtigkeit dieses Vortrages erforderlich und auch die von der Beklagten mit der Berufung gerügte Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör liegt ersichtlich nicht vor.

3.  Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu den vorstehenden Hinweisen innerhalb der im Tenor genannten Frist. Diese Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners – durch Beschluss des Senats oder durch Verfügung des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters – verlängert werden.

4.  Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (Nr. 1220, 1222 KV GKG) wird hingewiesen.

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