Trotz der eigenen Autorisierung forderte ein Betrugsopfer 9.500 Euro direkt vom Empfänger des Geldes zurück, der wegen leichtfertiger Geldwäsche in den Fokus geriet. Die zentrale Frage vor Gericht: Führt die eigenhändige Freigabe der Transaktion automatisch zur Mitschuld des betrogenen Überweisers?
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Geld weg nach Telefonbetrug: Warum muss der ahnungslose Empfänger alles zurückzahlen?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann ich mein Geld zurückbekommen, obwohl ich die Überweisung selbst autorisiert habe?
- Habe ich einen direkten Anspruch auf Schadensersatz gegen den Geldempfänger?
- Wann gilt das Verhalten des Kontoinhabers als leichtfertige Geldwäsche?
- Wird meine Rückforderung gekürzt, weil ich selbst unvorsichtig war?
- Welche persönliche Haftung droht mir als unwissendem Finanzagent?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 29 U 100/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Datum: 17. Oktober 2025
- Aktenzeichen: Az. 29 U 100/24
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Schadensersatz, Geldwäsche
- Das Problem: Eine Kontoinhaberin verlor 9.500 € durch Telefonbetrug und autorisierte die Überweisung des Geldes an einen unbekannten Empfänger. Der Empfänger hob das Geld ab und gab es an Dritte weiter, wobei er behauptete, selbst ein Opfer zu sein. Die Kontoinhaberin forderte das Geld vom Empfänger zivilrechtlich zurück.
- Die Rechtsfrage: Muss der Empfänger einer betrügerisch veranlassten Überweisung das Geld direkt an das Opfer zurückzahlen, wenn er sein Konto leichtfertig zur Abwicklung der kriminellen Transaktion bereitgestellt hat?
- Die Antwort: Ja. Der Beklagte muss den vollen Betrag zurückzahlen. Er haftet für den Schaden, weil er durch die umgehende Abhebung der verdächtigen Gelder leichtfertig Geldwäsche begangen hat.
- Die Bedeutung: Wer sein Konto leichtfertig für die Abwicklung fremder, verdächtiger Gelder zur Verfügung stellt, haftet direkt dem Betrugsopfer. Die mögliche eigene Sorgfaltspflichtverletzung des Opfers bei der Autorisierung der Überweisung schützt den Geldwäscher nicht vor der Haftung.
Geld weg nach Telefonbetrug: Warum muss der ahnungslose Empfänger alles zurückzahlen?
Ein perfider Anruf, ein Moment der Unachtsamkeit, und 9.500 Euro sind unwiederbringlich auf einem fremden Konto. Für viele Opfer von Telefonbetrug scheint der Kampf damit verloren, besonders wenn sie die Überweisung unter Vortäuschung falscher Tatsachen selbst freigegeben haben. Doch ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Oktober 2025 (Az. 29 U 100/24) zeigt einen Weg auf, wie Opfer ihr Geld direkt vom Empfänger zurückfordern können – selbst wenn dieser behauptet, nur ein unwissender Helfer gewesen zu sein. Der Fall beleuchtet die zivilrechtliche Haftung für Leichtfertige Geldwäsche und stellt klar: Wer die Augen vor offensichtlichen kriminellen Machenschaften verschließt, kann nicht auf Milde hoffen.
Was war genau passiert?

Am 11. Januar 2023 erhielt eine Bankkundin einen Anruf. Am anderen Ende der Leitung gab sich ein Mann als Mitarbeiter ihrer Bank aus. Er malte ein düsteres Bild von angeblich bereits erfolgten betrügerischen Abbuchungen und drängte die Frau, sofort zu handeln. Um diese vermeintlichen Transaktionen zu stornieren, müsse sie mehrere Vorgänge in ihrer PhotoTAN-App freigeben. In der Hektik und unter dem psychologischen Druck des Betrügers folgte die Frau den Anweisungen. Sie glaubte, ihr Geld zu retten, doch in Wahrheit autorisierte sie eine Überweisung über 9.500 Euro auf das Konto eines ihr völlig unbekannten Mannes.
Als sie den Betrug bemerkte, forderte sie ihre Bank zur Rückbuchung auf, jedoch ohne Erfolg. Das Geld war bereits auf dem Konto des Beklagten gutgeschrieben worden. Dieser wiederum hatte es nicht lange behalten. Er erklärte später, ein Freund habe ihn gebeten, sein Konto für einen Geldeingang nutzen zu dürfen. Noch am selben Abend hob er 5.000 Euro an einem Geldautomaten ab und ließ sich weitere Beträge an Supermarktkassen auszahlen. Das gesamte Bargeld übergab er nach eigener Aussage dem Freund und dessen Begleiter.
Die betrogene Kontoinhaberin zog vor das Landgericht Frankfurt am Main und verklagte den Kontoinhaber des Empfängerkontos auf Rückzahlung der 9.500 Euro. Doch die erste Instanz wies ihre Klage ab. Die Begründung der Richter war rein formaljuristisch: Ein direkter Anspruch der Anweisenden gegen den Empfänger bestehe in solchen Konstellationen nicht. Nur die Bank könne das Geld zurückfordern. Mit diesem Ergebnis wollte sich die Klägerin nicht abfinden und legte Berufung beim Oberlandesgericht ein.
Welche zwei Wege zur Rückzahlung prüfte das Gericht?
Um die Entscheidung des Oberlandesgerichts nachzuvollziehen, muss man die beiden juristischen Pfade verstehen, die für eine Rückforderung infrage kamen. Die Klägerin argumentierte auf zwei Ebenen, und das Gericht musste prüfen, welcher Weg zum Ziel führt.
Der erste Weg führt über das sogenannte Bereicherungsrecht, genauer gesagt den Paragraphen § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser besagt vereinfacht, dass jemand, der etwas ohne rechtlichen Grund auf Kosten eines anderen erlangt hat, es wieder herausgeben muss. Die erste Instanz war der Meinung, dass in diesem speziellen Fall eines Dreiecksverhältnisses (Anweisender – Bank – Empfänger) nur die Bank einen solchen Anspruch hätte. Das Oberlandesgericht deutete zwar an, dass es diese Sichtweise nicht unbedingt teilt – denn die Klägerin hatte die Zahlung ja formal korrekt via PhotoTAN autorisiert (§ 675j BGB) und damit möglicherweise doch direkt an den Beklagten „geleistet“. Es ließ diesen komplexen Punkt jedoch bewusst offen, weil es einen zweiten, deutlich klareren Weg sah.
Dieser zweite Weg ist der des Deliktsrechts, also der Haftung für eine unerlaubte Handlung. Hier kommt § 823 Abs. 2 BGB ins Spiel. Diese Vorschrift ist ein mächtiges Werkzeug: Sie besagt, dass jeder, der gegen ein Gesetz verstößt, das dem Schutz eines anderen dient (ein sogenanntes Schutzgesetz), dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden ersetzen muss. Die Klägerin argumentierte, der Beklagte habe gegen das Strafgesetzbuch verstoßen, indem er sich der leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 StGB) schuldig gemacht habe. Und genau dieser Argumentation folgte das OLG Frankfurt.
Warum das Gericht auf leichtfertige Geldwäsche abstellte – und nicht auf Bereicherung
Das Herzstück der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist die präzise Analyse der Handlungen des Beklagten. Die Richter konzentrierten sich nicht auf die Feinheiten des Bankrechts, sondern auf die strafrechtliche Relevanz des Verhaltens des Kontoinhabers. Sie zerlegten den Fall in seine logischen Bestandteile und kamen zu einem klaren Ergebnis.
Der entscheidende Hebel: Wie aus einem Strafgesetz ein zivilrechtlicher Anspruch wird
Der Dreh- und Angelpunkt war die Frage, ob der Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) ein solches Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dies längst bejaht. Der Zweck des Geldwäsche-Paragraphen ist es nicht nur, den Staat vor organisierter Kriminalität zu schützen, sondern auch das Vermögen der Person, die durch die Vortat – in diesem Fall den Betrug – geschädigt wurde. Damit war die Brücke vom Strafrecht zum Zivilrecht geschlagen: Wer Geldwäsche betreibt, schädigt das Opfer der Vortat und muss ihm deshalb den Verlust ersetzen.
Das verräterische Detail: Wieso das Verhalten des Beklagten als „leichtfertig“ galt
Der Beklagte hatte argumentiert, er habe von nichts gewusst und sei selbst nur ein Opfer der Umstände. Doch das Gericht kaufte ihm diese Darstellung nicht ab. Für eine Verurteilung wegen Geldwäsche ist nicht zwingend voller Vorsatz, also das Wissen um die kriminelle Herkunft des Geldes, erforderlich. Das Gesetz stellt in § 261 Abs. 6 StGB auch leichtfertiges Handeln unter Strafe.
Leichtfertigkeit geht über normale Fahrlässigkeit hinaus. Sie liegt vor, wenn jemand die sich aufdrängende Möglichkeit einer kriminellen Herkunft des Geldes aus besonderem Leichtsinn oder grober Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Genau das sah das Gericht beim Beklagten als gegeben an. Seine eigene Einlassung, das Vorgehen sei ihm „suspekt“ vorgekommen, wurde für ihn zum Bumerang. Die Richter zählten die Indizien auf, die jeden vernünftigen Menschen hätten alarmieren müssen:
- Ein erheblicher Betrag von 9.500 Euro geht von einer völlig fremden Person auf dem Konto ein.
- Das Geld muss sofort und noch am selben Abend in bar abgehoben werden.
- Die Abhebungen erfolgen gestückelt an verschiedenen Orten (Geldautomat, Supermarktkassen).
- Das Bargeld soll an Personen übergeben werden, die der Beklagte kaum oder gar nicht kennt.
Wer angesichts dieser Kette von Alarmsignalen nicht nachfragt und stattdessen sein Konto zur Verfügung stellt, handelt leichtfertig. Ausreden wie Erschöpfung durch eine Frühschicht oder jugendliche Naivität ließ das Gericht nicht gelten. Er hätte erkennen müssen, dass er als sogenannter Finanzagent für eine Straftat missbraucht wird.
Schutz für Täter? Warum das Gericht ein Mitverschulden der Klägerin verneinte
Ein cleverer Schachzug der Verteidigung war der Versuch, der Klägerin ein Mitverschulden (§ 254 BGB) anzulasten. Schließlich hatte sie durch die Freigabe in der PhotoTAN-App den Schaden erst ermöglicht und dabei möglicherweise gegen ihre eigenen Sorgfaltspflichten verstoßen. Doch auch dieses Argument wies das OLG mit einer juristisch scharfsinnigen Begründung zurück.
Die Richter stellten die Frage nach dem Schutzzweck der Norm: Wen sollen die Sorgfaltspflichten im Online-Banking eigentlich schützen? Die Antwort ist klar: Sie sollen den Kontoinhaber und die Bank vor unberechtigten Zugriffen schützen. Sie dienen aber ausdrücklich nicht dazu, einen Straftäter oder seinen Gehilfen – den Geldwäscher – vor zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu bewahren. Einem Täter kann es nicht zum Vorteil gereichen, dass sein Opfer unvorsichtig war. Daher wurde der Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht gekürzt.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
Dieses Urteil sendet ein klares Signal an alle Beteiligten im Zahlungsverkehr und übersetzt abstrakte Rechtsnormen in greifbare Konsequenzen für den Alltag. Es lassen sich daraus vor allem zwei zentrale Erkenntnisse ableiten.
Die erste Lehre richtet sich an alle, die gebeten werden, ihr Konto für Transaktionen Dritter zur Verfügung zu stellen: Wer sein Bankkonto für fremde Geldeingänge öffnet, übernimmt eine erhebliche Verantwortung. Die Zeiten, in denen man sich auf blauäugige Ahnungslosigkeit berufen konnte, sind vorbei. Die Gerichte erwarten, dass man bei ungewöhnlichen Umständen – wie plötzlichen, hohen Geldeingängen von Unbekannten, die sofort in bar weitergeleitet werden sollen – misstrauisch wird und handelt. Wer stattdessen die Augen verschließt, riskiert nicht nur eine Strafverfolgung, sondern haftet dem Betrugsopfer auch persönlich und in voller Höhe für den entstandenen Schaden.
Die zweite Lehre stärkt die Position von Betrugsopfern. Selbst wenn eine Überweisung technisch gesehen selbst autorisiert wurde, bedeutet dies keinen endgültigen Rechtsverlust. Das Urteil zeigt, dass der Fokus auf das Verhalten des Geldempfängers verlagert werden kann. Gelingt der Nachweis, dass dieser die kriminelle Herkunft des Geldes zumindest leichtfertig hätte erkennen müssen, entsteht ein direkter, zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz. Dies eröffnet Opfern von Phishing, Spoofing und anderen Betrugsmaschen einen zusätzlichen und oft wirkungsvolleren Weg, ihr verlorenes Geld zurückzuholen.
Die Urteilslogik
Opfer von Telefonbetrug können ihr Geld direkt vom Empfänger zurückfordern, wenn dieser leichtfertig die Augen vor kriminellen Machenschaften verschließt.
- Schutzgesetze erzeugen direkten Anspruch: Der Straftatbestand der Geldwäsche dient dem Schutz des individuellen Vermögens und ermöglicht dem Geschädigten einen unmittelbaren zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Empfänger des Betrugsgeldes.
- Leichtfertigkeit begründet volle Haftung: Wer sein Konto für Transaktionen Fremder bereitstellt, muss bei offensichtlichen Warnsignalen (hohe Beträge, sofortige Barabhebung) die kriminelle Herkunft des Geldes erkennen, sonst haftet er für leichtfertige Geldwäsche.
- Opfer-Unvorsichtigkeit entlastet den Täter nicht: Ein Geldwäscher kann sich nicht auf das Mitverschulden des Betrugsopfers berufen, selbst wenn dieses die Überweisung formal autorisiert hat, um die eigene zivilrechtliche Haftung zu mindern.
Die Justiz setzt damit ein deutliches Signal, dass das Bereitstellen eines Kontos für unbekannte Transaktionen eine immense zivilrechtliche Verantwortung nach sich zieht.
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Experten Kommentar
Stellt man fest, dass man eine betrügerische Überweisung selbst per TAN freigegeben hat, fühlen sich die meisten Opfer machtlos. Dieses Urteil liefert jedoch eine strategisch wertvolle Blaupause: Der Fokus der Rückforderung muss weg von der Autorisierung des Opfers und hin zum Empfänger, dem sogenannten Finanzagenten. Weil leichtfertige Geldwäsche als Schutzgesetz gilt, entsteht ein direkter zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz gegen den Kontoinhaber – auch wenn dieser behauptet, er sei nur naiv gewesen. Wer sein Konto für offensichtlich suspekte Bargeldauszahlungen zur Verfügung stellt, haftet für den vollen Schaden und kann sich nicht auf das Mitverschulden des Betrugsopfers berufen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich mein Geld zurückbekommen, obwohl ich die Überweisung selbst autorisiert habe?
Ja, der Anspruch auf Rückzahlung bleibt bestehen, auch wenn Sie die Überweisung beispielsweise per PhotoTAN autorisiert haben. Viele Betrugsopfer glauben fälschlicherweise, durch die eigene Freigabe jeglichen Anspruch verloren zu haben. Die formelle Autorisierung erschwert zwar die Rückforderung direkt von Ihrer Bank über das reine Bankrecht. Dennoch verschiebt sich der erfolgreiche Rechtsweg lediglich auf eine andere juristische Grundlage.
Der Schlüssel liegt in der juristischen Trennung der Haftungsfragen: Weil Sie die Zahlung freigegeben haben (§ 675j BGB), kann Ihre Bank die Rückbuchung oft ablehnen. Der juristisch erfolgreiche Weg führt stattdessen über das Deliktsrecht gegen den Empfänger des Geldes. Diesen Anspruch begründen Sie auf Basis eines direkten zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB.
Dieser Schadensersatzanspruch greift, weil der Geldempfänger durch die Annahme und Weiterleitung des Geldes gegen ein Schutzgesetz verstoßen hat. Die leichtfertige Geldwäsche (§ 261 StGB) dient laut ständiger Rechtsprechung dem Schutz des individuellen Vermögens des Betrugsopfers. Ihre eigene Autorisierung entlastet den Geldwäscher nicht von seiner Haftung, da sein Verstoß gegen das Schutzgesetz unabhängig von Ihrem Handeln besteht.
Fordern Sie Ihren Anwalt dazu auf, die Klage primär auf diesen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Schutzgesetzes zu stützen.
Habe ich einen direkten Anspruch auf Schadensersatz gegen den Geldempfänger?
Ja, Betrugsopfer haben einen direkten Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Kontoinhaber des Empfängerkontos. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat diesen Anspruch kürzlich bejaht, selbst wenn die erste Instanz die Klage des Opfers abgewiesen hatte. Der entscheidende juristische Hebel, um den unwissenden Kontoinhaber persönlich in die Pflicht zu nehmen, ist das Deliktsrecht.
Die Argumentation stützt sich auf die Verletzung eines sogenannten Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB). Richter stellten fest, dass der Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) nicht nur dem Schutz staatlicher Interessen dient. Dieser Paragraph schützt gleichzeitig das individuelle Vermögen der Person, die durch die vorangegangene Betrugstat geschädigt wurde. Wer leichtfertige Geldwäsche betreibt, schädigt das Opfer unmittelbar und muss deshalb den entstandenen Vermögensverlust ersetzen.
Dieses Vorgehen umgeht die Schwierigkeiten des Bereicherungsrechts, bei dem Richter der ersten Instanz oftmals nur einen Anspruch der Bank sahen. Die Haftung des Geldempfängers ist persönlich und direkt, da die zivile Zielperson der Rückforderung der Kontoinhaber ist. Selbst wenn der Empfänger das ergaunerte Geld nicht behalten, sondern es als „Finanzagent“ sofort an die eigentlichen Betrüger weitergeleitet hat, bleibt er dem Opfer gegenüber zur vollen Rückzahlung verpflichtet.
Sichern Sie alle bekannten Daten zum Empfängerkonto und verwenden Sie das Aktenzeichen (Az. 29 U 100/24) als wichtigen Präzedenzfall in Ihrer Korrespondenz.
Wann gilt das Verhalten des Kontoinhabers als leichtfertige Geldwäsche?
Leichtfertige Geldwäsche liegt vor, wenn sich die kriminelle Herkunft des Geldes dem Kontoinhaber aufgrund besonderer Gleichgültigkeit oder Leichtsinn aufdrängen musste. Gerichte prüfen dabei nicht nur die angebliche Ahnungslosigkeit des Empfängers, sondern konzentrieren sich auf die Kette der Alarmsignale, die er bewusst ignoriert hat. Unwissenheit schützt hierbei nicht vor zivilrechtlicher Haftung, sobald das Gericht feststellt, dass sich der Kontoinhaber grob leichtfertig verhalten hat.
Die Leichtfertigkeit geht juristisch über die Schwelle normaler Fahrlässigkeit hinaus. Sie wird angenommen, wenn der Kontoinhaber die sich aufdrängenden Anhaltspunkte der kriminellen Herkunft grob missachtet. Richter erwarten in solchen Fällen aktive Wachsamkeit von Personen, die ihr Bankkonto für fremde Transaktionen bereitstellen. Ausreden wie Erschöpfung durch eine lange Schicht oder jugendliche Naivität lässt das Gericht nicht gelten. Entscheidend ist, ob die Umstände klar auf eine missbräuchliche Nutzung des Kontos hindeuteten.
Besonders entscheidend ist die Indizienkette, die der Empfänger ignoriert hat. Diese Kette umfasst typischerweise den Eingang eines hohen Betrags von einer völlig fremden Person, verbunden mit dem sofortigen Druck zur Barabhebung. Solche Abhebungen erfolgen oft gestückelt an Geldautomaten und Supermarktkassen, bevor das Bargeld an kaum bekannte Dritte übergeben wird. Die eigene Aussage des Empfängers, das Vorgehen sei ihm „suspekt“ vorgekommen, dient vor Gericht als direkter Beweis der Leichtfertigkeit.
Listen Sie sofort alle ungewöhnlichen Transaktionsdetails wie plötzliche Betragshöhe, Abhebeorte und kurzfristigen Abhebedruck auf, um die Kette der Alarmsignale, die der Empfänger ignorierte, zu dokumentieren.
Wird meine Rückforderung gekürzt, weil ich selbst unvorsichtig war?
Nein, Ihr Anspruch auf Schadensersatz gegen den Geldwäscher wird in der Regel nicht gekürzt. Obwohl Betrugsopfer die Überweisung unter erheblichem psychologischen Druck selbst freigeben, verhindert die juristische Argumentation der Gerichte eine Minderung der Forderung. Die Unvorsichtigkeit des Opfers darf dem Täter oder seinem Gehilfen keinen Vorteil verschaffen. Ihr Schadensersatzanspruch bleibt somit vollständig erhalten.
Gerichte prüfen zwar, ob die eigene Unachtsamkeit nach Mitverschulden (§ 254 BGB) den Anspruch mindert. Beim direkten Schadensersatzanspruch gegen den Geldwäscher lehnen Richter diesen Einwand jedoch meist ab. Die Begründung liegt im Schutzzweck der Norm: Die Sorgfaltspflichten im Online-Banking sollen den Kontoinhaber und die Bank vor unberechtigten Zugriffen schützen. Sie dienen jedoch explizit nicht dazu, den kriminellen Geldempfänger vor zivilrechtlichen Forderungen zu bewahren.
Der Geldwäscher versucht oft, sich auf die Fehler des Opfers zu berufen, um seine eigene Haftung zu reduzieren. Dies bleibt wirkungslos, denn der Täter darf keinen Nutzen aus der durch Täuschung ausgenutzten Notlage ziehen. Das OLG Frankfurt stellte klar: Das eigene, durch Panik und Hektik verursachte Fehlverhalten steht nicht im Verhältnis zur leichtfertigen oder vorsätzlichen Begehung der Geldwäsche. Betonen Sie daher im Verfahren stets die kriminelle Energie und den massiven psychologischen Druck des Betrügers.
Dokumentieren Sie für Ihren Anwalt präzise den psychologischen Druck und die Hektik, unter denen Sie die Freigabe der Überweisung erteilt haben.
Welche persönliche Haftung droht mir als unwissendem Finanzagent?
Wer unwissentlich als sogenannter Finanzagent handelt, sieht sich extrem ernsten juristischen Konsequenzen gegenüber. Ihnen droht die volle zivilrechtliche Haftung für den gesamten Schaden gegenüber dem Betrugsopfer. Hinzu kommt eine strafrechtliche Verfolgung wegen leichtfertiger Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 StGB). Die Gerichte ahnden das Ignorieren klarer Alarmsignale streng und lassen Ahnungslosigkeit kaum als Entschuldigung gelten.
Die Haftung ergibt sich aus dem Deliktsrecht, da Sie durch die leichtfertige Beihilfe zur Geldwäsche das Vermögen des Opfers geschädigt haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie das Geld behalten oder es direkt an die eigentlichen Betrüger weitergeleitet haben. Sie bleiben die primäre zivile Zielperson für die Rückforderung des Geldes. Das Gesetz stellt klar, dass aktive Wachsamkeit bei ungewöhnlichen Transaktionen erwartet wird. Die Zeiten, in denen man sich auf blauäugige Ahnungslosigkeit berufen konnte, sind vorbei.
Leichtfertige Geldwäsche wird angenommen, wenn sich die kriminelle Herkunft des Geldes Ihnen hätte aufdrängen müssen. Nehmen wir an: Sie erhalten einen hohen Betrag von einer fremden Person, den Sie sofort bar an einen kaum bekannten Dritten übergeben sollen. Dieses Ignorieren mehrerer Alarmsignale gilt als grobe Gleichgültigkeit. Wenn Sie der Polizei oder dem Gericht später mitteilen, das Vorgehen sei Ihnen „suspekt“ vorgekommen, wird dies oft als Beweis der Leichtfertigkeit gewertet, sofern Sie keine sofortigen Gegenmaßnahmen dokumentiert haben.
Konsultieren Sie sofort einen Anwalt für Strafrecht und dokumentieren Sie lückenlos alle Kommunikationsnachweise mit der Person, die Sie zur Kontonutzung gebeten hat.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Bereicherungsrecht
Das Bereicherungsrecht umfasst alle Rechtsnormen, die festlegen, dass jemand einen ungerechtfertigten Vorteil wieder an denjenigen herausgeben muss, auf dessen Kosten er diesen erlangt hat. Dieses Rechtsgebiet dient der Korrektur von Vermögensverschiebungen, für die es keine gültige Rechtsgrundlage gibt, und stellt sicher, dass niemand auf Kosten anderer ohne Gegenleistung reich wird. Im vorliegenden Fall musste geklärt werden, ob die Zahlung als direkte Leistung der Klägerin oder als Leistung der Bank an den Empfänger zu werten war.
Beispiel: Wegen des komplexen Dreiecksverhältnisses zwischen Klägerin, Bank und Empfänger ließen die Richter des Oberlandesgerichts die Frage, ob ein Anspruch aus dem Bereicherungsrecht besteht, zugunsten des klareren Deliktsrechts offen.
Deliktsrecht
Juristen nennen das Deliktsrecht den Bereich des Zivilrechts, der die Haftung für unerlaubte Handlungen regelt und festlegt, unter welchen Voraussetzungen ein Schädiger dem Geschädigten Ersatz leisten muss. Ziel dieser Vorschriften ist es, das Opfer eines Schadens so zu stellen, als wäre die rechtswidrige Tat nie geschehen, indem der Verursacher zum Ausgleich des entstandenen Verlustes verpflichtet wird. Die zentralen Paragraphen, wie § 823 BGB, schaffen damit einen direkten Weg für Schadensersatzansprüche.
Beispiel: Die betrogene Kontoinhaberin nutzte das Deliktsrecht erfolgreich, indem sie den direkten Schadensersatzanspruch gegen den Kontoinhaber auf die Verletzung des Schutzgesetzes der Geldwäsche stützte.
Leichtfertige Geldwäsche
Leichtfertige Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 StGB) liegt vor, wenn jemand die kriminelle Herkunft von Vermögenswerten aufgrund grober Gleichgültigkeit oder besonderen Leichtsinns nicht erkennt, obwohl sie sich ihm hätte aufdrängen müssen. Das Gesetz stellt diese Form des Handelns unter Strafe, um zu verhindern, dass Dritte, etwa unwissende Finanzagenten, durch grobe Unachtsamkeit kriminellen Organisationen bei der Verschleierung illegaler Gewinne helfen. Das Ignorieren von eindeutigen Alarmzeichen reicht dabei aus, um die Schwelle der Leichtfertigkeit zu überschreiten.
Beispiel: Da der Beklagte die sofortige Barabhebung der 9.500 Euro von einem Fremden als „suspekt“ empfand und trotzdem handelte, sah das Gericht die Leichtfertigkeit im Sinne des Geldwäsche-Paragraphen als erwiesen an.
Mitverschulden
Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) beschreibt die Situation, in der ein Geschädigter selbst durch eigene Unachtsamkeit oder mangelnde Vorsorge zur Entstehung oder Vergrößerung des ihm entstandenen Schadens beigetragen hat. Findet das Gericht ein Mitverschulden, wird der Schadensersatzanspruch des Opfers anteilig gekürzt, da der Schädiger nicht für den Teil des Verlustes aufkommen soll, den das Opfer selbst hätte vermeiden können. Dieses Rechtsinstrument sorgt für eine faire Verteilung der Haftung.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Frankfurt verneinte ein Mitverschulden der Klägerin, da ihre Sorgfaltspflichten im Online-Banking nicht dem Schutz des Geldwäschers dienen, sondern lediglich dem Schutz der Bank und ihres eigenen Kontos.
Schutzgesetz
Als Schutzgesetz gilt jede Rechtsnorm – oft aus dem Straf- oder Öffentlichen Recht –, deren Zweck es ist, nicht nur die Allgemeinheit oder den Staat, sondern auch das individuelle Rechtsgut eines Einzelnen zu schützen. Die Relevanz des Schutzgesetzes liegt darin, dass ein Verstoß dagegen automatisch einen Schadensersatzanspruch im Zivilrecht (§ 823 Abs. 2 BGB) auslösen kann. Dadurch entsteht eine Brücke vom Strafrecht ins Zivilrecht, um das Opfer direkt entschädigen zu können.
Beispiel: Die Gerichte stufen den Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) als Schutzgesetz ein, weil er neben staatlichen Interessen auch das Vermögen der Person schützt, die durch die Vortat geschädigt wurde.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 29 U 100/24 – Urteil vom 17.10.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





