LG Frankenthal – Az.: 8 O 79/10 – Urteil vom 06.10.2011
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.542,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.800,– € seit dem 30.03.2006 und aus 1.742,94 € seit dem 18.12.2009 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Erstattung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, war durch Bauvertrag vom 09.09.1999 von der … Bauträger GmbH und Co. Immobilien KG (im Folgenden: L.) mit der Durchführung von Kanal- und Rohbauarbeiten an dem Bauvorhaben Einfamilienhaus K. in … beauftragt worden. Nach Durchführung der Arbeiten und erfolgter Bezahlung der Klägerin durch die L. strengte die Bauherrin des Bauvorhabens im Dezember 2000 ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die L. an (Az.: 4 OH 26/00 LG Frankenthal (Pfalz)), mit dem sie diverse Bauwerksmängel geltend machte.
Zum nunmehr streitgegenständlichen Sachverhalt wurde folgende Mängelbehauptung aufgestellt (Ziff. II.5 der Antragsschrift): „An den Stützmauern der westlichen Giebelwand sind die Fertigteile press angeputzt, durch Bewegung der Fertigteile beim auffrieren wird der Putz zerstört“. Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) beauftragte den Beklagten, einen (jedenfalls damals noch) öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Massivbau, mit der Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Beklagte kam in seinem schriftlichen Gutachten vom 25.03.2002 hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts zu dem Ergebnis, die Stuttgarter Mauerscheiben (d.h. die Stützmauern) vor der westlichen Giebelwand seien direkt bis an das Mauerwerk geführt und direkt angeputzt worden. Zur Mängelbeseitigung sei es erforderlich, die Mauerscheiben um 2 cm zu kürzen und den (im fraglichen Bereich unstreitig gerissenen und teilweise abgeplatzten) Verputz zu erneuern und mit einer Fuge zu versehen. Die Kosten für diese Maßnahmen seien mit 8.000,– € zu veranschlagen.
Gestützt auf dieses Gutachten nahm die L. im Verfahren 2 HK.O 56/06 LG Frankenthal (im Folgenden: Vorprozess) die hiesige Klägerin auf Schadensersatz und Minderung in Anspruch, wobei von der Klageforderung in Höhe von 32.950,– € ein Betrag von 8.000,– € auf die Stuttgarter Mauerscheiben entfielen. Die Klägerin verteidigte sich in diesem Punkt damit, die Schäden am Verputz des Bauvorhabens seien auf eine unzureichende Bauausführung seitens des Verputzers zurückzuführen und ihr deshalb nicht anzulasten. Auch habe sie zwischen den Stuttgarter Mauerscheiben und der Wand des Gebäudes einen ausreichenden Abstand gelassen. Die 2. Kammer für Handelssachen wies in ihrem Urteil vom 17.08.2008 die Klage der L… in diesem Punkt ab, weil die Verantwortlichkeit der (hiesigen) Klägerin für die Schäden am Verputz nach dem im selbstständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachten des Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit hergeleitet werden könne.
Die L. legte gegen dieses Urteil Berufung (Az. 4 U 102/08 PfälzOLG Zweibrücken) ein, mit der sie u.a. die Klageabweisung hinsichtlich der Stuttgarter Mauerscheiben beanstandete. Der 4. Zivilsenat des PfOLG Zweibrücken beauftragte den Beklagten durch Beweisbeschluss von 28. Mai 2009 mit der Erstattung eines Ergänzungsgutachtens zu der Frage, ob der im Gutachten vom 22. März 2002 bezeichnete Mangel – das direkte Anputzen der Stuttgarter Mauerscheiben – auf einer fehlerhaften Arbeitsweise der (dortigen) Beklagten beruhe oder im Verantwortungsbereich des Verputzers liege. In seinem schriftlichen Gutachten vom 7. Juli 2009 kam der Beklagte zu dem Ergebnis, das direkte Anputzen des Verputzes des Wohnhauses an die Stuttgarter Mauerscheiben, ohne einen ausreichenden Zwischenraum zu belassen, liege im Verantwortungsbereich des Verputzers, während das Stellen der Winkelsteine direkt an die Perimeterdämmung des Wohnhauses ohne Zwischenraum im Verantwortungsbereich der Beklagten liege. Durch diesen Mangel habe es die Beklagte dem Verputzer erst ermöglicht, den Außenputz direkt an die Winkelsteine anzuschließen. Die Beklagte beanstandete dieses Gutachten sowohl hinsichtlich der getroffenen Feststellungen als auch hinsichtlich des Ergebnisses. Das PfOLG Zweibrücken bestimmte daraufhin einen Termin zur Gutachtenserläuterung und gab dem Beklagten zur Vorbereitung auf, sofern noch nicht geschehen, an dem Bauvorhaben vor Ort Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob die Stuttgarter Mauerscheiben tatsächlich press an die Perimeterdämmung der Stahlbetonwand des Kellergeschosses herangeführt wurden.
Im Senatstermin vom 12.11.2009 erklärte der Beklagte, er sei vor Ort gewesen, allerdings habe das Eigentum an dem Objekt gewechselt und die bauliche Situation sei zwischenzeitlich verändert worden, weshalb jetzt keine Feststellungen mehr dazu getroffen werden könnten, wie die Mauerscheiben seinerzeit an die Wand herangeführt worden seien. Feststellungen ließen sich allenfalls dann treffen, wenn die entsprechende Örtlichkeit durch Aufgraben freigelegt werde. Allerdings lasse auch der im selbstständigen Beweisverfahren gemachte und durch Lichtbilder dokumentierte Befund den Schluss zu, dass die Mauerscheibe zu nah an die Wand herangeführt worden sei. Die fragliche Rissbildung falle zwar hauptsächlich in den Verantwortungsbereich des Verputzers, allerdings sei auch die Werkleistung der Beklagten mangelhaft, da bei ordnungsgemäßer Ausführung der Verputzer gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, direkt anzuputzen. Zur Beseitigung des Mangels gehöre es, die Mauerscheiben um 20 mm zu kürzen. Hierfür seien 60 % der für die Mängelbeseitigung insgesamt veranschlagten 8.000,– € in Ansatz zu bringen.
Die (hiesige) Klägerin machte zum Abschluss des Senatstermins geltend, der Rechtsstreit sei noch nicht entscheidungsreif, da noch Feststellungen vor Ort getroffen werden müssten und könnten. Dies hinderte den 4. Zivilsenat des PfOLG Zweibrücken indes nicht daran, durch Urteil vom 03. Dezember 2009 über die Berufung der L. zu entscheiden und dem Rechtsmittel hinsichtlich der Stuttgarter Mauerscheiben in Höhe von 4.800,– € stattzugeben. Zur Begründung ist ausgeführt, eine erneute Begutachtung durch den Sachverständigen, d.h. den hiesigen Beklagten, vor Ort sei nicht erforderlich, da dieser sich im Hinblick auf die im selbstständigen Beweisverfahren getroffenen Feststellungen klar und entschieden dahin festgelegt habe, dass er die fragliche Stelle in Augenschein genommen habe und insbesondere habe erkennen können, dass die Stuttgarter Mauerscheibe die Perimeterdämmung berühre. Zur Mangelbeseitigung sei es nach den Ausführungen des Beklagten erforderlich, die Mauerscheibe um 20 mm zu kürzen, was 60 % des Gesamtbeseitigungsaufwandes von 8.000,– €, also einen Schadensersatzanspruch der L. in Höhe von 4.800,– €, ergebe.
Die (hiesige) Klägerin versuchte noch, das Urteil des Berufungsgerichts, welches bei einem Berufungsstreitwert von 11.200,– € die Revision nicht zugelassen hatte, durch eine Anhörungsrüge (§ 220a ZPO) sowie durch Ablehnung der Senatsmitglieder wegen Besorgnis der Befangenheit zu Fall zu bringen, was jedoch erfolglos blieb.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin nunmehr den Beklagten wegen ihrer Verurteilung durch das PfOLG Zweibrücken auf Schadensersatz in Anspruch.
Hierzu trägt sie vor: Der Beklagte habe im Berufungsverfahren seine Pflichten als gerichtlich bestellter Sachverständiger grob fahrlässig verletzt. Es treffe nicht zu, dass die Stuttgarter Mauerscheiben von der (dortigen) Beklagten „press“ an die Perimeterdämmung der westlichen Giebelwand des fraglichen Anwesens herangestellt werden seien. Dies habe der Beklagte anhand der Lichtbilder Nr. 18-23 zu seinem Gutachten vom 25.03.2002, insbesondere Lichtbild Nr. 20, auch nicht erkennen können. Der Beklagte habe deshalb dem Auftrag des Berufungsgerichts entsprechen und Feststellungen vor Ort, nämlich durch Bauteilöffnungen, treffen müssen. Hierzu seien die neuen Eigentümer des fraglichen Anwesens durchaus auch bereit gewesen, was Aufzuklären der Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe. Abgesehen hiervon sei auch der Schluss des Beklagten, die Berührung von Perimeterdämmung und Mauerscheiben stelle einen Bauwerksmangel dar, der mit einem Kostenaufwand von 4.800,– € durch Kürzen der Mauerscheiben um 20 mm beseitigt werden müsse, nicht haltbar. Zur Mangelbeseitigung habe es vielmehr ausgereicht, das Gewerk des Verputzers, der allein fehlerhaft gearbeitet habe, zu überarbeiten und die notwendige Fuge im Verputz zwischen Mauerscheibe und Außenwand zu schaffen.
Die fehlerhafte Gutachtenserstattung durch den Beklagten habe nicht nur dazu geführt, dass sie, die Klägerin, durch das Pfälzische Oberlandesgericht zur Zahlung von weiteren 4.800,– € nebst Zinsen verurteilt worden sei. Vielmehr habe die Fehlbegutachtung durch den Beklagten auch zur Verschiebung der Kostenquoten in beiden Instanzen des Vorprozesses geführt, nämlich um 2/30 für die I. Instanz und um 13/30 für das Berufungsverfahren, weshalb der Beklagte ihr die insoweit entstanden Mehrkosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) von insgesamt 2.022,91 € zu erstatten habe.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.822,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 30.03.2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: Seine im Vorverfahren getroffenen gutachterlichen Äußerungen seien zutreffend, jedenfalls nicht grob fahrlässig falsch gewesen, weshalb seine Haftung als gerichtlich bestellter Sachverständiger ausscheide.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) … mündlich erstattet hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06. September 2011 Bezug genommen.
Im Übrigen wird zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in der Hauptsache in Höhe von 6.542,94 € begründet, § 839a Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
Dass der Beklagte sein Gutachten vor dem PfOLG Zweibrücken als vom Gericht ernannter Sachverständiger erstattet hat, steht ebenso außer Zweifel, wie in Hinblick auf die Begründung des Urteils vom 03.12.2009 nicht in Zweifel gezogen werden kann, dass die Verurteilung der (hiesigen) Klägerin zur Zahlung von 4.800,– € durch das PfOLG Zweibrücken auf dem im Berufungsverfahren erstatteten Gutachten des Beklagten beruht.
Entgegen der Auffassung des Beklagten war dieses Gutachten auch unrichtig. Dabei kann dahinstehen, ob, wie vom Beklagten angenommen, bei dem fraglichen Bauvorhaben die Stuttgarter Mauerscheiben tatsächlich „press“ an die Perimeterdämmung der westlichen Giebelwand herangeführt wurden, weshalb es weiterer Feststellungen hierzu ebenso wenig bedarf wie einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob es nicht Sache des Berufungsgerichts gewesen wäre, den Beklagten zu weiteren Feststellungen vor Ort anzuhalten und ob die vom Beklagten herangezogenen Lichtbilder aus dem selbständigen Beweisverfahren eine ausreichende Grundlage für diese Feststellung des Beklagten waren.
Auch wenn man unterstellt, dass die Mauerscheiben tatsächlich die Perimeterdämmung berührten, so muss doch der vom Beklagten hieraus gezogene Schluss, dies stelle einen Mangel der Werkleistung der Klägerin dar, der durch Kürzung der Mauerscheiben um 20 mm (und mit einem Kostenaufwand von 4.800,– €) behoben werden müsse, nach dem Ergebnis der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme als unrichtig im Sinne von § 839a Abs. 1 BGB bezeichnet werden.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen …, an dessen überragender Sachkunde nach Überzeugung des erkennenden Gerichts keine Zweifel bestehen können, war es wegen der entstandenen Risse im Verputz im Anschlussbereich Gebäudeaußenwand zu Stuttgarter Mauerscheiben keinesfalls erforderlich, die Stuttgarter Mauerscheiben um 20 mm zu kürzen. Vielmehr hätte es nach den Ausführungen des Sachverständigen ausgereicht, dass die erforderliche Trennung von Außenwand und Mauerscheiben durch den Verputzer hergestellt wird, dass dieser also den Verputz der Mauerscheibe nicht mit den Verputz der Außenwand verbindet, sondern hier eine Fuge lässt.
Diese gutachterliche Äußerung des Sachverständigen … deckt sich im Grunde genommen mehr oder minder mit derjenigen des Beklagten im Vorprozess bzw. im selbständigen Beweisverfahren. Wenn der Beklagte im Termin vor dem PfOLG Zweibrücken nämlich ausgeführt hat (Bl. 502f d. Beiakte), die fragliche Rissbildung falle zwar hauptsächlich in den Verantwortungsbereich des Verputzers, allerdings sei auch die Werkleistung der Beklagten mangelhaft, da bei ordnungsgemäßer Ausführung der Verputzer gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, direkt anzuputzen, so warf er der Klägerin letztlich vor, einem Dritten, nämlich dem Verputzer, eine mangelhafte Werkleistung erst ermöglicht zu haben. Dies impliziert aber, dass es dem Verputzer auch möglich gewesen wäre, sein Werk mangelfrei zu erbringen, nämlich eine Fuge im Verputz zwischen Außenwand und Stuttgarter Mauerscheibe zu belassen, um so die Rissbildung in diesem Bereich zu vermeiden. Wenn der Verputzer aber die Möglichkeit gehabt hätte, die Rissbildung von vornherein zu vermeiden, dann ist in der Tat nicht nachvollziehbar, weshalb diese Möglichkeit nicht auch im Nachhinein bestanden haben soll, nämlich im Zuge der Überarbeitung des Verputzes durch den Verputzer, d.h. im Zuge von dessen Mängelbeseitigung.
Genau das ist aber (auch) die These des Sachverständigen … der ausgeführt hat, zur nachhaltigen Vermeidung zukünftiger Risserscheinungen habe das (nachträgliche) Anbringen einer Fuge ausgereicht, es sei keinesfalls erforderlich gewesen, zusätzlich auch die Mauerscheiben noch um 20 mm zu kürzen, und dies auch dann, wenn diese „press“ an die Perimeterdämmung herangeführt worden wären.
Das Gericht sieht, wie ausgeführt, keine Veranlassung, an diesem Befund des Sachverständigen … zu zweifeln. Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, wird der Befund des Sachverständigen, wonach die (zu Gunsten des Beklagten zu unterstellende) zu enge Heranführung der Stuttgarter Mauerscheiben an die Außenwand nicht für die Putzschäden verantwortlich war, dadurch bestätigt, dass es in den vergangenen 10 Jahren zu keinen weiteren Schäden gekommen ist, und zwar weder an der Perimeterdämmung noch am Verputz, und dies obwohl die Bauherren die Stuttgarter Mauerscheiben nicht, wie vom Beklagten im Vorprozess gefordert, um 20 mm gekürzt haben.
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte demgegenüber auf die sog. GALA-Bau Richtlinie, die zwischen zwei Bauwerksteilen einen entsprechenden Abstand fordert. Der Sachverständige … hat hierzu ausgeführt, es handele sich um die Empfehlungen eines Wirtschaftsverbandes, die keine DIN-Normen darstellten. Wenn diese Empfehlungen deshalb aufgestellt worden sein sollten, um, wie hier geschehen, Fehler eines Folgeunternehmers (des Verputzers) zu vermeiden, so kann dem doch nicht entnommen werden, dass es Stand der Technik und zur Mängelbeseitigung erforderlich wäre, einen solchen Abstand im Nachhinein zu schaffen, anstatt dem Verputzer „besser auf die Finger zu schauen“. Was etwaige Schäden am Gebäude bzw. den Mauerscheiben anbelangt, so hat der Sachverständige … überzeugend ausgeführt, es könne zwar Reibungen zwischen Stützmauer und Perimeterdämmung geben, hierdurch bedingte Schäden an einem dieser Bauteile seien aber mit Sicherheit auszuschließen. Dies ist auch aus Sicht des erkennenden Gerichts durchaus nachvollziehbar, da die Perimeterdämmung aus einem weichen Dämmstoff besteht, der bei witterungsbedingten Reibungen mit der Mauerscheibe nachgibt, ohne dabei nachhaltig beschädigt zu werden.
Wenn der Beklagte bei dieser Sachlage gleichwohl vor dem PfOLG Zweibrücken ausgeführt hat, es sei zur Mängelbeseitigung erforderlich, die Mauerscheiben um 20 mm zu kürzen, so war diese gutachterliche Äußerung nicht nur unrichtig, sondern dies auch grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen … ist beim Beklagten nach diesen Grundsätzen von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Der Sachverständige hat auf die Frage des Gerichts, ob es zur Mängelbeseitigung betreffend die Risse erforderlich war, die Stuttgarter Mauerscheiben zu kürzen, geantwortet: „Um Gottes Willen, nein“. Er hat es auf weitere Frage als „auf keinen Fall vertretbar“ bezeichnet, in Hinblick auf die aufgetretenen Risse eine nachträgliche Kürzung der Mauerscheiben zu fordern. Damit ist aus Sicht des Gerichts der Klägerin der ihr obliegende Nachweis grober Fahrlässigkeit beim Beklagten gelungen, denn dieser hat vor dem PfOLG Zweibrücken in „auf keinen Fall vertretbarer“ Weise eine völlig unnötige Maßnahme der Mängelbeseitigung für erforderlich bezeichnet und damit die Grenzen einer nur einfach fahrlässigen fehlerhaften Gutachtenserstattung überschritten. Der Beklagte kann insoweit, wie ausgeführt, auch nicht damit gehört werden, sich auf die Empfehlungen der „GALA-Bau“ verlassen zu haben, denn es hätte zu seinen elementaren Pflichten als Sachverständiger gehört, diese Empfehlungen zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit und Aussagekraft für den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt zu überprüfen. Wenn der Beklagte dies nicht getan hat, dann hat er auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig gehandelt, denn er hat sich damit letztlich seines Gutachtensauftrages entledigt, indem er Empfehlungen eines Wirtschaftsverbandes übernommen hat, anstatt eine eigene gutachterliche Aussage zu finden und zu treffen.
Wie ausgeführt, war die nach alldem grob fahrlässig unrichtige Gutachtenserstattung durch den Beklagten auch ursächlich für die Verurteilung der (hiesigen) Klägerin in die Kosten der tatsächlich nicht erforderlichen Kürzung der Stuttgarter Mauerscheiben durch das PfOLG Zweibrücken.
Der vom Beklagten deshalb gem. § 839a Abs. 1 BGB zu ersetzende Schaden beläuft sich zum Einen auf den Betrag der Verurteilung der (hiesigen) Klägerin in Höhe von 4.800,– € zzgl. vom PfOLG Zweibrücken ausgeworfener Zinsen ab 20.03.2006, da es zu dieser Verurteilung (einschl. Zinsen) nicht gekommen wäre, wenn der Beklagte nicht das Kürzen der Stuttgarter Mauerscheiben mit einem Aufwand von 60 % aus 8.000,– € für erforderlich bezeichnet hätte.
Daneben hat der Beklagte der Klägerin auch die aufgrund dieser Verurteilung hervorgerufenen Kosten des Vorprozesses zu erstatten (vgl. Staudinger/Wurm, BGB, Neubearbeitung 2007, § 839a Rdn. 25).
Insoweit gilt Folgendes: Ohne die Verurteilung zur Zahlung von weiteren 4.800,– € wäre die Klägerin in I. Instanz statt mit 10.020,– € (so PfOLG Zweibrücken) mit 5.220,– € unterlegen gewesen. Dies hätte bei einem erstinstanzlichen Streitwert von 32.950,– € eine Kostenquote von 15 % (3/20 bzw. 9/60) zu ihren Lasten ergeben, statt einer vom PfOLG Zweibrücken ausgeworfenen Quote von 1/3 (20/60). Die Kostenbelastung der Klägerin hätte sich damit um (20/60 – 9/60 =) 11/60 reduziert. Hiervon macht die Klägerin lediglich 3/20 (9/60) geltend, § 308 Abs. 1 ZPO. Dem im Vorprozess ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Frankenthal (Pfalz) vom 14.04.2010 ist zu entnehmen, dass in I. Instanz Gerichtskosten von 4.061,34 € und Rechtsanwaltskosten von insgesamt 4.444,80 € angefallen sind, wovon die Klägerin jeweils die geltend gemachten 2/30, mithin (270,76 + 296,32 =) 567,08 €, beanspruchen kann.
Für die II. Instanz gilt, dass die Klägerin ohne die schadensstiftende Expertise des Beklagten statt mit (6.300,– € für Berufung + 1.500,– € für Anschlussberufung =) 7.800,– € nur mit (7.800,– € – 4.800,– € =) 3.000,– € unterlegen gewesen wäre, was bei einem Berufungsstreitwert von 11.200,– € zu einer (gerundeten) Quote von 1/4 (5/20) statt von 3/5 (12/20) zu ihren Lasten geführt hätte. Der Schaden der Klägerin beträgt demnach (12/20 – 5/20 =) 7/20 der Kosten des Berufungsverfahrens und nicht, wie von der Klägerin geltend gemacht, 13/30. Die Klägerin macht hinsichtlich der II. Instanz nur die Rechtsanwaltskosten geltend (§ 308 Abs. 1 ZPO), die sich nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.04.2010 auf 3.359,60 € belaufen. Hiervon hat der Beklagte, wie ausgeführt, 7/20, mithin einen Betrag von 1.175,86 € zu tragen, was zu erstattungsfähigen Kosten des Vorprozesses von insgesamt (567,08 € + 1.175,86 € =) 1.742,94 € führt. Zinsen aus diesem Betrag kann die Klägerin erst ab dem im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.04.2010 festgesetzten Zeitpunkt, mithin ab dem 18.12.2009, verlangen, denn ohne das Verhalten des Beklagten hätte sie auch diese Zinsen nicht auszugleichen gehabt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.