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Haftung Tennisspieler für Glasscheibenbeschädigung während Tennisspiel

OLG Celle – Az.: 5 U 123/20 – Urteil vom 27.05.2021

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Stade vom 17. September 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.834,57 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.834,57 € nach der Beschädigung einer Fensterscheibe in ihrer Tennishalle (Kosten für eine neue Scheibe sowie entgangener Gewinn).

Haftung Tennisspieler für Glasscheibenbeschädigung während Tennisspiel
(Symbolfoto: Maxisport/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist Betreiberin einer Tennishalle. Der Beklagte hatte in dieser Halle – gegen Entgelt – im Oktober 2018 einen Tennisplatz gemietet. Bei dem Versuch, einen von seinem Gegner gespielten Ball zu retournieren, prallte er gegen eine sich seitlich zum Tenniscourt befindliche Fensterscheibe, die daraufhin scharfkantig zerbrach.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe zwar seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Eigentum der Klägerin verletzt, indem er mit seinem Körper gegen die Fensterscheibe prallte. Indes habe der Beklagte bewiesen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dies ergebe sich unter Heranziehung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Haftung von Teilnehmern einer Sportveranstaltung untereinander entwickelt habe. Danach nehme der Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel grundsätzlich Verletzungen in Kauf, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden seien. Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Mitspieler setze daher den Nachweis voraus, dass dieser sich nicht regelgerecht verhalten habe. Diese Grundsätze könnten auf das vorliegende Verhältnis zwischen der Betreiberin der Sportstätte und einem Spieler übertragen werden. Die Betreiberin der Tennishalle befinde sich in einer vergleichbaren Position wie ein Teilnehmer der Sportveranstaltung. Sie habe sich bewusst und gewollt dem Gefährdungspotenzial von Tennisspielen und einer möglichen Beschädigung ihrer Einrichtungsgegenstände während des Spielbetriebs ausgesetzt. Sie habe ihre Tennishalle zur Sportausübung zur Verfügung gestellt und das immanente Schädigungspotenzial in Kauf genommen. Es erscheine nicht sachgerecht, im Verhältnis zu der Betreiberin der Sportstätte einen anderen Maßstab für das Verschulden anzusetzen als gegenüber den Mitspielern. Die Betreiberin der Spielstätte werde hierdurch auch nicht benachteiligt. Denn das Risiko für solche Schäden sei neben den allgemeinen Abnutzungen bereits in dem kaufmännisch veranschlagten Mietpreis für den Tennisplatz einkalkuliert und hiervon abgedeckt.

Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Insbesondere wendet sich die Klägerin gegen die Argumentation des Landgerichts, sie habe das Risiko für entsprechende Schäden in dem kaufmännisch veranschlagten Mietpreis für den Tennisplatz einkalkuliert. Eine derartige Einbeziehung eines Schadens sei vielmehr zu keinem Zeitpunkt erfolgt, da es bisher nie zu derartigen Schäden gekommen sei und es zu derartigen Schäden bei ordnungsgemäßer Ausführung des Tennissports auch grundsätzlich nicht kommen könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin im Einzelnen wird auf deren in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des am 17. September 2020 verkündeten Urteils des Landgerichtes Stade – Az: 5 O 11/20 – den Beklagten und Berufungsbeklagten – im Folgenden: Beklagter – kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsklägerin – im Folgenden: Klägerin – 1.523,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. zudem den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Stade vom 17. September 2020 – Az: 5 O 11/20 – kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin weitere 6.311,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. darüber hinaus den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stade vom 17. September 2020 – Az: 5 O 11/20 – zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € freizuhalten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug sowie ergänzendem Vortrag. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze des Beklagten Bezug genommen.

Der Senat hat den Parteien mit Beschluss vom 23. März 2021 rechtliche Hinweise erteilt und zugleich einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Wegen seines genauen Inhalts wird auf diesen Beschluss Bezug genommen. Mit Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 28. April 2021 das schriftliche Verfahren angeordnet.

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.

B.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten die geltend gemachten Ansprüche weder aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

I.

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. März 2021 auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„Der Senat weist darauf hin, dass die Berufung nach Maßgabe seines derzeitigen Beratungsstandes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass dem Beklagten nach dem übereinstimmenden Tatsachenvorbringen der Parteien kein Verschuldensvorwurf im Sinne von § 276 BGB zu machen ist.

1. Für die Fallkonstellation der Verletzung eines Sportlers durch einen anderen Sportler im Rahmen eines sportlichen Wettkampfs hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die Haftung eines Sportlers aus § 823 Abs. 1 BGB den Nachweis voraussetzt, dass dieser schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt hat. Dagegen scheide eine Haftung aus, wenn es sich um Verletzungen handele, die sich ein Sportler bei einem regelgerechten und dem – bei jeder Sportausübung zu beachtenden – Fairnessgebot entsprechenden Einsatz seines Gegners zuzieht. In einem solchen Fall habe sich der Schädiger jedenfalls nicht sorgfaltswidrig verhalten. Die Sorgfaltsanforderungen an den Teilnehmer eines Wettkampfs würden sich nach den besonderen Gegebenheiten des Sports bestimmen, bei dem sich der Unfall ereignet hat. Sie seien an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfes auszurichten und würden durch das beim jeweiligen Wettkampf geltende Regelwerk konkretisiert. Die Beweislast für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Schädigers trage dabei nach allgemeinen Grundsätzen der Verletzte (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – VI ZR 296/08, juris Rn. 10, 11).

2. Der Senat meint, dass diese Rechtsgrundsätze jedenfalls im Ergebnis auch auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen werden können (wobei im Rahmen des vertraglichen Schadensersatzanspruches nach § 280 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Beklagte sein fehlendes Verschulden zu beweisen hat), bei der im Rahmen eines sportlichen Wettkampfes ein Sportler nicht einen anderen – am Wettkampf teilnehmenden (vgl. auch zu einer Fallkonstellation, bei der der Verletzte nicht unmittelbar an dem Wettkampf teilgenommen hat: BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 – VI ZR 225/04, juris Rn. 19) – Sportler verletzt, sondern vielmehr das Equipment, das ein Dritter zur Verfügung gestellt hat, damit die Sportler – vorliegend gegen Entgelt – überhaupt erst in die Lage versetzt werden, den Wettkampf durchzuführen. Denn die Interessenlage ist bei beiden Fallkonstellationen dieselbe: Der Sportler ist berechtigt, im Rahmen des Wettkampfes die Verhaltensweisen zu tätigen, die dem jeweiligen Sport immanent sind und die den in dieser Sportart anerkannten Regeln und Übung entsprechen. Verletzt ein Sportler bei Einhaltung dieses Rahmens entweder einen anderen an dem Wettkampf teilnehmenden Sportler oder aber die Räumlichkeit bzw. das Equipment, das ein Dritter zum Zwecke der Durchführung des sportlichen Wettkampfes zur Verfügung stellt, fehlt es in dem einen wie dem anderen Fall am Verschulden des Verletzers an der Rechtsgutsverletzung.

3. Zwischen den Parteien besteht im Kern Einigkeit darüber, dass die Beschädigung der streitgegenständlichen Glasscheibe durch den Beklagten bei dem Versuch, einen Ball zu spielen, erfolgte (Klägerin: S. 2 der Klageschrift, S. 2 des Schriftsatzes vom 13. Mai 2020, Bl. 52 d. A.; S. 7 der Berufungsbegründung, Bl. 180 d. A.; Beklagter: S. 1 des Schriftsatzes vom 19. März 2020, Bl. 36 d. A.). Überdies hat das Landgericht dies mit Tatbestandswirkung festgestellt, § 314 S. 1 ZPO (vgl. LGU S. 3). Auf die diesbezüglichen Abweichungen in dem schriftsätzlichen Vortrag der Parteien, also, dass die Klägerin das Verhalten des Beklagten als „übereifrig“ (S. 2 des Schriftsatzes vom 13. Mai 2020, Bl. 52 d. A.) bezeichnet, das Verhalten des Beklagten in rechtlicher Hinsicht als „tennisuntypisch“ wertet (S. 4 des Schriftsatzes vom 13. Mai 2020, Bl. 54 d. A. und S. 3 des Schriftsatzes vom 18. August 2020, Bl. 92 d. A.) sowie behauptet, dass der Beklagte mit der Schlägerhand voran in die Scheibe geraten sei (S. 5 des Schriftsatzes vom 18. August 2020, Bl. 94 d. A.), wohingegen der Beklagte behauptet, dass er im Rahmen einer Ausholbewegung mit dem Ellenbogen gegen die Scheibe geraten sei (S. 3 des Schriftsatzes vom 18. August 2020, Bl. 104 d. A.), kommt es aus den nachstehenden Gründen nicht an. Ebenfalls kommt es nicht auf die Frage der prozessualen Berücksichtigungsfähigkeit (§ 296 a ZPO) des – in der Sitzung vom 31. Juli 2020 nicht nachgelassenen – Schriftsatzes des Beklagten vom 18. August 2020 an sowie auf die Frage, ob das vorgenannte Vorbringen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 18. August 2020 von dem Schriftsatznachlass in dem Termin vom 31. Juli 2020 umfasst gewesen ist. Festzuhalten ist insoweit allerdings, dass der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hätte – soweit es darauf ankommen würde -, dass der Beklagte mit seinem Ellenbogen gegen die Scheibe prallte. Denn dies hat das Landgericht mit Tatbestandswirkung festgestellt, § 314 S. 1 ZPO (vgl. LGU S. 3, zweiter Abs.). Einen Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 Abs. 1 ZPO) hat die Klägerin nicht gestellt.

4. Für Art und Ausmaß der „bestimmungsgemäßen Ausübung des Tennissports“ im Sinne der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 2009 stehen dem Senat folgende Erkenntnisquellen zur Verfügung:

a) Zunächst die „Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF)“, in denen unter „Regel 8: Aufschläger und Rückschläger“ auszugsweise Folgendes geregelt ist (Bl. 188 d. A.): „Fall 1: Darf der Rückschläger außerhalb der Linien des Spielfeldes stehen? Entscheidung: Ja. Der Rückschläger darf jede Position innerhalb oder außerhalb der Linien auf seiner Seite des Netzes einnehmen“.

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Entgegen der Argumentation der Klägerin (S. 7 der Berufungsbegründung, Bl. 180 d. A.) besagt dies – aus Sicht des Senats selbstverständlich, vgl. dazu auch noch die nachfolgenden Ausführungen – nicht lediglich etwas zu der „stehenden Position des retournierenden Spielers beim Aufschlag“, vielmehr bezieht sich dies auf jede Situation im Rahmen des laufenden Spiels; jeder Spieler ist mithin – selbstverständlich, s. sogleich – berechtigt, sich im Rahmen des Spiels auch außerhalb der Spielfeld-Linien zu bewegen.

b) Zudem haben mehrere Mitglieder des erkennenden Senats unmittelbare eigene Erfahrungen mit dem – mit dem Tennissport vergleichbaren – Tischtennissport, mittelbar ist zumindest einem Mitglied des erkennenden Senats auch der Ablauf eines Tennisspiels bekannt. Diese Erkenntnisse beruhen auf Folgendem (vgl. dazu z. B. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 204/14, juris Rn. 5):

aa) Zwei der erkennenden Mitglieder des Senats spielen aktiv Tischtennis, ein Mitglied seit inzwischen 40 Jahren, insoweit durchgehend auf Wettbewerbsniveau, davon mehrere Jahre in der (zum damaligen Zeitpunkt) dritthöchsten deutschen Spielklasse. Nach dieser Maßgabe ist dem Senat bekannt, dass Spieler beim Tischtennis beim Versuch, einen geschlagenen Ball des Gegners noch zu erreichen und zu retournieren, sich nicht selten mehrere Meter von der Tischtennisplatte entfernen und dabei nicht selten auch in den Bereich oder sogar in Kontakt mit den – teilweise 4 bis 5 m von der Platte aufgebauten – Banden geraten, die die nebeneinander liegenden Courts voneinander abtrennen. Bekannt ist dem Senat nach dieser Maßgabe ferner, dass die Aufmerksamkeit des retournierenden Tischtennis-Spielers in diesen Situationen allein dem Ball gilt und nicht der näheren Umgebung. Vielmehr vertraut der retournierende Spieler im Rahmen seiner Bewegungen darauf, dass er sich in seinem Court frei bewegen und zum Schlag ausholen kann und dabei nicht auf Fremdkörper stoßen wird, wie z. B. andere Spieler aus einem Nachbarcourt, die – nicht verfahrenskonform – den Nachbarcourt betreten, um einen in den Court hineingefallenen Ball zu holen, obwohl in diesem Court ein Ballwechsel noch andauert. Nicht selten kommt es im Rahmen des Tischtennissports deshalb auch vor, dass ein Spieler beim Versuch, einen Ball seines Gegners noch zu erreichen, mit seinem Körper in die Banden gerät, die den Court von dem Nachbarcourt abgrenzen (weil er sich allein auf den Ball konzentriert).

bb) Den Tennissport betreibt zwar keines der erkennenden Senatsmitglieder aktiv. Jedenfalls ein Senatsmitglied sieht sich aber – und das seit ca. Mitte der 1980er Jahre – regelmäßig im Fernsehen übertragene Tennisspiele an. Nach dieser Maßgabe ist dem Senat bekannt, dass auch Tennisspieler sich – selbstverständlich – nicht lediglich innerhalb der Begrenzungslinien des Tenniscourts bewegen, sondern auch – teilweise viele Meter – außerhalb dieser Linien, um vom Gegner geschlagene Bälle noch erreichen und retournieren zu können.

5. Gemessen daran ist der Senat hinreichend davon überzeugt, dass den Beklagten an der Beschädigung der streitgegenständlichen Scheibe kein Verschulden trifft. Entscheidend ist insoweit, dass – wie ausgeführt – unstreitig ist, dass die Beschädigung der Scheibe erfolgte bei dem Versuch des Beklagten, einen Ball zu retournieren, bei dem – wie ausgeführt – die Konzentration des Sportlers aber allein dem Ball gilt. Ob dieser Versuch „übereifrig“ gewesen ist, wie die Klägerin behauptet (z. B. S. 2 des Schriftsatzes vom 13. Mai 2020, Bl. 52 d. A.), ist unerheblich, wobei anzumerken ist, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, was sie mit der Formulierung „übereifrig“ meint und welchen Tatsachenvortrag sie insoweit anführt. Denn nach dem eigenen Wissen des Senats (s. o. Ziffer 4) ist dem wettkämpfenden Sportler sowohl beim Tischtennis wie auch beim Tennis – selbstverständlich – auch der Versuch erlaubt, einen Ball noch zu erreichen und zu retournieren, der aus Sicht eines objektiven Betrachters eigentlich nicht mehr zu erreichen ist. Hinzu kommt, dass eine rationale Abwägung, ob ein Ball noch zu erreichen ist oder nicht, dem Sportler in dem aktuellen Moment des Wettkampfes gar nicht möglich ist, es mithin auch unter diesem Gesichtspunkt an einem Verschulden im Sinne von § 276 BGB fehlt. Denn sowohl beim Tischtennis wie auch beim Tennis agiert der wettkämpfende Sportler „automatisch“ bzw. „instinktiv“, d. h., er stellt nicht erst eine rationale Überlegung dahingehend an, ob es in der jeweiligen Situation noch „sinnvoll“ ist, einen Ball zu erreichen, vielmehr beruht eine diesbezügliche Entscheidung auf einem rein instinktiven „Automatismus“.

6. Bereits aus den vorstehend genannten Gründen scheidet vorliegend eine Haftung des Beklagten aus, da er die Eigentumsverletzung der Klägerin nicht zu vertreten hat. Dahinstehen kann deshalb im Ergebnis, ob und gegebenenfalls unter welchem rechtlichen Prüfungspunkt der Aspekt „Abstand zwischen der (äußeren) Seitenlinie des Courts zu der Fensterscheibe“ von Erheblichkeit ist. Ausführen möchte der Senat aber dennoch, dass insoweit von folgenden Feststellungen auszugehen ist:

a) In dem „Auszug aus Anhang IX: Mindestabstände zwischen der Grundlinie und den hinteren Einzäunungen und zwischen den Seitenlinien und den seitlichen Einzäunungen“ der Tennisregeln der International Tennis Federation (Bl. 211 d. A.) heißt es: „Als Richtlinie für internationale Wettbewerbe, beträgt die empfohlene Mindestentfernung zwischen den Grundlinien und den hinteren Einzäunungen 6,40 m und zwischen den Seitenlinien und den seitlichen Einzäunungen 3,66 m. Als Richtlinie für Freizeit- und Vereinsplätze beträgt die empfohlene Mindestentfernung zwischen den Grundlinien und den hinteren Einzäunungen 5,48 m und zwischen den Seitenlinien und den seitlichen Einzäunungen 3,05 m“.

b) Der Senat hat davon auszugehen, dass vorliegend der Abstand zwischen der äußeren Seitenlinie und dem streitgegenständlichen Fenster 2,50 m betragen hat; mithin die empfohlene Mindestentfernung zwischen den Grundlinien und der „Einzäunung“ – deutlich – nicht eingehalten worden ist.

aa) Das beruht zunächst auf der Vorschrift des § 314 ZPO. Das Landgericht hat sowohl in dem Tatbestand seines angefochtenen Urteils (LGU S. 3, zweiter Abs.), wie auch auf S. 7 des Urteils (vgl. dazu, dass zum „Tatbestand“ im Sinne des § 314 ZPO auch tatsächliche Feststellungen gehören, die sich in den Entscheidungsgründen finden, BGH, Urteil vom 8. November 2007 – I ZR 99/05, juris Rn. 15) ausgeführt, dass der Abstand zwischen der Seitenlinie und dem Fenster 2,50 m betragen hat. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin nicht gestellt. Auch eine „Entkräftung“ i. S. v. § 314 Satz 2 ZPO durch die Sitzungsniederschrift vom 31. Juli 2020 (Bl. 82 d. A.) kommt nicht in Betracht. Vielmehr hat ausweislich der Sitzungsniederschrift der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich erklärt, dass „die Distanz von der seitlichen Doppelauslinie bis zum Fenster 2,50 m beträgt“. Zwar ist dem Sitzungsprotokoll auch zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten „dies bestreitet“ und behauptet, „dass es zu wenig sei“. Festgestellt i. S. v. § 314 ZPO ist auch im Hinblick auf Letztgenanntes dann aber dennoch, dass die Entfernung von der seitlichen Doppelauslinie bis zum Fenster jedenfalls nicht mehr als 2,50 m betragen hat.

bb) Selbst wenn Vorgenanntes – im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten – nicht richtig wäre, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Denn die genannte Feststellung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil war jedenfalls in dem vorgenannten Umfang im Hinblick auf die protokollierte Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zutreffend. Soweit die Klägerin auf Seite 3 ihrer Berufungsbegründung (Bl. 176 d. A.) ausführt, dass das Landgericht die damalige Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten falsch protokolliert habe, ist das unbehelflich. In dem Fall wäre der Prozessbevollmächtigte der Klägerin entweder gehalten gewesen, noch bereits im Termin auf eine Korrektur des Diktierten hinzuwirken, jedenfalls wäre die Klägerin gehalten gewesen, einen Protokollberichtigungsantrag nach § 164 ZPO zu stellen. Beides ist nicht erfolgt.

cc) Nach dieser Maßgabe ist das nunmehrige Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz, wonach „der Beklagte rund 4 m neben dem eigentlichen Spielfeld in die Scheibe prallte“ (S. 3 der Berufungsbegründung, Bl. 176 d. A.) prozessual nicht zu berücksichtigen. Diese Behauptung ist weder unstreitig noch ist ein Zulassungsgrund i. S. v. § 531 Abs. 2 ZPO ersichtlich“.

II.

Auf Vorstehendes nimmt der Senat Bezug. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 20. April 2021 geben dem Senat im Ergebnis keine Veranlassung, von seiner rechtlichen Einschätzung abzuweichen:

1. Es kann als wahr unterstellt werden, dass es während des 30-jährigen Betriebs der streitgegenständlichen Tennishalle keinen gleichgelagerten oder gar ähnlichen Unfall gegeben hat wie den vorliegend streitgegenständlichen. Das lässt keinen hinreichenden indiziellen Rückschluss darauf zu, dass der Beklagte vorliegend schuldhaft die Eigentumsverletzung der Klägerin herbeigeführt hat. Aus welchen Gründen es – unterstellt – während der Zeitdauer des bisherigen Betriebs der Tennishalle nicht zu einem Zerbrechen von den Glastrennscheiben während des Sportbetriebs gekommen ist, ist gänzlich offen.

Soweit die Klägerin in diesem Rahmen ausführt, dass in ihrer Tennishalle auch Wettkampfereignisse stattfinden würden und die dortigen Spieler im Gegensatz zu dem hiesigen Beklagten „besonderen und begründeten Anreiz haben, ambitioniert zu spielen“, ist diese Überlegung schon von ihrem Ansatz her nicht richtig, wie dem Senat aus eigenem Wissen bekannt ist. Der Senat hat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 23. März 2021 ausgeführt, dass – aus Sicht des Senats geradezu selbstverständlich – auch derjenige Sportler berechtigt ist, seinen jeweiligen Sport so „intensiv“ und ambitioniert wie möglich auszuüben, der dies „lediglich“ im Rahmen des Trainings oder eines Freizeit-Wettkampfes praktiziert. Dass Sportler auch tatsächlich außerhalb von offiziellen Wettkämpfen (mindestens) genauso „engagiert“ und „ambitioniert“ agieren wie Sportler im Rahmen eines offiziellen Wettkampfes, ist – wie bereits in dem Hinweisbeschluss vom 23. März 2021 ausgeführt – den Mitgliedern des Senats aus eigenem Wissen aufgrund ihrer eigenen sportlichen Erfahrungen gerichtsbekannt (§ 291 ZPO).

2. Der Senat meint weiterhin (vgl. bereits Ziffer II. 4. a) des Hinweisbeschlusses vom 23. März 2021), dass sich bereits aus den Ausführungen unter „Regel 8“ der „Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF)“ ergibt, dass sich die Teilnehmer eines Tennisspiels auch außerhalb der Spielfeldlinien bewegen dürfen.

Unabhängig davon ergibt sich die – aus Sicht des Senats geradezu selbstverständliche – Richtigkeit dieses Umstandes aus der eigenen Erfahrung der Mitglieder des Senats, die der Senat den Parteien in seinem Hinweisbeschluss vom 23. März 2021 erläutert hat. Die Richtigkeit dieses Umstandes räumt die Klägerin auch selbst unter Ziff. 3. ihres Schriftsatzes vom 20. April 2021 ein.

Soweit die Klägerin in diesem Rahmen unter Ziff. 3 ihres Schriftsatzes erneut argumentiert, dass der Teilnehmer eines „Hobby-Wettkampfes“ weniger ambitioniert agieren dürfe als der Teilnehmer eines offiziellen Wettkampfes, hat der Senat bereits vorstehend unter Ziff. 1. ausgeführt, dass diese Annahme der Klägerin falsch ist und insbesondere nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, wie sie den Mitgliedern des Senats aus ihrer eigenen Lebenserfahrung bekannt ist.

Der Senat hat die Klägerin im Übrigen bereits mit Hinweisbeschluss vom 23. März 2021 darauf hingewiesen, dass sich aus dem pauschalen Vorbringen der Klägerin in erster Instanz, der Beklagte habe „übereifrig“ agiert, nicht mit hinreichender Substanz ergibt, welchen konkreten Vorwurf sie dem Beklagten eigentlich mache und welchen Tatsachenvortrag sie insoweit halte. Einen diesbezüglich substantiierten Vortrag hält die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 20. April 2021 weiterhin nicht. Auch aus der nunmehrigen pauschalen Behauptung, es habe „vorliegend gerade keine maßgebliche Wettkampfsituation gegeben“ sowie, dass sich der Beklagte „der unbegründeten Hoffnung ergab, den Ball noch zu erreichen, obwohl dieser außerhalb seiner Erreichbarkeit war“, ergibt sich nicht, welche konkrete Spielsituation aus Sicht der Klägerin eigentlich vorgelegen haben soll, damit dem Beklagten aus ihrer Sicht der Vorwurf einer „Übereifrigkeit“ gemacht werden könnte. Im Ergebnis kommt es darauf aber auch nicht an. Entscheidend ist aus Sicht des Senats, dass – wie bereits ausführlich in dem Hinweisbeschluss vom 23. März 2021 ausgeführt – zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beschädigung der streitgegenständlichen Glasscheibe durch den Beklagten bei dem Versuch erfolgte, einen von Seiten seines Gegners gespielten Ball noch zu retournieren. Das ist – wie in dem Hinweisbeschluss ausgeführt – für den Senat der entscheidende Aspekt dieses vorliegenden (Einzel-)Falles. Das hat der Senat insbesondere unter Ziff. II. 5. seines Hinweisbeschlusses ausgeführt. Der Senat nimmt darauf (noch einmal) Bezug.

C.

I.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

II.

Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zu. Höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, nach welchen Grundsätzen sich die Haftung einer Person richtet, die im Rahmen der Durchführung eines sportlichen Wettkampfes das Eigentum eines Dritten beschädigt, das dieser – vorliegend zumal gegen Entgelt – zum Zwecke der Durchführung des Wettkampfes zur Verfügung gestellt hat, hat der Senat nicht auffinden können. Gerade auch angesichts dessen, dass es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, die sich in der Praxis zumindest nicht ganz selten stellen dürfte, erscheint es dem Senat als geboten, dass der Bundesgerichtshof entscheidet, welche Grundsätze in diesem Rahmen gelten.

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