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Häusliche Isolation Kontaktperson ersten Grades mit einem bestätigten COVID-19-Fall

VG Würzburg – Az.: W 8 S 20.1326 – Beschluss vom 18.09.2020

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Ende der häuslichen Isolation der Antragstellerin mit Wirkung zum 19. September 2020, 00:00 Uhr anzuordnen und ihr die Teilnahme an der kirchlichen Trauung ihres Bruders mit der Maßgabe zu ermöglichen, dass die Antragstellerin weiterhin keine für eine COVID-19-Erkrankung typischen Symptome nach Maßgabe des SARS-CoV-Steckbrief (COVID-19) des Robert-Koch-Instituts aufweist und die Antragstellerin die in der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung angeordneten Hygienemaßnahmen beachtet.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wehrt sich gegen eine ihr gegenüber angeordnete häusliche Isolation von 14 Tagen, bzw. begehrt deren vorzeitige Aufhebung.

Die Antragstellerin stand am 6. September 2020 in Kontakt mit einer Person, die positiv auf das SARS-CoV-2-Virus (Coronavirus) getestet wurde.

Mit Schreiben vom 10. September 2020 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie sich als Kontaktperson der Kategorie I mit engem Kontakt zu einem COVID-19-Fall vorübergehend in häusliche Quarantäne zu begeben habe. Das Schreiben weist in der Kopfzeile das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege aus. Über die Verpflichtung zur Einhaltung der Quarantäne sei durch das Gesundheitsamt M. informiert worden.

Die Antragstellerin wurde am 11. September sowie 14. September 2020 auf das Coronavirus getestet. Die Testergebnisse waren jeweils negativ.

Am 15. September 2020 legte die Antragstellerin beim Landratsamt M. Widerspruch gegen die Anordnung der häuslichen Quarantäne sowie beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 ein. Zur Begründung ließ die Antragstellerin ausführen, dass sie nicht als Kontaktperson I einzuordnen sei, da der Kontakt mit der infizierten Person nicht so eng gewesen sei, wie vom RKI in seiner Veröffentlichung zur Einordnung einer Person als Kontaktperson der Kategorie I gefordert werde. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin bereits im März 2020 eine COVID-19-Erkrankung gehabt habe, denn ihr Freund sei seinerzeit nachweislich positiv getestet worden und die Antragstellerin habe ebenfalls typische COVID-19-Symptome gezeigt. Eine Quarantäne sei daher nicht erforderlich. Die Antragstellerin wolle an der standesamtlichen und kirchlichen Hochzeit ihres Bruders teilnehmen.

Am 16. September 2020 fand die standesamtliche Trauung des Bruders der Antragstellerin statt, am 19. September 2020 ist die kirchliche Trauung.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2020 – bei Gericht per Telefax eingegangen am 16. September 2020 – ließ die Antragstellerin beantragen:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15. September 2020 gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 10. September 2020 hinsichtlich einer vorübergehenden häuslichen Isolation wird angeordnet;

Hilfsweise:

Häusliche Isolation Kontaktperson ersten Grades mit einem bestätigten COVID-19-Fall
Symbolfoto: Von Alonafoto/Shutterstock.com

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet die mit Schreiben vom 10. September 2020 verhängte vorübergehende häusliche Isolation zulasten der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin sei keine Kontaktperson der Kategorie I im Sinne der Definition des Robert-Koch-Instituts (RKI) und die Anordnung der häuslichen Quarantäne sei deshalb rechtswidrig. Es werde davon ausgegangen, dass die Bescheinigung des Antragsgegners vom 10. September 2020 einen Verwaltungsakt darstelle, da hiermit die Regelung der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August bzw. 7. Mai 2020 erstmals umgesetzt werde. Es fehle dann bereits an einer tauglichen Rechtsgrundlage, da die Anordnung auf die Allgemeinverfügung vom 7. Mai 2020 gestützt werde, welche seit dem 30. Juni 2020 außer Kraft sei. Im Übrigen sei die Antragstellerin zweimal negativ auf das Coronavirus getestet worden. Sie habe zu der infizierten Person keinen 15-minütigen engen Kontakt von Gesicht zu Gesicht gehabt, weshalb sie nicht als Kontaktperson ersten Grades gelten könne. Sie habe am 6. September 2020 im Gastronomiebetrieb ihrer Mutter eine Servicekraft eingelernt. Es sei zu keinem weiteren Gesichtskontakt gekommen und der Abstand von eineinhalb Metern sei eingehalten worden. Wenn dies nicht der Fall gewesen sei, sei dies nur sehr kurzfristig, nach Einschätzung der Antragstellerin jedenfalls kürzer als 15 Minuten erfolgt. Sowohl die Antragstellerin als auch die Servicekraft hätten während der gesamten Zeit eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen. Schließlich sei die Antragstellerin wie eine Person zu behandeln, die bereits eine COVID-19-Erkrankung überstanden habe. Denn ihr Freund habe sich nachweislich im März 2020 mit dem Coronavirus angesteckt und auch die Antragstellerin als Kontaktperson benannt. Das Gesundheitsamt habe sich nie bei ihr gemeldet. Sie habe typische Symptome gezeigt, da sie weder habe riechen noch schmecken können. Die Antragstellerin habe sich unmittelbar nach dem positiven Test ihres Freundes freiwillig und unverzüglich in häusliche Quarantäne begeben und sei erst nach Ablauf von 14 Tagen und dem Abklingen der Symptome wieder zur Arbeit gegangen. Eine besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass sie zumindest an der kirchlichen Trauung ihres Bruders am 19. September 2020 teilnehmen wolle.

Mit Schriftsatz vom 17. September 2020 beantragte das Landratsamt Miltenberg für den Antragsgegner:

Der Antrag wird abgelehnt.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Zuordnung der Antragstellerin zur Gruppe der Kontaktpersonen der Kategorie I sei zu Recht erfolgt und beruhe auf den Ermittlungen des Gesundheitsamtes. Die Antragstellerin habe zunächst am 10. September 2020 angegeben einen qualifizierenden Kontakt zur Indexperson gehabt zu haben. Die fernmündlich gemachten Angaben seien zunächst mit Datum vom 11. September 2020 schriftlich bestätigt, zumindest nicht zweifelsfrei widerlegt worden. Die Zuordnung als Kontaktperson I sei deshalb nachvollziehbar. Hinsichtlich der vorgebrachten vermeintlichen COVID-19-Infektion im März 2020 lägen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Negative Testergebnisse rechtfertigten keine Aufhebung der häuslichen Isolation.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 S 20.1325) sowie die beigefügten Akten des Landratsamts Miltenberg verwiesen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) sind die wörtlich gestellten Anträge, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15. September 2020 gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 10. September 2020 hinsichtlich einer vorübergehenden häuslichen Isolation sowie hilfsweise den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit Schreiben vom 10. September 2020 verhängte vorübergehende häusliche Isolation zulasten der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung aufzuheben, sachgerecht dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung dahingehend begehrt, dass ihr gegenüber das Ende der häuslichen Isolation angeordnet und ihr der Besuch der kirchlichen Trauung ihres Bruders am 19. September 2020 ermöglicht wird.

Der so verstandene Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig und unter Berücksichtigung der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe auch begründet. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Im Einzelnen:

1.

Statthaft zur Verfolgung des Begehrens der Antragstellerin ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO. Die Pflicht sich als Kontaktperson der Kategorie I in häusliche Isolation zu begeben ergibt sich unmittelbar aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020, GZ6a-G8000-2020/572 ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes seitens der Kreisverwaltungsbehörde bedarf (vgl. auch VG Regensburg, B.v. 3.9.2020 – RN 14 S 20.1917 – BeckRS 2020, 21548 Rn. 12). Die Mitteilung des Landratsamts Miltenberg an das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 10. September 2020 stellt dementsprechend keinen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, da es an einer Regelungswirkung fehlt. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines – im Übrigen wegen Art. 15 Abs. 2 AGVwGO nicht statthaften – Widerspruchs ist kein Raum.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Antragstellerin sich in einer etwaigen Hauptsacheklage im Wege der Versagungsgegenklage gegen die (zumindest konkludente) Ablehnung einer Aufhebung der häuslichen Isolation durch den Antragsgegner vertreten durch das Landratsamt Miltenberg wenden müsste oder ob diesbezüglich eine Feststellungsklage dahingehend statthaft ist, dass sie nicht weiterhin zur häuslichen Isolation verpflichtet ist, da in beiden Fällen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft ist.

2.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.

Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass die Aufhebung der häuslichen Isolation betreffend die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnte die Antragstellerin nicht mehr zugesprochen bekommen, als was sie ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens begehrt, zumal eine Entscheidung in der Hauptsache aufgrund der zeitlichen Komponente ohnehin zu spät käme. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einen Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 f.). Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss demnach offensichtlich erfolgreich erscheinen (vgl. auch VG Köln, B.v. 7.4.2020 – 16 L 679/20 – juris).

Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

a.)

Ein Anordnungsgrund liegt offensichtlich vor. Die besondere Eilbedürftigkeit ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin an der kirchlichen Trauung ihres Bruders am 19. September 2020 teilnehmen möchte, was ihr bei Aufrechterhaltung der derzeitigen häuslichen Isolation nicht möglich wäre. Ein Obsiegen in der Hauptsache kann nicht abgewartet werden, da eine Entscheidung aufgrund der zeitlichen Umstände zu spät käme.

b.)

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihr steht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf (vorzeitige) Aufhebung ihrer häuslichen Isolation zu.

In diesem Zusammenhang weist das Gericht zunächst darauf hin, dass es jedenfalls bei summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 angeordneten Pflicht zur 14-tägigen häuslichen Isolation einer Kontaktperson der Kategorie I im Sinne der Definition des Robert-Koch-Instituts hat, auch dann, wenn diese Person gegebenenfalls negative Testergebnisse im Hinblick auf den SARS-CoV-2-Virus (Coronavirus) vorlegt. Auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 18. September 2020 (W 8 S 20.1325) wird Bezug genommen. Dass sich die Antragstellerin in der vorliegenden Konstellation grundsätzlich in häusliche Isolation auf Grundlage der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 zu begeben hatte, ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Gleichwohl besteht im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände und der widerstreitenden Interessen ein Anspruch der Antragstellerin auf vorzeitige Aufhebung der sie betreffenden häuslichen Isolation jedenfalls zum 19. September 2020, 00:00 Uhr.

Zwar ergibt sich die Verpflichtung zur häuslichen Isolation der Antragstellerin wie dargestellt grundsätzlich unmittelbar aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020. Diese Pflicht gilt jedoch nur, sofern keine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamts erfolgt. Nach § 65 Satz 1 ZustV ist zudem grundsätzlich die Kreisverwaltungsbehörde für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständig. Das Landratsamt Miltenberg ist daher befugt, im konkreten Einzelfall die häusliche Isolation der Antragstellerin auch vor Ablauf der 14 Tage zu beenden.

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Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht für die Antragstellerin auch ein solcher Anspruch auf Anordnung der vorzeitigen Aufhebung ihrer häuslichen Isolation. Vorliegend steht bereits nicht hinreichend sicher fest, dass die Antragstellerin tatsächlich eine Kontaktperson der Kategorie I im Sinne der Definition des Robert-Koch-Institutes ist. Ausweislich der Infografik Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 des Robert-Koch-Instituts (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html#doc13516162bodyText7; Stand: 9.9.2020) sind Kontaktpersonen der Kategorie I mit engem Kontakt unter anderem Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts („face-to-face“) Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall, z.B. im Rahmen eines Gesprächs. Die Antragstellerin hat am 6. September 2020 eine infizierte Person im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in der Gastwirtschaft ihrer Mutter angelernt. Ausweislich der beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin, welche immerhin in Kenntnis und im Bewusstsein der Strafbarkeit einer falschen Abgabe gemäß § 156 und § 163 StGB abgegeben wurde und grundsätzlich auch zu einer Glaubhaftmachung geeignet ist, sei mehrheitlich ein Abstand von 1,5 Metern eingehalten worden und die Einweisung habe in der Summe nach eigener Einschätzung nicht mehr als 15 Minuten gedauert. Es habe kein Kontakt von Angesicht zu Angesicht stattgefunden und es seien Mund-Nasen-Bedeckungen getragen worden. Auch das Landratsamt ging ausweislich der beigefügten Anlagen (insbesondere Anlage 3.3) nur davon aus, dass ein enger Kontakt gemäß obiger Definition nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht für das Gericht – gerade unter Berücksichtigung der besonderen Eilbedürftigkeit des vorliegenden Falles – keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Jedenfalls liegt aus Sicht der Kammer zumindest keine gesicherte Erkenntnis darüber vor, dass die Antragstellerin tatsächlich einen engen Kontakt, der zur Einordnung als Kontaktperson der Kategorie I erforderlich ist, mit einer bestätigt infizierten Person hatte. Vielmehr besteht zumindest genauso eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Antragstellerin eine Kontaktperson der Kategorie II ist, nämlich eine Person die sich im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufgehalten hat, z.B. am Arbeitsplatz, jedoch keinen kumulativ mindestens 15-minütigen Gesichts- („face-to-face“) Kontakt mit dem COVID-19-Fall hatte und eine Situation bei der kein Anhalt dafür besteht, dass eine Aerosolübertragung jenseits von 1,5 Metern vom Quellfall entfernt stattgefunden hat (vgl. RKI a.a.O. zur Definition). Für solche Kontaktpersonen ist eine generelle Anordnung der häuslichen Isolation nicht vorgesehen.

Dazu kommt, dass die Antragstellerin nachweislich bereits zweimal negativ auf das Coronavirus getestet wurde. Die Testergebnisse wurden vorgelegt. Die Tests fanden am 11. bzw. am 14. September 2020 statt und damit in einem gewissen zeitlichen Abstand zu dem maßgeblichen Kontakt mit der infizierten Person und zwischen den beiden Testungen. Auch wenn die Inkubationszeit der COVID-19-Erkrankung bis zu 14 Tage betragen kann und falsche Negativtestungen vorkommen, spricht vorliegend viel dafür, dass die Antragstellerin tatsächlich nicht mit dem Coronavirus infiziert ist, zumal sie auch ausweislich des Mitteilungsblatts des Landratsamtes Miltenberg vom 10. September 2020 keine Symptome aufwies.

Zudem ist es zumindest nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin tatsächlich bereits im März 2020 an COVID-19 erkrankt war. Die Infektion ihres Freundes mit dem Coronavirus wurde durch Vorlage des entsprechenden Quarantänebescheids des Landratsamtes Ansbach vom 6. April 2020 glaubhaft gemacht. Ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherung wurde die Antragstellerin als Kontaktperson ihres Freundes benannt und hat typische COVID-19-Symptome gezeigt. Auch wenn ein positiver Test auf das Coronavirus bei der Antragstellerin nicht nachgewiesen ist, spricht danach zumindest Einiges dafür, dass sie tatsächlich bereits an COVID-19 erkrankt war und eine häusliche Isolation ihr gegenüber nicht angezeigt war (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html#doc13516162bodyText3).

Zuletzt ist im konkreten Einzelfall noch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Aufhebung der häuslichen Isolation begehrt, um der kirchlichen Trauung ihres Bruders am 19. September 2020 beizuwohnen. Das Gericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass der direkte Kontakt mit der infizierten Person, welcher die Einordnung der Antragstellerin als Kontaktperson der Kategorie I rechtfertigen würde – wie von der Antragstellerin geschildert – am 6. September 2020 stattgefunden hat. Unter Berücksichtigung von Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 endet die häusliche Isolation, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Isolation keine für COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind. Ausgehend vom 6. September 2020 endet die häusliche Isolation der Antragstellerin, sofern sie keine Krankheitsanzeichen zeigt, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen, regulär mit Ablauf des 20. September 2020. Die kirchliche Trauung des Bruders der Antragstellerin findet damit am vorletzten Tag der Isolation statt, weshalb es für das Gericht unter Berücksichtigung aller dargelegten Umstände unwahrscheinlich erscheint, dass von der Antragstellerin ein unvertretbares Infektionsrisiko ausgeht, sofern sie auch bis zu diesem Zeitpunkt keine für eine COVID-19-Erkrankung typischen Krankheitssymptome zeigt und sich – wozu sie ohnehin verpflichtet ist – an die in der 6. BayIfSMV niederlegten Hygieneregeln hält.

Auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen und des Gesundheitsschutzes erscheint die getroffene einstweilige Anordnung in der tenorierten Form sachgerecht und angemessen, um einen gerechten Ausgleich zwischen den Rechten der Antragstellerin auf Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; vgl. hierzu Kießling in Kießling, IfSG, 1. Auflage 2020, § 30 Rn. 29; VG Hamburg, B.v. 13.5.2020 – 15 E 1967/20 – BeckRS 2020, 8685 Rn. 35) und ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einerseits und dem Allgemeininteresse auf Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu erreichen. Insbesondere letzterem wird mit der im Tenor niedergelegten Maßgabe Rechnung getragen, welche die Aufhebung der häuslichen Isolation und Teilnahme der Antragstellerin an der kirchlichen Trauung ihres Bruders am 19. September 2020 vom Nichtvorliegen jeglicher für eine COVID-19-Erkrankung typischer Symptome abhängig macht und auf die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvorschriften verweist. Auf die Nrn. 4.2 und 5.1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen.

In der Zusammenschau aller oben näher ausgeführten Umstände des Einzelfalls begründen diese zwar nicht jeweils für sich genommen gleichwohl aber kumulativ einen Anordnungsanspruch der Antragstellerin auf Aufhebung ihrer häuslichen Isolation zum 19. September 2020, sofern sie keine Krankheitssymptome aufweist.

Dem Antrag war daher mit der tenorierten Maßgabe stattzugeben.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die tenorierte Maßgabe stellt kein teilweises Obsiegen des Antragsgegners dar, sondern ist Ausfluss des originären Entscheidungsermessens des Gerichts im Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 52 Abs. 2 GKG. Da die Antragstellerinnen wie dargestellt eine Vorwegnahme der Hauptsache begehren, war keine Halbierung des Streitwerts gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs vorzunehmen und der Streitwert auf 5.000,00 EUR festzusetzen.

 

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