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Haftung eines Lagerhalters für Warenverlust – Anforderungen an die Lagerung wertvoller Ware

LG Wuppertal – Az.: 13 O 62/10 – Urteil vom 04.01.2012

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 95.201,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist alleiniger Transportversicherer der Gebr. H mbH Internationale Spedition in M/Österreich. Die Versicherungsnehmerin wurde von einer Firma T AG, K, Österreich, mit der Durchführung eines Transportes von 2 Paletten RFID-Equipment (580 kg) von K zu Fa. B in E beauftragt; hierüber verhält sich der Speditionsauftrag wie K 2, Anlage zur Klageschrift. Nach Abholung der Paletten in K wurden diese mittels der beauftragten Firma I zur Beklagten transportiert, CMR-Frachtbrief K 5, und dort am 18.05.2009 vollständig und unbeschädigt angeliefert. Bezüglich Sammelbordero und Entladebericht wird auf die Anlagen K 6 und K 7 zur Klageschrift verwiesen. Auf sämtlichen einschlägigen Dokumenten ist der Nettopreis der Waren mit 100.548,- € beziffert.

In einem besonderen Sicherungslager o.ä., wurde die streitgegenständliche Sendung nicht untergebracht.

Bei einer Hallenrevision wurde am 27.05.2009 der Verlust der beiden Paletten festgestellt.

Die Klägerin zahlte in der Folgezeit der T2 AG zur Schadensregulierung 100.548,- € und nimmt nunmehr die Beklagte im Regresswege in Anspruch. Zudem ließ sie sich mittels Abfindungs- u Abtretungserklärung wie Anlage K 11 die Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin aus dem Schadensfall abtreten.

Haftung eines Lagerhalters für Warenverlust - Anforderungen an die Lagerung wertvoller Ware
Symbolfoto: Von Halfpoint/Shutterstock.com

Auf die entsprechende Aufforderung der Klägerin an die Beklagte mit Schreiben vom 16.7.2009 wie Anlage K 12 zur Klageschrift zahlte die Beklagte unter dem 03.11.2009 einen Betrag in Höhe von 5.344,93 €.

Dier Beklagte hatte im Juni 2008 für zusätzliche Nachtaufträge, die zeitnah bearbeitet werden mussten, eine neue Mitarbeiterin, Frau Y, eingestellt. Diese legte bei ihrer Bewerbung ein polizeiliches Führungszeugnis in Kopie vor, aus dem sich keine Voreintragungen ergaben; zu der Kopie behauptete sie, das Original befinde sich noch bei einer anderen Firma, bei der sie sich vergeblich beworben habe und die das Zeugnis trotz Anforderung bislang nicht zurückgegeben habe. Frau Y war indes mehrfach wegen Eigentumsdelikten vorbestraft. Frau Y erhielt für ihre Tätigkeit vier Schlüssel (Schlüssel für Tor für, zwei Schlüssel für das Treppenhaus des Verwaltungsgebäudes und den Flur, in welchem ihr Büro belegen war, sowie einen Schlüssel für den Durchgang vom Büro zum Lager), da zu ihren Aufgaben das Ausstellen von Frachtbriefen und sonstigen Papieren gehörte, die für morgendliche Zustellungen sodann in I2 zwei gebracht werden mussten. Deren Rolltore sind nur von innen zu entriegeln. In der Folgezeit wurde Frau Y seitens der Beklagten in den ersten Monaten ihrer Tätigkeit beobachtet und kontrolliert; Auffälligkeiten ergaben sich für die Beklagte hieraus nicht.

Wegen der Einzelheiten der Organisation der Abläufe bei der Beklagten und die örtlichen Gegebenheiten wird insbesondere auf die Darlegungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 21.02.2011 unter I. und vom 30.05.2011 unter 2. nebst Anlagen verwiesen.

Neben dem streitgegenständlichen Gut waren diverse andere Sendungen aus der I2 II der Beklagten nicht mehr auffindbar. Die Diebstähle brachte die Beklagte umgehend zur Anzeige. Im August 2009 kam es zu einem weiteren Diebstahlereignis auf dem Gelände der Beklagten.

Im Zuge der Ermittlungen ergab sich ein Anfangsverdacht gegen die Mitarbeiterin Y der Beklagten, die, wie sich herausstellte, mit einer Frau L befreundet war, deren Lebensgefährte ein Herr C war, der mehrfach wegen Diebstahls vorbestraft war. Es kam zur Anklagerhebung gegen Y, L und C. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift Anlage K 13 zum klägerischen Schriftsatz vom 09.05.2011 verwiesen. In dem Strafverfahren wurde Frau Y rechtskräftig freigesprochen; L und C wurden erstinstanzlich verurteilt. Aus der beigezogenen Ermittlungsakte, die auszugsweise in Kopie zu den Akten genommen worden ist, ist ersichtlich, dass von dem Mobilfunkanschluss der Frau Y am 20.05.2009 in der Zeit von 21.56 Uhr bis 22.42 Uhr drei SMS an den Mobilfunkanschluss der Frau L gesendet worden waren. Um 22 Uhr 50 am gleichen Tag war auf dem Gelände der Beklagten in der Nähe der Tore 7 und 8 ein von Frau L angemieteter LKW gesehen worden, dessen Fahrer Herr C gewesen sein dürfte.

Die Kläger meint, ihr Ersatzanspruch ergebe sich aus einer Haftung der Beklagten nach § 475 HGB. Eine Zwischenlagerung der streitgegenständlichen Güter sei ausdrücklich von ihr verfügt worden, und zwar auf unbestimmte Zeit. Dies ergebe sich auch daraus, dass der CMR-Frachtbrief wie K 5 sich – was unstreitig ist – nur über die Beförderung der Güter bis zum Lager der Beklagten und nicht etwa zu der Endempfängerin Fa. B GmbH & Co. KG in E verhalte. Auch ergebe sich aus der Email des Mitarbeiters L2 der Beklagten vom 27.05.2009 wie Anlage K 8 zur Klageschrift, dass die Beklagte schon zwei weitere Sendungen der Versicherungsnehmerin bei sich lagern gehabt habe, die ebenfalls nur nach Weisung an die Fa. T hätten ausgeliefert werden sollen.

Die Beklagte treffe zudem an der Entwendung der Paletten ein qualifiziertes Verschulden, da sie der Frau Y Zugriff auf die Sendung ermöglicht habe. Deren Verschulden müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Indem die Beklagte ein Führungszeugnis in Kopie akzeptiert habe, habe sie nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gewahrt. Zudem hätte die Beklagte, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen,  die wertvolle Sendung in einem besonderen Sicherungslager aufbewahren müssen. Ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten an dem Verlust der Sendung sei nicht zuletzt auch deshalb anzunehmen, weil sie einer Vielzahl von Mitarbeitern Schlüssel für die Hallentore überlassen und somit Zugriff auf die eingelagerten Waren ermöglicht habe. Nach Verlust der Sendung habe sie eine organisierte Suche nach deren Verbleib nicht eingeleitet.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 95.201,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, ihre Haftung richte sich nach Frachtrecht; die Zwischenlagerung sei nur verkehrsbedingt erfolgt, weil die Fa. T die Annahme verweigert und um Anlieferung der Ware ein paar Tage später gebeten habe. Alsdann habe eine Rückfrage bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin ergeben, dass weitere Weisungen abgewartet werden sollten. Dadurch sei indes kein Lagervertrag im rechtlichen Sinne entstanden. Dies ergebe sich auch daraus, dass ein gesondertes Entgelt hierfür nicht vereinbart worden sei.

Auf die Geltung der deutschen ADSp habe sie, die Beklagte, stets hingewiesen. Es bestehe auch eine entsprechende Haftpflichtversicherung, die sie gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin nachgewiesen habe.

Ihr Gelände sei hinreichend gesichert.

Frau Y habe die Schlüssel aufgrund ihrer Nachtarbeit erhalten müsse. Ein Auswahlverschulden bezüglich deren Einstellung treffe sie nicht. Im Übrigen sei Frau Y – unstreitig – rechtskräftig vom Vorwurf der Beteiligung an dem Diebstahl freigesprochen worden.

Das streitgegenständliche Diebesgut sei zudem nicht besonders gefährdet gewesen, da es – insoweit unstreitig – nur für spezifische Zwecke einsetzbar sei.

Die Schadensberechnung durch die Klägerin sei unzureichend.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Die Ermittlungsakten StA Wuppertal 27 Ns 721 Js … sind zu Informationszwecken beigezogen und Auszüge hieraus zu den Akten genommen worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus übergegangenem und vorsorglich auch abgetretenem Recht einen Anspruch auf den begehrten Schadensersatz aus § 475 HGB, §§ 67 VVG, 398 BGB.

Eines schriftlichen Hinweises des Gerichts zu einer Haftung nach lagerrechtlichen Vorschriften bedurfte es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Die Frage, ob Fracht- oder Lagerrecht anzuwenden ist, ist während des gesamten Rechtstreits umfassend zwischen den Parteien erörtert worden, so auch zuletzt ausweislich des Protokolls vom 16.11.2011, wonach in der Sitzung ausdrücklich mit den Parteien erörtert worden ist, ob nicht doch – also: entgegen der zuvorigen Auffassung des Gerichts in anderer Besetzung – von einer Haftung nach lagerrechtlichen Vorschiften auszugehen ist. Schriftsatzfrist hat die Beklagte indes nur zur Erwiderung auf den letzten Schriftsatz der Gegenseite beantragt, nicht auch im Hinblick auf die erteilten Hinweise. Die Vorschrift des § 139 Abs. 4 ZPO erfordert entgegen der Beklagten auch nicht das Erteilen eines schriftlichen Hinweises; dass die Problematik, nach welchen Vorschritten eine Haftung der Beklagten zu beurteilen ist, erörtert worden und hierbei deutlich gemacht worden ist, dass an dem zuvor erteilten Hinweis des Gerichts, dass die Beklagte wohl allein unter frachtrechtlichen Gesichtspunkten haftet, so nicht festgehalten wird, ergibt sich hinreichend aus dem Protokoll vom 16.11.2011.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht von einer verkehrsbedingten Lagerung der streitgegenständlichen Ware auszugehen, sondern von einer verfügten Lagerung im Rahmen eines kombinierten Fracht-/Lagervertrages, bei dem das Lagerelement überwiegt, weil der Verlust der streitgegenständlichen Sendung bei der durch die Versicherungsnehmerin verfügten, längerfristig beabsichtigten Lagerung eingetreten ist. Eine Haftung nach den Bestimmungen der CMR scheidet demnach aus, weil es sich nicht um eine verkehrsbedingte Zwischenlagerung gehandelt hat

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass, wenn ein Frachtführer das Gut beförderungsbedingt zwischenlagern muss oder die Zwischenlagerung in seinem Interesse liegt (so z.B. bei Transportverzögerungen), die Zwischenlagerung bei kürzeren Lagerungen im Rahmen seiner frachtvertraglichen Pflichten erfolgt, die Haftung sich demnach auch nach Frachtrecht zu richten hat. Indes kann dann, wenn eine Zwischenlagerung über eine längeren, ungewissen Zeitraum hin erfolgen soll oder wenn der Absender Weisung gegeben hat, das Gut vorübergehend einzulagern, nicht mehr ohne weiteres von einer verkehrsbedingten Lagerung gesprochen werden. Längere Lagerungsphasen – wobei in der Regel von solchen ab einem Lagerzeitraum von 7 Tagen auszugehen ist – sind auch bei verkehrsbedingten Lagerungen nach den Regelungen des gemischten Vertrages gemäß den §§ 466ff HGB zu behandeln (vgl. , Koller, Transportrecht, 7. A., § 407 Rz 73). Insbesondere aber mit einer Weisung des Frachtführers zu einer – ggf- längeren – Zwischenlagerung endet der Haftungszeitraum des § 425 HGB und sind die lagerrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

Ausgehend von diesen Kriterien haftet die Beklagte nach lagerrechtlichen Vorschriften.

Zum einen ist aus dem Speditionsauftrag wie Anlage K 2 ersichtlich, dass dort vermerkt ist „Bitte Zwischenlagern in Wuppertal“. Dies spricht schon für eine ausdrücklich Verfügung zur Lagerung.

Zum anderen hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22.09.2011, dort Seite 3, selbst vorgetragen, die Versicherungsnehmerin der Klägerin habe, nachdem die Ware nicht an T in E habe ausgeliefert werden könne, geäußert, dass weitere Weisungen abzuwarten seien. Dies kann aber nur in dem Sinne verstanden werden, dass die Ware solange – also bis zur Erteilung einer Weisung, diese auszuliefern -, in der Obhut der Beklagten verbleiben sollte, und zwar auf unbestimmte Zeit. Von daher ist, auch wenn später der Diebstahl ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakten StA Wuppertal 27 Ns 721 Js …. auf den 20.05.2009 bestimmt worden ist, mithin auf einen Zeitpunkt nur zwei Tage nach Entladung bei der Beklagten, dennoch nicht Frachtrecht anzuwenden, sondern Lagerrecht, da eine Lagerung ausdrücklich verfügt worden ist.

Für eine verfügte Lagerung spricht insbesondere auch die Email des Mitarbeiters L2 der Beklagten wie Anlage K 8, in der dieser in bezug auf die streitgegenständliche Sendung ausführt: „(…) Da wir schon 2 Sendungen von Euch für den Empfänger (T, E) bei uns stehen haben, und wir wussten, dass wir die Sendungen nur nach Eurem Bescheid ausliefern sollen, haben wir auch diese Sendung nicht ausgeliefert“. Von daher verfängt es auch nicht, wenn die Beklagte meint, gegen eine verfügte Lagerung spreche schon, dass diesbezüglich kein Entgelt vereinbart worden ist. Vielmehr ist von vorneherein von dem Abschluss eines gemischten Fracht-/Lagervertrages auszugehen, für den ein einheitliches Entgelt vereinbart war.

Da die Sendung unstreitig im Zeitraum der Lagerung bei der Beklagten verlustig gegangen ist, haftet diese nach den für diesen Zeitraum im Rahmen des gemischten Vertrages überwiegenden lagerrechtlichen Vorschriften. Warum die Beklagte meint, die vorgenannte Email des Zeugen L2 gebe für die Argumentation der Klägerin, die auf Abschluss eines Lagervertrages zielt, nichts her, erschließt sich dem Gericht vor dem Hintergrund des recht eindeutigen Wortlauts der Email, nach der selbst die Beklagte von einer – unbestimmt langen – Zwischenlagerung bei ihr ausgegangen sein dürfte, nicht.

Soweit die Beklagte zudem ausführt, die Zwischenlagerung habe jedenfalls nur für kurze Zeit erfolgen sollen, verfängt dies nicht. Der Verlust der Sendung ist immerhin erst 10 Tage nach Entladung bei der Beklagten aufgefallen; mithin nach einem nach obigen Kriterien schon als längerfristig anzusehenden Zeitraum, während dessen eine Auslieferung des Gutes ersichtlich nicht in Angriff genommen worden ist. Da die Zwischenlagerung aber jedenfalls ausdrücklich, wie oben dargelegt, verfügt und vereinbart worden ist, kommt es auf die Frage, über welchen Zeitraum dies geschehen sollte, nicht entscheidend an.

Nach § 475 HGB wird das Verschulden des Lagerhalters, mithin der Beklagten, vermutet. Dieser hätte es demnach oblegen, in vollem Umfange – und nicht nur prima facie – nachzuweisen, dass das Abhandenkommen des Gutes nicht von ihr zu verantworten ist (vgl. Koller, a.a.O., § 475 Rz 8).

Dies ist schon nicht seitens der Beklagten hinreichend dargelegt.

Zwar hat die Beklagte umfassend zu der Organisation ihres Betriebes vorgetragen. Auch hat sie hinreichend konkret behauptet und unter Beweis gestellt, dass die Mitarbeiterin Y an dem Diebstahl nicht beteiligt gewesen sei, ihr mithin auch kein etwaiges Verschulden der Mitarbeiterin zuzurechnen sei.

Indes ergibt sich ein vermutetes Verschulden der Beklagten schon allein daraus, dass sie die streitgegenständliche Ware nicht in ein besonderes Sicherheitslager verbracht hat. Angesichts des aus dem Sammelbordero leicht ersichtlichen hohen Wertes der Sendung hätte es den Sorgfaltspflichten eines ordnungsgemäßen Lagerhalters entsprochen, die Ware in einem besonderen Sicherungslager aufzubewahren, welche bei der Beklagten unwidersprochen auch zur Verfügung gestanden hätten. Waren in einem Wert von über 100.000,- € in einem nicht besonders geschützten Bereich des Lagers zu verwahren, begründet allein schon ein vermutetes Verschulden des Lagerhalters.

Soweit die Beklagte hierzu einwendet, das Gut sei nicht besonders diebstahlgefährdet, da nur zu ganz bestimmten Zwecken einsetzbar, ergibt sich hieraus nichts anders. Zum einen: Die Ware ist gestohlen worden; dass diese quasi nur „versehentlich“ mit anderen leichter umzusetzenden Waren mitgestohlen wurde – so die Darlegung der Beklagten – erscheint schon nicht sehr realistisch. Zum anderen kommt es hierauf nicht entscheidend an, da die Beklagte sich bei Einlagerung der Sendung kaum Gedanken über den genauen  Inhalt und die Verwendung der Paletten gemacht haben dürfte. Entscheidend für die jeweils konkreten Maßnahmen, die die Beklagte zur Einlagerung von Sendungen trifft, dürfte vielmehr regelmäßig der angegebene – und daher leicht ersichtliche –  Wert der Sendung sein.

Auf die Frage, inwieweit eine Beteiligung der Mitarbeiterin Y an dem Diebstahl – von der das erkennende Gericht trotz des Umstandes, dass sie strafrechtlich freigesprochen worden ist, aufgrund der Feststellungen in dem Ermittlungsverfahren, insbesondere der zwischen Frau Y und der Frau L zum vermutlichen Tatzeitraum ausgetauschten SMS,  ausgeht –  oder zumindest anderer Mitarbeiter der Beklagten (die selbst vorträgt, dass Aufbruchspuren nirgends zu finden waren, was die Vermutung eines Diebstahls zumindest unter Beteiligung eines Mitarbeiters nahelegt) anzunehmen ist, kommt es mithin nicht an; noch darauf, ob die Beklagte bei Auswahl der Frau Y zur Einstellung nicht ein Auswahlverschulden dahingehend trifft, dass sie das polizeiliche Führungszeugnis in Kopie akzeptiert hat und sich auch nach der Einstellung über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg nicht mehr darum bekümmert hat, ein Original des Führungszeugnisses vorgelegt zu bekommen. Auch muss nicht weiter darüber befunden werden, inwieweit die nächtliche Organisation des Betriebs der Beklagten zu fordernden Sicherheitsstandards genügt.

Eine Haftungsbeschränkung nach den Vorschriften der ADSp besteht nicht.

Dahinstehen kann, ob diese wirksam in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen worden sind. Auch unter deren Geltung wäre eine Haftungsbeschränkung nämlich nicht anzunehmen. Gemäß Ziffer 24.1 der ADSp ist die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes zwar im Falle einer verfügten Lagerung grundsätzlich der Höhe nach begrenzt. Dies gilt nach § 27.1 ADSp indes dann nicht, wenn der Schaden durch eine Verletzung vertragswesentlicher Pflichten verursacht worden ist. Eine solche Verletzung vertragswesentlicher Pflichten im Rahmen eins Lagervertrages ist anzunehmen, wenn – wie hier – diebstahlgefährdetes Gut nicht in einem besonders gesicherten Lager aufbewahrt wird (vgl. Koller, a.a.O., § 27 ADSp Rz 3 mit w.N.). Die Entscheidung, wie einzulagerndes Gut aufbewahrt und gesichert wird, um es vor Verlust oder Beschädigung zu schützen, gehört nämlich zu den Kardinalpflichten des Lagerhalters, der die Obhut über das einzulagernde Gut übernimmt. Der verkehrsübliche Sicherungsaufwand richtet sich hierbei, wie dargelegt, nach dem Güterwert, wonach vorliegend eine besonders gesicherte Art und Weise der Lagerung geboten gewesen wäre.

Von daher kann dahinstehen, ob die Bestimmung des § 24 ADSp nicht ohnehin nach § 307 BGB als unwirksam anzusehen wäre, indem die Haftungsbegrenzung nach dem Wortlaut auch bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch einfache Erfüllungsgehilfen greifen soll. Eine formularmäßige Freizeichnung darf nämlich vertragswesentliche Rechtspositionen des Vertragspartners des Klauselverwenders nicht aushöhlen, indem sie ihm solche Rechte wegnimmt oder einschränkt, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck gerade zu gewähren hat. Die Haftungsbeschränkung darf insbesondere nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 267).

Der Höhe nach ist der Schaden der Klägerin, der sich nach §§ 249ff BGB bemisst, entgegen der Auffassung der Beklagten durch die vorgelegte Handelsrechnung hinreichend belegt. Es ist mangels Darlegung gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der zu ersetzende Wiederbeschaffungswert dem Wert, der in der Handelsrechnung ausgewiesen ist, entspricht. Die von Beklagtenseite angeführte Entscheidung des BGH vom 30.09.2010 (NJW 2011, 296) betrifft andere Problemfelder und steht dem nicht entgegen. Im Gegenteil führt der BGH darin aus, dass der Geschädigte seinen Schaden nach dem Marktpreis berechnen könne.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 16.12.2011 bot keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

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