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Haftung des Grundstückssachverständigen im Zwangsversteigerungsverfahren

KG Berlin, Az.: 13 U 46/01, Urteil vom 23.07.2002

Die Berufung des Klägers gegen das am 26. April 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung seinerseits in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Der Beklagte ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. Er erstattete am 15. Juni 1999 für das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zum Zwecke der Zwangsversteigerung des Grundstücks … Berlin ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks, das von den Bietern eingesehen werden konnte. Das Grundstück wurde am 16. Mai 2000 vom Kläger als Meistbietenden mit einem Bargebot von 820.000,00 DM ersteigert.

Haftung des Grundstückssachverständigen im Zwangsversteigerungsverfahren
Symbolfoto: AndreyPopov/ Bigstock

Der Kläger beansprucht vom Beklagten Schadensersatz nach § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung mit der Behauptung, der Beklagte habe ein unrichtiges Gutachten erstellt, weil er durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrags und durch „ins Blaue gemachte“ Angaben sich seiner Aufgabe als Gutachter leichtfertig und gewissenlos entledigt habe. Das Gutachten, das im Übrigen zum Teil widersprüchliche Angaben enthalte und teils lückenhaft sei, habe ihm bei Abgabe seines Gebots als Grundlage gedient. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzflächen und sonst gleichbleibenden Prämissen betrage der Verkehrswert des Grundstücks nicht 1.070.000,00 DM, sondern nur 865.000,00 DM, so daß in Relation hierzu sein Gebot in Höhe von 820.000,00 DM einem solchen von 665.000,00 DM entspreche. Da davon auszugehen sei, daß er und mit ihm die weiteren Bieter bei Kenntnis des tatsächlichen Verkehrswertes entsprechend der kleineren Nutzflächen entsprechend niedrigere Gebote abgegeben hätten, errechne sich ein ihm zugefügter Schaden von 150.000,00 DM, von dem er einen erststelligen Teilbetrag von 100.000,00 DM einklage.

Im einzelnen hat der Kläger in Bezug auf die Angaben im Gutachten behauptet:

Die Frontlänge des Grundstücks zum … betrage nicht rd. 17 m, sondern nur (inzwischen unstreitig) 15,69 m. Dies ergebe sich aus der vom Beklagten im Gutachten ausgewerteten Geschoßgrundriß EG aus dem Jahr 1879.

Die Gewerbefläche im Souterrain betrage nicht 110 m², sondern nach der Wohn- und Gewerbeflächenberechnung des Diplom-Ingenieurs … vom 11. März 1989 nur rd. 101 m².

Die Wohnflächen betrügen nicht rd. 1.380 m², sondern nach der vorgenannten Berechnung … nur rd. 1.218 m².

Die Wohnflächen der im Quergebäude belegenen modernisierten Wohneinheiten betrügen nicht 520 m², sondern nach der vorgenannten Berechnung … nur rd. 363 m².

Die tatsächlich erzielte Miethöhe für die im Quergebäude belegenen modernisierten Wohneinheiten habe zum Stichtag 26. Mai 1999 nicht 6.219,20 DM (520 x 11,96 DM/m²), sondern nur 4.718,00 DM betragen. Die Angabe des Beklagten auf Seite 25 seines Gutachtens stehe im Widerspruch zu der ihm vom Beklagten überlassenen Mieterliste vom 26. Mai 1999.

Die Wohnfläche der im Vorderhaus und Seitenflügel belegenen nicht modernisierten Wohneinheiten betrage nicht rd. 860 m², sondern nach der vorgenannten Berechnung G nur rd. 855 m².

Der tatsächlich erzielte Mietzins für die im Vorderhaus und Seitenflügel belegenen nicht modernisierten Wohneinheiten habe zum Stichtag 26. Mai 1999 nicht 4.110,80 DM (860 x 4,78 DM/m²), sondern nur 3.341,82 DM betragen. Die Angabe des Beklagten stehe ebenfalls im Widerspruch zu der ihm vom Beklagten überlassenen Mieterliste vom 26. Mai 1999.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 100.000,00 DM nebst 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, die seinem Gutachten zu Grunde liegenden Angaben sorgfältig ermittelt zu haben. Die vom Kläger behaupteten Abweichungen der tatsächlichen Verhältnisse hat er mit Nichtwissen bestritten. Im übrigen hat er geltend gemacht: Für seine Inanspruchnahme wegen vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB reiche das Vorliegen eines angeblich fehlerhaften Gutachtens nicht aus. Selbst wenn die vom Kläger angeführten Angaben in seinem Gutachten fehlerhaft sein sollten, könne daraus allein nicht der Schluß gezogen werden, daß er in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zugefügt habe. Er könne auch einen Schadenseintritt nicht erkennen, da der Kläger das Grundstück immer noch unter dem von diesem behaupteten geringeren Verkehrswert ersteigert habe.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 26. April 2001 die Klage abgewiesen und zu dessen Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ansprüche aus einem Vertrag zu Gunsten Dritter, aus Drittschadensliquidation oder nach § 823 BGB schieden gegen einen von einem Gericht im Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragten Sachverständigen aus. Dieser hafte dem Erstersteigerer wegen eines fehlerhaften Gutachtens allenfalls aus § 826 BGB. Voraussetzung hierfür sei, daß der Erstersteigerer auf die Richtigkeit der vom Sachverständigen erstellten, tatsächlich unrichtigen, Angaben vertraut habe und Umstände festzustellen seien, die das Verhalten des Sachverständigen als Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen ließen. Der Sachverständige müsse sich etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrags oder durch „ins Blaue hinein“ gemachte Angaben seiner Aufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens und den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt haben, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließung hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos zu bezeichnen sei. Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, könne dahingestellt bleiben. Der Kläger habe nicht dargetan, daß ihm durch sein Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens ein Schaden entstanden sei. Denn Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruchs richte sich nach den §§ 249 ff BGB. Bei einem Anspruch aus unerlaubter Handlung sei grundsätzlich das negative Interesse zu ersetzen. Der Kläger könne verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er nicht auf die Richtigkeit des Gutachtens vertraut hätte. Aus seinem Vorbringen ergebe sich somit kein Schaden. Der Schadensberechnung des Klägers durch Verringerung des tatsächlichen Gebots in Relation zu den von ihm genannten Verkehrswerten sei nicht zu folgen. Denn ein Vermögensschaden nach der im Schadensrecht geltenden Differenzhypothese sei grundsätzlich lediglich dann gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer als der Wert sei, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde. Der Schaden sei danach konkret zu berechnen. Der tatsächliche Verkehrswert des Objekts hätte folglich unter dem vom Kläger gezahlten Preis liegen müssen. Die Behauptung des Klägers, daß bei einem Verkehrswert des Grundstücks von 865.000,00 DM der Zuschlag zu einem Gebot von nur 665.000,00 DM erteilt worden wäre, beruhe auf reiner Spekulation. Er mache dadurch letztlich entgangenen Gewinn geltend.

Ergänzend wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Das ihm am 23. Mai 2001 zugestellte Urteil ficht der Kläger mit seiner am 21. Juni 2001 eingelegten und – nach Verlängerung der Begründungsfrist auf Antrag vom 16. Juli 2001 bis zum 31. August 2001 – am 30. August 2001 begründeten Berufung an.

Er macht unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:

Das Landgericht hätte die Frage, ob der Beklagte ihm nach § 826 BGB dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sei, nicht dahin stehen lassen dürfen. Die Ausführungen, er könne keinen Schaden erlitten haben, weil der Verkehrswert über dem Zuschlagsgebot liege, erweise sich als rechtsirrig. Dies gelte auch für die Meinung des Landgerichts, daß es sich um reine Spekulation handele, wenn er geltend mache, daß der Zuschlag zu einem geringeren Gebot, das heiße für 665.000,00 DM, erteilt worden wäre. In Fällen, in denen der Schädiger nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zum Schadensersatz verpflichtet gewesen sei, habe der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Ersatzfähigkeit des sog. negativen Interesses wiederholt ausgeführt, daß der Schadensersatzanspruch grundsätzlich auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet sei. Der Geschädigte könne daher verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schuldhafte Verhalten des Schädigers, also ohne Zustandekommen des Vertrags, gestanden hätte. Er habe somit einen Anspruch auf Befreiung vom geschlossenen Vertrag und auf Ersatz der nutzlos erbrachten Aufwendungen. Wolle der Geschädigte aber am Vertrag festhalten, müsse er so behandelt werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen. Dabei komme es nicht auf den hypothetischen, kaum führbaren Beweis an, ob auch der andere Teil sich mit einem Vertragsschluß unter diesen Bedingungen einverstanden erklärt hätte. Es sei kein Grund ersichtlich, diese Grundsätze nicht auch auf andere Fallkonstellationen anzuwenden, in denen der Schädiger Ersatz des sog. negativen Interesses schulde. Er hätte, wäre er durch ein mangelfreies Gutachten zutreffend unterrichtet gewesen, weniger geboten. Freilich übersehe er nicht, daß der Umstand, ob er dann den Zuschlag bei einem Gebot von 665.000 DM erhalten hätte, auf einer hypothetischen Annahme beruhe. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sich der Geschädigte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts verhalten hätte. Aber auch aus tatsächlichen Gründen seien die Ausführungen des Landgerichts nicht überzeugend. Soweit ersichtlich, führe im Lande Berlin allein das Amtsgericht Spandau eine Statistik über die für Immobilien in Zwangsversteigerungsterminen erzielten Versteigerungserlöse. Die Auswertung von 100 Zuschlägen im Zeitraum von Januar 1999 bis Dezember 2000 habe ergeben, daß die erzielten Versteigerungserlöse im Durchschnitt 68,32 % des zu Grunde gelegten Verkehrswertes betragen hätten. Deshalb sei es nicht unwahrscheinlich, daß es ihm bei einem Verkehrswert von 865.000 DM gelungen wäre, einen Zuschlag mit einem Gebot von 665.000 DM, also knapp 77 % des Verkehrswertes zu erhalten.

Das Landgericht irre auch, wenn es ausführe, daß die tatsächlichen Mieterträge lediglich insoweit relevant und in das Gutachten eingeflossen seien, als sie neben anderen Faktoren die Grundlage für die Ermittlung des Verkehrswertes gebildet hätten. Die tatsächlich erzielten Mieten seien aber gerade nicht neben anderen Faktoren in die Ermittlung des Verkehrswertes eingeflossen, denn der Beklagte habe in den dem Ertragswert zu Grunde liegenden Jahresrohertrag die ortsüblichen Mieten als Faktor eingestellt. Der Beklagte habe die tatsächlichen Mieten für die modernisierten Wohneinheiten um 1.501,20 DM sowie für die nicht modernisierten Wohneinheiten mit 768,98 DM überhöht angegeben und sich auch unter diesem Gesichtspunkt schadenersatzpflichtig gemacht.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten gemäß seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu verurteilen,

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und, für den Fall, daß ein unterhalb der Revisionsgrenze liegender Schadensersatz dem Kläger zuerkannt werden sollte, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte macht geltend: Seine Inanspruchnahme scheitere bereits am Fehlen eines Anspruchsgrundes im Sinne des § 826 BGB. Sein Gutachten habe dem Vollstreckungsgericht gemäß § 74 a Abs. 1, 5 ZVG zur Vermeidung eines Zuschlags bereits im ersten Termin unter 7/10 gedient. Für diesen Zweck sei das Gutachten sorgfältig erstellt worden. Insbesondere seien Vorbehalte zur Relativierung bestimmter Aussagen deutlich zum Ausdruck gebracht worden. So habe er beispielsweise auf Seite 11 des Gutachtens angegeben, daß es sich bei der im Seitenflügel-Aufgang im 2. und 3. Obergeschoß vermutlich um Ein-Zimmer-Wohnungen handele. Auf Seite 12 habe er ausgeführt, daß der Zuschnitt der im Hof-Parterre linksspannenden Wohnung dem der im 4. Obergeschoß postalisch rechtsspannenden Wohnung entsprechen dürfte. Auch auf Seite 25 mache er bei den Angaben zur Nutzfläche Unsicherheiten bzw. Vorbehalte geltend und spreche von Einzelangaben aus einer Liste sowie von einer überschlägigen Ermittlung anhand der Brutto-Geschoßflächen. Dadurch habe er deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß ihm anläßlich der Bewertung des Grundstücks durchaus nicht vollständige Mieterangaben zur Verfügung gestanden hätten, sondern lediglich Einzelangaben. Über die Angabe dieser Einzelflächen sei die Gesamtfläche dann strang- und geschoßweise hochgerechnet und eine Kontrollrechnung unter Abzug der Konstruktions- und Verkehrsflächen vorgenommen worden. Richtig sei allerdings, daß die Angabe der Frontlänge des Grundstücks auf Grund eines „Tippfehlers“ mit ca. 17 statt 16 m ausgewiesen worden sei. Diese Angabe habe aber nicht der Berechnung der Bruttogeschoßfläche, sondern lediglich der Beschreibung des Grundstücks gedient. Die über dem Kellergeschoß gelegene Nutzfläche (alle Vollgeschosse) habe er wegen Fehlens nennenswerter Angaben des zuständigen Zwangsverwalters … aus der Bruttogeschoßfläche nach § 20 BauNVO ermittelt. Diese Vorgehensweise werde in der per 31. März 2000 im Amtsblatt von Berlin erfolgten Veröffentlichung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als zulässig ausgewiesen. Der von ihm vorgenommene Abzug von rd. 25 % von der Bruttogeschoßfläche liege bei Auswertung der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin im zulässigen Rahmen. Hieraus ergebe sich die Wohnfläche von 1.380 m². Hinsichtlich der Gewerbeflächen im Souterrain sei die vom Kläger behauptete geringere Fläche, die ohnehin nur 9 m² unter der von ihm ermittelten liege, keineswegs belegt. Ihm hätten keine Flächenangaben vorgelegen. Der Mieterspiegel der Zwangsverwaltung … per 26. Mai 1999 habe für 20 Nutzungseinheiten nur 4 Wohnflächenangaben und lediglich ein Souterrain ohne Flächenangaben ausgewiesen. Die von ihm ermittelte Fläche von rd. 520 m² als Wohnfläche im Quergebäude sei zutreffend. Er habe nur von einigen angetroffenen Mietern Angaben erhalten. Im übrigen habe ihm die Mieterliste des Zwangsverwalters vorgelegen mit nur einer Angabe bezüglich des Quergebäudes. Die Miethöhenangaben hätten sich aus dem Mieterspiegel der Zwangsverwaltung ergeben, die er gemäß Anlage 7 seiner Stellungnahme vom 17. Januar 2002 allerdings einer Fläche weitgehend nicht oder nur schwer habe zuzuordnen können. Auf Seite 25 seines Gutachtens habe er die hieraus hergeleitete Durchschnittsmiete ermittelt. Ein tatsächlicher Monatsertrag von 6.219,20 DM sei nicht gesichert gewesen. Dies habe er durch die auf Seite 27 seines Gutachtens vorgenommene Einschätzung bezüglich der Nachhaltigkeit erzielbarer Erträge dargelegt.

Wegen des Vorbringens beider Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Beklagte hat das Gutachten zur Feststellung des Grundstückswertes (Verkehrswertes) für das Vollstreckungsgericht als Auftraggeber erstattet. Nach der Rechtsprechung und Lehre (vgl. u. a. BGH NJW 1984, 355) können durch einen schuldrechtlichen Vertrag zugleich Schutzpflichten zu Gunsten Dritter begründet werden, die selbst keinen Anspruch auf die Hauptleistung aus diesem Vertrag haben. Dieser Grundsatz ist auch auf Verträge – wie hier beim Beklagten – mit öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen anwendbar (BGH a. a. O.).

Aus dem Umstand, daß in das für das Zwangsvollstreckungsverfahren erstattete Gutachten Interessenten und spätere Bieter Einsicht nehmen und gegen eine Gebühr eine Kopie erlangen können, folgt jedoch nicht, daß diese damit in den Schutzbereich des hier maßgeblichen Gutachtervertrags einbezogen sind. Denn die Gestaltung des Gutachterauftrags steht grundsätzlich im freien Ermessen des Auftraggebers und Beauftragten, die in beliebiger Weise bestimmen können, welche Personen in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen werden sollen. Sie können den Schutzbereich allerdings auch auf solche Personen erstrecken, deren Wohl und Wehe weder dem Auftraggeber noch dem mit der Gutachtenerstattung Beauftragten anvertraut ist. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen, ob eine bestimmte Person in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen ist, darauf abgestellt, ob das Wohl und Wehe dieser Person dem Vertragspartner der schutzpflichtigen Parteien anvertraut war. Dies ist danach zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen allein auf Grund der objektiven Interessenlage, also ohne einen konkreten Anhaltspunkt in ausdrücklichen Parteierklärungen oder im sonstigen Parteiverhalten, die stillschweigende Vereinbarung einer Schutzpflicht für Dritte anzunehmen ist.

Bei der damit vorzunehmenden Würdigung der objektiven Interessenlage ist davon auszugehen, daß das Vollstreckungsgericht bei der nach § 74 a Abs. 5 Satz 1 ZVG von ihm für geboten erachteten Beauftragung eines Sachverständigen mit der Verkehrswertermittlung des zu versteigernden Grundstücks neben den Beteiligten im Sinne des § 9 ZVG schon im Hinblick auf § 74 a Abs. 5 Satz 3 ZVG nicht zugleich auch die Bieter in den Schutzbereich stillschweigend einbeziehen wollte, zumal ein Schutz des Bieters nach Zuschlag oder dessen Versagung über den Weg einer Anfechtung gesetzlich selbst dann ausgeschlossen ist, wenn der Grundstückswert – u. a. auf Grund eines fehlerhaften Gutachtens – unrichtig festgesetzt worden ist (§ 74 a Abs. 5 Satz 4 ZPO).

Ebenso hat der Beklagte weder in seinem für das Vollstreckungsgericht erstatteten Gutachten noch sonst ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen gegeben, daß er jedem, den es angehen könnte, also auch Bietern im Zwangsvollstreckungsverfahren für dessen Richtigkeit haften wolle. Der ihm als bekannt anzunehmende Umstand einer Einsichtnahme Dritter in sein Gutachten führt nicht bereits dazu, daß er sich über die Entschließung der Bieter, im Versteigerungsverfahren mit zu bieten, hinausgehend zurechnen lassen muß, daß sein Gutachten einer Vielzahl der in Betracht kommenden Dritten möglicherweise als Grundlage für die Höhe ihres Gebots und damit für deren Vermögensdispositionen dient. Denn auch wenn oftmals das zu erstattende Gutachten Personen, die zum Sachverständigen nicht in vertraglichen Beziehungen stehen, als Grundlage für deren Entscheidung dient, sind die Interessen des Sachverständigen zu beachten, nicht in unzumutbarer Weise mit Schadensersatzpflichten gegenüber Dritten belastet zu werden, für die er das Gutachten nicht erstattet hat (vgl. BGH NJW 1984, 355, 356).

Folgerichtig hat der Kläger den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch deshalb mit der Behauptung, vom Beklagten in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt worden zu sein, auf die Vorschrift des § 826 BGB gestützt. Nach dieser Vorschrift trifft die Haftung des Sachverständigen nicht bereits im Falle einer bloßen fehlerhaften Gutachtenerstattung ein, sondern nur dann, wenn sein dabei zu Tage getretenes Verhalten sich als ein Verstoß gegen die guten Sitten darstellt, weil er etwa bei seinen Ermittlungen zu den Grundlagen des Gutachtens in einer Weise nachlässig verfahren ist oder gar „ins Blaue“ Angaben gemacht hat, die sich als Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten und den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten darstellen, welche „angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließung hatte, und im Hinblick auf die von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muß“ (vgl. BGH NJW 1991, 3282, 3283 m. w. N.).

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Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, sei vor allem dann von einem als leichtfertig und gewissenlos anzusehenden Verhalten des Sachverständigen und einem daraus abzuleitenden bedingten Vorsatz auszugehen, wenn dieser bei Erstellung eines unrichtigen Gutachtens selbst erkannt hätte, daß er sich so verhält (BGH a. a. O. unter Hinweis auf BGH VersR 1979, 283, 284). Es läge aber auch vor, wenn der Sachverständige „damit einen eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf die Belange Dritter sucht, wenn er sich über bereits geltend gemachte Bedenken hinweg setzt oder es ihm aus sonstigen Gründen gleichgültig ist, ob und gegebenenfalls welche Folgen sein leichtfertiges Verhalten hat“ (BGH a. a. O. mit weiteren Nachweisen).

Der Beklagte hat mit Ausnahme seiner Angabe über die Frontlänge des Grundstücks, die seinen Angaben zufolge nur der Beschreibung des Grundstücks dient und auf einem „Tippfehler“ beruhen soll, eine Fehlerhaftigkeit seines Gutachtens in den vom Kläger für seinen Klageanspruch behaupteten Abweichungen von den tatsächlichen Verhältnissen bestritten.

Selbst unterstellt, die Beanstandungen des Klägers würden sich im Falle einer Beweiserhebung bestätigen, ließe sich hieraus kein gewissenloses Verhalten des Beklagten herleiten. Der Senat hat jedenfalls ein solches nicht feststellen können. Es sind weder Anhaltspunkte vorhanden, daß der Beklagte bei Erstellung seines Gutachtens dessen – unterstellte – Fehlerhaftigkeit selbst erkannt und dennoch in leichtfertiger Weise falsche Angaben gemacht hat, noch ist ersichtlich, daß er einen eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf die Belange Dritter gesucht und/oder sich über bereits geltend gemachte Bedenken hinweg gesetzt hat, oder es ihm aus sonstigen Gründen gleichgültig gewesen ist, ob und gegebenenfalls welche Folgen sein leichtfertiges Verhalten gehabt hat.

Aus dem Gutachten ergibt sich, daß dem Beklagten für seine Begutachtung die Räumlichkeiten der Gebäude nur eingeschränkt zugänglich gewesenen sind und damit vollständige Angaben zur Art, Beschaffenheit und Größe der Wohnflächen fehlten, ihm aber auch nur unvollständige Angaben zu den tatsächlichen Erträgnissen des Grundstücks vorgelegen haben. Der Beklagte hat dies an verschiedenen Stellen seines Gutachtens verdeutlicht, nämlich auf (Hervorhebungen zugefügt):

Seite 9: alle weiteren rechts spannenden Wohnungen in diesem Aufgang sind nach diesseitigem Eindruck mit den postalisch rechts spannenden Wohnungen des Quergebäudes verbunden bzw. stellen je Geschoß eine zusammenhängende Einheit dar.

Seite 10: auf dem Grundstück befinden sich insofern nach diesseitiger Einschätzung insgesamt 21 Wohneinheiten incl. verbundener Wohnungen im Bereich des Seitenflügels und des anbindenden Quergebäudes sowie 2 Gewerbeeinheiten im Souterrain des Vorderhauses.

Seite 11: der Zuschnitt der im Hochpaterre links belegenen Vorderhauswohnung dürfte gleichfalls überwiegend den darüber belegenen Wohnungen entsprechen, wobei das hofseitige Vorderhaus-Zimmer fehlt und die beiden straßenseitigen Zimmer deutlich kleiner sind.

bei den im Seitenflügelaufgang im 2. und 3. OG postalisch rechts belegenen Wohnungen handelt es sich vermutl. um 1-Zimmerwohnungen … Podesttoiletten … die vermutl. nicht mehr genutzt werden.

Seite 12: der Quergebäudeaufgang weist im 4. OG … auf – im 2. und 3. OG sind postalisch rechts spannend vermutl. lediglich 1-Zimmerwohnungen mit Badezimmer und Kochnische im Bereich des zum 2. Hof orientierten Zimmers vorhanden.

Der Zuschnitt der im Hochpaterre links spannenden Wohnung dürfte dem der im 4. OG postalisch rechts spannenden Wohnung entsprechen – die postalisch rechts spannende Wohnung im Hochpaterre weist … auf.

Seite 13: Sanitärbereiche sind vermutl. in den Souterrain-Einheiten nicht vorhanden – anläßlich des Besichtigungstermins war u. a. keine der Souterraineinheiten zugänglich.

Seite 21: die im Quergebäude belegenen Wohnungen weisen dem Vernehmen nach zentrale Warmwasserbereitung über die dort vorhandene Öl-Zentralheizungsanlage auf.

-inwieweit ggf. weitere der nicht besichtigten Wohnungen bzw. der Gewerbeeinheiten mit Gas-Etagenheizungen ausgestattet sind, konnte anläßlich des Besichtigungstermins durch den Unterzeichner nicht erkannt werden.

Die beiden separaten Wohnungen im 2. und 3. OG des Seitenflügels sind nach mieterseitigen Angaben trotz der im Treppenhaus bereits eingeschlitzten und bereits angeschlossenen Heizleitungsstränge bisher noch mit Kohleeinzelbrenneröfen ausgestattet und beheizt.

Seite 25: Nutzfläche: nach vorliegenden Einzelangaben aus der Mieterliste, mieterseitiger Auskunft sowie überschlägigen Ermittlungen anhand der Bruttogeschoßfläche

Miet-Erträge: It. Vorliegender Aufstellung sowie mieterseitigen Angaben

Seite 32: die Vertragskonditionen der im Souterrain links belegenen Gewerbeeinheit sind nicht bekannt geworden –.

Auch wenn wünschenswert gewesen wäre, daß der Beklagte bereits eingangs seines Gutachtens einen allgemeinen Hinweis auf die eingeschränkt gewesene Möglichkeit der Besichtigung der Wohnungen und der Gewerbeflächen und der Feststellung tatsächlich erzielter Erträgnisse aufgenommen und noch offensichtlicher und deutlicher in seinem Gutachten zum Ausdruck gebracht hätte, führt ein solches Verhalten nicht zu einer Qualifizierung als rücksichts- und gewissenlos.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen läßt sich auch aus den einzelnen Beanstandungen des Klägers kein zum Schadensersatz nach § 826 BGB führendes Verhalten herleiten.

Zur – unstreitig – unzutreffend im Gutachten mit rd. 17 statt ca. 16 (15,69 m) aufgeführten Frontlänge führt der Beklagte aus, daß er diese mit 15,69 m aus der Flurkarte im Maßstab 1.1000 ebenfalls „herausgemessen“ und aus den Bauvorlagen zum Bauschein Nr. 202 vom 5. März 1879 übernommen habe; infolge eines „Tippfehlers“ sei im Gutachten allerdings eine Frontlänge von rd. 17 m ausgewiesen worden. Die Angabe habe aber nur der Grundstücksbeschreibung und ihm nicht zur Berechnung der Bruttogeschoßfläche von 1.840 m² ohne Souterrainflächen gedient.

Gegen einen vom Kläger in Zweifel gezogenen sog. „Tippfehler“ könnte das auf Seite 3 des Gutachtens aufgeführte Seitenverhältnis von 1,0 zu 1,9 bei einer Grundstückstiefe von 32 m im Mittel sprechen, das sich aus dem Verhältnis von 17 zu 32 m ergibt. Bei einem Verhältnis von 16 (15.69 m) zu 32 m ergibt sich ein Wert von 1:2 bzw. 1:2,04). Ist aber die Bruttogeschoßfläche aus anderen Grundlagen ermittelt worden, wie der Beklagte behauptet, wäre dieser Fehler, unabhängig davon, ob es sich um einen „Tippfehler“ handelt oder nicht, nicht ursächlich. Unabhängig von dieser Frage könnte wegen dieses Fehlers dem Beklagten kein unverantwortliches Verhalten vorgeworfen werden.

Die Frage, wie und aus welchen Unterlagen bzw. Angaben Dritter er die Gewerbeflächen im Souterrain und die Wohnflächen im Quergebäude, im Vorderhaus und im Seitenflügel ermittelt habe, erläutert der Beklagte, daß er die über dem Kellergeschoß gelegene Nutzfläche (alle Vollgeschosses) wegen Fehlens nennenswerter Angaben auch des zuständigen Zwangsverwalters H aus der Bruttogeschoßfläche nach § 20 BauNVO ermittelt habe. Von der Bruttogeschoßfläche habe er nach – aus empirisch ermittelten Erfahrungswerten hergeleiteten – Richtwerten bei dem hier vorliegenden Altbau rd. 25 % für Konstruktionsflächen (alle Wände) und neutrale Verkehrsflächen (u. a. Treppenhausaufgänge) abgezogen, um so die vorhandene Wohnfläche zu erhalten. Diese von ihm vorgenommene Verfahrensweise werde durch die nach Gutachtenerstattung per 31. März 2000 im Amtsblatt für Berlin von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erfolgte Veröffentlichung entsprechender Berechnungskriterien bestätigt.

Soweit der Kläger hiergegen einwendet, daß der Gutachterausschuß im März 2000 den Mittelwert für den Wohn- und Nutzflächenfaktor mit 27,5 % und den Konfidenzbereich mit 27,9 bis 27,2 % angegeben habe, so daß der Abzug von 25 % nicht nachvollziehbar sei, ist darauf hinzuweisen, daß das Gutachten am 15. Juni 1999 erstattet worden ist und deshalb die Empfehlungen oder Vorgaben des Gutachterausschusses aus dem Monat März 2000 noch nicht vorlagen, so daß der Beklagte hiervon auch nicht abgewichen ist oder seine Abweichung hätte begründen können oder müssen. Bei der vom Beklagten angewandten und durch die nachfolgende Veröffentlichung empfohlenen Vorgehensweise kann das relativ geringfügige Abweichen des Beklagten von später empfohlenen jeweiligen Mittelwerten für Bauten aus verschiedenen Errichtungsjahren kein fehlerhaftes oder gar ein gewissenloses Verhalten darstellen.

Zu den Gewerbeflächen im Souterrain macht der Beklagte geltend, daß im Mieterspiegel der Zwangsverwaltung H lediglich ein Souterrain ohne Flächenangaben ausgewiesen worden sei. Auf Seite 13 seines Gutachtens hatte der Beklagte darauf hingewiesen, daß anläßlich des Besichtigungstermins keine der Souterraineinheiten ihm zugänglich gewesen sei. Daraus war zu folgern, daß der Beklagte die Flächen nicht gemessen, sondern aus anderen Werten ermittelt hat. Die Angaben des Beklagten, er habe die vorhandenen Flächen nicht aus der Geschoßfläche ermitteln können, da eine Abgrenzung dieser Nutzfläche in der Makrostruktur der äußeren Gebäudehülle auf Grund weiterer nicht gewerblich genutzter Kellerflächen nicht festlegbar gewesen sei, sondern an Hand örtlicher äußerer Wahrnehmung über die Fensterachsen auf die Zugehörigkeit dahinter belegener Raumbereiche als Gebäudefläche geschlossen und an Hand des Kellergrundrisses der Bauvorlagen die Fläche ermittelt, läßt ebenfalls kein rücksichtsloses oder gewissenloses Verhalten erkennen. Wegen der Beanstandung des Klägers, der Beklagte habe in seinem Gutachten nicht darauf hingewiesen, daß ihm keine Flächenangaben zur Verfügung gestanden hätten, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen, wonach es wünschenswert gewesen wäre, daß der Beklagte nicht nur – wie geschehen – auf die fehlende Zugänglichkeit, sondern auch auf die deshalb gewählte Art der getroffenen Ermittlung hingewiesen hätte. Andererseits konnte der Kläger aber auch nicht davon ausgehen, daß die Flächenermittlung trotz Hinweis im Gutachten auf die fehlende Besichtigungsmöglichkeit auf Grund zur Verfügung stehender exakter Flächenangaben erfolgt ist.

Bezüglich der Wohnfläche im Quergebäude führt der Beklagte aus, daß ihm die Mieterliste der Zwangsverwaltung nur mit einer Angabe bezüglich des Quergebäudes zur Verfügung gestanden und von welchen angetroffenen Mietern er Angaben erhalten habe. Auf Seite 12 seines Gutachtens hat er darauf aufmerksam gemacht, daß bestimmte Angaben zu den Wohnungen auf Vermutungen beruhen. Seine Schlußfolgerung, daß er auf Grund der „Wahrnehmung“ einzelner im Quergebäude belegenen Wohnungen einen bereits modernisierten Standard mit Badezimmer und Zentralheizung vorgefunden und deshalb auf einen homogenen Ausbaustand des Quergebäudes geschlossen habe, ist nicht geeignet, ihm hieraus ein rücksichts- oder gewissenloses Verhalten anzulasten. Seine getroffene Folgerung ist möglich und vertretbar, wenn keine sonstigen Anhaltspunkte vorliegen oder Tatsachen sich aufdrängen, daß nur einzelne Wohnungen des Gebäudes modernisiert und Mieter in noch nicht modernisierten Wohnungen nicht angetroffen worden sind.

Allerdings wirft der Kläger dem Beklagten neben der bereits oben behandelten Frage der Berechnung aus der Bruttogeschoßfläche vor, sich bei einer Teilfläche von 7 m x 8,8 m und von 136,47 m² (bzw. 128,47 m²) x 5 m verrechnet zu haben sowie den Angaben der Mieter der beiden separaten Wohnungen im 2. und 3. Obergeschoß über ihre noch mit Kohleeinzelbrennöfen ausgestatteten und beheizten Wohnungen und eines Mieters über die im Mietvertrag ausgewiesene zu hohe Fläche seiner Wohnung nicht nachgegangen zu sein.

In der Gebäudebeschreibung auf Seite 3 des Gutachtens ist unter Bauwich und auf Seite 7 des Gutachtens unter Baujahr von Blockinnenbebauung mit linkem Seitenflügel und Quergebäude bzw. von straßenseitigem Wohngebäude mit anbindendem Seitenflügel und Quergebäude die Rede. Auf Seite 8 heißt es dann weiter (Hervorhebung zugefügt): „Einbau einer Zentral-Heizungsanlage nebst zentraler Wasserversorgung im Quergebäude ( auch im Seitenflügelaufgang ) ohne Genehmigung – bauaufsichtliche Genehmigung erteilt nach Fertigstellung im Jahr 1997; Fertigstellung der Arbeiten und Mängelbeseitigung bisher nicht vollständig erfolgt .“ Auf Seite 21 des Gutachtens ist ausgeführt, daß die beiden separaten Wohnungen im 2. und 3. OG des Seitenflügels nach mieterseitigen Angaben trotz der im Treppenhaus bereits eingeschlitzten und bereits angeschlossenen Heizleitungsstränge bisher noch mit Kohleeinzelbrennöfen ausgestattet und beheizt sind. Sollte sich die Aussage des Beklagten über die im Quergebäude als modernisiert bezeichneten Wohneinheiten auch auf die beiden separaten Wohnungen im 2. und 3. OG des Seitenflügels beziehen oder vom Kläger so verstanden worden sein, hätte der Kläger aus seinem Verständnis dieser Angabe wegen Seite 21 des Gutachtens eine Relativierung der Aussage über eine vollständige Modernisierung der Wohneinheiten des Quergebäudes und Seitenflügels – mit Ausnahme der beiden separaten Wohnungen – entnehmen können.

Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, führt nicht jeder Fehler des Sachverständigen zu seiner Haftung, insbesondere nicht zu einer nach § 826 BGB.

Zur Frage nach der Grundlage für seine Angaben zu tatsächlichen Miethöhen gibt der Beklagte an, daß sich Miethöhenangaben lediglich aus dem Mieterspiegel der Zwangsverwaltung und für das Vorderhaus und den Seitenflügel ferner aus einzelnen Mieterangaben ergeben hätten, die – wie der Kläger einräumt – einer Fläche weitgehend nicht oder nur schwer zuzuordnen seien. Auf Seite 25 seines Gutachtens habe er die hergeleitete Durchschnittsmiete aus einer Spanne von 10,69 DM/m² bis 13,20 DM/m² mit 11.96 DM/m² bzw. von 3,49 DM/m² bis 7,48 m² mit 4,78 DM/m² ermittelt. Ein hieraus herzuleitender tatsächlicher Monatsertrag von 6.219,20 DM sei nicht gesichert gewesen, was er durch die auf Seite 27 des Gutachtens vorgenommene Einschätzung bezüglich der Nachhaltigkeit erzielbarer Erträge dargelegt habe. Sein Mietansatz liege nach dem Mietspiegel 1998 im unteren Rahmen der ausgewiesenen Bandbreite.

Nicht zu folgen ist dem Beklagten bezüglich seines Verweises auf die – dem Gericht neben Seite 28 und 29 nicht vorgelegte – Seite 27 des Gutachtens, da unter Nachhaltigkeit lediglich der längere Fortbestand einer bestimmten Miethöhe und nicht deren bereits bestehende Ungewißheit zu verstehen ist. Diese anderweitige Betrachtungsweise des Beklagten zur Frage der Nachhaltigkeit und der Darstellung einer ungesicherten Angabe der Miethöhe erscheint zwar fehlerhaft, führt aber ebenfalls nicht zur Annahme einer rücksichts- und gewissenlosen Gutachtenerstattung. Die Bezugnahme des Beklagten auf den Mietspiegel dient dagegen lediglich der im Prozeß vorgenommenen Rechtfertigung der angesetzten Miethöhe als angemessene.

Die vom Kläger behaupteten Fehler des Beklagten, deren Vorliegen wiederum vorausgesetzt, lassen auch in ihrer Gesamtheit den Vorwurf einer rücksichts- und gewissenlosen Gutachtenerstattung nicht als gerechtfertigt zu. Die Erläuterungen des Beklagten im Prozeß sowie in seinem Gutachten (u. a. auf Seite 25 zur überschlägigen Ermittlung anhand der Bruttogeschoßfläche und auf Seiten 34 ff der Bewertungsgrundlagen und des Ertragswertes) stehen der wertenden Behauptung des Klägers entgegen, wonach der Beklagte sein Gutachten auf Annahmen „ins Blaue hinein“ gestützt hat. Schließlich fehlt auch jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagte ein fehlerhaftes Gutachten in Verfolgung eines eigenen Vorteils ohne Rücksicht auf die Belange Dritter erstattet hat oder es ihm aus sonstigen Gründen gleichgültig war, ob und gegebenenfalls welche Folgen ein ggfl. als leichtfertig zu bewertendes Verhalten hat.

Die Berufung war somit wegen Fehlens der Voraussetzungen für einen Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zurückzuweisen.

Darüber hinaus sieht in Übereinstimmung mit dem Landgericht auch der Senat den vom Beklagten in Höhe eines Teilbetrags von 100.000 DM behaupteten Schaden nach Art und Umfang seiner Geltendmachung nicht als begründet an.

Der Beklagte hat nach eigener Darlegung das Grundstück für einen Preis ersteigert, der nicht über, sondern unter dem vom Beklagten behaupteten Verkehrswert liegt. Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, daß die vom Bundesgerichtshof dargelegten Grundsätze für die Fälle des Ersatzes des sog. negativen Interesses bei einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen auf die hier zu beurteilende besondere Fallkonstellation anzuwenden sind. Anders als im Falle eines Käufers, der sich auf Grund eines vom Verkäufer zum Zwecke der Veräußerung eines Grundstücks in Auftrag gegebenen und ihm zugänglich gemachten Gutachtens zur individuellen Aushandlung eines Kaufpreises entschließt und in Kenntnis eines fehlerhaft zu hohen Ansatzes des Verkehrswertes einen in Relation dazu geringeren Kaufpreis geboten hätte, läßt sich der Gedankengang einer hypothetischen Schadensermittlung in Relation zu den Verkehrswerten nicht auf das Zwangsversteigerungsverfahren übertragen. Denn bei der Zwangsversteigerung wird keine individuelle Vereinbarung über den Kaufpreis auf der Grundlage eines Verkehrsgutachtens getroffen, sondern der Zuschlag unabhängig von der Höhe des Verkehrswertes erteilt, soweit und sobald die Voraussetzungen für den Zuschlag vorliegen und kein höheres Gebot erfolgt ist. Der Zuschlag erfolgt, vom geringsten Gebot gemäß § 44 ZVG, des zu zahlenden Betrags gemäß § 49 ff ZVG und von § 85 a Abs. 1 ZVG im ersten Termin abgesehen, nicht auf der Grundlage einer Vereinbarung über den im Hinblick auf den Verkehrswert individuell ausgehandelten Grundstückspreis. Demzufolge kann ein angeblicher Schaden nicht unter Herabsetzung der Gebote der einzelnen Bieter in Relation des im Verkehrsgutachten angegebenen Wertes zu dem – hier behaupteten – tatsächlichen bzw. angeblichen Wert ermittelt werden. Wie das Landgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, entspricht die Schadensberechnung des Klägers der Geltendmachung entgangenen Gewinns, da seiner Schadensberechnung die Annahme zu Grunde liegt, daß er das Grundstück um 155.000 DM preiswerter hätte ersteigern können und dabei mit knapp 77 % des Verkehrswert immer noch teurer, als nach den bei der Auswertung von 100 Zuschlägen bei einem anderen Berliner Amtsgericht, dem Amtsgericht Spandau, festgestellten Durchschnittswert von 68,32 % zu erwarten gewesen wäre.

Der vom Kläger verspätet erst in dem ihm zur Erwiderung auf den Schriftsatz des Beklagten vom 27. Mai 2002 nachgelassenen Schriftsatz angekündigten Antrag auf vorsorgliche Zulassung der Revision stellt sich als Anregung dar, da über die Zulassung auch ohne Antrag von Amts wegen zu befinden ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, §§ 711, 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

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