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Haftung für Hundebiss bei Tiergefahr: Haftungsquote 70:30 bei unklarem Biss

Wegen einer schweren Bissverletzung und der daraus folgenden CRPS-Erkrankung klagte eine Hundehalterin auf Schadensersatz gegen den Halter eines großen Hundes. Das Gericht bejahte die Haftung für Hundebiss bei Tiergefahr, kürzte den Schadensersatz dennoch um 30 Prozent.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 878/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Rostock
  • Datum: 06.02.2024
  • Aktenzeichen: 3 O 878/21
  • Verfahren: Zivilverfahren
  • Rechtsbereiche: Tierhalterhaftung, Schadensersatzrecht, Mitverschulden

  • Das Problem: Eine Frau wurde beim Spaziergang von einem großen, unangeleinten Hund verletzt und erlitt schwere Schäden an ihrer rechten Hand. Sie verlangte vom Hundehalter Schmerzensgeld und Ersatz für Verdienstausfälle und Behandlungskosten. Der Halter bestritt den Biss durch seinen Hund und die Schwere der Verletzung.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Halter des großen Hundes haften, wenn nicht eindeutig bewiesen werden kann, welcher Hund gebissen hat, die Gefahr aber von seinem unkontrollierten Tier ausging?
  • Die Antwort: Ja, der Hundehalter muss haften, weil die spezifische Gefahr, die von seinem großen, unkontrollierbaren Hund ausging, die Verletzung mitverursachte. Weil die Klägerin ihren eigenen, kleinen Hund ebenfalls nicht angeleint hatte, wurde ihr Anspruch wegen Mitverschuldens um 30 Prozent gekürzt. Der Halter muss insgesamt 8.587,27 Euro an die Klägerin zahlen.
  • Die Bedeutung: Tierhalter haften grundsätzlich für Schäden durch ihre Tiere, auch wenn der direkte Schadensbeweis schwierig ist. Wer seinen eigenen Hund nicht anleint, muss einen Teil des Schadens als Mitverschulden selbst tragen.

Haftung für Hundebiss bei Tiergefahr: Wer zahlt, wenn unklar ist, welcher Hund zugebissen hat?

Können Sie als Hundehalter für eine Bissverletzung haftbar gemacht werden, selbst wenn nicht bewiesen ist, dass Ihr Hund tatsächlich zugebissen hat? Genau diese komplexe Frage beantwortete das Landgericht Rostock in einem Urteil vom 6. Februar 2024 (Az.: 3 O 878/21).

Ein massiger Hund reißt sich plötzlich los und stürmt um eine Ecke auf eine Frau mit unangeleintem Terrier zu.
Tierhalterhaftung greift, auch wenn nicht bewiesen ist, welcher Hund wirklich biss. | Symbolbild: KI

Der Fall zeigt eindrücklich, dass die reine Anwesenheit und das unkontrollierte Verhalten eines Tieres ausreichen können, um die sogenannte Tierhalterhaftung auszulösen – auch wenn der genaue Hergang im Dunkeln bleibt. Das Gericht musste dabei nicht nur die Schuldfrage klären, sondern auch eine faire Verteilung der Verantwortung zwischen den beteiligten Hundehaltern finden.

Was genau war an jenem Abend in Rostock passiert?

An einem Oktoberabend ging eine ausgebildete Krankenschwester mit ihrer Tochter und ihrem kleinen, etwa vier Kilogramm schweren Yorkshire-Terrier spazieren. Ihr Hund war nicht angeleint. In der Nähe befanden sich der Halter eines rund 60 Kilogramm schweren belgischen Schäferhundmischlings und dessen Freundin. Der Mann übergab seiner Freundin kurz die Leine, um sich eine Zigarette anzuzünden.

In diesem Moment nahm das Geschehen eine dramatische Wendung. Der große Hund rannte plötzlich um eine Hausecke auf die Frau und ihren kleinen Terrier zu. Er riss sich los und war für die Freundin nicht mehr zu kontrollieren. Unmittelbar nach dieser Begegnung bemerkte die Krankenschwester eine kleine, blutende Wunde an ihrer rechten Hand. Alle Anwesenden gingen vor Ort von einem Hundebiss aus; die Freundin des Halters reichte der Verletzten ein Taschentuch und bemerkte, man müsse für den Hund wohl einen Maulkorb anschaffen.

Die Folgen der scheinbar kleinen Verletzung waren gravierend. Die Frau fuhr sofort in die Notaufnahme, wo die Wunde versorgt und ihre Hand in einer Gipsschiene ruhiggestellt wurde. Doch es kam zu Komplikationen: Wenige Tage später entwickelte sich eine schwere Weichteilinfektion (Handrückenphlegmone), die eine stationäre Notoperation erforderlich machte. Es folgten monatelange Behandlungen, Physiotherapie und Rehabilitation. Als dauerhafte Folge diagnostizierten die Ärzte ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS, auch Morbus Sudeck genannt), das die Feinmotorik und Kraft ihrer rechten Hand dauerhaft einschränkt.

Die verletzte Frau verklagte daraufhin den Halter des großen Hundes und später auch seine Freundin. Sie forderte Schmerzensgeld, Ersatz für ihren Verdienstausfall, die Kosten für den Haushaltsführungsschaden sowie die Erstattung von Heilbehandlungskosten.

Welche Gesetze entscheiden über die Haftung bei Hundebegegnungen?

Im Zentrum dieses Falles stehen zwei entscheidende Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die das Zusammenleben von Mensch und Tier regeln.

Die Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB ist dabei das schärfste Schwert. Dieses Gesetz etabliert eine sogenannte Gefährdungshaftung. Das bedeutet, der Halter eines Tieres haftet für Schäden, die sein Tier verursacht, allein aufgrund der Tatsache, dass er der Halter ist. Ein Verschulden, also ob er seine Aufsichtspflicht verletzt hat, ist dafür nicht erforderlich. Der Grundgedanke ist, dass von jedem Tier eine unberechenbare, instinktgesteuerte Gefahr ausgeht – die sogenannte Tiergefahr. Realisiert sich diese Gefahr in einem Schaden, muss der Halter dafür einstehen.

Wenn jedoch auch das Tier der geschädigten Person zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, kommt das Mitverschulden nach § 254 BGB ins Spiel. Das Gericht prüft dann, wessen Tier den größeren Verursachungsbeitrag geleistet hat. Die „Tiergefahr“, die vom Hund der verletzten Frau ausging, wird gegen die „Tiergefahr“ des anderen Hundes abgewogen. Faktoren wie Größe, Aggressivität und ob ein Hund angeleint war, fließen in diese Abwägung ein und führen zu einer Haftungsquote.

Zuletzt prüfte das Gericht die Haftung des Tieraufsehers (Tierhüters) nach § 834 BGB. Diese Norm nimmt die Person in die Pflicht, die die Aufsicht über ein Tier durch einen Vertrag übernommen hat. Anders als beim Halter haftet der Tierhüter nur dann, wenn ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Er kann sich entlasten, wenn er beweist, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Gericht stand vor der Herausforderung, den Fall trotz fehlender letzter Gewissheit gerecht zu entscheiden. Seine Analyse folgte einer klaren juristischen Logik, die die Argumente beider Seiten sorgfältig abwog.

War es überhaupt ein Hundebiss? Die Frage der Beweise

Die Beklagten argumentierten, die Verletzung könne auch von einem Dornengestrüpp oder sogar vom eigenen Hund der Klägerin stammen. Diesem Einwand folgte das Gericht nicht. Es stützte seine Überzeugung auf eine Kette von Indizien. Die unmittelbare zeitliche Abfolge – erst der unkontrollierte Hund, dann die Wunde – war ein starkes Anzeichen. Noch wichtiger waren die spontanen Reaktionen vor Ort: Die Bemerkung über den Maulkorb und das Überreichen des Taschentuchs zeigten, dass auch die Beklagten selbst von einem Biss ausgingen. Ein medizinisches Sachverständigengutachten bestätigte schließlich, dass ein Hundebiss die wahrscheinlichste Ursache war und andere Szenarien, wie ein Dornenstich, als unwahrscheinlich ausgeschlossen werden konnten.

Der Kern der Entscheidung: Die „Tiergefahr“ als Auslöser

Der entscheidende Punkt war jedoch, dass das Gericht es offenließ, welcher Hund letztlich zugebissen hatte. Es stellte fest, dass die Klägerin den endgültigen Beweis dafür nicht erbringen konnte. Dennoch bejahte es die Haftung des Halters des großen Hundes. Die Begründung liegt im Konzept der Tiergefahr nach § 833 Satz 1 BGB.

Das Gericht argumentierte, dass sich die spezifische Tiergefahr des Schäferhundmischlings bereits in dem Moment realisierte, als er sich losriss, unkontrolliert auf die Frau und ihren kleinen Hund zurannte und für seine Führerin nicht mehr ansprechbar war. Dieses unberechenbare, tierische Verhalten war der direkte Auslöser für die gesamte gefährliche Situation, die letztlich zur Verletzung führte. Selbst wenn der kleine Hund der Klägerin aus Abwehr oder Panik seine eigene Halterin verletzt hätte, wäre dies eine direkte Folge des Angriffs durch den großen Hund gewesen. Der Halter des großen Hundes haftet also nicht zwingend für den Biss selbst, sondern für die von seinem Tier ausgehende Gefahr, die den Schaden erst ermöglicht hat.

Warum wurde der Schadensersatz um 30 % gekürzt? Das Mitverschulden der verletzten Halterin

Obwohl das Gericht die Hauptverantwortung beim Halter des großen Hundes sah, sprach es der verletzten Frau nicht den vollen Schadensersatz zu. Es wandte § 254 BGB an und legte eine Haftungsquote von 70 % zu Lasten des Beklagten und 30 % zu Lasten der Klägerin fest.

Die Begründung: Auch vom kleinen, nicht angeleinten Yorkshire-Terrier ging eine Tiergefahr aus. Indem die Frau ihren Hund frei laufen ließ, trug sie selbst zu der gefährlichen Gesamtsituation bei. Das Gericht wog die Gefahrenpotenziale gegeneinander ab: Auf der einen Seite der große, unkontrollierbare Hund, dessen Verhalten den Vorfall primär auslöste (70 %). Auf der anderen Seite der kleine, ungesicherte Hund, dessen Anwesenheit und das Schutzverhalten seiner Halterin ebenfalls zur Eskalation beitrugen (30 %). Die Klägerin muss sich diese Mitverursachung anrechnen lassen.

Haftet die Freundin als „Tierhüterin“? Eine klare Absage des Gerichts

Die Klage gegen die Freundin des Halters, die kurz die Leine hielt, wies das Gericht vollständig ab. Eine Haftung als Tierhüterin nach § 834 BGB setzt voraus, dass jemand die Aufsicht über das Tier vertraglich oder im Rahmen eines ähnlichen Rechtsverhältnisses übernimmt. Das bloße, kurzzeitige Halten der Leine aus reiner Gefälligkeit reicht dafür nicht aus. Zudem sah das Gericht bei ihr kein Verschulden, da sie von dem plötzlich um die Ecke rennenden Hund überrascht wurde und keine realistische Möglichkeit hatte, steuernd einzugreifen.

Wie berechnete das Gericht den konkreten Schaden?

Nachdem die Haftungsquote von 70:30 feststand, berechnete das Gericht die Höhe des Schadens. Es erkannte den Verdienstausfall der Krankenschwester, die durch ihre Handverletzung lange arbeitsunfähig war, als schlüssig an. Auch der Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens wurde grundsätzlich bejaht, wobei das Gericht den von der Klägerin angesetzten Zeitaufwand von 34 auf realistischere 14 Stunden pro Woche schätzte.

Für die schweren Verletzungen, die Operation, die langwierige Behandlung und die dauerhafte Funktionseinschränkung der Hand von 15 % setzte das Gericht ein Schmerzensgeld fest. All diese Posten addierte das Gericht und kürzte die Summe anschließend um den Mitverschuldensanteil der Klägerin von 30 %. So kam der ausgeurteilte Betrag von 8.587,27 € zustande. Zusätzlich wurde der Halter verpflichtet, auch für alle zukünftigen materiellen Schäden aufzukommen, die aus dem Vorfall noch entstehen könnten.

Was bedeutet das Urteil für Sie als Hundehalter?

Dieses Urteil des Landgerichts Rostock liefert wertvolle Erkenntnisse für den Alltag jedes Hundehalters. Es verdeutlicht, dass die rechtliche Verantwortung weit über die reine Leinenpflicht hinausgeht.

Checkliste: So minimieren Sie Ihr Haftungsrisiko bei Hundebegegnungen

  1. Verstehen Sie die Tierhalterhaftung (§ 833 BGB): Ihre Verantwortung als Halter ist eine Gefährdungshaftung. Sie haften für Schäden, die Ihr Hund verursacht, auch ohne eigenes Verschulden. Die unberechenbare Natur des Tieres („Tiergefahr“) allein ist die Grundlage.
  2. Kontrolle ist alles – unabhängig von der Größe: Der Fall zeigt, dass der Kontrollverlust über den Hund der entscheidende Haftungsgrund war. Sorgen Sie stets dafür, dass Sie Ihr Tier unter Kontrolle haben, insbesondere in unübersichtlichen Situationen. Ein sich losreißender Hund realisiert bereits die Tiergefahr.
  3. Auch Ihr eigener Hund trägt zur Gefahr bei: Selbst wenn Sie geschädigt werden, kann das Verhalten Ihres eigenen Hundes Ihre Ansprüche mindern. Ein nicht angeleinter Hund – auch ein kleiner – erhöht das Gesamtrisiko und kann Ihnen als Mitverschulden angerechnet werden.
  4. Eine gute Hundehalter-Haftpflichtversicherung ist unerlässlich: Die Schadenssummen können, wie dieser Fall mit über 8.500 € und potenziellen Zukunftsschäden zeigt, schnell existenzbedrohend werden. Eine Versicherung ist daher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
  5. Dokumentieren Sie Vorfälle sofort und präzise: Die spontanen Äußerungen und Handlungen direkt nach dem Vorfall waren für das Gericht ein wichtiges Indiz. Notieren Sie sich Namen von Zeugen, machen Sie Fotos von der Situation und den Verletzungen und halten Sie den Hergang schriftlich fest.
  6. „Kurz die Leine halten“ begründet keine Tierhüterhaftung: Wenn Sie einem Freund aus Gefälligkeit kurz die Leine abnehmen, werden Sie in der Regel nicht zum rechtlich verantwortlichen „Tierhüter“. Die Haftung bleibt beim Halter.

Die Urteilslogik

Die Gefährdungshaftung eines Tierhalters greift bereits, wenn die unkontrollierte Gefahr seines Tieres die schädigende Kette von Ereignissen auslöst.

  • [Gefährdungshaftung durch Kontrollverlust]: Ein Tierhalter haftet für den entstandenen Schaden, sobald sein Hund sich losreißt und unkontrolliert verhält, da dieser Kontrollverlust die unberechenbare Tiergefahr unmittelbar realisiert.
  • [Abwägung der Tiergefahren]: Lässt der Geschädigte sein eigenes Tier ungesichert laufen, muss er sich dessen Mitverschulden anrechnen lassen, da die Tiergefahr des kleineren Hundes die Haftung des primären Verursachers mindert und zu einer Quotenhaftung führt.
  • [Abgrenzung Tierhüter]: Das bloße, kurzzeitige Halten der Leine aus reiner Gefälligkeit begründet keine vertragliche Übernahme der Aufsicht und schließt die strikte Haftung als verantwortlicher Tierhüter aus.

Hundehalter tragen eine weitreichende und strikte Verantwortung, die sie nur durch maximale Kontrolle und Einhaltung der Sorgfaltspflichten effektiv minimieren können.


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Sind Sie von einem unklaren Hundebiss oder Fragen zur Tierhalterhaftung betroffen? Kontaktieren Sie uns für eine erste juristische Einschätzung Ihres aktuellen Sachverhalts.


Experten Kommentar

Wer glaubt, fein raus zu sein, nur weil unklar ist, welcher Hund am Ende zugebissen hat, unterschätzt die rechtliche Schärfe der Tiergefahr. Das Landgericht Rostock macht hier klar: Die Hauptverantwortung trifft jenen Halter, dessen Kontrollverlust die gesamte gefährliche Kette erst in Gang gesetzt hat, unabhängig vom finalen Biss. Für Hundehalter ist das eine essenzielle Erkenntnis, denn es beweist, dass die Tierhalterhaftung bereits bei der bloßen Schaffung einer unkontrollierbaren Gefahrenlage greift. Aber das Urteil hält auch eine bittere Lektion für die Geschädigte bereit: Wer den eigenen, noch so kleinen Hund unangeleint lässt, akzeptiert das Risiko und muss sich einen empfindlichen Mitverschuldensabzug von 30 Prozent anrechnen lassen.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Hafte ich als Hundehalter für einen Biss, wenn unklar ist, welcher Hund die Verletzung verursacht hat?

Die fehlende Beweisbarkeit des Bisses befreit Sie nicht automatisch von der Haftung. Die Regel: Hundehalter müssen für Schäden einstehen, die durch die unkontrollierbare Natur ihres Tieres entstehen. Die Haftung greift, sobald die von Ihrem Hund ausgehende Gefährdungshaftung der Auslöser für die gesamte gefährliche Situation war. Sie können also auch haften, wenn nicht eindeutig feststeht, ob Ihr Tier oder der andere Hund die Verletzung verursacht hat.

Die gesetzliche Grundlage bildet die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. Ihr eigenes Verschulden, etwa eine Aufsichtspflichtverletzung, ist irrelevant. Entscheidend ist allein die Realisierung der unberechenbaren, instinktgesteuerten Tiergefahr. Wenn Ihr Hund sich losreißt und unkontrolliert auf andere zurast, gilt dieser Kontrollverlust bereits als kausal für den gesamten nachfolgenden Schaden. Gerichte sehen in diesem unberechenbaren Verhalten bereits die Ursache, welche die Kette der Ereignisse in Gang setzt.

Selbst wenn Ihr Tier nicht direkt zugebissen hat, sondern der Schaden durch eine Panikreaktion des geschädigten oder des anderen Hundes entstand, bleiben Sie haftbar. Das Gericht bewertet die von Ihrem Hund ausgehende primäre Bedrohungssituation als entscheidende Ursache. Der Halter des Tieres, das die Gefahr auslöste, haftet damit nicht zwingend für den Biss selbst, sondern dafür, dass seine Tiergefahr den Schaden erst ermöglichte. Sie müssen in diesem Fall entkräften, dass die von Ihrem Hund ausgehende Gefahr nicht der kausale Auslöser der Verletzung war.

Dokumentieren Sie sofort und präzise, welche konkrete Aktion Ihres Hundes (Rennen, Knurren, Anspringen) die Panikreaktion ausgelöst hat, um das Ausmaß der Tiergefahr festzuhalten.


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Mindert mein Mitverschulden den Schadensersatz, wenn mein eigener Hund nicht angeleint war?

Ja, der Schadensersatzanspruch wird gekürzt, wenn Ihr Hund zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht angeleint war. Die Gerichte werten die fehlende Sicherung als Mitverschulden nach § 254 BGB. Denn die Gefahr geht nicht nur vom Angreifer aus, sondern von jedem Tier, das unkontrolliert zur Eskalation beiträgt. Dies gilt unabhängig von der Größe oder Rasse Ihres Hundes.

Wenn zwei Hunde beteiligt sind, müssen die Richter die jeweiligen Gefahrenpotenziale gegeneinander abwägen. Dabei fließen die Größe, die Aggressivität und vor allem der Grad der Kontrolle durch den Halter in die Entscheidung ein. Die fehlende Leine eines Hundes gilt als Realisierung der Tiergefahr, weil dadurch die unmittelbare Kontrolle der Halterin eingeschränkt ist. Durch diesen Kontrollverlust hat Ihr Tier zur Entstehung der gefährlichen Gesamtsituation beigetragen.

Ein konkretes Beispiel: Obwohl eine geschädigte Halterin in Rostock schwer verletzt wurde, kürzte das Landgericht ihren Anspruch um 30 Prozent. Die primäre Verantwortung trug zwar der Halter des großen, sich losreißenden Hundes (70 Prozent). Trotzdem musste sich die Klägerin die 30 Prozent anrechnen lassen, weil ihr kleiner Yorkshire-Terrier ungesichert war. Der juristische Fokus liegt somit auf dem Verstoß gegen die Sicherungspflicht, nicht primär auf der passiven Rolle des eigenen Hundes.

Berechnen Sie realistisch diesen möglichen Kürzungsbetrag, um eine solide Basis für Verhandlungen mit der gegnerischen Versicherung zu haben.


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Wie kann ich beweisen, dass die Verletzung wirklich durch einen Hundebiss entstanden ist?

Der Nachweis eines Hundebisses ist oft schwierig, da die Gegenseite alternative Ursachen wie Stürze oder Dornengestrüpp behaupten wird. Juristisch erfolgt der Beweis meist über eine starke Indizienkette. Diese muss aus einer Kombination von unmittelbaren Geschehnissen und medizinischer Dokumentation bestehen. Entscheidend ist, andere mögliche Verletzungsursachen zuverlässig auszuschließen, um die Beweislast zu erfüllen.

Das primäre Indiz ist die zeitliche Kausalität. Die Wunde muss unmittelbar nach der Konfrontation mit dem Hund aufgetreten sein. Wichtige Zeugenbeweise sind die spontanen Äußerungen der gegnerischen Halter. Aussagen vor Ort, etwa dass ein Maulkorb angeschafft werden müsse, wirken vor Gericht wie eine indirekte Schuldanerkenntnis. Diese Reaktionen zeigen, dass die Beteiligten selbst sofort von einem Biss ausgingen.

Suchen Sie schnellstmöglich einen Arzt oder eine Notaufnahme auf. Ein präzises medizinisches Sachverständigengutachten muss die Bisswahrscheinlichkeit bestätigen und die Art der Wunde genau beschreiben. Experten schließen alternative Verletzungen, zum Beispiel einen Stich durch Dornen oder einen Sturz, als unwahrscheinlich aus. Nur eine detaillierte, notärztliche Dokumentation mit präziser Beschreibung der Wunde hilft, die aggressive Verteidigung der Gegenseite zu entkräften.

Lassen Sie die Verletzung sofort medizinisch untersuchen und dokumentieren Sie dabei explizit den Verdacht auf einen Hundebiss, um andere Ursachen auszuschließen.


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Hafte ich als Tierhüter, wenn ich den Hund meines Freundes nur kurz an die Leine genommen habe?

Wenn Sie aus reiner Gefälligkeit für einen Moment die Leine eines fremden Hundes halten, übernehmen Sie in der Regel nicht automatisch die volle juristische Verantwortung. Die sogenannte Tierhüterhaftung nach § 834 BGB greift bei einem solchen kurzzeitigen Freundschaftsdienst meist nicht. Die primäre Verantwortung für Schäden, die das Tier verursacht, bleibt weiterhin beim Hundehalter.

Die Regel sieht vor, dass die Haftung als Tierhüter nur entsteht, wenn Sie die Aufsicht über das Tier vertraglich oder im Rahmen eines ähnlichen Rechtsverhältnisses übernommen haben. Die Justiz trennt hier klar zwischen einer formellen Übernahme der Betreuung, beispielsweise gegen Entgelt, und einem unentgeltlichen, kurzfristigen Gefallen. Das bloße Halten der Leine entbindet den eigentlichen Halter nicht von seiner verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung. Als Leinenhalter haften Sie nur, wenn Ihnen grobe Fahrlässigkeit oder ein Aufsichtsversäumnis nachgewiesen wird.

Ein Beispiel: Ein Gericht lehnte die Haftung einer Frau ab, die einen großen Schäferhundmischling nur kurz an die Leine genommen hatte. Der Hund riss sich plötzlich los und war nicht mehr zu kontrollieren. Weil ihr kein schuldhaftes Versäumnis nachgewiesen werden konnte, entfiel die Haftung für sie als kurzzeitige Aufsichtsperson. Wurde das Tier durch eine unvorhergesehene, plötzliche Situation unkontrollierbar, liegt in der Regel kein schuldhaftes Versäumnis des kurzzeitigen Leinenhalters vor.

Sichern Sie sofort Beweise und Zeugenaussagen Ihres Freundes, die bestätigen, dass es sich um eine kurzfristige, unentgeltliche Übergabe handelte.


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Welche Folgeschäden muss der Hundehalter auch in Zukunft noch finanziell tragen?

Die Begleichung der aktuell festgesetzten Schadenssumme schließt die Angelegenheit für den Hundehalter nicht ab. Wenn aus dem Vorfall Dauerschäden resultieren, müssen Sie auch für alle zukünftigen finanziellen Folgen aufkommen, die aus der Verletzung entstehen. Gerichte stellen diese weitreichende Verpflichtung durch ein sogenanntes Feststellungsurteil sicher, welches die lebenslange Haftung für Spätfolgen festschreibt.

Das Gericht spricht diese Verpflichtung aus, weil die vollen Konsequenzen einer schweren Verletzung, wie das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS), oft erst Jahre später sichtbar werden. Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung sind diese möglichen materiellen Ansprüche meist noch nicht bezifferbar. Ein Feststellungsurteil schützt die geschädigte Person davor, später erneut eine vollständige Klage einreichen zu müssen, falls sich der gesundheitliche Zustand unerwartet verschlechtert.

Diese zukünftigen Forderungen umfassen alle materiellen Folgeschäden, die kausal auf den Hundebiss zurückzuführen sind. Dazu zählen beispielsweise notwendige Folgeoperationen, langfristige Rehabilitationsmaßnahmen, zusätzliche Therapiekosten oder ein erhöhter Haushaltsführungsschaden. Bei einer diagnostizierten dauerhaften Einschränkung der Hand, wie der im Fall festgestellten 15-prozentigen Funktionseinschränkung, bleibt die Haftung für den Hundehalter potenziell lebenslang bestehen.

Kontaktieren Sie unverzüglich Ihre Hundehalter-Haftpflichtversicherung, um sicherzustellen, dass die Police die Übernahme dieser zukünftigen Schadensersatzansprüche ausreichend abdeckt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Feststellungsurteil

Ein Feststellungsurteil ist eine gerichtliche Entscheidung, die verbindlich klärt, dass der Beklagte dem Grunde nach für alle künftigen materiellen Schäden haftet, deren genaue Höhe oder Eintrittszeitpunkt zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht feststehen. Juristen nutzen dieses Instrument, um der geschädigten Person Rechtssicherheit zu geben, da sie so bei später eintretenden, kausalen Folgeschäden keine neue Grundsatzklage einreichen muss.

Beispiel: Da die Klägerin ein komplexes regionales Schmerzsyndrom entwickelte, verpflichtete das Gericht den Halter des Hundes durch das Feststellungsurteil zur Übernahme aller zukünftigen materiellen Schäden, die aus der Handverletzung noch entstehen könnten.

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Haushaltsführungsschaden

Als Haushaltsführungsschaden bezeichnen Juristen den finanziellen Ausgleich, den eine geschädigte Person erhält, weil sie aufgrund einer Verletzung oder Krankheit ihren eigenen Haushalt nicht mehr oder nur eingeschränkt führen kann. Das Gesetz stellt sicher, dass Betroffene, die etwa durch einen Unfall ihre Putz-, Koch- oder Wäschewasch-Leistung nicht mehr erbringen können, die Kosten für Ersatzkräfte oder die entgangene Eigenleistung vom Verursacher erstattet bekommen.

Beispiel: Wegen der dauerhaften Funktionseinschränkung ihrer rechten Hand machte die Krankenschwester Anspruch auf Haushaltsführungsschaden geltend, wobei das Gericht den angesetzten Zeitaufwand auf realistischere 14 Stunden pro Woche schätzte.

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Mitverschulden (§ 254 BGB)

Mitverschulden nach § 254 BGB liegt vor, wenn eine geschädigte Person durch ihr eigenes Verhalten oder durch Umstände, die ihr zuzurechnen sind, wie die Tiergefahr des eigenen Hundes, zur Entstehung des Schadens maßgeblich beigetragen hat. Richter wenden diese Regel an, um die Verantwortung und die daraus resultierende Schadensersatzpflicht fair zwischen den Beteiligten aufzuteilen und eine angemessene Haftungsquote festzulegen.

Beispiel: Obwohl der große Schäferhundmischling die Gefahr auslöste, rechnete das Landgericht Rostock der Klägerin 30 % Mitverschulden an, da ihr Yorkshire-Terrier nicht angeleint war und somit zur gefährlichen Gesamtsituation beitrug.

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Tieraufseher (Tierhüter) (§ 834 BGB)

Der Tieraufseher, oft als Tierhüter bezeichnet, ist die Person, die aufgrund eines Vertrages oder eines ähnlichen Rechtsverhältnisses die Aufsicht über ein Tier übernommen hat und im Falle eines Schadens nur bei nachgewiesenem Verschulden haftet. Die Norm schafft eine Haftungsebene für Betreuungspersonen, ermöglicht es dem Aufseher aber im Gegensatz zum Halter, sich zu entlasten, wenn er beweist, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben.

Beispiel: Die Freundin des Halters, die dem Mann kurz die Leine hielt, haftete nicht als Tieraufseherin, weil das Gericht das kurze Halten als reine Gefälligkeit einstufte und ihr kein schuldhaftes Versäumnis nachwies.

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Tierhalterhaftung (§ 833 BGB)

Die Tierhalterhaftung beschreibt die verschuldensunabhängige Haftung desjenigen, der die tatsächliche Herrschaft über ein Tier ausübt, und greift, sobald sich die unberechenbare Tiergefahr in einem Schaden realisiert. Das Gesetz etabliert diese strenge Gefährdungshaftung, da von jedem Tier eine instinktgesteuerte Gefahr ausgeht, für deren Beherrschung der Halter ohne Rücksicht auf sein eigenes Verschulden einstehen soll.

Beispiel: Trotz der fehlenden Gewissheit, welcher Hund zugebissen hatte, bejahte das Gericht die Tierhalterhaftung des Halters des großen Hundes, weil dessen unkontrolliertes Losreißen die gefährliche Situation überhaupt erst auslöste.

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Tiergefahr

Als Tiergefahr bezeichnen Juristen die dem Wesen eines Tieres innewohnende Unberechenbarkeit und die Instinkte, die sich jederzeit in einem unvorhersehbaren Verhalten und potenziellen Schaden entladen können. Dieses juristische Schlüsselkonzept dient als Begründung für die Gefährdungshaftung des Halters, da dieser für die Realisierung dieser spezifischen Gefahr haften muss, selbst wenn er seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hat.

Beispiel: Der Umstand, dass sich der große Hund plötzlich losriss, unkontrolliert auf die Frau zurannte und für seine Führerin nicht mehr ansprechbar war, sah das Gericht als eine Realisierung der Tiergefahr an, die ursächlich für die Verletzung war.

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Das vorliegende Urteil


LG Rostock – Az.: 3 O 878/21 – Urteil vom 06.02.2024


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