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Haftung des Stromnetzbetreibers für Stromausfall infolge einer defekten Hausanschlussmuffe

LG Halle (Saale) – Az.: 2 S 263/11 – Urteil vom 16.03.2012

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 16.09.2011 -Az. 102 C 1199/10 – abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.047,59 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung ist auch begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft sowie gem. den §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt als auch begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz verpflichtet.

1.

Haftung des Stromnetzbetreibers für Stromausfall infolge einer defekten Hausanschlussmuffe
Symbolfoto: Von Antonio Guillem/Shutterstock.com

Dabei kann auf sich beruhen, inwieweit die in Rede stehende Beschädigung der klägerischen elektrischen Anlagen auf die durch die defekte Hausanschlussmuffe am 30.10.2009 zunächst hervorgerufene Überspannung und den sodann eingetretenen Stromausfall zurückzuführen ist und ob der von der Klägerin insoweit geltend gemachte Schaden der Höhe nach gerechtfertigt ist. Jedenfalls handelt es sich bei der in § 18 NAV enthaltenen Regelung allein um eine widerlegliche Verschuldensvermutung, aber keine eigene Anspruchsgrundlage. Insoweit ist in § 18 Abs. 1 NAV geregelt, dass, soweit ein Netzbetreiber für Schäden, die ein Anschlussnutzer wegen Unterbrechung durch Unregelmäßigkeiten in der Anschlussnutzung erleidet, aus Vertrag, Anschlussnutzungsverhältnis oder unerlaubter Handlung haftet und dabei Verschulden des Unternehmers oder eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen vorausgesetzt wird, dass zweitens hinsichtlich der Beschädigung einer Sache die widerlegliche Vermutung gilt, dass Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt. Hieraus folgt, dass zunächst eine vertragliche bzw. deliktische Haftung festgestellt werden muss, die regelmäßig eine Pflichtverletzung voraussetzen. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

a)

Insbesondere besteht keine Pflichtverletzung im Sinne von § 16 NAV.

Gem. § 16 Abs. 3 NAV hat der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend zu halten. Allgemein übliche Verbrauchsgeräte und Stromerzeugungsanlagen müssen einwandfrei betrieben werden können. Stellt der Anschlussnutzer Anforderungen an die Stromqualität, die über die Verpflichtungen nach den Sätzen 1 und 2 hinausgehen, so obliegt es ihm selbst, innerhalb seines Bereichs Vorkehrungen zum störungsfreien Betrieb seiner Geräte und Anlagen zu treffen. Weiter ist der Netzbetreiber gem. § 16 Abs. 1 NAV verpflichtet, dem Anschlussnutzer in dem im Netzanschlussverhältnis vorgesehenen Umfang die Nutzung des Netzanschlusses jederzeit zu ermöglichen. Dies gilt jedoch nicht, soweit und solange der Netzbetreiber hieran durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung ihm im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 Energiewirtschaftsgesetz nicht zugemutet werden kann, gehindert ist.

Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass gewisse Unterbrechungen und Schwankungen der Energieversorgung vom Kunden hinzunehmen sind und keine Vertragsverletzung seitens des Netzbetreibers darstellen. Auch nach dem heutigen Stand der Technik ist es nicht möglich, eine 100 % konstante Stromversorgung zu gewährleisten, weshalb der Kunde ausweislich der in § 16 Abs. 3 Satz 3 NAV enthaltenen Regelung hierfür selbst Sorge zu tragen hat.

Eine für einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung der Beklagten kann in derartigen Stromunterbrechungen bzw. Spannungsschwankungen aber jedenfalls nicht gesehen werden.

b)

Des Weiteren ist nicht davon auszugehen, dass eine Pflichtverletzung in Form einer nicht fachmännischen Montage der unstreitig schadensursächlichen defekten Anschlussmuffe vorliegt.

Die Anschlussmuffe wurde bereits im Jahre 1998 verlegt. Bis zu dem hier in Rede stehenden Schadensfall funktionierte diese einwandfrei, was den Schluss auf ihre fehlerfreie Installation zulässt. Insoweit ist auch keine Pflichtverletzung von Seiten der Klägerin behauptet worden.

c)

Soweit sich die Klägerin auf eine Pflichtverletzung in der Weise beruft, dass es die Beklagte unterlassen hat, das im Erdreich verlegte Kabel sowie die Hausanschlussmuffe in regelmäßigen Abständen zu untersuchen, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Vielmehr ist nicht davon auszugehen, dass eine derartige generelle Überwachungs- und Wartungspflicht der Beklagten besteht. Eine derartige Pflicht ergibt sich weder aus dem Gesetz oder den von der Klägerin zitierten DIN- und Betriebsschutzvorschriften noch ist ersichtlich oder vorgetragen, dass der dem hiesigen Anschlussnutzungsverhältnis zugrunde liegende Vertrag eine dahingehende Pflicht der Beklagten begründet.

Zwar ist zutreffend, dass die Betreiber von Energieversorgungsnetzen gem. § 11 Abs. 1 EnWG verpflichtet sind, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Abgesehen davon, dass bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine Erfüllung dieser Pflicht durch die Beklagte spricht, zumal neben dem hier in Rede stehenden Vorfall keine weiteren Zwischenfälle vorgetragen oder bekannt sind und somit alles auf ein leistungsfähiges und instantes Kabelnetz hinweist, macht auch die durch den Gesetzgeber formulierte Einschränkung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit deutlich, dass nicht per se vom Netzbetreiber verfangt werden kann, insbesondere im Erdreich verlegte Kabel und Anschlussmuffen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Dabei kann auf sich beruhen, ob eine Überprüfung allein durch ein Freilegen der Kabel oder auch mit anderen Mitteln möglich ist, denn es wird allein an der durch die Beklagte betriebenen verlegten Kabel mit einer Gesamtlänge von ca. 43.000 km deutlich, dass eine permanente Kontrolle nicht realisierbar ist Hinzukommt der unwidersprochene Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Verlegung derartiger Hausanschlussmuffen und der damit verbundenen Befüllung mit Gießharz, aufgrund dessen eine Kontrolle der Anschlussmuffe mit deren Zerstörung und nicht wieder Verwendbarkeit verbunden wäre.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehen würde, dass gleichwohl in gewissen Abständen Kontrollen zwingend erforderlich sind, kann daraus vorliegend nicht abgeleitet werden, dass der hiesige Schadensfall dadurch hätte vermieden werden können. Vielmehr sind derartige Beschädigungen von Hausanschlussmuffen etwa auf steigendes Grundwasser, Frost, Erdbewegungen oder sonstige betriebsfremde Einwirkungen zurückzuführen, die jederzeit zu technischen Störungen führen können.

Überdies hat die Beklagte ausgeführt, dass eine Überwachung ihrer Leitungen in Schaltzentralen erfolgt und es im Falle einer Störung zur Abschaltung des Stromflusses kommt. So war es auch im vorliegenden Fall, denn unstreitig trat nach der zunächst hervorgerufenen Überspannung Stromausfall ein.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann von der Beklagten insbesondere unter Berücksichtigung des Gebotes der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nicht mehr verlangt werden und insoweit liegt mithin kein Pflichtverstoß vor.

d)

Ferner liegt ein Pflichtverstoß der Beklagten auch nicht in der Verletzung einer Hinweispflicht.

Ein schuldhaftes Unterlassen und damit einhergehend jedenfalls eine fahrlässige Pflichtverletzung wegen fehlenden Hinweises darüber, dass das Netz nicht regelmäßig kontrolliert werde und deshalb die latente Gefahr einer Versorgungsstörung gegeben sei, besteht nicht. Der Betrieb von technischen Anlagen birgt üblicherweise das Risiko einer Störung in sich. Dieses ist allgemein bekannt und kann die unterschiedlichsten Ursachen – wie etwa aufgrund von Naturereignissen wie Blitzschlag oder betriebsfremder Einwirkung durch Dritte – haben. Indes besteht grundsätzlich keine Pflicht, auf derart allgemein bekannte Risiken hinzuweisen bzw. über diese zu belehren. Vielmehr ist es Sache jedes einzelnen Anschlussnutzers, seine Rechtsgüter mittels entsprechender Sicherungsvorkehrungen zu schützen, zumal die Verantwortlichkeit des Netzbetreibers ohnehin am Hausanschluss endet und er auf den dahinter liegenden Bereich keine Einflussmöglichkeiten hat.

Nach alledem fehlt es bereits an einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung der Beklagten, weshalb es auf die Frage des Verschuldens bzw. eine Widerlegung der in § 18 Abs. 1 NAV normierten Verschuldensvermutung nicht ankommt.

2.

Selbst wenn man aber zugunsten der Klägerin von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten ausgehen würde, stünde deren Inanspruchnahme ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin entgegen.

Klägerseits ist in der mündlichen Verhandlung vom 29.02.2012 darauf hingewiesen worden, dass das Gebäude der Klägerin im Jahre 1938 errichtet worden ist und zum Zeitpunkt der Errichtung die Anbringung der von der Beklagten erwähnten Potentialausgleichsschiene noch nicht dem Stand der Technik entsprach. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Klägerin in der Folgezeit keine Erneuerungen bzw. Modernisierungsmaßnahmen an ihren elektrischen Anlagen vorgenommen hat. Dies erscheint mit Blick auf die von ihr zitierten DIN-Vorschriften pflichtwidrig und begründet jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden.

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

III.

Der Rechtsstreit war auch entscheidungsreif.

Insbesondere bestand nicht die Pflicht zur Erteilung weiterer Hinweise gem. § 139 ZPO und auch war kein Raum, gem. § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Zwar ist zutreffend, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis gem. § 139 ZPO zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält, da ohne einen vorherigen Hinweis ein Gericht keine Anforderungen an den Sachvortrag stellen darf, mit denen auch eine gewissenhafte und kundige Prozesspartei nach den bisherigen Prozessverlauf zu rechnen braucht (BGH Beseht v. 04.05.2011, Az. XII ZR 86/10). Diese Konstellation liegt indes auch nicht vor. Die Entscheidung der Kammer beruht nicht darauf, dass sich höhere Anforderungen an die Substantiierung im Vortrag stellen würde als das Amtsgericht.

Anders als in dem vom BGH entschiedenen Rechtsstreit hat vorliegend die Kammer aber nicht ihre bereits in einem vorgelagerten PKH-Verfahren oder anderweitig geäußerte Auffassung geändert, sondern vertritt lediglich eine andere Rechtsansicht als die Vorinstanz. Dies hat die Kammer entgegen dem Vorbringen der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.03.2012 auch in der mündlichen Verhandlung erläutert und unter Hinweis auf die in § 16 Abs. 3 NAV vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, wonach die Spannung „möglichst“ gleichbleibend sein soll, begründet. Zu den Ausführungen des Kammervorsitzenden ist sodann den Parteivertretern Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden.

Eine darüber hinaus gehende Hinweispflicht und Stellungnahme der Parteien war nicht veranlasst, zumal die Frage des Vorliegens einer objektiven Pflichtverletzung der Beklagten bereits erstinstanzlich von dieser wiederholt thematisiert und bestritten worden ist. Gleichwohl ist es der Klägerin nicht gelungen, hierzu in der Weise vorzutragen, dass die Kammer der Ansicht des Amtsgerichts folgt. Selbst in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 05.03.2012 finden sich hierzu keine weiteren Darlegungen, die Anlass zu einer abweichenden Auffassung der Kammer geben würden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erwächst aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 3 ZPO, 47 GKG.

VI.

Die Revision ist gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

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