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Haftung gerichtlicher Sachverständiger für unrichtiges Gutachten

OLG Köln – Az.: 5 U 100/17 – Beschluss vom 08.11.2017

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 17.05.2017 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 17 O 213/15 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Gründe

I.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, denn der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 839a BGB zu. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass der Beklagte in dem vor dem Landgericht Duisburg geführten Arzthaftungsprozess ein unrichtiges Gutachten erstattet hat.

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe als bestellter Gerichtssachverständiger in einem Arzthaftungsprozess, den sie vor dem Landgericht Duisburg (Az. 4 O 294/05) gegen die Malteser St. B gGmbH u.a. geführt habe, grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt. Aufgrund dieses unrichtigen Gutachtens habe das Landgericht Duisburg ihre Klage abgewiesen, wodurch ihr ein Vermögensschaden entstanden sei.

Ein vom Gericht ernannter Sachverständiger kann einer Prozesspartei zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat und der Prozesspartei durch eine auf dem unrichtigen Gutachten beruhende gerichtliche Entscheidung ein Schaden entstanden ist, § 839a Abs. 1 ZPO. Ein Gutachten ist unrichtig, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Sachverständige unrichtige Tatsachenfeststellungen trifft, fehlerhafte Schlussfolgerungen zieht oder herrschende Lehrmeinungen nicht berücksichtigt.

Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe in seinem Gutachten verkannt, dass die während der Operation vom 20.10.2004 versehentlich erfolgte Durchtrennung des nervus suralis durch Verwendung einer Lupe hätte vermieden werden können. Denn der Beklagte hat bei seiner vor dem Landgericht Duisburg durchgeführten Anhörung ausdrücklich erklärt, dass die Verwechslung von vena saphena und nervus suralis bei Verwendung einer Lupe möglicherweise hätte vermieden werden können. Er hat jedoch weiter ausgeführt, dass die Verwendung einer Lupenbrille im Jahr 2004 in Deutschland nicht Standard gewesen sei. Die Verwendung eines solchen Hilfsmittels sei durch medizinische Leitlinien nicht vorgegeben gewesen und in der geübten Operationspraxis der Krankenhäuser in Deutschland auch eher selten gewesen. Auf Grundlage dieser Ausführungen hat das Landgericht Duisburg einen Behandlungsfehler im Sinne eines Verstoßes gegen den medizinischen Standard verneint.

Die Klägerin behauptet schon nicht, dass die Angabe des Beklagten, auf die sich das Landgericht bei seiner klageabweisenden Entscheidung gestützt hat, die Verwendung einer Lupenbrille sei im Jahr 2004 in Deutschland nicht medizinischer Standard gewesen, unrichtig ist. Die Argumentation, es habe sich dem Beklagten „aufdrängen müssen“, dass durch einfache Hilfsmittel wie eine Lupe der Nerv von der Vene hätte unterschieden werden können, geht an der eigentlichen Fragestellung, ob die Verwendung der Lupenbrille im Jahr 2004 medizinischer Standard gewesen ist, vorbei.

Selbst wenn man unterstellte, der Beklagte hätte den im Jahr 2004 geltenden Facharztstandard objektiv unzutreffend beschrieben und damit ein unrichtiges Gutachten erstattet, würde ein Schadensersatzanspruch ausscheiden, denn es ist weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich, dass der Beklagte bei Erstattung seines Gutachtens grob fahrlässig gehandelt hat. Der Beklagte hat erläutert, wie er zu seiner Einschätzung, die Verwendung einer Lupenbrille sei im Jahr 2004 in Deutschland nicht Standard gewesen, gelangt ist. Er hat seine Kenntnisse über die Operationspraxis aus Informationen anderer Krankenhäuser über die dort angewandten Operationstechniken und durch den fachlichen Austausch auf Kongressen und Lehrveranstaltungen erlangt. Für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit im Sinne eines objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoßes des Beklagten gegen die bei der Begutachtung erforderliche Sorgfalt ist danach kein Raum.

Auch soweit die Klägerin rügt, das Landgericht sei auf die Frage der nachfolgenden Neurombildung und des in diesem Zusammenhang erhobenen Begutachtungsfehlers nicht eingegangen, ist eine unrichtige Begutachtung nicht im Ansatz zu erkennen. Der Beklagte hat bei seiner Anhörung vor dem Landgericht Duisburg ausgeführt, dass die Vorgehensweise der Operateure nach Erkennen der versehentlich erfolgten Durchtrennung des nervus suralis zwar ungewöhnlich gewesen sei, weil eine Wiederherstellung eines solchen durchtrennten Nerven bis heute nicht möglich sei. Allerdings sei auszuschließen, dass durch diese Behandlung eine Neurombildung gefördert worden sei. Die nachfolgende Bildung eines Neuroms sei auf die (nicht vorwerfbare) Durchtrennung des Nerven, nicht aber nachweislich auf den intraoperativ unternommenen Versuch einer Wiederherstellung des durchtrennten Nerven zurückzuführen. Aus welchen Gründen diese gutachterlichen Ausführungen unrichtig sein sollen, legt die Klägerin in keiner Weise dar.

II.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

 

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