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Haftung des Grundstückserstehers aus Zwangsvollstreckung für öffentliche Forderungen

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 1 L 498/16 – Beschluss vom 27.04.2018

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 17. Oktober 2016 – 4 A 1025/15 SN – wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 3.425,04 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um einen Beitragsbescheid.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in C-Stadt, das an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen ist, die der Beklagte als öffentliche Einrichtung betreibt. Mit Bescheid vom 12. Mai 2014 setzte der Beklagte gegen die Klägerin einen Anschlussbeitrag in Höhe von 3.425,04 Euro fest. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2015 zurück. Am 9. März 2015 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Schwerin erhoben und beantragt, den Beitragsbescheid des Beklagten vom 12. Mai 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2015 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2016 – 4 A 1025/15 SN – abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 20. Oktober 2016 zugestellt worden. Am 18. November 2016 hat die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Der Antrag ist am 20. Dezember 2016 begründet worden.

II.

Der fristgemäß gestellte (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.11.2013 – 2 BvR 1895/11 –, juris Rn. 14).

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 23.07.2015 – 1 L 28/13 –, juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben bestehen unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, sie habe das abgerechnete Grundstück im Jahre 2001 durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Zum damaligen Zeitpunkt seien die Herstellungsarbeiten am Klärwerk und Kanalnetz des Beklagten abgeschlossen gewesen. Es habe auch eine Beitragssatzung bestanden. Der Beklagte habe seinen Anspruch im Verfahren nicht angemeldet. Das Recht des Beklagten sei deshalb durch den Zuschlag erloschen, das Grundstück sei lastenfrei erworben worden. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass seine zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung bestehende Satzung unwirksam gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht dargelegt. Nach §§ 45 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 2, 91 Abs. 1 ZVG erlöschen durch den Zuschlag lediglich bereits bestehende Rechte an dem Grundstück. Der künftigen Entstehung von Beitragsforderungen und öffentlichen Lasten stehen diese Vorschriften nicht entgegen. Der Ersteher ist davor geschützt, dass nach dem Zuschlag bestehende Ansprüche gegen das Grundstück geltend gemacht werden, die er nicht kannte und deshalb nicht in seine Kalkulation mit einbeziehen konnte. Vor der Entstehung künftiger Forderungen ist der Ersteher dagegen nicht geschützt, er trägt vielmehr vom Zuschlag an gemäß § 56 Satz 2 ZVG die Lasten des Grundstücks (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.09.1984 – 8 C 30.82 – juris Rn. 21; VGH München, Beschl. v. 06.11.2017 – 6 ZB 17.1011 –, juris Rn. 25; OVG Bautzen, Beschl. v. 18.03.2014 – 5 A 651/12 –, juris Rn. 11).

Der Abgabeanspruch des Beklagten war beim Eigentumserwerb der Klägerin allerdings noch gar nicht entstanden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die sachliche Beitragspflicht im Anschlussbeitragsrecht gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht und das Satzungsrecht des Beklagten keinen späteren Zeitpunkt bestimmt hat. Da die sachliche Beitragspflicht auch der Höhe nach endgültig ausgeprägt ist, setzt ihre Entstehung zwingend wirksame Maßstabsregeln und eine Bestimmung des Beitragssatzes im Satzungsrecht des Abgabengläubigers voraus (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V). Anderenfalls wäre die Höhe des Beitrags nicht bestimmbar. Ein Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ist ausgeschlossen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 50 f.). Es ist rechtlich zwingend, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht tatbestandlich vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung abhängig zu machen (OVG Greifswald, Urt. v. 05.12.2016 – 1 K 8/13 –, juris Rn. 43). Das abstrakte Beitragsschuldverhältnis entstand deshalb vorliegend erst im Jahr 2013. Die persönliche Beitragspflicht der Klägerin ist sogar erst mit Bekanntgabe des Beitragsbescheides begründet worden (§ 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V). Da der festgesetzte Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren noch gar nicht bestand, kann er durch diesen Rechtsakt auch nicht erloschen sein. Soweit sich die Klägerin auf den Umstand beruft, dass im Jahre 2001 unwirksames Satzungsrecht des Beklagten bestand, ist dieser vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund nicht erheblich.

Der Zulassungsantrag wird weiterhin mit der Annahme begründet, die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V bestimme eine überlange Verjährungsfrist und sei nicht verfassungsgemäß. Auch damit sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargelegt. Der Senat hat bereits entschieden, dass gegen diese gesetzliche Neuregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, da eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu Anschlussbeiträgen nicht mehr möglich ist (vgl. ausführlich OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 217/13 –, juris Rn. 67 ff.). An dieser Auffassung ist auch unter Berücksichtigung der Antragsbegründung festzuhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil abgelehnt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 72/16 –, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

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