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Haftung einer Schuldnerberatungsstelle für fehlerhafte Beratung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 38/19 – Urteil vom 13.11.2019

Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19.2.2019 unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 13.480,33 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2018 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 57% und der Beklagte zu 1. zu 43 %. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. zu 14% und die des Beklagten zu 2. in vollem Umfang. Im Übrigen werden Kosten nicht erstattet.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.579,79 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Schadensersatzanspruch wegen einer angeblich fehlerhaften Schuldnerberatung geltend.

Der Kläger suchte im März 2015 die Beratungsstelle des Beklagten zu 1. auf, der eine geeignete Stelle nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 Brandenburgisches Gesetz zur Ausführung der Insolvenzordnung (Bbg AGInsO) ist. Der Beklagte zu 2. war vertretungsberechtigter Vorstand des Beklagten zu 1. und hat den Kläger seinerzeit unentgeltlich beraten.

Das Landgericht hat den Beklagten zu 1. durch Urteil vom 19.02.2019 zur Zahlung von 14.519,02 € an den Kläger verpflichtet und im Übrigen die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das vorgenannte Urteil (Bl. 185 ff.) Bezug genommen.

Gegen das Urteil wenden sich der Kläger und der Beklagte zu 1. mit ihren Berufungen.

Der Beklagte zu 1. meint, die Beklagten seien nicht passiv legitimiert, weil ein etwaiger Schadensersatzanspruch nur als Amtshaftungsanspruch gegen die zuständige Behörde – das Landesamt für Soziales und Versorgung – gerichtet werden könne. Mit der Anerkennung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 1 Bbg AGInsO führten die Schuldnerberatungsstellen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung für das Land Brandenburg durch. Sie seien als Beliehene hoheitlich tätig. Damit greife die Haftungsprivilegierung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ein.

Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger eine Verfahrenskostenstundung nach § 4 a) InsO erhalten habe. Da diese aber nur für jeden Verfahrensabschnitt besonders gewährt werde und durch die Verwertung der Immobilie einzusetzendes Vermögen habe erzielt werden können, sei in diesem Verfahrensabschnitt keine Verfahrenskostenstundung mehr möglich gewesen. Die Verfahrenskosten seien als Vorabzug der Masse entnommen worden. Diese Kosten seien sowohl hinsichtlich ihrer Entstehung als auch hinsichtlich ihrer Höhe zum Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung nicht absehbar gewesen, weil nicht klar erkennbar gewesen sei, ob in Zukunft eine Verwertung erfolgen werde und diese ggf. zu einer Realisierung der Kostenerstattung führen werde.

Der Beklagte zu 1. beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 19.02.2019 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 19.02.2019 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 15.579,79 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2018 zu zahlen und die Berufung des Beklagten zu 1. zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragten, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger meint, das Landgericht habe die Klage gegen den Beklagten zu 2. zu Unrecht abgewiesen. Dieser hafte persönlich für seine fehlerhafte Beratung, weil er besonderes Vertrauen in Anspruch genommen habe. Der Beklagte zu 2. habe gegen seine Pflicht verstoßen, seine – des Klägers – Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingehend zu prüfen, ihn über außergerichtliche Schuldenbereinigungsmöglichkeiten und über durch das Insolvenzverfahren entstehende Kosten aufzuklären. Da der Beklagte zu 2. gegen diese Pflichten verstoßen habe, habe er auch eine unrichtige Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO erteilt. Der Beklagte zu 2. hätte ihn vor einem unnötigen Insolvenzverfahren schützen müssen. Indem er dies nicht getan habe, habe er sein – des Klägers – Eigentum verletzt.

Er habe sein Hausgrundstück auf keinen Fall aufgeben wollen und wäre auch bereit gewesen, im Rahmen eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs monatliche Raten in Höhe von 50 € zur Tilgung der Zahlungsverpflichtung gegenüber der X… in Höhe von rund 5.000 € zu leisten. Der Beklagte zu 2. habe der X… jedoch keinen plausiblen Schuldenbereinigungsplan vorgelegt, die Gläubigerin habe diesen schließlich abgelehnt. Hätte der Beklagte zu 2. eine eingehende Prüfung und Erörterung vorgenommen, wären auch weitere Regulierungsmöglichkeiten durch Unterstützung aus dem Familienkreis in Betracht gekommen. So hätten die Forderungen der Insolvenzgläubiger, insbesondere der X…, nach Beauftragung des Klägervertreters mit Unterstützung aus dem Familienkreis während des laufenden Insolvenzverfahrens abgelöst werden können. Nachdem keine Insolvenzforderungen mehr bestanden hätten, habe er unter dem 15.12.2016 die Einstellung des Verfahrens und die vorläufige Einstellung der Verwertung von Massegegenständen beantragt, da zu diesem Zeitpunkt das Hausgrundstück noch nicht verwertet gewesen sei. Dies habe das Insolvenzgericht am 10.02.2017 unter Hinweis darauf, dass nach § 212 InsO eine Einstellung nur bei Deckung der Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten in Betracht komme, abgelehnt.

Der Beklagte zu 2. habe die Antragsunterlagen falsch erstellt. So sei sein – des Klägers – Grundvermögen nicht angegeben und eine Prüfung und Angabe der Wohnkosten nicht erfolgt. Auch seien die Einkommensangaben falsch, so beispielsweise die Angaben „Hauskrankenpflegerin“ und „Arbeitseinkommen in Höhe von 1.148,23 €“ auf dem Ergänzungsblatt 5 d.

Bezüglich der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten reiche es aus, dass sein Prozessbevollmächtigter unstreitig für ihn im Insolvenzverfahren tätig und der Vergütungsanspruch aufgrund der Rechnungslegung fällig geworden sei. Im Übrigen habe er bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass er die Rechnung seines Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2018 über 1.060,77 € beglichen habe, indem der Ausgleich durch Umbuchung vom Fremdgeldkonto erfolgt sei.

Der Senat hat die Akte 35 IN 631/15 des Amtsgerichts Potsdam – Insolvenzgericht – beigezogen.

II.

Die zulässigen Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 1. sind nur teilweise begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1. einen Anspruch auf Zahlung von 13.480,33 € zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € jeweils nebst der ausgeurteilten Zinsen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

A.

Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1. einen Anspruch auf Zahlung von 13.480,33 € wegen der Verletzung seiner Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsberatungsvertrag gemäß §§ 280 Abs. 1, 662 BGB i. V. m. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 InsO.

1.

Der Beklagte zu 1. hat bei der Schuldnerberatung privatrechtlich gehandelt und nicht in Ausübung eines öffentliches Amtes, so dass nicht das Haftungsprivileg nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB eingreift.

Die Anerkennung des Beklagten zu 1. gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 6 des Brandenburgischen Gesetzes zur Ausführung der Insolvenzordnung (AGInsO) ist keine Beleihung. Ein Beliehener ist eine natürliche Person oder private Organisation, der durch Hoheitsakt und auf gesetzlicher Grundlage die Zuständigkeit eingeräumt worden ist, bestimmte öffentlich-rechtliche Aufgaben grundsätzlich selbständig und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts auszuüben mit der Folge, dass das Handeln Beliehener dem Rechtsträger zugeordnet wird, dessen Hoheitsgewalt sie ausüben (Schönenbroicher in Mann/Sennkamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 1 Rn. 63). Eine Beleihung erfordert eine gesetzliche Grundlage und ist etwa – wie beispielsweise in § 33 PostG – wie folgt ausgestaltet: „Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer).“

Mit der Anerkennung als geeignete Stelle i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO werden keine hoheitlichen Befugnisse im Wege der Beleihung übertragen. Es handelt sich vielmehr um eine Erlaubnis zur Schuldnerberatung und zur Erteilung einer Bescheinigung über die Erfolglosigkeit eines außergerichtlichen Einigungsversuchs. Daraus, dass das Land Brandenburg gemäß § 8 AGInsO den anerkannten Beratungsstellen unter Berücksichtigung ihrer Einnahmen die für die Insolvenzberatung erforderlichen Personal- und Sachkosten zur Verfügung stellt, ergibt sich nichts anderes. Damit soll nur sichergestellt werden, dass Schuldner – die gerade nicht über die erforderlichen Mittel verfügen – Zugang zu einer Schuldnerberatung erhalten.

2.

Eine Person oder eine Stelle, die Tätigkeiten im Rahmen der außergerichtlichen Schuldenbereinigung entfaltet, übt Rechtsdienstleistungen i. S. d. § 2 RDG aus. Das beruht darauf, dass die Regulierung fremder Schulden eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist (BGH, Urteil vom 1.2.1962 – VII ZR 212/60, NJW 1962, 807; BGH, Urteil vom 24.6.1987 – I ZR 74/85, NJW 1987, 3003, 3004; Hergenröder, ZVI 2007, 448, m. w. N. in Fn. 25). Gemäß § 3 RDG (früher Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG) bedarf die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen einer gesetzlichen Erlaubnis. Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen, die nach Landesrecht als geeignet anerkannte Personen oder Stellen im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs erbringen. Eine solche Erlaubnis hat der Beklagte zu 1. durch eine Anerkennung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 6 des Brandenburgischen Gesetzes zur Ausführung der Insolvenzordnung (AGInsO) erhalten.

3.

Der Kläger und der Beklagte zu 1. haben einen auf unentgeltliche Rechtsberatung gerichteten Vertrag geschlossen.

Der Beklagte zu 1. hat die streitgegenständliche Beratung aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung erteilt. Aus der Tatsache der Auskunftserteilung allein ergibt sich zwar ein rechtsgeschäftlicher Wille zum stillschweigenden Abschluss eines Vertragsverhältnisses nicht, wie sich aus § 675 Abs. 2 BGB schließen lässt. Ein konkludenter Vertragsschluss ist aber anzunehmen, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Auffassung und Bedürfnisse des Verkehrs den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärung die Beratung zum Gegenstand vertraglicher und rechtlicher Pflichten gemacht haben. Ist dem Erteilenden erkennbar, dass die Auskunft für den Antragenden von erheblicher Bedeutung ist und dieser sie zur Grundlage seiner wesentlichen Entscheidung machen will, liegt darin ein wesentliches Indiz, insbesondere wenn der Auskunftgeber für die Erteilung besonders sachkundig oder selbst wirtschaftlich interessiert ist (BGH, Urteil vom 19.03.1992 – III ZR 170/90, Rn. 9, juris; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 675 Rn. 36 m. w. N.). Die Unentgeltlichkeit steht dem nicht entgegen (Palandt/Sprau, a. a. O..).

Haftung einer Schuldnerberatungsstelle für fehlerhafte Beratung
(Symbolfoto: Von Lisa-S/Shutterstock.com)

Die von dem Beklagten zu 1. angebotene und von dem Kläger in Anspruch genommene Schuldnerberatung diente erkennbar der für den Kläger wesentlichen Entscheidung, ob er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragen sollte. Der Beklagte zu 1. hat in diesem Zusammenhang auch eine besondere Sachkunde gehabt, weil er eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung erbracht hat. Außerdem ergibt sich aus § 305 Abs. 1 Nr.1 InsO auch eine gesetzliche Pflicht des Beklagten zu 1. zur persönlichen Beratung und eingehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners.

Für das Rechtsverhältnis einer zugelassenen Schuldnerberatung mit dem Schuldner gelten deshalb im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie für den Anwaltsvertrag (für einen zugelassenen Rechtsberater vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1960 – VII ZR 141/59, Rn. 17 ff., juris; für eine Schuldnerberatung vgl. LG Bonn, Urteil vom 22.3.2016 – 8 S 185/15, BeckRS 2016, 19691; zu Rechtsbeiständen siehe Münchener Kommentar/Heermann, BGB, 7. Aufl., § 675 Rn. 49; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 675 Rn. 23). Rechtsbeistände und Rechtsberater sind ebenso wie der Rechtsanwalt verpflichtet, die Sache umfassend zu prüfen und alle geeigneten Schritte zu ergreifen, um den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 280 Rn. 75, 86).

Dem steht § 675 Abs. 2 BGB nicht entgegen, weil dieser eine Haftung nur für den Fall ausschließt, dass eine Beratung außerhalb einer vertraglichen Beziehung erfolgt.

Aus den bereits vom Landgericht ausgeführten zutreffenden Gründen, denen sich der Senat anschließt, spielt es für den Umfang der Pflichten des Schuldnerberaters auch keine Rolle, dass die Beratung unentgeltlich erfolgt.

3.

Der Beklagte zu 1. hat eine haftungsbegründende Pflichtverletzung begangen, indem er den Kläger nicht darauf hingewiesen hat, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens höher ausfallen können als bei Verwertung des klägerischen Grundstücks ohne Durchführung des Insolvenzverfahrens. Weitere haftungsbegründende Pflichtverletzungen sind hingegen zu verneinen.

a)

Dass der Beklagte zu 1. den Kläger nicht über die voraussichtlich entstehenden Kosten des Insolvenzverfahrens aufgeklärt hat, ist unstreitig. Dabei handelte es sich um eine wesentliche Tatsache für die Entscheidung des Klägers, ob die Durchführung des Insolvenzverfahrens für ihn überhaupt wirtschaftlich sinnvoll sein würde. Da der Kläger seinerzeit Eigentümer einer mit einem Wohnhaus bebauten Immobilie war und lediglich eine Schuld gegenüber der X… (X…) i. H. v. 4.997,80 € hatte, deren Titulierung zur Zeit der Beratung im März 2015 bevorstand (der Vollstreckungsbescheid wurde am 31.07.2015 erlassen), und zugleich nur Sozialleistungen in Höhe von 100 € monatlich bezog, kam ohne die Durchführung des Insolvenzverfahrens eine Zwangsversteigerung seines Grundstücks in Betracht und bei Durchführung des Insolvenzverfahrens eine Verwertung seines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter. Die Kosten einer Zwangsvollstreckung durch die einzige Gläubigerin – die X… – wären aber niedriger ausgefallen als die Kosten der Verwertung in dem Insolvenzverfahren, da der Insolvenzverwalter nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 InsVV eine Vergütung in Höhe von 40% der Insolvenzmasse erhält, während die in einem Zwangsversteigerungsverfahren anfallenden Gerichtsgebühren nach Nr. 2210, 2211 KV GKG deutlich geringer sind.

Der Beklagte zu 1. hat diese Pflichtverletzung auch zu vertreten. Einen Entlastungsbeweis nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hat er nicht geführt. Allein seine Behauptung, die Kosten seien sowohl hinsichtlich ihrer Entstehung als auch hinsichtlich ihrer Höhe zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung nicht absehbar gewesen, entlastet ihn nicht. Denn seine Aufklärungspflicht bezog sich abstrakt auf den Kostenunterschied zwischen einer möglichen Verwertung im Insolvenzverfahren und einer möglichen Zwangsversteigerung. Der Beklagte zu 1. wäre nur dann entlastet, wenn der für ihn handelnde Beklagte zu 2. – dessen Handeln ihm nach § 31 BGB zuzurechnen ist – mit Sicherheit davon ausgehen konnte, dass es mangels Werthaltigkeit zu einer Verwertung des Grundstücks nicht kommen würde. Davon ging der Beklagte zu 2. aber nach seinem eigenen Vortrag – ungeachtet der Tatsache, dass ihm der Kläger das Haus und das Grundstück als verwahrlost beschrieben habe – nicht aus. Vielmehr hat er vorgetragen, er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass es im Falle eines Scheiterns des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens und eines dann gestellten Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Verwertung der Immobilie kommen würde.

Es besteht auch die Vermutung, dass sich der Kläger aufklärungsrichtig verhalten hätte (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 280 Rn. 38). Aufklärungsrichtig bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Kläger keinen Insolvenzantrag gestellt hätte und die Insolvenzverfahrenskosten nicht entstanden wären.

b)

Hingegen ist dem Beklagten zu 1. kein mangelhafter außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch und in diesem Zusammenhang die Erteilung einer fehlerhaften Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorzuwerfen. Denn nach § 301 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss die geeignete Person oder Stelle den Schuldner nur aktiv beraten. Eine aktive Beteiligung am durchzuführenden Einigungsversuch wird hingegen nicht vorausgesetzt (Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 3. Aufl., Außergerichtlicher Einigungsversuch, II. 2. a) dd; Uhlenbruck/Sternal, InsO, 15. Aufl., § 305 Rn 72).

Die Bescheinigung, dass der außergerichtliche Einigungsversuch gescheitert ist, ist richtig. Denn die X… hat dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan nicht zugestimmt (siehe Schreiben vom 28.5.2015, Bl. 76). Wenn der Kläger monatliche Raten á 50 € hätte zahlen können, wie er erstinstanzlich vorgetragen hat (Bl. 137), hätte er dies selbst der X… anbieten können. Dies gilt gleichermaßen für eine mögliche Unterstützung aus dem Familienkreis.

c)

Eine fehlerhafte Ausfüllung des Antragsformulars durch den Beklagten zu 2. kann dessen Haftung nicht begründen. In der Anlage 4 zu dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Frage nach Grundstücksvermögen zwar wahrheitswidrig verneint worden (Bl. 85). In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger aber nicht darauf berufen, dass der Beklagte zu 2. für ihn die Formulare ausgefüllt hat. Denn der Kläger hat mit seiner Unterschrift am 30.06.2015 die Richtigkeit und Vollständigkeit der in der Vermögensübersicht enthaltenen Angaben versichert (Bl. 86). Dies setzt eine eigenverantwortliche Prüfung seiner Angaben voraus.

4.

Aufgrund der festgestellten Pflichtverletzung hat der Beklagte zu 1. dem Kläger einen Schaden in Höhe von 13.480,33 € zu ersetzen. Denn nur die Vergütung des Insolvenzverwalters in Höhe von 11.399,56 €, die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens in Höhe von 1.020 € und die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Insolvenzverfahren in Höhe von 1.060,77 € sind durch die Pflichtverletzung verursacht (haftungsausfüllende Kausalität).

Die haftungsausfüllende Kausalität ist der Ursachenzusammenhang zwischen dem Haftungsgrund (Rechtsgutverletzung) und dem entstandenen Schaden (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 24). Es muss ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden gegeben sein, also eine adäquate Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt (Staudinger/Schwarze, BGB, Stand: 9.11.2016, § 280 Rn. E1). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte zu 1. nur Schäden zu erstatten hat, die bei aufklärungsrichtigem Verhalten nicht entstanden wären.

Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters und die Gerichtskosten im Insolvenzverfahren wären unzweifelhaft nicht entstanden, wenn der Beklagte zu 1. den Kläger über die Kosten informiert und dieser sich aufklärungsrichtig verhalten hätte. Gleiches gilt für die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Insolvenzverfahren. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten, sofern sie aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 16.07.2015 – IX ZR 197/14, Rn. 56, juris). Dies ist zu bejahen, da das Insolvenzverfahren nicht so einfach gelagert war, dass der Kläger seine Rechte selbst hätte zur Geltung bringen können.

Die Masseverbindlichkeiten in Höhe von 299,46 € (Notarkosten für den Kaufvertragsentwurf zwecks freihändigen Verkaufs durch den Insolvenzverwalter) stehen hingegen nicht in einem adäquat kausalen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung des Beklagten zu 1., die in der mangelnden Aufklärung über die unterschiedlichen Kosten der Grundstücksverwertung mit und ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens bestand. Denn bei den Notarkosten handelt es sich nicht um insolvenzverfahrensspezifische Kosten der Grundstücksverwertung. Der Insolvenzverwalter kann im Insolvenzverfahren zwischen einem freihändigen Verkauf, einer Zwangsverwaltung und einer Zwangsversteigerung wählen (Becker in Nerlich/Römermann, InsO, 38. EL Januar 2019, § 165 Rn. 17). Da eine Zwangsverwaltung nicht in Betracht kam, hat er hier mit dem freihändigen Verkauf die gegenüber einer Zwangsversteigerung günstigere Variante gewählt. Ohne das Insolvenzverfahren wäre hingegen eine Zwangsversteigerung oder ein freihändiger Verkauf mit Unterstützung der X… in Betracht gekommen, wodurch dieselben oder sogar höhere Kosten entstanden wären.

Auch die Mietaufwendungen i. H.v. 1.800 € sind alleine durch die Verwertung des Grundstücks, nicht aber speziell durch das Insolvenzverfahren entstanden. Ein adäquat kausaler Zusammenhang zu der Pflichtverletzung des Klägers besteht nicht.

Der Kläger hat auch Anspruch auf den Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zur Durchsetzung seines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 13.480,33 €, nachdem er belegt hat, dass er die Anwaltsforderung beglichen hat (Anlage K 6, Bl. 268).

Die geltend gemachten Verzugszinsen sind gemäß §§ 288, 291 BGB begründet.

B.

Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2.

1.

Eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2. aus Pflichtverletzung gemäß §§ 280, 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB ist zu verneinen. Eine solche setzt bei einer Verletzungshandlung eines Organs eines Vereins in dessen Wirkungsbereich die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse als Quasivertragspartner voraus (BeckOK/Schöpflin, BGB, Stand: 1.8.2019, BGB § 31 Rn. 27,; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 311 Rn. 60 m. w. N.).

Der Beklagte zu 2. hat weder ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen noch ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt.

a)

Der Verhandelnde haftet, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlung beeinflusst hat. Voraussetzung ist, dass er durch sein Auftreten eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrags übernommen hat, etwa wenn ein besonderes persönliches Näheverhältnis besteht (Verwandtschaft oder nichteheliche Partnerschaft) oder der Verhandelnde sich für die „Seriosität“ des Geschäfts verbürgt (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 311 Rn. 63). Weder besteht ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2. noch hat der Kläger Äußerungen des Beklagten zu 2. vorgetragen, die die Übernahme einer persönlichen Gewähr für die Beratungsleistung begründen können.

b)

Ein eigenes wirtschaftliches Interesse ist nur zu bejahen, wenn der Vertreter wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache tätig wird; er muss als Quasipartner, als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts oder eigentlicher wirtschaftlicher Interessenträger anzusehen sein. Ein bloß mittelbares Interesse, beispielsweise die Aussicht auf eine Provision oder ein Entgelt, genügt nicht (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 311 Rn. 61 m. w. N.). Für ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Beklagten zu 2. liegen keine Anhaltspunkte vor. Allein die Tatsache, dass er als Vorstand des Beklagten zu 1. von diesem (mutmaßlich) ein Gehalt bezieht, genügt nicht.

2.

Der Beklagte zu 2. hat dem Kläger dessen Schaden auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu ersetzen.

Eine gesamtschuldnerische Haftung des verfassungsmäßigen Vertreters eines Vereins mit dem Verein aus Delikt kommt zwar grundsätzlich in Betracht (Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 31 Rn. 13). § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist auch ein Schutzgesetz. Insoweit gilt nichts anderes als für die entsprechenden Regelungen des RDG. Der Bundesgerichtshof hat den vormaligen Art. 1 § 1 RBerG (der dem jetzt geltenden § 3 RDG im Wesentlichen entspricht) als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen (BGH, Urteil vom 30.11.1954 – I ZR 147/53, Rn. 8, juris). Diese Einordnung gilt unverändert für die heutigen Vorschriften des RDG (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 10.4.2014 – 8 U 627/13, Rn. 38, juris, mit Verweis auf BGH, Urteil vom 11.12.2013 – IV ZR 46/13, Rn. 13, juris). Allerdings bezieht sich der Schutzzweck darauf, dass jemand ohne die erforderliche gesetzliche Erlaubnis Rechtsberatung erteilt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, weil der Beklagte zu 1. eine entsprechende Erlaubnis hat, so dass der Beklagte zu 2. als dessen Vertreter nicht unter Verstoß gegen §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3, 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG gehandelt hat. Die Erteilung einer unzureichenden Rechtsberatung ist nicht von dem Schutzzweck des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht.

 

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