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Haftung bei chipTAN-Weitergabe am Telefon: Grobe Fahrlässigkeit nach Phishing

Durch Call-ID-Spoofing gaben Kunden beim Online-Banking nach Phishing ihre chipTAN weiter und verloren 35.555 Euro. Er forderte den vollen Betrag von seiner Bank zurück, doch diese argumentierte überraschend mit einem eigenen Schadensersatzanspruch.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 11/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt
  • Datum: 22.05.2024
  • Aktenzeichen: 5 U 11/24
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Zahlungsdiensterecht, Haftungsrecht

  • Das Problem: Ein Ehepaar forderte von der Bank die Rückerstattung von 35.555 Euro. Dieses Geld wurde nach einem Phishing-Anruf und der Weitergabe einer Transaktionsnummer (TAN) abgebucht.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Bank den vollen Schaden ersetzen, wenn der Kunde zuvor aufgrund eines Betrugsanrufs die TAN selbst weitergegeben hat?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht sah den Zahlungsvorgang zwar als nicht autorisiert an. Dennoch lehnte es die Klage ab, weil die Kundin durch das mehrfache Weitergeben der TAN am Telefon grob fahrlässig handelte.
  • Die Bedeutung: Kunden haften für den gesamten Betrag, wenn sie Authentifizierungsdaten wie eine TAN unreflektiert am Telefon weitergeben. Dieses Verhalten kann den Erstattungsanspruch gegenüber der Bank vollständig zunichtemachen.

Der Fall vor Gericht


Wie kann eine Überweisung illegal sein, der Kunde aber trotzdem sein Geld verliert?

Ein Ehepaar verliert 35.555 Euro durch eine einzige Online-Überweisung. Vor Gericht bekommen sie in einem zentralen Punkt recht: Die Transaktion war nicht von ihnen gewollt und damit nicht autorisiert. Nach dem Gesetz müsste die Bank den Betrag eigentlich erstatten.

—Der Kunde generiert per chipTAN einen Überweisungsbetrag von 12.450 EUR und riskiert die volle Haftung nach Phishing-Betrug.
Grobe Fahrlässigkeit bei TAN-Weitergabe negiert Anspruch auf Bank-Erstattung. | Symbolbild: KI

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt entschied am Ende trotzdem, dass das Paar keinen Cent zurückbekommt. Die Richter änderten damit das Urteil der Vorinstanz und wiesen die Klage des Paares vollständig ab. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man die Argumentation des Gerichts Schritt für Schritt nachvollzieht. Im Mittelpunkt steht ein Telefonanruf, eine getäuschte Ehefrau und ein kleines Gerät, das eigentlich für Sicherheit sorgen sollte – der TAN-Generator.

Warum galt die Überweisung als „nicht autorisiert“?

Ein Zahlungsvorgang braucht nach dem Gesetz die Zustimmung des Kontoinhabers, die sogenannte Autorisierung (§ 675j Abs. 1 BGB). Fehlt sie, muss die Bank den Betrag erstatten (§ 675u Satz 2 BGB). Die Bank konnte zwar nachweisen, dass für die Überweisung eine technisch korrekte chipTAN verwendet wurde. Dies erzeugt zunächst den Anschein, der Vorgang sei in Ordnung gewesen. Das Ehepaar konnte diesen Anscheinsbeweis aber erschüttern.

Sie legten dem Gericht den Ablauf des Betrugs schlüssig dar. Am Abend vor der Überweisung erschien auf dem Computer der Ehefrau plötzlich ein Fenster, das sie zur Installation einer Sicherheitssoftware aufforderte. Kurz darauf rief eine angebliche Bankmitarbeiterin an. Die Telefonnummer im Display war tatsächlich die der Bank – ein Ergebnis moderner Fälschungstechnik, bekannt als Call-ID-Spoofing. Die Anruferin kannte Details wie Teile der Kartennummer und letzte Buchungen, was die Ehefrau beruhigte. Sie folgte den Anweisungen und erzeugte mehrere TANs mit ihrem Generator. Am nächsten Tag wiederholte sich das Spiel. Ein weiterer Anruf führte dazu, dass die Frau eine letzte, entscheidende TAN durchgab. Mit dieser wurde eine Limitänderung freigegeben und sofort danach die Überweisung über 35.555 Euro ausgeführt.

Die Ermittlungen der Polizei untermauerten die Geschichte. Die digitalen Spuren der Transaktion führten zu IP-Adressen, die bekannten kriminellen Netzwerken und VPN-Diensten zugeordnet werden konnten. Für das Gericht war damit klar: Die Ehefrau hatte die Überweisung nicht willentlich ausgelöst. Sie war das Werkzeug von Betrügern, die im Hintergrund die Fäden zogen. Die Zahlung war somit nicht autorisiert. Der Anspruch auf Erstattung gegen die Bank war damit grundsätzlich geboren.

Was war der entscheidende Fehler, der das Ehepaar 35.555 Euro kostete?

Der Erstattungsanspruch des Ehepaars traf auf einen Gegenanspruch der Bank. Das Gesetz sieht vor, dass eine Bank vom Kunden vollständigen Schadensersatz verlangen kann, wenn dieser den Schaden durch eine grob fahrlässige Pflichtverletzung verursacht hat (§ 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB). Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße zu verletzen – also das zu missachten, was jedem hätte einleuchten müssen. Genau das warf das Gericht der Ehefrau vor.

Ihr Fehler war nicht allein, dass sie am Telefon eine TAN weitergab. Der Knackpunkt lag in der Funktionsweise ihres chipTAN-Verfahrens. Um die TAN zu erzeugen, musste sie nicht nur ihre Bankkarte in den Generator stecken. Sie musste auch aktiv die Empfänger-IBAN und den genauen Überweisungsbetrag von 35.555 Euro in das Gerät eintippen. Das Display des Generators zeigte ihr diese Daten vor der TAN-Erzeugung an. Sie bestätigte also sehenden Auges eine konkrete Transaktion an einen fremden Empfänger über eine hohe Summe.

Die Kombination der Umstände – ein unerwarteter Anruf zu später Stunde, die merkwürdige Aufforderung zur Installation einer Software, die manuelle Eingabe fremder Kontodaten in das eigene Sicherheitsgerät – hätte laut Gericht massive Alarmglocken auslösen müssen. Sich trotz dieser deutlichen Warnsignale auf das Gespräch einzulassen und die TAN preiszugeben, werteten die Richter als objektiv schweren und subjektiv unentschuldbaren Sorgfaltsverstoß.

Wie hebt ein Fehler des Kunden das Recht auf Erstattung komplett auf?

Hier entfaltet sich die juristische Logik, die zum Verlust des Geldes führte. Auf dem Papier existierten zwei gegensätzliche Ansprüche. Das Ehepaar hatte einen Anspruch auf Erstattung der 35.555 Euro gegen die Bank, weil die Überweisung nicht autorisiert war. Gleichzeitig hatte die Bank aber einen Anspruch auf Schadensersatz in exakt gleicher Höhe gegen das Ehepaar, weil die Ehefrau den Schaden durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hatte.

Beide Forderungen standen sich gleichwertig gegenüber. Das Gericht stellte fest, dass es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde, die Bank zur Auszahlung der einen Summe zu verpflichten, wenn sie im selben Moment die identische Summe wieder zurückfordern könnte. Im Ergebnis neutralisieren sich die beiden Ansprüche. Der wirtschaftliche Zustand bleibt, wie er nach dem Betrug war: Das Geld ist weg und die Bank muss es nicht ersetzen. Die Klage des Ehepaars wurde abgewiesen.

Hätte die Bank den Betrug durch bessere Sicherheitstechnik verhindern müssen?

Das Ehepaar argumentierte, die Bank treffe eine Mitschuld. Sie habe bei der Anmeldung der Betrüger auf deren fremdem Gerät keine sogenannte starke Kundenauthentifizierung verlangt und damit gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen. Wäre dies geschehen, hätten die Täter vielleicht gar nicht erst die für den Trick notwendigen Kontoinformationen ausspähen können.

Das Gericht wies dieses Argument zurück. Es stellte fest, dass die entscheidende Handlung – die Freigabe der Überweisung selbst – durch ein starkes und sicheres Verfahren, die chipTAN, abgesichert war. Selbst wenn es bei der vorherigen Anmeldung der Täter eine Sicherheitslücke gegeben haben sollte, sei diese nicht die Hauptursache für den Schaden. Der alles überlagernde und den Schaden letztlich auslösende Beitrag kam von der Ehefrau. Ihre grob fahrlässige Weitergabe der TAN nach manueller Eingabe der Transaktionsdaten wog so schwer, dass ein möglicher Fehler der Bank dahinter zurücktrat. Ein Mitverschulden der Bank, das den Anspruch des Ehepaars gerettet hätte, sahen die Richter nicht.

Die Urteilslogik

Die rechtliche Pflicht zur Erstattung durch die Bank neutralisiert sich, sobald der Kunde den Schaden durch einen grob fahrlässigen Sorgfaltsverstoß selbst herbeiführt.

  • Dominanz der groben Fahrlässigkeit: Eine grobe Pflichtverletzung des Kunden beim Freigeben von Transaktionen überlagert und relativiert mögliche Fehler oder Pflichtversäumnisse der Bank, die dem Schadensereignis zeitlich vorausgingen.
  • Die Pflicht zur Transaktionsprüfung: Kunden verletzen ihre Sorgfaltspflicht grob, wenn sie sensible TANs freigeben, nachdem das Sicherheitsgerät Empfänger-IBAN und Betrag einer Transaktion klar angezeigt hat, die sie nicht willentlich auslösen wollten.
  • Kompensation bei gegenseitigen Ansprüchen: Steht dem Erstattungsanspruch des Kunden ein Anspruch der Bank auf Schadensersatz in gleicher Höhe entgegen, weil der Kunde grob fahrlässig handelte, heben sich die Forderungen aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben gegenseitig auf.

Für die Haftungsverteilung zählt am Ende die bewusste Sorgfalt des Nutzers im Umgang mit den vom Sicherheitstoken angezeigten Zahlungsdaten.


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Experten Kommentar

Auf dem Papier hatte das Ehepaar zwar recht bekommen, weil die Überweisung nicht autorisiert war – aber juristische Siege garantieren leider kein Geld. Dieses Urteil macht mit brutaler Klarheit deutlich: Die Bank kann ihren Schadensersatzanspruch gegen den Kunden voll durchsetzen, wenn dieser den Schaden durch grob fahrlässige Pflichtverletzung verursacht hat. Der Knackpunkt lag in der Technik. Wer fremde Kontodaten und hohe Beträge manuell in den eigenen TAN-Generator eingibt und dann die Bestätigung erzeugt, ignoriert das wohl klarste Warnsignal überhaupt. Wer diese rote Linie überschreitet, übernimmt konsequent die volle Haftung und neutralisiert damit jeden Erstattungsanspruch.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann muss die Bank nicht zahlen, obwohl meine Überweisung nicht autorisiert war?

Obwohl eine nicht autorisierte Überweisung Ihnen grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung gegen die Bank gibt, kann dieser Anspruch vollständig entfallen. Dies geschieht, wenn die Bank nachweist, dass Sie den Schaden durch eine grob fahrlässige Pflichtverletzung verursacht haben. In diesem Fall neutralisiert der Schadensersatzanspruch der Bank Ihren Erstattungsanspruch in gleicher Höhe. Sie verlieren das Geld, auch wenn die Transaktion nachweislich von Betrügern stammte.

Grundlage dafür ist das Prinzip des doppelten Anspruchs. Nach dem Gesetz (§ 675u BGB) steht Ihnen die Erstattung zu, weil Sie die Zahlung nicht willentlich autorisiert haben. Gleichzeitig erlaubt § 675v BGB der Bank, von Ihnen Schadensersatz in voller Höhe zu fordern, sofern die Transaktion aufgrund Ihres ungewöhnlich hohen Sorgfaltsverstoßes ermöglicht wurde. Der Bank gelingt es, diesen Gegenanspruch zu beweisen, wenn Sie beispielsweise offensichtliche Warnsignale ignoriert und konkrete Transaktionsdaten manuell freigegeben haben.

Stehen sich Ihr Erstattungsanspruch und der Schadensersatzanspruch der Bank in identischer Höhe gegenüber, heben sie sich juristisch auf. Das Gericht prüft, ob es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde, die Bank zur Auszahlung zu verpflichten, wenn sie die identische Summe sofort wieder zurückfordern könnte. Die Klage des Kunden wird abgewiesen. Das bedeutet, dass das Geld endgültig weg ist und die Bank es nicht ersetzen muss.

Fordern Sie von Ihrer Bank sofort die detaillierte schriftliche Begründung an, warum sie grobe Fahrlässigkeit annimmt, um deren Argumentation gezielt widerlegen zu können.


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Wann gelte ich beim Online-Banking als grob fahrlässig und verliere mein Geld?

Grobe Fahrlässigkeit liegt juristisch vor, wenn Sie die erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzen und dabei missachten, was jedem hätte einleuchten müssen. Beim Online-Banking bedeutet dies, dass Sie trotz einer Kette massiver, offensichtlicher Warnsignale aktiv die konkreten Transaktionsdaten in Ihr Sicherheitsgerät eingeben. Nur dann können Banken Ihren gesetzlichen Erstattungsanspruch vollständig neutralisieren.

Entscheidend ist die Summe der Warnzeichen, die laut Gericht massive Alarmglocken auslösen mussten. Dazu zählen unerwartete Anrufe zu später Stunde, gefälschte Anrufer-IDs (Call-ID-Spoofing) oder die Aufforderung, dubiose Software zu installieren. Wenn Sie diese Signale bewusst ignorieren und weiterhin den Anweisungen der Betrüger folgen, wird aus einem simplen Fehler ein schwerer Verstoß. Die Bank muss nachweisen, dass Sie diesen Fehler sehenden Auges begangen haben, um von der Haftung befreit zu werden.

Der juristische Kernfehler ist dabei oft die manuelle Freigabe der Überweisung. Nehmen wir an, Betrüger veranlassen Sie zur Eingabe einer unbekannten IBAN und eines hohen Betrags in Ihren TAN-Generator. Das Gerät zeigt Ihnen diese Transaktionsdaten vor der Generierung an. Indem Sie die Daten aktiv bestätigen, billigen Sie diese fremde Zahlung trotz aller Vorzeichen wissentlich. Diese Handlung gilt als objektiv schwer und subjektiv unentschuldbar, was zur vollen Haftung des Kunden führt.

Überprüfen Sie immer genau, welche konkreten Daten Ihr TAN-Verfahren im Display anzeigt, und geben Sie niemals IBAN oder Betrag auf Anweisung eines Anrufers ein.


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Ist das manuelle Bestätigen der Betragsdaten im TAN-Generator immer ein Fehler?

Nein, die manuelle Eingabe von Empfängerdaten in Ihren TAN-Generator stellt an sich keinen Fehler dar, sondern ist ein essenzieller Sicherheitsmechanismus. Bei vielen Verfahren wie chipTAN müssen Sie die Betragsdaten selbst eingeben, damit das Gerät diese prüfen und Ihnen zur Kontrolle anzeigen kann. Zum grob fahrlässigen Fehler wird dieser Schritt erst, wenn er im Kontext eines Betrugs geschieht und Sie eine offensichtlich fremde Transaktion freigeben.

Moderne Sicherheitsverfahren zielen darauf ab, Ihnen die konkreten Transaktionsdetails sichtbar zu machen. Die Technik schützt Sie: Das Display zeigt Ihnen vor der finalen TAN-Erzeugung genau, welche IBAN und welchen Betrag Sie gerade freigeben. Werden diese Daten manuell auf Anweisung eines angeblichen Bankmitarbeiters eingegeben, missachten Sie die grundlegende Schutzfunktion des Geräts. Die Gerichte sehen das chipTAN-Verfahren als stark und sicher an, weil es eine bewusste Bestätigung der konkreten Zahlung erfordert.

Entscheidend für Gerichte ist der Gesamtzusammenhang des Betrugs. Konkret: Die Kundin im Fall des OLG Sachsen-Anhalt bestätigte aktiv die Überweisung von 35.555 Euro an eine fremde IBAN, nachdem sie bereits durch Call-ID-Spoofing und Software-Installationen gewarnt worden war. Die Richter werteten die aktive Freigabe der konkret angezeigten, fremden Transaktion als objektiven Sorgfaltsverstoß, da die Frau sehenden Auges handelte und die massive Alarmglocke ignorierte.

Merken Sie sich: Die Eingabe von Transaktionsdaten in Ihr Sicherheitsgerät darf ausschließlich zur Validierung einer eigenen gewollten Überweisung erfolgen.


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Was muss ich nach einem Phishing-Anruf beachten, um mein Geld von der Bank zurückzubekommen?

Wenn Sie Opfer eines Phishing-Anrufs geworden sind, ist sofortiges Handeln entscheidend, um den Anspruch auf Erstattung zu wahren. Zentral ist die lückenlose Beweisführung, dass die Zahlung nicht willentlich autorisiert war. Sie müssen belegen, dass Betrüger im Hintergrund agierten und Sie gleichzeitig keine grob fahrlässigen Fehler begangen haben. Nur eine schnelle, dokumentierte Reaktion kann den Fahrlässigkeitsvorwurf der Bank abwenden.

Der erste und wichtigste Schritt ist die Sicherung aller Beweise. Dokumentieren Sie exakt den gesamten Ablauf des Betrugs: Wann rief die Person an, welche Telefonnummer zeigte das Display (Call-ID-Spoofing), und welche Anweisungen erhielten Sie? Sammeln Sie diese Details, damit die Polizei die digitalen Spuren nachvollziehen kann. Die Ermittlungen der Polizei untermauern Ihre Darstellung und helfen festzustellen, dass kriminelle Netzwerke die Überweisung ausgeführt haben.

Um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit abzuwehren, liegt der Fokus auf der Transaktionsfreigabe. Ihr zentrales Argument muss sein, dass Sie KEINE fremden Transaktionsdaten (IBAN, Betrag) manuell in Ihr Sicherheitsgerät eingegeben und sehenden Auges bestätigt haben. Eine solche aktive Bestätigung einer fremden Transaktion ist der häufigste Knackpunkt vor Gericht. Zeigen Sie zusätzlich eine lückenlose Reaktion, indem Sie den Schaden sofort nach dem geringsten Zweifel gemeldet und alle Konten sperren ließen, um eine Schadensausweitung zu verhindern.

Sperren Sie unverzüglich alle betroffenen Karten und Konten über den zentralen Sperrnotruf (116 116) und erstatten Sie umgehend detaillierte Anzeige bei der Polizei.


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Haftet die Bank mit, wenn sie Sicherheitslücken beim Online-Banking ignoriert hat?

Wenn Kunden beim Online-Banking grob fahrlässig handeln, wird eine mögliche Mitschuld der Bank meist irrelevant. Die Bank haftet nur dann mit, wenn ihre Sicherheitslücke die kausale Hauptursache für den tatsächlichen Schaden darstellt. In der Regel überlagert der schwerwiegende Fehler des Kunden alle vorhergehenden Bankmängel und neutralisiert somit den Anspruch auf Erstattung.

Gerichte wenden den sogenannten Hauptursachen-Test an, um die Verantwortung im Schadensfall zu klären. Sie prüfen dabei, welcher Beitrag den Schaden letztlich und entscheidend ausgelöst hat. Hat die Bank beispielsweise beim Login der Betrüger eine schwächere Authentifizierung zugelassen, gilt dies oft als sekundär. Der Fokus liegt stattdessen auf dem entscheidenden Moment der Zahlungsausführung. Hier wird das chipTAN-Verfahren oder andere starke Freigabemethoden der Bank oft als ausreichend sicher bewertet.

Nehmen wir an, Sie haben eine Transaktion sehenden Auges manuell in Ihr Sicherheitsgerät eingegeben und die finale TAN freigegeben. Dieser Fehler wird juristisch als absolut dominierend betrachtet. Die grob fahrlässige Freigabe der Überweisung wog so schwer, dass ein technischer Mangel, der den Betrügern vorher das Ausspähen erleichterte, dahinter zurücktrat. Das Mitverschulden der Bank wird ausgeschlossen, weil der Kunde die letzte und stärkste Sicherheitsbarriere selbst überwunden hat.

Um die Bank erfolgreich haftbar zu machen, benötigen Sie ein Gutachten, das belegt, dass die Bank-Sicherheitslücke direkt die Ausführung der autorisierten Zahlung ermöglichte, nicht nur die Informationsbeschaffung.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Anscheinsbeweis

Der Anscheinsbeweis ist ein juristischer Kniff, bei dem das Gericht aus typischen, sich wiederholenden Lebenserfahrungen auf einen bestimmten Sachverhalt schließt, solange keine Beweise das Gegenteil belegen. Juristen nutzen ihn, um die Beweisführung in Situationen zu erleichtern, in denen ein direkter Nachweis schwerfällt, indem zunächst davon ausgegangen wird, dass alles mit rechten Dingen zuging.
Beispiel: Im vorliegenden Fall musste das Ehepaar den Anscheinsbeweis erschüttern, der zunächst dafür sprach, dass die technisch korrekte chipTAN-Freigabe auch eine willentliche Autorisierung der Zahlung bedeutete.

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Autorisierung

Die Autorisierung beschreibt die ausdrückliche Zustimmung des Kontoinhabers zu einem Zahlungsvorgang, ohne die eine Bank die Überweisung nach § 675j BGB grundsätzlich nicht ausführen darf. Dieses zentrale Prinzip im Zahlungsdiensterecht schützt den Kunden vor ungewollten Abbuchungen und begründet bei fehlender Genehmigung einen klaren Erstattungsanspruch gegen das Kreditinstitut.
Beispiel: Weil die Ehefrau die Überweisung aufgrund der Betrugsmasche nicht willentlich ausgelöst hatte, galt die Transaktion als nicht autorisiert, was den Anspruch des Paares auf Erstattung der 35.555 Euro grundsätzlich begründete.

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Grobe Fahrlässigkeit

Grobe Fahrlässigkeit liegt juristisch vor, wenn jemand die im normalen Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt und dabei missachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. Das Gesetz sieht vor, dass die Bank bei solch schwerwiegenden, objektiv unentschuldbaren Fehlern des Kunden von ihrer Haftung befreit wird, weil die Verantwortung für die Sicherheit der Zugangsdaten primär beim Nutzer liegt.
Beispiel: Die Richter warfen der Ehefrau grobe Fahrlässigkeit vor, weil sie trotz massiver Warnsignale die konkrete IBAN und den hohen Überweisungsbetrag manuell in den chipTAN-Generator eingab und die Transaktion freigab.

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Schadensersatzanspruch

Ein Schadensersatzanspruch ist das Recht, von einer anderen Partei einen Ausgleich in Geld zu fordern, wenn diese Partei einen Vermögensschaden verursacht hat, weil sie schuldhaft eine Pflicht verletzt hat. Im Banking-Kontext erlaubt § 675v BGB der Bank, diesen Anspruch in voller Höhe gegen den Kunden geltend zu machen, wenn dessen grob fahrlässiges Verhalten den Betrug ermöglichte.
Beispiel: Weil die Ehefrau den Schaden durch ihr Verhalten auslöste, stand der Bank ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 35.555 Euro zu, der den Erstattungsanspruch des Ehepaares neutralisierte.

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Treu und Glauben

Der juristische Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist eine zentrale Generalklausel im deutschen Recht, die verlangt, dass alle Beteiligten im Rechtsverkehr fair, redlich und loyal miteinander umgehen. Diese Regel stellt sicher, dass die Anwendung formalen Rechts nicht zu offensichtlich unbilligen oder widersprüchlichen Ergebnissen führt, und ermöglicht eine Korrektur extremer Ungerechtigkeiten.
Beispiel: Das Oberlandesgericht entschied unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben, dass es keinen Sinn ergäbe, die Bank zur Auszahlung zu verpflichten, wenn sie die identische Summe sofort wieder zurückfordern könnte.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 5 U 11/24 – Urteil vom 22.05.2024


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