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Haftpflichtversicherung – Deckungsschutzausschluss für Erfüllungsansprüche

OLG Hamm, Az.: 20 U 133/92, Urteil vom 11.11.1992

Tatbestand

Der Kläger, von Beruf Landwirt und Lohnunternehmer, unterhält bei dem Beklagten u. a. für sein Lohnunternehmen eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme für Sachschäden in Höhe von 300.000,- DM und Vermögensschäden in Höhe von 12.000,- DM. Mitversichert ist auch der Mitarbeiter des Klägers H..

Er beansprucht von dem Beklagten Deckungsschutz für einen Haftpflichtschaden.

Anfang August 1990 führten der Kläger und sein Mitarbeiter H. mit zwei Mähdreschern auf den Feldern des Landwirts A. in E. Lohndrescharbeiten durch. Das dabei angefallene Stroh wurde anschließend mittels einer Ballenpresse gepreßt.

Der Landwirt A. unterhält auf einer Fläche von 40 Morgen Erdbeerplantagen, die während der Erntezeit Selbstpflückern zur Verfügung gestellt werden. In der Blütezeit der Erdbeeren wird das Stroh, nachdem es gehäckselt wurde, von dem Bauern A. mittels einer Spezialmaschine zwischen die Erdbeerpflanzen geblasen. Dies war auch dem Kläger bekannt. So verfuhr der Landwirt A. auch im Frühjahr 1991 mit dem vom Kläger gedroschenen Stroh.

Auf 2,5 ha der 40 Morgen Erdbeerplantagen entstand in der Folgezeit – begünstigt durch eine Regenperiode – aus dem Stroh ein sogenannter Weizenaufschlag, der rasch eine geschlossene Gründecke bildete und hierdurch die Erdbeerpflanzen stark in der Entwicklung behinderte. Durch diese Überwucherung der Erdbeerkulturen konnten die Erdbeerfrüchte nicht ausreifen. Ursache des Weizenaufwuchses ist ein mangelhafter Ausdrusch des Weizens durch den Kläger in der Ernte 1990. Infolge falscher Einstellung des Mähdreschers blieben erhebliche Mengen Weizen in den Ähren und wurden anschließend in das Rundballenstroh mit eingelagert.

Der Landwirt A. erlitt auf den zehn Morgen praktisch einen totalen Ernteausfall und machte gegenüber dem Kläger einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 82.919,54 DM geltend.

Dieser zeigte den Schadensfall dem Beklagten an. Der Beklagte berief sich darauf, daß es sich um einen Vermögensschaden handelt und erstattete 12.000,- DM. Der Kläger macht Deckungsschutz auch hinsichtlich des Restbetrages von 70,919,54 DM geltend.

Er ist der Ansicht, daß es sich vorliegend um einen Sachschaden handelt. Eine Verletzung der Sachsubstanz sei nicht erforderlich. Der Kläger habe beim Dreschen des Weizens eine Wertminderung des dann sich ergebenden Produkts Weizenstroh herbeigeführt. Der Sachschaden am Stroh habe sich dann später fortgesetzt in einen Sachschaden an dem Grund und Boden.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daB der Beklagte in dem Schadensfall A. (Schaden-Nr.: 918057.425/2-832) über die bereits gezahlten 12.000,- DM hinaus – soweit gerechtfertigt – eintrittspflichtig ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meinte, die mangelhafte Bearbeitung des Getreides habe nur zu einem Vermögensschaden geführt. Weder am Boden noch an den Erdbeerpflanzen sei durch das Ausstreuen des Strohs ein Schaden eingetreten. Der Ernteverlust sei ein reiner Vermögensschaden. Im übrigen handele es sich um einen Bearbeitungsschaden gem. § 4 I Abs. 6 b AHB, so daß auch aus diesem Grunde Versicherungsschutz nicht in Betracht komme.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß ein Sachschaden gem. § 1 AHB eingetreten sei. Der Ernteverlust sei unmittelbare Folge eines Sachschadens, der durch den Weizenausschlag hervorgerufene Minderwuchs der Pflanzen sei als Substanzeinwirkung anzusehen. Deren Gebrauchsfähigkeit sei aufgehoben und gemindert worden.

Der Versicherungsschutz sei nicht durch § 4 I Abs. 6 b AHB ausgeschlossen. Ausschlußobjekt seien nur die unmittelbaren Gegenstände der Tätigkeit bzw. eng damit verbundener Sachen. Dazu seien die Erdbeerpflanzen nicht zu zählen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er unter Vertiefung der in erster Instanz geäußerten Rechtsansichten seinen Abweisungsantrag weiter verfolgt.

Er beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Ein Sachschaden i. S. d. § 1 Abs. 1 AHB ist nicht nur im Falle der Zerstörung oder Beschädigung einer Sache gegeben; ausreichend ist bereits jede wertmindernde Wirkung auf die Sachsubstanz, durch die die Brauchbarkeit der Sache zur Erfüllung des ihr eigentümlichen Zwecks beeinträchtigt wird (BGH VersR 1961, 265, 266; Bruck-Möller VVG 8. Aufl. Anm. G 72). Ein Eingriff in die Substanz der Sache selbst ist nicht erforderlich (BGH VersR 1979, 853; OLG Hamm VersR 1978, 28, 29; Prölss/Martin VVG 25. Aufl. § 1 AHB Anm. 3 a). Danach ist vorliegend ein Sachschaden gegeben. Aufgrund des vom Kläger verursachten mangelhaften Ausdruschs kam es zu einem Weizenaufwuchs, nachdem der Landwirt A. das Stroh auf die Erdbeerfelder verteilt hatte. Das wiederum führte dazu, daß die Erdbeerpflanzen nicht bestimmungsgemäß aufwachsen und die Früchte nicht ausreifen konnten. Ob diese Wachstumshinderung auf eine unmittelbare Einwirkung des Weizengrases auf die Erdbeerpflanzen zurückzuführen ist oder durch das Abhalten des Sonnenlichts auf eine sog. negative Einwirkung, ist unerheblich. Die Pflanzen wurden in Wuchs und Ertragskraft durch Einwirkung auf ihren Mineralien-, Licht- und Wasserhaushalt beeinträchtigt und dadurch geschädigt.

Die Herbeiführung dieses Sachschadens beruht auf einer – versicherten – Werkleistung des Klägers, aufgrund derer er dem Landwirt A. ersatzpflichtig sein kann. Insoweit kann dahinstehen, ob der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, aus § 635 BGB oder wegen Vorliegens eines entfernteren Mangelfolgeschadens aus positiver Vertragsverletzung folgt. Nach allen Anspruchsgrundlagen liegt eine Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts i. S. v. § 1 Abs. 1 AHB vor.

II.

Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt kein Bearbeitungsschaden gem. § 4 I Nr. 6 Abs. 1 b AHB vor. Danach sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden ausgeschlossen, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind. Der Begriff „Tätigkeit an oder mit einer fremden Sache“ ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch erfordert die Ausschlußklausel insoweit eine körperliche Beziehung zu der Sache, auf die eingewirkt wird (VGH VersR 1983, 1169). Daran fehlt es hier. Das mangelhafte Stroh hat allein der Landwirt A. auf den Feldern verteilt. Die bloße mangelhafte Herstellung des Ausdruschs begründet keine körperliche Beziehung des Klägers zum Eingriffsobjekt.

III.

Der Beklagte ist auch nicht nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB leistungsfrei. Danach sind die Vertragserfüllung und die an Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung.

Die Erfüllungsklausel schließt lediglich diejenigen vertraglichen Schadensersatzansprüche vom Versicherungsschutz aus, durch die ein unmittelbares Interesse am Leistungsgegenstand geltend gemacht wird (BGH VersR 1975, 575). Schäden, die über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, werden von der Ausschlußklausel nicht erfaßt.

Der Landwirt A. verlangt nicht Ersatz der Kosten für einen ordnungsgemäßen Ausdrusch, sondern macht Folgeschäden geltend, die durch die weitere Verwendung des vom Kläger mangelhaft bearbeiteten Strohs entstanden sind. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich um einen eng mit dem Mangel zusammenhängenden Folgeschaden handelt, der dem Anwendungsbereich des § 635 BGB unterfällt oder um einen entfernteren Mangelfolgeschaden. Auch der eng mit dem Mangel verbundene Folgeschaden ist als Sachschaden i. S. d. § 1 Abs. 1 AHB anzusehen. Die vor dem Hintergrund der Verjährungsvorschrift des § 638 BGB vorgenommene Einbeziehung bestimmter Folgeschäden in die Gewährleistungshaftung nach § 635 BGB ist im Deckungsprozeß des Versicherten gegen den Versicherer ohne Bedeutung (st. Rspr. BGH VersR 1981, 771 = NJW 1981, 1780; VersR 1983, 1169, 1170).

Unerheblich ist, ob die geltend gemachten Ansprüche des Landwirts A. berechtigt oder unberechtigt sind. Nach § 3 II Nr. 1 Abs. 1 AHB umfaßt die Leistungspflicht des Versicherers auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.

Das Urteil beschwert den Beklagten mit weniger als 60.000,- DM.

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