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Häusliche Quarantäne für 21 Tage – letzter Kontakt zu einer an Affenpocken erkrankten Person

VG Hamburg – Az.: 14 E 3105/22 – Beschluss vom 28.07.2022

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wird angeordnet, soweit dem Antragsteller gegenüber eine häusliche Quarantäne über den Ablauf des 10. August 2022 hinaus angeordnet wurde. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1 Alt. VwGO statthaft. Gegenstand ist vorliegend der undatierte Widerspruch des Antragstellers gegen die mündliche Anordnung zur Absonderung vom 20. Juli 2022, bestätigt durch die schriftliche Anordnung vom selben Tag, der der Antragsgegnerin am 25. Juli 2022 zugegangen ist. Dieser Widerspruch entfaltet nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Art. 3a des Gesetzes vom 28. Juni 2022 (BGBl. I S. 947, im Folgenden: IfSG) keine aufschiebende Wirkung.

Der Antrag ist unbegründet, soweit die Antragsgegnerin für den Antragsteller eine häusliche Quarantäne bis einschließlich 10. August 2022 angeordnet hat, (hierzu unter 1.) und begründet, soweit sie diese Quarantäne auch für den 11. August 2022 angeordnet hat (hierzu unter 2.).

1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht in dem vorliegenden Fall des nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits.

Häusliche Quarantäne für 21 Tage - letzter Kontakt zu einer an Affenpocken erkrankten Person
(Symbolfoto: PicItUp /Shutterstock.com)

Bei der insoweit gebotenen Interessenabwägung überwiegt das bereits von Gesetzes wegen vermutete öffentliche Interesse daran, den Anordnungen der Antragsgegnerin auf Absonderung des Antragstellers in sog. häusliche Quarantäne sofortige Wirksamkeit beizumessen, im tenorierten Umfang dessen Interesse, den damit verbundenen Einschränkungen vorläufig nicht nachkommen zu müssen. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand dürfte der undatierte Widerspruch des Antragstellers zum Großteil keine Aussicht auf Erfolg haben, weil die dem Antragsteller gegenüber angeordnete Absonderung in sog. häusliche Quarantäne aller Voraussicht nach rechtmäßig ist, soweit sie den Zeitraum ab dem 20. Juli 2022 bis einschließlich 10. August 2022 (21 Tage ab dem 20. Juli 2022) betrifft. Für die Anordnung liegt im vorliegenden Fall mit § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG eine hinreichende Rechtsgrundlage vor, deren tatbestandliche Voraussetzungen nach summarischer Prüfung im Eilverfahren erfüllt sein dürften [hierzu unter a)]. Ermessensfehler bei der Anordnung der häuslichen Quarantäne sind für den Zeitraum ab dem 20. Juli 2022 bis einschließlich 10. August 2022 (21 Tage ab dem 20. Juli 2022) nicht ersichtlich [hierzu unter b)].

a) Die Anordnung zur Absonderung in der streitgegenständlichen Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG.

Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG hat die zuständige Behörde anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden. Aus § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG ergibt sich folglich, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider einer Quarantänemaßnahme nach dieser Vorschrift unterzogen werden dürfen (VG Hamburg, Beschl. v. 1.4.2021, 14 E 1568/21, n.v.). Die Adressatenkreise dieser Absonderungsanordnung sind in § 2 Nr. 4 bis Nr. 7 IfSG legaldefiniert. Danach ist ein „Krankheitsverdächtiger“ eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen; ein „Ausscheider“ ist eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein. „Ansteckungsverdächtiger“ ist schließlich eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein.

Die Antragsgegnerin dürfte nach Einschätzung der Kammer zurecht angenommen haben, dass der Tatbestand des § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG vorliegend erfüllt ist. Affenpocken sind eine übertragbare Krankheit i.S.d. § 2 Nr. 3 IfSG [hierzu unter aa)] und der Antragsteller dürfte Ansteckungsverdächtiger i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG für diese übertragbare Krankheit der Affenpocken sein [hierzu unter bb)].

aa) Affenpocken sind eine übertragbare Krankheit i.S.d. § 2 Nr. 3 IfSG.

Affenpocken sind eine seltene, vermutlich von Nagetieren auf den Menschen übertragene Viruserkrankung, die durch das Affenpockenvirus Orthopoxvirus simiae (auch Monkeypox virus, MPXV genannt; im Folgenden: Affenpockenvirus) ausgelöst wird und die nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch – vor allem bei engen Kontakten – von Mensch-zu-Mensch übertragen werden kann (Robert Koch-Institut (RKI), Was sind Affenpocken?, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=207A207BD33044F96D282923EC281A7E.internet062?nn=2386228, Antwort auf häufig gestellte Fragen, Stand: 28.7.2022).

bb) Die Antragsgegnerin dürfte zurecht angenommen haben, dass der Antragsteller Ansteckungsverdächtiger i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG für diese übertragbare Krankheit der Affenpocken ist.

Die Aufnahme von Krankheitserregern im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Annahme eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt dabei allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Es ist der allgemeine polizeirechtliche Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, wobei insbesondere auch das Ansteckungsrisiko einer Krankheit und die Schwere des Krankheitsverlaufes in den Blick zu nehmen sind. Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit (BVerwG, Urt. v. 22. 3. 2012, 3 C 16/11, juris Rn. 31f.).

Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe dürfte die Antragsgegnerin zurecht vermutet haben, dass der Antragsteller Krankheitserreger aufgenommen hat, da dies wahrscheinlicher sein dürfte als das Gegenteil.

Unerheblich ist insoweit der Einwand des Antragstellers, dass er – derzeit – keine Krankheitssymptome habe. Denn schon nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 7 IfSG ist ein Ansteckungsverdächtiger eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein – mithin eine Person, bei der aktuell keine Symptome bestehen.

Es dürfte jedoch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Antragsteller Krankheitserreger, nämlich Affenpockenviren, aufgenommen hat. Hinsichtlich der Erkenntnisse und Wertungen im Bereich des Infektionsschutzes kommt den Einschätzungen des Robert Koch-Instituts besonderes Gewicht zu, weil der Gesetzgeber diesem eine besondere Rolle eingeräumt hat, wie sich § 4 IfSG (Aufgaben des Robert Koch-Institutes) entnehmen lässt. Den Angaben des Robert Koch-Instituts zufolge ist eine Übertragung von Affenpocken von Mensch zu Mensch nur bei engem Kontakt möglich, nämlich durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten und den typischen Hautveränderungen (Pockenläsionen, z.B. Bläscheninhalt, Schorf) der Affenpocken-Infizierten, wobei sich in den Hautveränderungen besonders hohe Virenkonzentrationen befinden (hierzu wie auch nachfolgend: RKI, Wie werden Affenpocken übertragen?,https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=207A207BD33044F96D282923EC281A7E.internet062?nn=2386228, Stand: 28.7.2022). Eine Übertragung von Affenpocken durch einen Infizierten ist schon beim Auftreten unspezifischer Symptome wie z.B. Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und noch vor Entwicklung der Hautläsionen bei „Face-to-Face-Kontakt“ durch ausgeschiedene Atemwegssekrete möglich. Ferner kann eine Übertragung durch Kleidung, Bettwäsche, Handtücher oder Gegenstände wie Essgeschirr erfolgen, die durch den Kontakt mit einer infizierten Person mit dem Virus kontaminiert wurden. Lediglich eine Übertragung durch Aerosole ist nach aktuellem Kenntnisstand der Wissenschaft unwahrscheinlich.

Vor dem Hintergrund dieser Übertragungswege der Affenpocken dürfte sich der Antragsteller mit einer überwiegenden bzw. naheliegenden Wahrscheinlichkeit bei seinem an Affenpocken erkrankten Partner angesteckt haben. Der Antragsteller lebt eigenen Angaben zufolge mit seinem Partner, der seit dem 8. Juli 2022 Symptome aufweist und seit dem 18. Juli 2022 labordiagnostisch nachweislich an Affenpocken erkrankt ist, in einem Hausstand. Zwar habe der Antragsteller seit dem 8. Juli 2022 „sehr wenig bis keinen Körperkontakt“ zu seinem Partner gehabt und sie hätten „andere Bettwäsche“ und „andere Handtücher“ benutzt. Die Handtücher seien seitdem auch „täglich zweimal gewaschen worden“. Sein Partner habe ferner seit dem 8. Juli 2022 auf dem Sofa geschlafen.

Auf Grundlage dieser Angaben des Antragstellers dürfte es hinreichend wahrscheinlich sein, dass er sich bei seinem Partner angesteckt hat. Diese Einschätzung folgt insbesondere daraus, dass der Antragsteller mit seinem Partner das Bett geteilt hat, bis dieser am 8. Juli 2022 Symptome bei sich wahrgenommen hat. Aufgrund der zunächst regelmäßig auftretenden unspezifischen Symptome der Affenpocken ist nicht sicher feststellbar, ab wann sein Partner ansteckend war und es ist naheliegend und jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass er dies schon spätestens in der Nacht auf den 8. Juli 2022, dem Tag der ersten Wahrnehmung von Symptomen, war. Denn eine Virusübertragung durch ausgeschiedene Atemwegssekrete ist bei „Face-to-Face-Kontakt“ schon vor Entwicklung der Hautläsionen möglich. Zudem trägt der Antragsteller selbst vor, seit dem 8. Juli 2022 „sehr wenig bis keinen Körperkontakt“ zu seinem Partner gehabt zu haben. Eine vollständige Unterbindung des Körperkontakts und somit eines engen Kontakts mit seinem an Affenpocken erkrankten Partner ist folglich schon den eigenen Angaben des Antragstellers nicht erfolgt. Ebenso erscheint auch eine Krankheitsübertragung über Wäsche, Gegenstände und Oberflächen in der gemeinsamen Wohnung nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr hinreichend wahrscheinlich. Zwar trägt der Antragsteller vor, dass die Handtücher seit Symptombeginn bei seinem Partner täglich zweimal gewaschen „worden seien“. Wer die Handtücher wasche, hat der Antragsteller jedoch schon nicht angegeben. Zudem hat er nicht vorgetragen, dass sein Partner oder er insbesondere die Bad- und Toilettenoberflächen sowie sonstige häufig berührte Oberflächen nach jeder Benutzung bzw. mindestens einmal täglich reinigten, wie das Robert Koch-Institut dies zur Vermeidung einer Krankheitsübertragung im Falle eines gemeinsamen Haushalts mit einem Infizierten empfiehlt (RKI, Für Patienten und Haushaltsangehörige – Häusliche Isolierung bei bestätigter Affenpocken-Infektion, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Isolierung.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 28.7.2022). Darüber hinaus schätzt das Robert Koch-Institut aktuelle Haushaltskontakte (d.h. dauerhafte oder zeitweise Mitbewohner von Personen mit einer Affenpocken-Diagnose, die während der infektiösen Phase des Patienten mindestens eine Nacht in der Wohnung verbracht haben) bereits grundsätzlich als Hochrisiko-Kontakte ein, die schon abstrakt einem hohen Risiko einer Affenpockeninfektion unterliegen (RKI, Empfehlungen für das Management von Kontaktpersonen zu einer an Affenpocken erkrankten Person, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Kontaktpersonen_PDF.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 28.7.2022). Das Leben im gemeinsamen Hausstand schafft hierbei schon für sich genommen ein besonders hohes Risiko für Ansteckung, welches durch sexuelle und damit besonders enge körperliche Kontakte lediglich weiter erhöht wird, dieses im Zusammenhang mit dieser Risikobewertung jedoch nicht voraussetzt (RKI, Sind Affenpocken eine sexuell-übertragbare Krankheit, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=207A207BD33044F96D282923EC281A7E.internet062?nn=2386228, Stand: 28.7.2022). Ob und wann der Antragsteller mit seinem Partner Sex hatte und hat, ist somit vor dem Hintergrund des auch ohne sexuelle Handlungen bestehenden engen körperlichen Kontakts in einem gemeinsamen Haushalt hier unerheblich.

Schließlich dürfte die Annahme der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller Ansteckungsverdächtiger i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG ist, auch vor dem Hintergrund nicht zu beanstanden sein, dass das Robert Koch-Institut eine möglichst effektive Verhinderung einer weiteren Verbreitung der Affenpocken als wichtig einstuft, einerseits, um Krankheitsfälle und ggf. auch schwere Verläufe in der aktuellen Situation zu vermeiden und andererseits, um zu verhindern, dass sich Affenpocken als Infektionskrankheit etablieren (RKI; Warum ist es wichtig, den aktuellen Affenpocken-Ausbruch einzudämmen, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=207A207BD33044F96D282923EC281A7E.internet062?nn=2386228, Stand: 28.7.2022). Denn sollte letzteres passieren, wäre mittelfristig auch mit Fällen in besonders gefährdeten Gruppen (Schwangere, Kinder, Immunsupprimierte, ältere Menschen) zu rechnen. Zudem bestehe auch immer ein gewisses Risiko, dass sich das Virus verändert und möglicherweise auch krankmachender werden könnte (RKI, Warum ist es wichtig, den aktuellen Affenpocken-Ausbruch einzudämmen? a.a.O.).

b) Die ihr durch § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG eröffnete Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden. Dabei hat das Gericht, soweit die Verwaltungsbehörde wie hier ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, nach § 114 VwGO nur zu prüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

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Die Entscheidung der Antragsgegnerin, eine Absonderung bzw. eine Quarantäne des Antragsstellers anzuordnen, begegnet keinen Bedenken. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass die Quarantäneanordnung erheblich in die Grundrechte des Antragstellers, insbesondere in die Bewegungsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 GG, eingreift und eine erhebliche, insbesondere psychische Belastung für den Antragsteller bedeutet. In Anbetracht des gewichtigen Ziels der Eingrenzung des Affenpockenausbruchs und des damit verfolgten Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung erweist sich die Absonderungsanordnung dennoch als verhältnismäßig (vgl. VG München, Beschl. v. 6.7.2022, M 26b S 22.3317, juris Rn. 36). Aufgrund der Übertragungsmöglichkeit der Affenpocken über Körperflüssigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit den typischen Hautveränderungen sowie durch ausgeschiedene Atemwegssekrete, ist ein milderes, aber gleichwirksames Mittel nicht ersichtlich. Eine Absonderung ist wirksamer als etwa eine Vermeidung größerer Menschenmassen, das Tragen einer FFP2-Maske, eine gründliche Desinfektion von Händen oder ein Verzicht auf Geschlechtsverkehr, da bei einem Kontakt mit der breiten Masse – auch bei Schutzvorkehrungen – ein gegenüber der Absonderung erhöhtes Infektionsrisiko einhergeht, zumal diese Maßnahmen in gesteigerten Maße von einer sorgfältigen Umsetzung des Betroffenen abhängig und somit fehleranfälliger als eine Absonderung sind (VG München, Beschl. v. 6.7.2022, a.a.O., Rn. 41). Schließlich hat die Kammer bei einem Ansteckungsverdächtigen auch keine Bedenken gegen eine grundsätzliche Quarantäneanordnung schon vor Symptombeginn. Denn auch vor Entwicklung der Hautläsionen und bei Auftreten lediglich unspezifischer Symptome ist eine Übertragung des Krankheitserregers durch Tröpfchen wie Atemwegssekrete möglich (RKI, Wie werden Affenpocken übertragen? a.a.O.). Der Symptombeginn und damit der Beginn der Ansteckungsmöglichkeit ist bei unspezifischen Symptomen – insbesondere für den Laien – nicht eindeutig erkennbar, sodass ohne eine häusliche Isolation des Ansteckungsverdächtigen nicht hinreichend sichergestellt ist, dass dieser – auch bei Bemühen – die Ansteckung anderer aufgrund einer verzögerten Feststellung eigener Symptome verhindern kann.

Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Art und Weise der Unterbringung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist vorliegend zutreffend davon ausgegangen, dass die häusliche Absonderung das für den Antragsteller mildere Mittel gegenüber der nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG ebenfalls eröffneten Möglichkeit einer Absonderung in einem geeigneten Krankenhaus ist.

Ferner ist auch die Dauer der angeordneten häuslichen Absonderung, soweit sie 21 Tage hier nicht überschreitet, nicht zu beanstanden. Aufgrund der mit einer Absonderungsanordnung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffe ist diese in zeitlicher Hinsicht auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Das zeitlich erforderliche Mindestmaß bestimmt sich dabei insbesondere nach der Dauer der Infektiösität sowie der Inkubationszeit der betreffenden Erkrankung (VG Hamburg, Beschl. v. 1.4.2021, 14 E 1568/21, n.v., mit Verweis auf VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 16.9.2020, 20 L 1257/20, juris Rn. 44 ff.). Dementsprechend empfiehlt das Robert Koch-Institut für aktuelle Haushaltskontakte, die während der infektiösen Phase des Patienten mindestens eine Nacht in der Wohnung verbracht haben, eine Quarantäne in häuslicher Umgebung bis 21 Tage nach dem letzten Kontakt (RKI, Empfehlungen für das Management von Kontaktpersonen zu einer an Affenpocken erkrankten Person, a.a.O.). Dass sich die Antragsgegnerin an diesen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts orientiert, ist auch hier vor dem Hintergrund des § 4 IfSG nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch VG München, Beschl. v. 6.7.2022, a.a.O., Rn. 41).

Den Zeitraum der Anordnung hat die Antragsgegnerin mit der geltenden Quarantäneanordnung zutreffend jedoch nur bis einschließlich 10. August 2022 festgelegt. Hierbei ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin erst auf den 20. Juli 2022 als Zeitpunkt des letzten Kontakts zu einem Infizierten abgestellt hat. Denn der Antragsteller lebte zu diesem Zeitpunkt weiterhin in einem Haushalt mit seinem an Affenpocken erkrankten Partner. Zwar schlief dieser den Angaben des Antragstellers zufolge seit dem 8. Juli 2022 „auf dem Sofa“, jedoch ist dem Vortrag des Antragstellers darüber hinaus weder zu entnehmen, dass er jeglichen Körperkontakt zu seinem Partner unterlassen hat, noch, dass ein Kontakt mit möglicherweise infektiösem Material wie Wäsche, Geschirr und Oberflächen seither vollständig unterblieben ist. Wie zuvor bereits ausgeführt ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Antragsteller und sein Partner die vom Robert Koch-Institut empfohlenen Hygienemaßnahmen zum Schutz von Haushaltsangehörigen hinreichend berücksichtigt haben. Es dürfte infolgedessen nicht unverhältnismäßig sein, dass die Antragsgegnerin erst auf den 20. Juli 2022 als Zeitpunkt des letzten Kontakts zwischen dem Antragsteller und seinem an Affenpocken erkrankten Partner abgestellt hat.

2. Der Antrag ist begründet, soweit die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber eine häusliche Quarantäne über den Ablauf des 10. August 2022 hinaus angeordnet hat. Diesbezüglich dürfte der Bescheid vom 20. Juli 2022 schon unbestimmt sein, da der Tenor seiner Begründung widerspricht. Während im Tenor des Bescheids eine häusliche Quarantäne bis einschließlich 11. August 2022 angeordnet wurde, heißt es in dessen Begründung, dass die Quarantäne des Antragstellers ab dem 11. August 2022 ohne einen Anruf und ohne ein weiteres Schreiben aufgehoben werde. Insoweit ist nicht ersichtlich, ob die Quarantäneanordnung für den 11. August 2022 noch gelten soll oder nicht. Die Quarantäneanordnung für den 11. August 2022 dürfte jedenfalls auch ermessensfehlerhaft sein, weil sie insoweit auf einem Berechnungsfehler beruht. Der Begründung des Bescheids vom 20. Juli 2022 zufolge wollte die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber eine Quarantäne für eine Dauer von 21 Tagen ab dem Folgetag des letzten Kontakts zu einer an Affenpocken erkrankten Person anordnen. Entgegen dieser Absicht hat sie jedoch tatsächlich eine häusliche Quarantäne von 22 Tagen ab dem Folgetag des letzten Kontakts tenoriert und ihr Ermessen insoweit fehlerhaft ausgeübt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere Teil nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Dies ist hier der Fall, da die Antragsgegnerin lediglich zu 1/22 unterlegen ist.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und berücksichtigt, dass für den Antragsteller mit diesem Antrag eine Hauptsache praktisch vorweggenommen wird.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 118 Abs. 2 Satz 4, 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO abzulehnen, da dem Gericht zum Entscheidungszeitpunkt keine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlag.

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