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Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG

Oberlandesgericht Dresden, Az.: 6 U 609/19, Urteil vom 03.09.2019

Leitsätze:

1.Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des schadensauslösenden Ereignisses noch gegeben ist oder zumindest noch nachwirkt.

2. Daran fehlt es, wenn ein Kraftfahrzeug, das sich zur Reparatur in einer Werkstatt befindet, durch Selbstentzündung einer Betriebseinrichtung (hier aufgrund eines Kurzschlusses) einen Brandschaden verursacht, sofern dabei nicht eine durch einen vorherigen Betriebsvorgang entstandene Gefahrenlage fort- bzw. nachwirkt (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 26. März 2019, V ZR 236/18).

In dem Rechtsstreit wegen Gefährdungshaftung gemäß § 7 Absatz 1 StVG hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2018 am 03.09.2019

für Recht erkannt:

1.            Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 31.01.2019, Aktenzeichen 5 O 710/16, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2.            Die Klägerin hat die in erster und zweiter Instanz entstandenen Kosten des Verfahrens zu tragen.

3.            Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.            Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Gebäudeversicherer der durch ein Brandereignis vom 15.12.2012 geschädigten O           GmbH, die eine Kraftfahrzeugwerkstatt betreibt, gegenüber der

Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Lastkraftwagens (LKW), deren Halterin die Galvanotechnik GmbH war, aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche

geltend.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des Vortrags und der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Chemnitz vom 31.01.2019 Bezug genommen.

Das Landgericht hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 17.01.2017 (Bl. 51 ff.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu folgenden Behauptungen der Klägerin erhoben:

–              Ursache für den Brand sei ein Kurzschluss der Fahrzeugelektrik des streitgegenständlichen LKW (da u.a. das Kabel 30 und das Modul A 65 trotz ausgeschalteter Zündung unter ständiger elektrischer Spannung stehen)

–              die Brandursache stand in keinem Zusammenhang mit dem Reparaturauftrag der Firma

GmbH und in keinem Zusammenhang mit ausgeführten Arbeiten der Werkstatt.

Auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Physiker vom 19.02.2018

(separat bei der Akte), dessen ergänzende schriftliche Ausführungen vom 28.09.2018 (Bl. 100) zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2018 (Bl. 88) sowie die Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 (Bl. 118) wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.01.2019 – abgesehen von einem geringfügigen Teil der Nebenforderungen – stattgegeben und die Beklagte in der Hauptsache verurteilt, eine Million Euro an die Klägerin zu zahlen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens beanstandet sie die Beweiswürdigung des Landgerichts und ist überdies der Auffassung, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Gefährdungshaftung nach § 7 StVG nicht erfüllt seien, weil sich keine von der Vorschrift umfasste Betriebsgefahr verwirklicht habe und einer Haftung § 8 Nr. 2 StVG sowie das Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin entgegenstehe.

Im Hinblick auf die Sachverhaltsfeststellungen des Landgerichts meint die Beklagte, es sei nicht geklärt worden, welcher Betriebsvorgang oder welche Betriebseinrichtung des LKW zum Entstehen des Brandes beigetragen habe. Offen geblieben sei, ob der Brand auf einem elektrischen Defekt beruhe oder aufgrund von Reparaturmaßnahmen der Versicherungsnehmerin der Klägerin verursacht worden sei. Der Sachverständige habe nicht ausschließen können, dass an dem Fahrzeug im Zusammenhang mit dessen Reparatur Beschädigungen herbeigeführt worden seien, die ihrerseits zu einem Kurzschluss geführt haben könnten. Daher sei ein Vollbeweis nach § 286 ZPO für die Brandverursachung durch den LKW nicht geführt. Der Anregung der Beklagten, einen Sachverständigen für Fahrzeugtechnik hinzuziehen, sei das Landgericht nicht gefolgt.

In rechtlicher Hinsicht ist die Beklagte der Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal des § 7 StVG „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ nur erfüllt sei, wenn sich in dem Unfall eine Gefahr realisiere, die von dem Kraftfahrzeug in seiner Eigenschaft als Verkehrsmittel ausgehe. Hier bestehe im Hinblick auf das Brandereignis keine zeitliche Nähe zu einem Betriebsvorgang. Der Beginn der Reparatur unterbreche insoweit jeglichen Zusammenhang. Eine Haftung wegen Verwirklichung der Betriebsgefahr scheide aus, wenn ein Fahrzeug nicht lediglich geparkt werde, sondern aus dem allgemeinen Verkehr entfernt und in eine Werkstatt zwecks Reparatur eingestellt werde. Die Fortbewegungs- und Transportfunktion spiele dann nämlich keine Rolle mehr. Der Halter des Fahrzeugs habe überdies nach der Übergabe an die Werkstatt keine Einflussmöglichkeit mehr. Vielmehr liege es in der Hand des Werkunternehmers, was mit dem Fahrzeug geschehe. Insoweit sei ein eigener Gefahrenkreis i.S.d. § 645 BGB eröffnet. Der Werkstattinhaber sei nicht unbeteiligter Dritter i.S.d. § 7 StVG, sondern wegen § 8 Nr. 2 StVG von der Haftungsnorm nicht geschützt. Zudem stünde einem etwaigen Schadensersatzanspruch aus Gefährdungshaftung das Mitverschulden nach § 254 BGB entgegen, weil es durch die Werkstattmitarbeiter versäumt worden sei, vor Beginn der Reparatur die Batterie des LKW abzuklemmen.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz, das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 31.01.2019 mit dem Az.: 5 O 710/16 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Die Beweiswürdigung, in deren Ergebnis das Gericht als Brandursache einen Defekt der Fahrzeugelektrik des LKW im Bereich des Fahrzeugrahmens (rechtsseitig) festgestellt und einen Zusammenhang mit Reparaturarbeiten ausgeschlossen habe, sei nicht zu beanstanden. Nachfragen der Beklagten zu dem Gutachten habe der Sachverständige beantwortet und Zweifel ausgeräumt. Bei dem Brandereignis habe sich die Betriebsgefahr des LKW verwirklicht, weil der Brand durch eine Betriebseinrichtung des Fahrzeugs ausgelöst worden sei. Die Inobhutnahme des Fahrzeugs durch die Werkstatt hindere die Haftung nicht, weil der Brand unabhängig von der beauftragten Reparaturmaßnahme entstanden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die oben bereits in Bezug genommenen schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen, das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 31.01.2019 sowie die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Chemnitz, Aktenzeichen 250 UJs 5856/13, verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Zwar bleiben die gegen die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des Landgerichts geführten Berufungsangriffe ohne Erfolg. In rechtlicher Hinsicht scheidet eine Haftung der Beklagten jedoch aus, weil sich in dem Brandereignis nicht die von § 7 StVG umfasste Betriebsgefahr verwirklicht hat.

1.

Das Landgericht hat ausreichende Feststellungen zum Sachverhalt getroffen. Die durchgeführte Beweisaufnahme sowie die Beweiswürdigung sind nicht zu beanstanden.

a) Anders als die Beklagte vorträgt (Seite 4 der Berufungsbegründung, letzter Absatz, Bl. 175), hat das Landgericht hinreichend konkrete Feststellungen getroffen, welche Betriebseinrichtung zum Entstehen des Brandes beigetragen hat. Unter Ziffer 3 der Entscheidungsgründe (Seite 7 des Urteils) hat das Landgericht ausgeführt, es erachte mit der für ein Urteil erforderlichen Gewissheit gemäß § 286 ZPO als erwiesen, dass der Brand am LKW und nachfolgend am Werkstattgebäude dadurch entstanden sei, dass es im Bereich des Fahrzeugrahmens rechts aus unbekannten Gründen zu einem Defekt an der Fahrzeugelektrik gekommen sei, wodurch ein Kurzschluss aufgetreten sei.

b) Auch mit ihren Angriffen gegen die durchgeführte Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung des Landgerichts dringt die Beklagte nicht durch.

Der Beklagten ist durch das Landgericht die Möglichkeit eingeräumt worden, sowohl schriftlich als auch mündlich Fragen an den Sachverständigen zu richten, die dieser beantwortet hat. Es bestand kein Anlass, zusätzlich einen Sachverständigen für Fahrzeugtechnik heranzuziehen. Es ist weder ersichtlich, noch von der Beklagten konkret vorgetragen, dass einzelne Beweisfragen offen geblieben seien, zu deren Beantwortung es eines solchen weiteren Sachverständigen bedurft hätte.

Das Landgericht hat auch im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Brand weder von außen an den LKW herangetragen worden sei, noch eine vorsätzliche Brandstiftung in Betracht komme und überdies die im vorderen linken Rahmenbereich festgestellte Verformung als Ursache eines den Brand herbeiführenden Kabeldefekts ausscheide (vgl. Ziffer 2 der Entscheidungsgründe). Dagegen ist nichts zu erinnern. Gleiches gilt für die durch den Sachverständigen und ihm folgend vom Landgericht herangezogene Methodik, im Rahmen des Ausschlussverfahrens die Brandursache einzugrenzen. Steht damit fest, dass der Brand durch Selbstentzündung einer Betriebseinrichtung des LKW herbeigeführt wurde, die nicht im Zusammenhang mit den in der Werkstatt bereits begonnenen Reparaturarbeiten steht, kommt es auf eine exakte Feststellung jener Betriebseinrichtung, die sich entzündet hat, rechtlich gar nicht mehr an. Daher begegnet es keinen Bedenken, dass sich das Landgericht darauf beschränkt hat, auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen festzustellen, dass im Bereich des Fahrzeugrahmens rechts infolge eines aus unbekannten Gründen verursachten Defekts an der Fahrzeugelektrik ein Kurzschluss aufgetreten ist, der in der weiteren Folge zu dem Brand geführt hat.

2.

Der vom Landgericht angenommene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 7 StVG i.V.m. §§ 86 Abs. 1, 115 Abs. 1 VVG setzt voraus, dass die von dem Brand betroffenen Gebäude und Fahrzeuge „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ beschädigt wurden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich in der vorliegenden Fallkonstellation eine von § 7 StVG umfasste Betriebsgefahr nicht verwirklicht.

a) Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit) geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (zum Ganzen zuletzt: BGH, Urteil vom 26.03.2019, VI ZR 236/18, Rdn. 8 m.z.w.N., juris).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze hat der BGH eine Haftung des Halters eines PKW angenommen, der zwei Tage nach dem Abstellen in einer Tiefgarage durch Selbstentzündung aufgrund eines technischen Defekts in Brand geraten war, was zur Beschädigung eines daneben geparkten PKW geführt hatte. Der geforderte nahe örtliche und zeitliche Zusammenhang zu einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs, nämlich dem die Selbstentzündung auslösenden technisch defekten Bauteil, liege vor. Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeugs an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehöre zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten wolle. Dabei mache es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand – etwa durch einen Kurzschluss der Batterie – unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach der Fahrt auftrete (BGH, Urteil vom 21.01.2014, VI ZR 253/13, Rdn. 6, juris).

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Auf dieser Linie bewegt sich auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Danach sei Art. 3 Abs. 1 der – das Mindestmaß der durch die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung abgedeckten Schadensersatzhaftung regelnden – „Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht“ dahin auszulegen, dass „ein Sachverhalt wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende – in dem ein in einer Privatgarage eines Hauses abgestelltes, entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendetes Fahrzeug Feuer fing, durch das ein Brand, dessen Ursache beim Schaltkreis des Fahrzeugs lag, ausgelöst und das Haus beschädigt wurde – unter den Begriff ,Verwendung eines Fahrzeugs‘ im Sinne der genannten Bestimmung zu subsumieren ist, auch wenn das Fahrzeug seit mehr als 24 Stunden vor Brandentstehung nicht bewegt worden war“ (EuGH, Urteil vom 20.06.2019, C-100/18, juris). Das Urteil, das auf die Vorlagefrage eines spanischen Gerichts hin erging, betraf die Anwendung einer Vorschrift des spanischen Rechts, in der die dort geregelte Schadensersatzhaftung an die „Verwendung“ eines Kraftfahrzeugs anknüpft. Nichts anderes hat unter dem Blickwinkel der richtlinienkonformen Auslegung der entsprechenden Vorschrift des deutschen Rechts für das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ gemäß § 7 StVG zu gelten. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der EuGH im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Parken eines Fahrzeugs in einer Privatgarage eine Verwendung darstelle, die seiner Funktion als Beförderungsmittel entspreche, weil es nur bis zur nächsten Fahrt, mitunter über einen längeren Zeitraum, still stehe (a.a.O., Rdn. 43 f.). Eine solche Auslegung entspreche dem Ziel der Richtlinie, die Opfer von durch Kraftfahrzeuge verursachten Unfällen zu schützen (a.a.O., Rdn. 46).

b) Die Frage, ob die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG auch dann zum Tragen kommt, wenn das einen Brand durch Selbstentzündung auslösende Fahrzeug nicht lediglich bis zur nächsten Fahrt im öffentlichen Verkehrsraum oder im privaten Bereich geparkt ist, sondern – gegebenenfalls in einem nicht fahrbereiten Zustand – in die Obhut einer Kfz-Werkstatt gegeben wurde und sich dort zwecks Reparatur befindet, ist höchstrichterlich – anders als die Parteien mit je unterschiedlichem Ergebnis meinen – bislang nicht geklärt.

aa) Aus der Entscheidung des BGH im „Tiefgaragenfall“ [Urteil vom 21.01.2014, siehe oben Ziffer II.2.a)] lässt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht entnehmen, dass ein Sachverhalt wie der vorliegende die Voraussetzungen des § 7 StVG nicht erfüllt. Zwar hat das Landgericht Karlsruhe in dem der vorgenannten BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Berufungsurteil ausgeführt, dass § 7 Abs. 1 StVG unter normativer Betrachtung des weiten Schutzzwecks der Norm erst dann nicht mehr eingreife, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keine Rolle mehr spiele, was beispielsweise der Fall sei, wenn es zu Inspektionszwecken aus dem allgemeinen Verkehr entfernt und in eine Werkstatt eingestellt werde (Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28.05.2013, 9 S 319/12, Rdn. 12, juris). Diesen Teil der Entscheidungsgründe hat der BGH in dem daraufhin ergangenen Revisionsurteil aber gerade nicht aufgegriffen, mithin die entsprechenden Erwägungen des Landgerichts weder verworfen, noch bestätigt. Angesichts dessen, dass über den durch das Landgericht Karlsruhe als Beispiel für die Begrenzung der Reichweite der Kraftfahrzeughalterhaftung gebildeten „Werkstattfall“ in dem zugrunde liegenden Verfahren nicht zu entscheiden war, bestand für den BGH auch keine zwingende Veranlassung, zu diesen Erwägungen des Landgerichts Stellung zu nehmen.

bb) Auch das Urteil des BGH vom 26.03.2019 (a.a.O.), das einen „Werkstattfall“ zum Gegenstand hat [siehe oben Ziffer II.2.a)], lässt – anders als offenbar die Klägerin meint – die o.g. Rechtsfrage offen. Es lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein durch einen Verkehrsunfall im Frontbereich beschädigter PKW in eine Kfz-Werkstatt verbracht wurde und sich dort aufgrund eines Kurzschlusses selbst entzündete. Dieser Kurzschluss war auf die mechanische Einwirkung zurückzuführen, denen die elektrischen Leiter zuvor durch das Unfallgeschehen im vorderen Teil des Fahrzeugs ausgesetzt waren. Bei diesem Geschehensablauf wirkte die durch den Verkehrsunfall, mithin einen Betriebsvorgang, geschaffene Gefahrenlage nach Auffassung des BGH in dem Brandfolgeschaden fort und nach (a.a.O., Rdn. 9). Aus diesem Grund – so der BGH – habe es keiner Entscheidung bedurft, ob die Grundsätze des Senatsurteils in der „Tiefgaragenentscheidung“ vom 21.01.2014, wonach auch der auf einer – durch einen technischen Defekt einer Betriebseinrichtung verursachten – Selbstentzündung eines in einer Tiefgarage geparkten PKW beruhende Brandschaden der Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs zuzurechnen ist, auf die Sachverhaltskonstellation eines nicht mehr fahrtüchtigen und eben deshalb in eine Werkstatt verbrachten Fahrzeugs zu übertragen seien (a.a.O., Rdn. 10).

Insoweit ist das BGH-Urteil vom 26.03.2019 auf den hier zu entscheidenden Fall nicht anwendbar. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass die Selbstentzündung des LKW der Versicherungsnehmerin der Beklagten auf jenen Einwirkungen auf das Fahrzeug beruht, die dadurch zustande gekommen waren, dass der LKW am 14.12.2012 auf der Autobahn ein Rad verloren hatte.

Die Klägerin hat zwar im Schriftsatz vom 18.10.2016 ausgeführt (dort Seite 6, Bl. 41):

„Die Beklagte versteht den Bericht bewusst missverständlich, als sie darauf hinweist, der LKW habe in der Werkstatthalle nur gestanden und sei sicherlich zu diesem Zeitpunkt keiner Vibration ausgesetzt. Die Beamten haben jedoch zweifelsfrei richtig darauf hingewiesen, dass der LKW in seiner gesamten Betriebszeit seit seiner Erstzulassung solchen Vibrationen ausgesetzt war und möglicherweise gerade der Reifendefekt auf der Autobahn bis zum Stillstand des LKWs überhohe Vibrationen ausgelöst hat, die die entscheidende Isolationsbeschädigung verursacht hat, die sich dann zu einem Kontakt mit dem Rahmenlängsträger ausbildete mit der Folge einer thermischen Überlastung.

Beweis: Zeugnis Herr KOM A     und Herr KHK L                “

Allerdings verkennt die Klägerin bereits, dass sich solche Einschätzungen im kriminaltechnischen Untersuchungsbericht der Polizeibeamten A           und L    vom

30.10.2013 (Anlage K 4) gerade nicht finden. Diese haben auf Seite 11 des Untersuchungsberichts zwar auf einen Primärdefekt der Fahrzeugelektrik beim LKW hingewiesen und als mögliche Ursache Vibrationen am gesamten Fahrzeug und Ausbildung einer Scheuerstelle zwischen dem Kabelbaum und dem Rahmen genannt. Jedoch haben die Polizeibeamten das Ereignis auf der Autobahn, den Verlust des linken hinteren Rades, gerade nicht dem Primärdefekt der Fahrzeugelektrik zugeordnet, sondern auf Seite 12 des Untersuchungsberichts ausgeführt:

„Ob das verlorene Rad der linken Hinterachse auf der Autobahn, wie unter Punkt 8. beschrieben wurde, eine Möglichkeit der Auslösung oder Begünstigung der Brandentstehung darstellt, konnte nicht geklärt werden.“

Im Untersuchungsbericht findet sich also gerade nicht ein Zusammenhang zwischen dem Reifendefekt auf der Autobahn und etwaigen überhohen Vibrationen beim Fahrzeug.

Von daher ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich, dass sich ein Betriebsvorgang beim LKW – hier eine etwa geschaffene Gefahrenlage durch den Radverlust auf der Autobahn – in dem Brandereignis fortgesetzt hat. Dies haben, wie schon ausgeführt, die Polizeibeamten KOM A               und KHK L          so nicht ansatzweise festgestellt, dies lässt sich deren

Untersuchungsbericht vom 30.10.2013 nicht entnehmen und von daher sind diese Polizeibeamten auch nicht als Zeugen zu hören.

Ebenso wenig ist insoweit ergänzend ein Sachverständigengutachten, das die Klägerin ohnehin nicht als Beweismittel genannt hat, einzuholen. Ein etwaiges Fortwirken der durch den Betriebsvorgang geschaffenen Gefahrenlage ist rein spekulativ, ergibt sich nicht aus dem kriminaltechnischen Untersuchungsbericht und ist von daher auch keinem Sachverständigenbeweis zugänglich.

Im Übrigen ergeben sich auch aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen

vom 19.02.2018 keine Anhaltspunkte für einen Ursachenzusammenhang zwischen

dem Ereignis auf der Autobahn, also dem Verlust des linken Hinterrades, und dem Brandereignis in der Werkstatt.

Einen sogenannten „Heißläufer“ der Reifen bzw. an den Hinterachsen hat der gerichtliche Sachverständige als Brandursache ausgeschlossen. Auf Seite 14 seines Gutachtens hat er insoweit ausgeführt:

„Es ist auszuschließen, dass sich hierbei ein etwa durch Überhitzen der Hinterachse entstandener Glimmbrand im Fahrgestell des LKWs ausgebildet haben kann, der den Zeitraum zwischen Eintritt des Reifenschadens auf der Autobahn … und Brandentstehung … von rund 30 Stunden überbrückt haben kann. Zumal ist auch nicht festgestellt worden, dass im Zuge dieses Schadens auf der Autobahn Hitzespuren an den Reifen entstanden sind.

Vielmehr ist durch die Untersuchung der DEKRA für mich nachvollziehbar festgestellt worden, dass an der Hinterachse keine etwa brandgefährlichen Überhitzungsspuren – weder an den Lagern noch an den Bremsen – vorliegen. Es wurden lediglich Brandfolgeschäden gefunden.

. Diese hintere Achse kann auch hochgestellt werden .

Nach Aussage des Fahrers Herrn Schulz war sie beim Reifenschaden hochgestellt ., so dass sie schon aus diesem Grund für ein etwa brandursächliches Heißlaufen nicht in Betracht kommt. Aus dem Polizeibericht oder dem Gutachten der DEKRA ist nicht zu erkennen, ob bei deren Untersuchung die hintere Achse hochgestellt war.

Eine Brandverursachung durch ein Heißlaufen der Hinterachse kann aus diesen Überlegungen heraus hier sicher ausgeschlossen werden.“

Überdies hat der gerichtliche Sachverständige zum Schadensvorfall am 14.12.2012 auf der Autobahn auf Seite 20 des Gutachtens erläutert:

„Am Fahrzeug selbst ist eine Brandentzündung durch den Schadensvorfall am 14.12.2012 infolge Reibungserhitzung auszuschließen. Auch hier ist die Zeit zwischen dem Schaden am Rad und der Brandentstehung zu groß, um durch einen Glimmbrand noch überbrückt worden zu sein. Dies wird auch durch die Untersuchung der DEKRA gestützt.“

Gegen eine Zuordnung des Schadensereignisses auf der Autobahn spricht zusätzlich, dass ausweislich des kriminaltechnischen Untersuchungsberichts vom 30.10.2013 (Anlage K 4) der LKW das hintere linke Rad auf der Autobahn verloren hatte, während der Sachverständige U             D            ein Ausbrechen des Brandes innerhalb des LKW als sehr

wahrscheinlich im Bereich der vorderen Hinterachse rechts angenommen hat (vgl. Sachverständigengutachten Seite 19).

Schließlich hat der gerichtliche Sachverständige auf Seite 21 des Gutachtens ausgeführt:

„Am Anfang der Kausalkette stand hier der Isolationsfehler. Warum sich dieser ausbildete, muss offen bleiben. Eine Möglichkeit ist, dass durch betriebsbedingte Vibrationen sich eine Scheuerstelle ausgebildet hat, an der die Isolation beschädigt wurde. Es ist auch an eine Beschädigung der Leitung durch Steinschlag zu denken oder an andere, in Punkt 4.2.5 dieses Gutachtens aufgeführte Möglichkeiten.

Bei diesem Vorgang kann es sich durchaus um einen in einem längeren zeitlichen Rahmen abgelaufenen Vorgang gehandelt haben. Eine erst kurz vor dem Brand erfolgte Beschädigung – etwa durch Vibration beim Radverlust auf der Autobahn verursacht – ist möglich, zur Erklärung des Ablaufes aber nicht zwingend erforderlich.

c) Der Senat ist Auffassung, dass der vorliegende Sachverhalt nicht (mehr) vom Schutzbereich der Kraftfahrzeughalterhaftung des § 7 StVG umfasst ist.

aa) In einem „Werkstattfall“, wie hier zugrundliegend, käme eine Haftung des Kraftfahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 StVG nur in Betracht, wenn man davon ausginge, dass es Zweck dieses Haftungstatbestandes sei, Dritte im Falle von Schäden, die durch Fehlfunktionen oder Defekte einzelner Betriebseinrichtungen eines Fahrzeugs verursacht werden, stets zu schützen. Es käme dann für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Kraftfahrzeughalterhaftung nicht darauf an, ob sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Selbstentzündung in einem fahrbereiten Zustand befand und ob eine Einwirkungsmöglichkeit des Halters gegeben war oder wegen Übertragung der Obhut auf eine Werkstatt im Rahmen eines Reparaturvertrages nicht vorlag. Ebenso wenig wäre von Bedeutung, ob ein Zusammenhang des Schadensereignisses mit einem konkreten Verkehrsvorgang oder der Eigenschaft des Fahrzeugs als Verkehrsmittel, insbesondere seiner Fortbewegungs- und Transportfunktion, bestünde. Nur wenn man einen derart weiten Normzweck zugrunde legte, wäre im vorliegenden Fall das Brandereignis und der darauf beruhende Schaden der mit dem Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ in § 7 Abs. 1 StVG umschriebenen Betriebsgefahr des LKW zuzurechnen (zur fehlenden Fortbewegungs- und Transportfunktion eines Kraftfahrzeugs während eines Werkstattaufenthalts vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.09.2010, 1 U 6/10, Rdn. 51, juris).

bb) Einzelne Obergerichte gehen offenbar davon aus, dass Brandschäden, die durch Selbstentzündung elektrischer Bauteile von Kraftfahrzeugen verursacht werden, stets der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG unterfallen, weil die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebseinrichtung des Fahrzeugs steht. Daran anknüpfend übertragen das OLG Hamm und das OLG Köln die Erwägungen des BGH aus dem „Tiefgaragenfall“ [Urteil vom 21.01.2014, siehe oben Ziffer II.2.a)] auf – hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts mit dem hier vorliegenden Fall weitgehend vergleichbare – „Werkstattfälle“ (OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2019, 9 U 93/17, Rdn. 70 ff.; OLG Köln, Urteil vom 06.04.2017, 3 U 111/15, Rdn. 22 ff.; jeweils juris). Eine unterschiedliche Bewertung des Parkens in einer Tiefgarage einerseits und der Abgabe eines Fahrzeugs in die Obhut einer Kfz-Werkstatt andererseits wird im Hinblick auf den Schutzbereich der Haftungsnorm nicht in Betracht gezogen (vgl. OLG Köln, a.a.O.) oder ohne weiteres verneint (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rdn. 94).

cc) Für eine Ausdehnung des Schutzbereichs der Kraftfahrzeughalterhaftung dahingehend, dass jedwede Schadensverursachung durch eine fehlerhafte Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeugs als haftungsbegründender Sachverhalt in Betracht kommt, mag zwar die technische Fortentwicklung von Kraftfahrzeugen sprechen. Diese weisen nach dem heutigen technischen Stand eine Vielzahl untereinander kommunizierender Steuergeräte auf, die auch nach Abschalten des Motors nicht von der Stromversorgung der Batterie vollständig abgebunden sind (so z.B. die Alarmanlage, die Zentralverriegelung, die zeituhr- sowie außenfühlergesteuerten Zusatzfunktionen wie Klimaanlage und Standheizungen), wodurch die Gefahr von Fehlfunktionen potenziert wird (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rdn. 80 unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG Rdn. 77 ff.).

dd) Gleichwohl ist der Senat der Auffassung, dass eine derart weitgehende Ausdehnung des Schutzbereichs der Kraftfahrzeughalterhaftung nicht von der Haftungsnorm gedeckt ist. Der Wortlaut der Vorschrift, die an eine Schadensherbeiführung „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ anknüpft, spricht vielmehr dafür, dass für eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs im Zeitpunkt des schadensauslösenden Ereignisses noch gegeben sein oder – wie in dem der Entscheidung des BGH vom 26.03.2019 zugrunde liegenden Sachverhalt [siehe oben Ziffer II.2.b)bb)] – zumindest noch nachwirken muss.

Ginge man hingegen davon aus, dass sich die Betriebsgefahr – unabhängig vom Vorhandensein oder Nachwirken der Fortbewegungs- und Transportfunktion – stets verwirklicht, wenn die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebseinrichtung des Fahrzeugs steht, würde das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ seiner haftungsbegrenzenden Funktion weitgehend entkleidet. Selbst in Fällen, in denen beispielsweise ein außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums abgestelltes, nicht mehr funktionsfähiges, längst abgemeldetes und nicht mehr haftpflichtversichertes Fahrzeug durch Selbstentzündung Schäden an Rechtsgütern Dritter verursacht, käme die Gefährdungshaftung zum Tragen. Eine solche Reichweite der Haftung ließe eine Verbindung zum Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ nicht mehr erkennen. Daher ist es sachgerecht, die Haftung dergestalt zu begrenzen, dass der erwähnte Zusammenhang mit der Fortbewegungs- und Transportfunktion erforderlich ist.

ee) Gegen eine Einbeziehung von „Werkstattfällen“ wie dem vorliegenden in die Kraftfahrzeughalterhaftung spricht auch, dass in solchen Konstellationen zumindest einige jener Gründe, die die innere Rechtfertigung einer Gefährdungshaftung bilden, nicht zum Tragen kommen [zu den nachfolgend aufgeführten „Gerechtigkeitskriterien“ der Gefährdungshaftung: Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 13. Aufl., § 84 Ziffer I.2 a) und b)]. Während die deliktsrechtliche Schadensersatzhaftung an eine schuldhafte Pflichtverletzung als Zurechnungskriterium anknüpft, beruht die Gefährdungshaftung im Wesentlichen darauf, demjenigen eine verschuldensunabhängige Haftung aufzuerlegen, der eine ein hohes Schadenspotenzial aufweisende und nur eingeschränkt beherrschbare Gefahrenquelle betreibt bzw. hält und die Möglichkeit hat, aus der Nutzung der Gefahrenquelle wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Überdies sind die abstrakten Gefahren, die den Anknüpfungspunkt der Gefährdungshaftungstatbestände bilden, regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass sich Dritte ihnen nicht ohne weiteres entziehen können. Hinzu kommt, dass der Betreiber der Gefahrenquelle die Gefahr zumindest in dem Sinne beherrscht, als er die Möglichkeit hat, das Risiko trotz der regelmäßig fehlenden vollständigen Steuerbarkeit möglichst weitgehend zu minimieren. Auch wenn eine Gefährdungshaftung keineswegs erfordert, dass im Einzelfall stets sämtliche der vorgenannten Kriterien erfüllt sind (auch dazu Larenz/Canaris, a.a.O.), können diese gleichwohl bei der Bestimmung der Reichweite der Gefährdungshaftungstatbestände im Hinblick auf die wertende Zurechnung einer Rechtsgutverletzung zu dem Risiko, an das der Tatbestand anknüpft, herangezogen werden.

Der hier zu bewertende „Werkstattfall“ ist dadurch gekennzeichnet, dass der Halter eines Kraftfahrzeuges dieses in die Obhut einer Werkstatt gibt und damit die Möglichkeit zur Steuerung des tatbestandlichen Risikos auf deren Betreiber übergeht, bis der Werkstattaufenthalt endet. Hinzu kommt, dass derjenige, der eine Kfz-Werkstatt betreibt, nicht wie ein Dritter im Straßenverkehr mit den Gefahren von Kraftfahrzeugen in Berührung kommt, ohne sich dem entziehen zu können, sondern seine geschäftliche Tätigkeit gerade darin besteht, Fahrzeuge zur Reparatur anzunehmen und sich damit bewusst jenen Risiken auszusetzen, die von deren Betriebseinrichtungen aufgrund der technischen Gegebenheiten ausgehen. Zumindest insoweit kommen bei den „Werkstattfällen“ die Zurechnungsgründe, die einer Gefährdungshaftung generell zugrunde liegen, nicht zum Tragen. Dies spricht dafür, in derartigen Fällen durch Selbstentzündung eines Fahrzeugs eingetretene Schäden unter normativen Gesichtspunkten nicht der Betriebsgefahr, an die die Kraftfahrzeughalterhaftung anknüpft, zuzurechnen. Eine abweichende Wertung ergibt sich auch insoweit in Konstellationen, in denen die durch einen vorangegangenen Betriebsvorgang begründete Gefahr fortwirkt. Dann lag nämlich die Einwirkungsmöglichkeit auf das Fahrzeug in dem Zeitpunkt, in dem die maßgebliche Kausalkette in Gang gesetzt wurde, noch beim Halter bzw. dem Fahrer des Fahrzeugs. Auch realisierte sich nicht das typischerweise mit Betriebseinrichtungen eines Fahrzeugs verbundene Risiko, das der Betreiber einer Werkstatt auf sich nimmt, sondern ein darüber hinausgehendes – aufgrund eines Betriebsvorgangs vor werksseitiger Inobhutnahme des Fahrzeugs herbeigeführtes – spezifisches Risiko.

ff) Die hier vertretene Auffassung fügt sich zwanglos in die Rechtsprechung zu anderen Fallgruppen ein. So ist für sogenannte Abschleppfälle anerkannt, dass von dem fahruntüchtigen Fahrzeug ab dem Zeitpunkt, in dem es auf das Abschleppfahrzeug aufgeladen und damit die eigene Fortbewegungs- und Transportfunktion entfallen ist, keine eigenständige Betriebsgefahr mehr ausgeht (vgl. OLG München, Urteil vom 10.07.2015, 10 U 3577/14, Rdn. 24 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.08.2014, 13 U 15/14, Rdn. 28; jeweils juris). Auch die Ausklammerung von Kraftfahrzeugen aus dem Anwendungsbereich des § 7 StVG, soweit diese im Rahmen des schädigenden Ereignisses ausschließlich als Arbeitsmaschinen eingesetzt waren, gründet in der Überlegung, dass dann die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr spielt (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2015, VI ZR 265/14, Rdn. 6, juris).

Es steht überdies im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, als Mindestvoraussetzung der Kraftfahrzeughalterhaftung einen Zusammenhang mit der Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs zu fordern. In der oben dargestellten Entscheidung (Rechtssache C-100/18) zur „Verwendung“ eines – gegebenenfalls auch über längere Zeit – geparkten Fahrzeugs stellt der EuGH ausdrücklich darauf ab, dass das Parken und die Standzeit des Fahrzeugs zwischen zwei Fahrten eine Verwendung des Fahrzeugs darstellten, die seiner Funktion als Beförderungsmittel entspreche (a.a.O., Rdn. 41 ff.). Überträgt man diese Überlegungen auf „Werkstattfälle“ wie den hier vorliegenden, ist maßgeblich, dass das Fahrzeug während des Werkstattaufenthalts als Beförderungs- und Transportmittel – anders als ein parkendes Fahrzeug – gerade nicht zur Verfügung steht. Daher käme bei Heranziehung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze die Halterhaftung nicht zum Tragen, sofern während des Werkstattaufenthalts durch eine Betriebseinrichtung des Fahrzeugs ein Schaden an Rechtsgütern Dritter verursacht wird, es sei denn, der eingetretene Schaden ist auf einen zeitlich davor liegenden – fortwirkenden – Betriebsvorgang zurückzuführen, bei dem die Funktion des Fahrzeugs als Beförderungsmittel noch eine Rolle spielte [vgl. Sachverhaltsgestaltung in: BGH, Urteil vom 26.03.2019, siehe oben Ziffer II.2.b)bb)].

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen. Zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht im Hinblick auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ i.S.d. § 7 StVG bezogen auf „Werkstattfälle“ wie dem vorliegenden von Entscheidungen des OLG Hamm und des OLG Köln zur Reichweite der Kraftfahrzeughalterhaftung ab [vgl. Ziffer II.2.c)bb)]. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist dazu – wie aufgezeigt – noch nicht ergangen [vgl. Ziffer II.2.b)].

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