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Haftung für In-App-Käufe minderjähr Kinder: Wer zahlt die Kosten?

Ein Vater forderte 33.700 Euro Rückerstattung für 1.210 unbemerkte In-App-Käufe, die sein minderjähriger Sohn über 20 Monate tätigte. Trotz der fehlenden Autorisierung haftet der Kontoinhaber, weil er notwendige Sicherungsmaßnahmen am Nutzerkonto unterließ.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 64/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Karlsruhe
  • Datum: 24.09.2025
  • Aktenzeichen: 2 O 64/23
  • Verfahren: Zivilrechtliche Klage auf Rückzahlung
  • Rechtsbereiche: Haftung im Online-Handel, Verbraucherrecht, Stellvertretung

  • Das Problem: Ein Vater forderte die Rückerstattung von 33.748,00 EUR für In-App-Käufe, die sein minderjähriger Sohn über sein eingerichtetes Plattformkonto getätigt hatte. Die Plattform lehnte die Rückzahlung ab, weil die Käufe über das autorisierte Konto erfolgten.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Plattform das Geld zurückzahlen, wenn ein Kind unautorisiert hohe Beträge über das Elternkonto einkauft, aber der Vater keine ausreichenden technischen Vorkehrungen getroffen hat?
  • Die Antwort: Nein. Die Klage wurde abgewiesen. Die Kaufverträge waren wirksam, weil der Vater durch jahrelange fehlende Kontrolle und die Hinterlegung der Kreditkarte einen Vertrauenstatbestand für die Plattform schuf.
  • Die Bedeutung: Kontoinhaber haften für die unautorisierten Massenkäufe ihrer Kinder, wenn sie es schuldhaft unterlassen, die angebotenen Sicherheits- und Kontrollmechanismen der digitalen Plattform zu nutzen.

Haftung für In-App-Käufe: Warum ein Vater trotz 1.210 unbefugter Käufe seines Sohnes leer ausging

Ein Blick auf die Kreditkartenabrechnung wurde für einen Vater und Software-Unternehmer zum Schock: Über einen Zeitraum von 20 Monaten waren mehr als 33.700 Euro für unzählige kleine Posten in Online-Spielen abgebucht worden.

Die Hand eines Kindes tippt sorglos den Kauf-Button auf einem Tablet, der die Zahlung ohne PIN-Eingabe auslöst.
Vater haftet: LG Karlsruhe wies Klage gegen unbefugte In-App-Käufe des Sohnes ab. | Symbolbild: KI

Schnell war der Verantwortliche gefunden: sein damals sieben- bis achteinhalbjähriger Sohn, der auf einem alten Firmentablet gespielt hatte. Der Vater forderte das Geld von der Betreiberin des App-Stores zurück, da er die Käufe nie genehmigt hatte. Doch das Landgericht Karlsruhe wies seine Klage mit Urteil vom 24. September 2025 (Az.: 2 O 64/23) ab. Der Fall beleuchtet eindrücklich, wann Eltern für die digitalen Shoppingtouren ihrer Kinder haften – selbst wenn sie davon nichts wussten.

Was genau war geschehen?

Die Geschichte beginnt unauffällig. Im Februar 2015 richtete der Kläger, ein Geschäftsführer in der Softwarebranche, ein Nutzerkonto auf der digitalen Vertriebsplattform der Beklagten ein. Er registrierte es mit seiner Firmen-E-Mail-Adresse und hinterlegte seine private Kreditkarte als Zahlungsmittel. Zunächst nutzte er das Konto selbst und tätigte zwischen 2019 und 2020 acht Käufe im Gesamtwert von knapp 48 Euro.

Später überführte er das Tablet, das er ursprünglich beruflich genutzt hatte, in sein Privateigentum und überließ es seinem im Januar 2014 geborenen Sohn. Er schärfte dem Jungen zwar ein, keine Käufe zu tätigen, traf aber keine weiteren technischen Vorkehrungen. Er vertraute darauf, dass vor jeder Transaktion eine Sicherheitsabfrage erfolgen würde.

Diese Annahme erwies sich als fatal. Zwischen Februar 2021 und September 2022 tätigte der Sohn unbemerkt 1.210 einzelne In-App-Käufe. Dabei handelte es sich um eine Flut von Kleinstbeträgen, die sich auf eine Gesamtsumme von mindestens 33.748,00 Euro summierten. Erst bei einer genauen Prüfung seiner Kreditkartenabrechnungen im September 2022 entdeckte der Vater die massiven Ausgaben. Er forderte die Plattformbetreiberin zur Rückzahlung auf und zog, als diese sich weigerte, vor Gericht.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei gegensätzliche Rechtsprinzipien, die das Gericht gegeneinander abwägen musste.

Der Vater stützte seine Forderung auf den Grundsatz der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Dieser Paragraph besagt vereinfacht: Wer eine Leistung ohne rechtlichen Grund erhalten hat, muss sie zurückgeben. Aus Sicht des Vaters gab es für die Zahlungen von über 33.000 Euro keinen Rechtsgrund, da er die zugrundeliegenden Kaufverträge nie selbst abgeschlossen oder genehmigt hatte. Sein minderjähriger Sohn konnte dies aufgrund seiner beschränkten Geschäftsfähigkeit ebenfalls nicht wirksam tun.

Die Plattformbetreiberin argumentierte hingegen mit den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Dies ist keine im Gesetz geschriebene Regel, sondern ein von der Rechtsprechung entwickeltes Prinzip, das den Geschäftsverkehr schützen soll. Es besagt: Wenn eine Person durch ihr Verhalten fahrlässig den Anschein erweckt, eine andere Person habe die Befugnis, in ihrem Namen zu handeln, muss sie sich deren Handlungen zurechnen lassen. Voraussetzung ist, dass der Geschäftspartner gutgläubig auf diesen Anschein vertrauen durfte. Die Plattform sah genau diesen Fall als gegeben an: Der Vater habe durch die Einrichtung des Kontos und die Hinterlegung der Kreditkarte den Rechtsschein gesetzt, dass über dieses Konto wirksam Verträge geschlossen werden können.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Landgericht Karlsruhe folgte der Argumentation der Plattformbetreiberin und wies die Klage ab. Die Richter waren nach der Anhörung des Vaters und der glaubhaften Zeugenaussage des Sohnes zwar überzeugt, dass der Junge die Käufe tatsächlich getätigt hatte. Dennoch kam das Gericht zu dem Schluss, dass zwischen dem Vater und der Plattform wirksame Kaufverträge zustande gekommen waren. Die Begründung stützt sich auf eine Kette von Versäumnissen aufseiten des Vaters.

Wie schuf der Vater den entscheidenden Rechtsschein?

Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine Anscheinsvollmacht als erfüllt an. Der Vater hatte nicht nur das Konto eingerichtet und seine Kreditkartendaten hinterlegt, sondern auch selbst die ersten Käufe getätigt – teilweise sogar gemeinsam mit seinem Sohn. Damit erweckte er bei der Plattform den Eindruck, ein aktiver und legitimer Nutzer zu sein. Indem er über einen langen Zeitraum von 20 Monaten die Abbuchungen und die per E-Mail versandten Kaufquittungen nicht beanstandete, verfestigte er diesen Eindruck. Die schiere Menge von 1.210 Transaktionen und die lange Dauer gaben dem Anschein ein erhebliches Gewicht.

Hätte der Vater die Käufe bemerken und verhindern müssen?

Ein zentraler Punkt in der Urteilsbegründung ist die Frage der Sorgfaltspflicht. Das Gericht stellte fest, dass der Vater das Handeln seines Sohnes bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Als Geschäftsführer eines Softwareunternehmens sei ihm die Funktionsweise von App-Stores und die damit verbundenen Risiken bekannt. Er hätte einfache und zumutbare technische Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, die die Plattform anbot:

  • Einrichten eines Kinderkontos mit Kaufgenehmigungen durch die Eltern.
  • Festlegen eines Budgets oder die Nutzung von Guthabenkarten.
  • Aktivieren einer Passwortabfrage vor jedem einzelnen Kauf.

Der Vater unterließ all diese Vorkehrungen. Zudem versäumte er es, die an seine Firmen-E-Mail-Adresse gesendeten Kaufbelege sowie seine Kreditkartenabrechnungen regelmäßig zu kontrollieren. Dieses Unterlassen wertete das Gericht als schuldhafte Mitverursachung des Rechtsscheins.

Durfte die Plattform auf die Echtheit der Käufe vertrauen?

Ja, urteilte das Gericht. Im anonymen Massengeschäft einer Online-Plattform darf der Betreiber grundsätzlich darauf vertrauen, dass Handlungen, die über ein ordnungsgemäß eingerichtetes Nutzerkonto mit hinterlegten Zahlungsdaten erfolgen, vom Kontoinhaber autorisiert sind. Es gab keine offensichtlichen Anzeichen, die die Plattform hätten misstrauisch machen müssen. Weder die Art der gekauften Spielinhalte noch die Uhrzeiten der Käufe deuteten zwingend auf einen Missbrauch durch ein Kind hin. Selbst wenn einige Inhalte klar für Kinder bestimmt waren, schließt das eine Genehmigung durch die Eltern nicht aus.

Warum zählte das Verbot an den Sohn nicht?

Das Argument des Vaters, er habe seinem Sohn die Käufe ausdrücklich verboten, ließ das Gericht nicht gelten. Eine rein verbale Anweisung an ein sieben- bis achtjähriges Kind reicht nach Ansicht der Richter nicht aus, um der eigenen Sorgfaltspflicht nachzukommen, wenn gleichzeitig leicht zugängliche technische Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Die Zurechnung der Geschäfte erfolgte auch nicht an den beschränkt geschäftsfähigen Sohn, sondern direkt an den volljährigen und voll geschäftsfähigen Vater als Kontoinhaber. Nach § 165 BGB kommt es für die Wirksamkeit eines Vertretergeschäfts auf die Geschäftsfähigkeit des Vertretenen (des Vaters) an, nicht auf die des Vertreters (des Sohnes).

Da das Gericht die Kaufverträge aufgrund der Anscheinsvollmacht als wirksam ansah, gab es für die Zahlungen einen Rechtsgrund. Der Anspruch des Vaters auf Rückerstattung wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) scheiterte somit.

Was bedeutet dieses Urteil für Sie als Eltern und Kontoinhaber?

Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist eine klare Mahnung an alle Inhaber von Online-Konten, insbesondere an Eltern. Es verdeutlicht, dass die Verantwortung für die Absicherung digitaler Zugänge und Zahlungsmittel primär beim Nutzer liegt. Wer durch Nachlässigkeit den Anschein erweckt, Transaktionen seien genehmigt, kann sich später nur schwer darauf berufen, davon nichts gewusst zu haben.

Checkliste: So schützen Sie sich vor ungewollten In-App-Käufen

  • Nutzen Sie Familien- oder Kinderkonten: Richten Sie für Ihre Kinder eigene, eingeschränkte Profile ein. Plattformen wie Google oder Apple bieten hierfür spezielle „Familienfreigabe“-Funktionen an, bei denen Käufe von Ihnen genehmigt werden müssen.
  • Aktivieren Sie die Passwortabfrage: Stellen Sie Ihr Konto so ein, dass vor jedem Kauf oder zumindest in kurzen Intervallen (z.B. alle 15 Minuten) das Passwort erneut eingegeben werden muss.
  • Vermeiden Sie hinterlegte Kreditkarten: Nutzen Sie stattdessen Guthabenkarten. Ist das Guthaben aufgebraucht, sind keine weiteren Käufe mehr möglich. Dies ist die sicherste Methode zur Kostenkontrolle.
  • Setzen Sie Budgets und Limits: Viele Plattformen ermöglichen das Einrichten von monatlichen Ausgabelimits für einzelne Nutzerkonten.
  • Kontrollieren Sie regelmäßig Ihre Abrechnungen: Überprüfen Sie monatlich Ihre Kreditkartenabrechnung und die per E-Mail zugesandten Kaufbelege. Nur so können Sie ungewöhnliche Aktivitäten rechtzeitig entdecken und reagieren.
  • Sprechen Sie mit Ihren Kindern: Erklären Sie Ihrem Kind den Unterschied zwischen kostenlosen und kostenpflichtigen Inhalten und die Konsequenzen von In-App-Käufen. Ein rein verbales Verbot ersetzt jedoch keine technischen Schutzmaßnahmen.

Die Urteilslogik

Die Verantwortung für die Sicherung digitaler Zahlungswege liegt primär beim Kontoinhaber, der durch grobe Fahrlässigkeit den Anschein wirksamer Kaufverträge setzt.

  • [Vertrauen auf den Rechtsschein]: Wer ein Nutzerkonto mit hinterlegten Zahlungsdaten über einen langen Zeitraum unbeaufsichtigt lässt, setzt den Anschein wirksamer Autorisierung und muss sich die dort getätigten Geschäfte zurechnen lassen.
  • [Pflicht zur technischen Absicherung]: Der Kontoinhaber muss alle zumutbaren technischen Sicherungsmaßnahmen nutzen, um unautorisierte Käufe zu verhindern; eine bloße verbale Anweisung an Dritte ersetzt diese elementare Schutzpflicht nicht.
  • [Verlust des Erstattungsanspruchs]: Wer schuldhaft die Kontrolle über digitale Zahlungen vernachlässigt und die Abbuchungen über Monate hinweg ignoriert, verwirkt seinen Anspruch auf Rückerstattung wegen ungerechtfertigter Bereicherung.

Diese Grundsätze betonen, dass der Schutz des fließenden Massengeschäfts Priorität genießt, sobald der Kontoinhaber durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.


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Haften Sie ebenfalls für unautorisierte In-App-Käufe Ihres Kindes? Lassen Sie Ihre individuelle Situation im Rahmen einer rechtlichen Ersteinschätzung prüfen.


Experten Kommentar

Wer eine Kreditkarte in einem Online-Konto hinterlegt, spielt mit dem Feuer, wenn er die Kontrolle abgibt. Das Gericht macht hier glasklar: Im anonymen Massengeschäft zählt das Vertrauen der Plattform auf den Rechtsschein mehr als die private Sorglosigkeit des Kontoinhabers. Eine einfache mündliche Anweisung an das Kind zählt nichts, wenn man leicht verfügbare, technische Sicherungen wie Passwortabfragen oder Kinderkonten ignoriert. Die Pflicht zur technischen Absicherung liegt damit konsequent beim Nutzer; wer seine Abrechnungen 20 Monate lang nicht prüft, dem wird die daraus entstehende Haftung voll zugerechnet.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer haftet für die In-App-Käufe, die mein Kind ohne meine Erlaubnis auf meinem Account getätigt?

Die primäre Haftung für unbefugte In-App-Käufe liegt juristisch beim volljährigen Kontoinhaber, nicht beim minderjährigen Kind. Der entscheidende Punkt ist, dass das Gericht die Käufe Ihnen direkt zurechnet. Dies geschieht, wenn Sie durch mangelnde Sorgfalt den Eindruck erweckt haben, die Transaktionen seien genehmigt. Gerichte stützen dies auf das Prinzip der Anscheinsvollmacht.

Ein rein verbales Kaufverbot an Ihr Kind reicht in der Regel nicht aus, um Ihre juristische Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Hätten Sie die leicht zugänglichen technischen Schutzmaßnahmen der Plattform ignoriert, gilt dies als fahrlässiges Verhalten. Die Zurechnung des Geschäfts erfolgt dann direkt zu Ihnen als voll geschäftsfähigem Elternteil nach § 165 BGB, und nicht über die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Kindes. Die Plattform durfte im anonymen Massengeschäft auf die Autorisierung vertrauen.

Der Anschein der Genehmigung entsteht, sobald Sie als Kontoinhaber die Zahlungsdaten hinterlegen und keine strenge Passwortabfrage vor jedem einzelnen Kauf aktivieren. Entdecken Sie die Abbuchungen erst nach vielen Monaten, verfestigt diese lange Duldungsdauer den Rechtsschein zusätzlich. Im Urteilsfall des Landgerichts Karlsruhe wurden 1.210 Käufe über 20 Monate dem Vater zugerechnet, weil er es versäumte, seine Kaufbelege und Kreditkartenabrechnungen regelmäßig zu prüfen.

Sperren Sie sofort alle Geräte, auf denen Ihr Kind Zugriff auf Ihr Konto hat, um eine weitere Eskalation der Schadenssumme zu verhindern.


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Kann ich mein Geld für unbefugte In-App-Käufe zurückverlangen, wenn die Plattform eine ‚Anscheinsvollmacht‘ annimmt?

Die Chancen, das Geld zurückzubekommen, sind gering, sobald die Plattform erfolgreich die Anscheinsvollmacht nachweist. Diese juristische Figur führt dazu, dass der Kaufvertrag als wirksam zustande gekommen gilt. Damit fehlt die notwendige Voraussetzung für eine Rückforderung über den Weg der ungerechtfertigten Bereicherung. Die Plattform durfte gutgläubig auf den Rechtsschein vertrauen, den Sie als Kontoinhaber gesetzt haben.

Ihr Anspruch auf Rückerstattung stützt sich normalerweise auf die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB). Dieser Paragraph greift nur, wenn die Zahlung ohne jeglichen Rechtsgrund erfolgte. Hatten Sie jedoch durch Nachlässigkeit, etwa das Ignorieren von Passwortsperren oder die Hinterlegung der Kreditkarte, über einen langen Zeitraum den Anschein einer Genehmigung erweckt, entsteht ein gültiger Vertrag. Der durch die Anscheinsvollmacht geschaffene wirksame Kaufvertrag bildet genau diesen Rechtsgrund für die Zahlung.

Der Rechtsschein verfestigt sich besonders stark, wenn die unbefugten Käufe über viele Monate unbemerkt blieben. Konkret: Eine schiere Masse von Transaktionen über 20 Monate wird als geduldete Nutzung gewertet. Das Gericht legt Ihnen zur Last, dass Sie Ihre Kreditkartenabrechnungen und die versandten Kaufquittungen nicht regelmäßig kontrolliert haben. Ihr Versäumnis, technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wird dadurch verschärft und macht den Widerruf der Käufe fast unmöglich.

Sammeln Sie alle Kreditkartenabrechnungen und Kaufquittungen der strittigen Periode, um lückenlos nachzuweisen, dass Ihnen weder Kenntnis noch die zumutbare Kontrolle der Kaufmasse möglich war.


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Welche konkreten technischen Schutzmaßnahmen muss ich als Kontoinhaber ergreifen, um meine Sorgfaltspflicht zu erfüllen?

Um juristisch nicht als nachlässig zu gelten, müssen Sie aktiv die strengstmöglichen technischen Sicherungen nutzen, die die Plattform anbietet. Die Sorgfaltspflicht erfüllen Sie nur, wenn Sie eine Passwortabfrage vor jedem einzelnen Kauf aktivieren. Diese Maßnahme ist entscheidend, um jeglichen Anschein einer stillschweigenden Genehmigung durch Sie zu verhindern.

Gerichte bewerten es als schuldhaft fahrlässig, wenn Sie leicht zugängliche Schutzfunktionen ignorieren. Eine rein verbale Anweisung oder ein Verbot an Ihr Kind reicht nach der Rechtsprechung nicht aus, um Ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Plattformbetreiber dürfen im anonymen Massengeschäft grundsätzlich darauf vertrauen, dass Transaktionen über ein ordnungsgemäß eingerichtetes Konto autorisiert sind. Deswegen müssen Sie technische Vorkehrungen treffen, um diesen Rechtsschein aktiv zu widerlegen.

Ein wichtiger Schritt ist die Nutzung eingeschränkter Kinderkonten oder Familienprofile. Diese Profile erfordern explizit eine Genehmigung des volljährigen Kontoinhabers bei jeder Transaktion. Zudem ist die Zahlungssicherung essenziell: Ersetzen Sie hinterlegte Kreditkarten durch limitierte Guthabenkarten (Prepaid) oder setzen Sie harte monatliche Ausgabenlimits zur Budgetierung. Beachten Sie, dass die oft voreingestellte Toleranzzeit der Plattformen (z.B. 15 Minuten ohne erneute Passworteingabe) im Zweifel gegen Sie als fahrlässig ausgelegt wird.

Öffnen Sie unverzüglich die Einstellungs-App Ihres Betriebssystems (z.B. unter ‚Bildschirmzeit‘ oder ‚Nutzungsbeschränkungen‘) und wählen Sie dort die Option ‚Passwort immer erforderlich‘.


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Was passiert, wenn ich die hohen Abbuchungen durch mein Kind erst nach vielen Monaten bemerke und reklamiere?

Wenn Sie Abbuchungen erst nach vielen Monaten bemerken, verschlechtert dies Ihre juristische Position dramatisch. Die späte Reklamation, wie nach 20 Monaten im Urteilsfall von Karlsruhe, verfestigt den Rechtsschein der Genehmigung, der unwiderlegbar wird. Gerichte sehen die Nichtkontrolle von Abrechnungen und Kaufbelegen als schuldhafte Verletzung Ihrer Kontrollpflicht an. Dieses Versäumnis führt dazu, dass eine erfolgreiche Rückforderung des Geldes in den meisten Fällen scheitert.

Die Plattformbetreiber müssen im anonymen Massengeschäft darauf vertrauen dürfen, dass Transaktionen über ein ordnungsgemäß eingerichtetes Konto autorisiert sind. Durch die unbemerkte Fortführung der Käufe über einen langen Zeitraum – im Karlsruher Fall waren es 20 Monate – entsteht dieser Anschein der Duldung. Ihr Unterlassen, die Abbuchungen zu bemerken und zeitnah zu beanstanden, gilt als schuldhafte Mitverursachung des Schadens.

Die schiere Masse an Transaktionen über die Zeit verstärkt das Problem erheblich, weil sie das Indiz der Genehmigung besonders gewichtet. Nehmen wir an, Ihr Kind hat 1.210 Käufe getätigt; diese Flut von Buchungen wird als starkes Indiz für die stillschweigende Duldung gewertet. Gerichte begründen damit eine Anscheinsvollmacht, wodurch die Kaufverträge juristisch als wirksam geschlossen gelten. War der Vertrag wirksam, entfällt ein Anspruch auf Rückerstattung des Geldes.

Richten Sie unbedingt eine E-Mail-Regel ein, die alle Kaufquittungen sofort in einen dedizierten Ordner verschiebt, den Sie wöchentlich prüfen.


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Wie sichere ich mein Online-Konto und meine hinterlegte Kreditkarte gegen weitere unbefugte Käufe durch mein Kind?

Die wirksamste Sofortmaßnahme besteht darin, die direkte Zahlungsquelle zu kappen. Entfernen Sie Ihre hinterlegte Kreditkarte oder Bankdaten vollständig aus dem Konto. Stellen Sie auf eine kontrollierbare Zahlungsmethode wie Prepaid-Guthaben um und nutzen Sie gleichzeitig die strengsten technischen Sperren der Plattform. Diese Kombination aus finanzieller und technischer Absicherung schützt Sie dauerhaft vor unbefugten Käufen, da die Gerichte strenge Maßstäbe an die Sorgfaltspflicht der Kontoinhaber anlegen.

Die erste Priorität liegt auf der physischen Entkopplung aller Zahlungsmittel. Solange eine Kreditkarte hinterlegt ist, besteht das Risiko, dass Gerichte die Käufe über die sogenannte Anscheinsvollmacht Ihnen zurechnen. Löschen Sie daher die Karteninformationen im Einstellungsbereich Ihres App-Stores. Ersetzen Sie diese durch limitierte Guthabenkarten, da bei aufgebrauchtem Betrag automatisch keine weiteren Transaktionen mehr möglich sind. Das Landgericht Karlsruhe sah die Nichtnutzung dieser Option als ein Versäumnis der Sorgfaltspflicht an.

Zusätzlich müssen Sie die Nutzer trennen und die Gerätesicherheit erhöhen. Richten Sie für Ihr Kind ein separates, altersgerechtes Profil über die Familienfreigabe der Plattform ein. Dieses Kinderkonto darf generell keine Kaufberechtigungen besitzen oder muss jede Transaktion durch den Hauptkontoinhaber genehmigen lassen. Aktivieren Sie auf dem genutzten Gerät die Funktion zur Sperrung von In-App-Käufen und stellen Sie sicher, dass die Passwortabfrage vor jedem Kleinstkauf zwingend erforderlich ist, ohne jegliche Toleranzzeiten.

Melden Sie sich unverzüglich bei Ihrem App-Store-Konto (z.B. Apple ID oder Google Play) an und löschen Sie im Bereich ‚Zahlungsmittel‘ die hinterlegte Kreditkarte oder das verknüpfte Bankkonto vollständig, um die Kaufmöglichkeit sofort zu stoppen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Anscheinsvollmacht

Juristen nennen die Anscheinsvollmacht ein von der Rechtsprechung entwickeltes Prinzip, bei dem jemand so fahrlässig den Eindruck erweckt, eine andere Person dürfe in seinem Namen handeln, dass er sich deren Handlungen zurechnen lassen muss.
Dieses außergesetzliche Rechtsinstitut schützt den gutgläubigen Geschäftspartner, der berechtigterweise auf diesen gesetzten Anschein vertraut und gewährleistet somit Rechtssicherheit im anonymen Massengeschäft.

Beispiel: Im vorliegenden Fall sah das Landgericht Karlsruhe die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht als erfüllt an, da der Vater durch die Hinterlegung der Kreditkarte und die Duldung der Käufe den Rechtsschein setzte.

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beschränkte Geschäftsfähigkeit

Die beschränkte Geschäftsfähigkeit betrifft Minderjährige, die das siebte Lebensjahr vollendet haben, aber noch nicht volljährig sind, und bedeutet, dass sie Verträge nicht ohne die vorherige Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter wirksam abschließen können.
Das Gesetz schützt Kinder und Jugendliche davor, sich durch unüberlegte Geschäfte finanziell zu ruinieren; Kaufverträge sind daher schwebend unwirksam, bis die Eltern sie genehmigen.

Beispiel: Obwohl der achtjährige Sohn als beschränkt geschäftsfähig galt, wurden die 1.210 In-App-Käufe dem Vater als voll geschäftsfähigem Kontoinhaber zugerechnet, da dieser die Sorgfaltspflicht verletzt hatte.

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Rechtsschein

Der Rechtsschein ist eine juristische Fiktion, bei der eine tatsächlich nicht existierende Rechtslage, wie eine Vertretungsvollmacht, durch äußerlich erkennbare Umstände bei Dritten erweckt wird.
Dieses Prinzip schafft Vertrauen im Geschäftsverkehr, indem es besagt: Wer einen Sachverhalt nach außen hin präsentiert, muss die daraus entstehenden Konsequenzen tragen, selbst wenn die innere Willenslage von der äußerlichen Darstellung abweicht.

Beispiel: Der Vater schuf den entscheidenden Rechtsschein der Genehmigung, indem er die Zugangsdaten und seine Kreditkarte über 20 Monate hinweg in der App hinterlegt ließ und die Kaufquittungen nicht kontrollierte.

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Sorgfaltspflicht

Unter Sorgfaltspflicht versteht man die gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung, die notwendige Aufmerksamkeit und Umsicht walten zu lassen, um Schäden oder Rechtsnachteile zu verhindern.
Der Gesetzgeber verlangt von jedem Bürger, die ihm zumutbaren Schutzmaßnahmen zu ergreifen; wer diese Pflicht verletzt, handelt fahrlässig und muss unter Umständen für die entstandenen Konsequenzen einstehen.

Beispiel: Das Gericht stellte fest, dass der Vater seine Sorgfaltspflicht grob verletzt hatte, da er die leicht zugänglichen technischen Sicherungen, wie die strikte Passwortabfrage vor dem Kauf, ignoriert hatte.

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ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB)

Die ungerechtfertigte Bereicherung ist der Rechtsanspruch auf Rückerstattung einer Leistung, die jemand ohne einen rechtlichen Grund erhalten hat (beispielsweise durch eine irrtümliche oder ungewollte Zahlung).
Dieser Paragraph dient dem Zweck, eine ungerechte Vermögensverschiebung zu korrigieren, damit kein Unternehmen auf Kosten eines anderen unbillig bereichert wird und die Verteilung des Vermögens wieder der Rechtslage entspricht.

Beispiel: Der Anspruch des Vaters auf Rückerstattung der 33.700 Euro gemäß § 812 BGB scheiterte vor Gericht, weil die angenommene Anscheinsvollmacht der Zahlungsleistung einen gültigen Rechtsgrund gab.

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Das vorliegende Urteil


LG Karlsruhe – Az.: 2 O 64/23 – Urteil vom 24.09.2025


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