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Haftung des Reiseveranstalterhaftung: Sturz aus Hängematte auf einer Kreuzfahrtreise

AG Rostock, Az.: 47 C 359/13

Urteil vom 22.02.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines – strittigen – Sturzes aus Hängematte während einer Kreuzfahrtreise.

Haftung des Reiseveranstalterhaftung: Sturz aus Hängematte auf einer Kreuzfahrtreise
Symbolfoto: Pixabay

Die Klägerin buchte bei der Beklagten für den Zeitraum vom 09.11. bis 23.11.2012 eine Kreuzfahrtreise. Die Klägerin hatte eine Balkonkabine, auf der sich eine Hängematte befand. Aufgrund von Verletzungen, deren Ursachen strittig sind, suchte die Klägerin den Schiffsarzt auf. Im „Medical Guest Accident Report“ gab die Klägerin folgende Umstände, die zum Unfall führten an:

„Ich wollte noch den kühlen Abendwind genießen. Dazu legte ich mich in die Hängematte am Balkon. Nach ca. zwei Minuten fiel ich aus Matte zu Boden. Höhe Matte/Boden ca. ein Meter“

Die Klägerin erlitt durch einen Sturz einen doppelten Schlüsselbeinsplitterbruch und Rippenprellungen. Der Schlüsselbeinbruch musste später operativ behandelt werden.

Mit der Klage fordert die Klägerin Schadensersatz für Behandlungskosten, Medikamentenzuzahlungskosten und Fahrtkosten sowie Aufwendungen für die Inanspruchnahme einer Putzhilfe im Haushalt in Höhe von insgesamt 556,09 €. Weiterhin macht die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.000,00 € geltend.

Die Klägerin behauptet, sie sei unmittelbar nach dem Einsteigen in die Hängematte aus dieser gestürzt und habe sich dabei die o. g. Verletzungen zugezogen. Sie sei wegen der geringen Breite aus der Hängematte herausgefallen.

Die Klägerin meint, pflichtwidrig sei bezüglich der Gefährlichkeit der Hängematte – unstrittig – weder ein Hinweis noch ein Warnschild angebracht worden. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass eine Hängematte, die durch die Beklagte zur Verfügung gestellt werde, auch gefahrlos genutzt werden könne. Anderenfalls wäre eine Anleitung oder ein entsprechendes Hinweisschild anzubringen gewesen. Zudem hätte die Hängematte tiefer gehängt werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 556,09 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2013 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, das mindestens 2.000,00 € betragen sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Sturz aus der Hängematte mit Nichtwissen. Weiter trägt die Beklagte vor, die Liegefläche der streitgegenständlichen Hängematte betrage 2,20 m x 1,40 m.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem von ihr vorgetragenen Sturz aus der Hängematte auf dem Balkon des Kreuzfahrtschiffes der Beklagten (die Richtigkeit dieses Sachvortrages unterstellt) weder Schadensersatz- noch Schmerzensgeldansprüche. Bei dem bedauerlichen Unfall der Klägerin realisierte sich das allgemeine Lebensrisiko. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten ist nicht festzustellen.

Einen Reiseveranstalter trifft eine vertragliche und eine deliktische Schadensersatzhaftung, wenn er seine zum Schutz der Sicherheit der Reisenden bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Diese erstreckt sich nicht nur auf dem Bereich der vertraglich geschuldeten Reiseleistung, sondern erfasst auch Einrichtungen, die aus Sicht des Reisenden als integraler Bestandteil eines Reiseelements erscheinen (Eckert, Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Verkehrssicherungspflicht der Reiseveranstalter und ihre Auswirkungen auf die Haftung, RRa 2007, 113, 120).

Die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht hat zum Inhalt, dass bei der Ausübung eines Gewerbes diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Für die deliktische Haftung des Reiseveranstalters ist von Bedeutung, welche rechtlichen Verpflichtungen ihm hierzu obliegen. Er übernimmt gemäß seinem Angebot die Planung und Durchführung der Reise, er haftet insoweit für deren Erfolg und trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens. Deshalb darf der Reisende darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise erforderliche unternimmt. Der Reiseveranstalter ist somit für die Sicherheit der von ihm vermittelten Unterkünfte und Transportmittel selbst verantwortlich, mag auch die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber oder Beförderer treffen (BGH NJW 2006, 2368; BGHZ 103, 298).

Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar. Der Pflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder vermeiden kann, nicht aber vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann (Palandt/Sprau BGB 73. Aufl., § 853 Rn. 51 m.w.N.).

Hier verwirklichte sich durch den Sturz der Klägerin deren allgemeines Lebensrisiko.

Die Instabilität einer Hängematte, die Möglichkeit des Verdrehens der Hängematte und der damit verbundenen Gefahr des Herausfallens ist so offensichtlich und deutlich, dass man davor nicht warnen muss. Wer eine Hängematte benutzt, muss mit besonderer Vorsicht in diese einsteigen und dabei jederzeit damit rechnen und vorbereitet sein, dass diese durch eine Drehung ein Herausfallen bewirkt. Dies gilt auch, wenn man es geschafft hat, sich in die Hängematte zu legen, da dadurch die Instabilität der Hängematte nicht beseitigt wird. Einen Hinweis auf das Offensichtliche bedarf es nicht. Gleiches gilt im Übrigen für eine Anleitung. Eine solche ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die körperliche Konstitution möglicher Benutzer einer Hängematte sehr unterschiedlich sein kann. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass es „die eine“ Möglichkeit gibt, um in eine Hängematte einzusteigen und dort zu liegen, so dass die von der Klägerin gewollte Bedienungsanleitung nicht darstellbar ist.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Hängematte sei zu schmal gewesen, erschließt sich dies nicht. Abgesehen davon, dass hierzu konkreter Vortrag der Klägerin fehlt, ist auf dem von der Beklagten eingereichten Foto von der streitgegenständlichen Hängematte, in der ein Besatzungsmitglied liegt, zu erkennen, dass diese ausreichend breit ist, um eine erwachsene Person aufzunehmen. Soweit diese Person aus Sicht der Klägerin „deutlich kleiner als der durchschnittliche Europäer zu seien scheint“ mag dies hinsichtlich der Körpergröße zutreffen. Die vorgenannte Feststellung zur Breite der Hängematte ist von diesem Einwand nicht betroffen.

Auch der Vorwurf, die Hängematte sei mit ca. einem Meter über dem Boden zu hoch angebracht worden, rechtfertigt keine Feststellung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten. Zunächst ist auch hierzu anzumerken, dass diese „Gefahr“ offensichtlich ist. Zudem wird auf dem von der Beklagten eingereichten Foto auch deutlich, dass die Hängematte stark durchhängt und der Abstand in der Mitte der Hängematte zum Boden lediglich ca. 30 bis 40 cm beträgt.

Letztlich bedarf es aufgrund der vorgenannten Feststellungen keiner besonderen Bewertung des widersprüchlichen Vortrages der Klägerin in der Klage (Sturz unmittelbar beim Einsteigen in die Hängematte) und ihren Angaben gegenüber dem Schiffsarzt (Sturz nachdem sie bereits zwei Minuten in der Hängematte lag).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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