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Haftung eines Kfz-Sachverständigen für falsches Gutachten

LG Gießen

Urteil vom 04.07.2001

Az.: 1 S 357/00

Vorinstanz: Amtsgericht Gießen – Az.: 49 C 287/00


In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Gießen – 1. Zivilkammer – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4.7.2001 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09.06.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Gießen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.750,- DM nebst 4 % Zinsen seit 11.05.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 31 % zu tragen und der Beklagte 69 %.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin, verlangt von dem Beklagten, der Sachverständiger für Kfz-Schäden ist, Schadensersatz, weil dieser im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens über einen von der Klägerin als Haftpflichtversicherer auszugleichenden Unfallschaden den Restwert eines Fahrzeugs falsch angegeben habe. Der Beklagte hatte den Restwert des VW Golf III auf 1.750,00 DM geschätzt. Da die Unfallgegnerin des Versicherungsnehmers der Klägerin ihren Pkw unter Zugrundelegung der Angaben des Beklagten sogleich zu diesem Preis veräußerte, regulierte die Klägerin auf dieser Basis. Sie hält den Beklagten für schadenersatzpflichtig, da der Restwert des Pkw tatsächlich 7.200,00 DM betragen habe, was der Beklagte mangels ordnungsgemäßer Recherche übersehen hätte. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte seine Pflichten durch die von ihm vorgetragene Anfrage bei zwei örtlichen Händlern und einem örtlichen Restwertaufkäufer genügt habe.

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache zum Teil Erfolg.

Entgegen der von dem Amtsgericht vertretenen Rechtsauffassung kann die Klägerin von denn Beklagten wegen Außerachtlassung der einem Sachverständigen obliegenden Sorgfalt Schadensersatz beanspruchen, jedoch nur in Höhe von 3.750,00 DM. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Differenz zwischen dem anzunehmenden Restwert des begutachteten Unfallwagens in Höhe von 5.500,03 DM und dem von dem Beklagten in seinem Gutachten angegebenen Restwert von 1.750,00 DM folgt aus positiver Vertragsverletzung eines Werkvertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter.

Zwar bestehen zwischen den Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen. Die Klägerin ist aber in den Schutzbereich des von der Geschädigten erteilten Gutachterauftrages einbezogen worden. Dritte werden dann in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen, wenn sie sich, für den Schuldner erkennbar, in Leistungsnähe eines schutzpflichtigen Gläubigers befinden (vgl. Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 328 BGB, Rn. 17/18 m.w.N.). Der zur Zwecke der Regulierung eines Schadens mit dem Beklagten geschlossene Gutachtervertrag entfaltet in diesem Sinne Schutzwirkung zu Gunsten der regulierungspflichtigen Haftpflichtversicherung (vgl. OLG München, r + s 90, 273 [274], LG Stuttgart ZfS 92, 51). Die Klägerin steht als Haftpflichtversicherung in dem für eine vertragliche Haftung des Beklagten erforderlichen Näheverhältnis zu der von ihm zu erbringenden Gutachterleistung. Sie mußte ihre Schadensabwicklung an derr von der Geschädigten vorgelegten Privatgutachten orientieren, so daß der Beklagte für die Höhe der Leistungspflicht der Klägerin Verantwortung trug. Das war dem Beklagten auch bekannt.

Wer als Kraftfahrzeugsachverständiger von dem Geschädigten mit der Bewertung eines unfallgeschädigten Fahrzeugs beauftragt wird, weiß, daß dieses Gutachten zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung bestimmt ist und daß dieser aufgrund einer nicht sorgfältigen Begutachtung bei der Abwicklung des Versicherungsfalls Vermögensschäden entstehen können.

Der Beklagte hat seine ihr aus dem Gutachtervertrag obliegenden Pflichten auch schuldhaft verletzt. Er hat einen im Begutachtungszeitpunkt nicht der Marktlage entsprechenden Restwert angesetzt. Sollte der Beklagte, wie die Klägerin behauptet, keine Restwertangebote eingeholt haben, ist schon dadurch eine Pflichtverletzung begründet. Hat der Beklagte aber, entsprechend seinem Vortrag, dem Gutachten drei Restwertangebote, nämlich das eines Autohauses in Gießen, das eines Autohauses in Pohlheim sowie das eines Restwertaufkäufers in Hüttenberg zugrundegelegt, was allerdings in seinem Gutachten nicht kenntlich gemacht worden ist, liegt seine Pflichtverletzung darin, daß er Angebote nur bei drei in unmittelbarer Nähe befindlichen Autoaufkäufern erfragt sowie unreflektiert deren unangemessen niedrige Werte übernommen und nicht der Marktlage entsprechende Werte erforscht hat (vgl. OLG München, r+s 90, 273 [274]).

Ein Sachverständiger muß zur Bestimmung des Restwerts eines Unfallwagens aber auf den regionalen Markt unter Einbeziehung der dort tätigen professionellen Restwertaufkäufer abstellen. Der Beklagte hätte unter Berücksichtigung der für das geschädigte Fahrzeug bestehenden Marktlage und des Fahrzeugzustandes erkennen können und müssen, daß tatsächlich ein höherer, als der von ihm angegebene Restwert hätte erzielt werden können. Bei den Restwertangeboten von angeblich 1.200,00 DM, 1.250,00 DM und 1.500,00 DM hätte sich den Beklagten der Eindruck aufdrängen müssen, daß diese Preise für einen erst vier Jahre alten und auf dem Markt gesuchten VW Golf III viel zu niedrig sind. Das gilt auch im Hinblick auf die Laufleistung von etwa 138.000 km und die Unfallschäden. Es ist zwar auch zu berücksichtigen, daß sich ein Geschädigter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in aller Regel nicht auf Angebote von spezialisierten räumlich entfernten Restwertaufkäufern einlassen muß (BGH NJW 92, 903 [904]; NJW 93, 1849 [1850/1851], NJW 00, 800 [802]).

Eine regionale Beschränkung ist mithin notwendig, weil keinem Geschädigten zumutbar ist, sein Fahrzeug auf weite Distanz zu verkaufen. Diese Prämisse gilt auch für den Sachverständigen und die von ihm zu verlangende Untersuchung der Marktverhältnisse.

Der Sachverständige muß folglich die regional zu erzielenden Preise auch bei Restwertaufkäufern ermitteln. Dem Beklagten war der Markt von Restwertaufkäufern auch zugänglich. Das wird bereits dadurch deutlich, daß er nach seiner Behauptung ein Gebot eines Restwertaufkäufers erfragt haben will. Da nach den vorstehenden Erwägungen aus der sog. Auto Online Produktbörse ohnehin nur regionale Anbieter abzufragen gewesen wären, kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte dort hätte angeschlossen sein müssen und unter Veröffentlichung des Gutachtens möglicherweise überregional höhere, unter Umständen aber doch nur als unverbindlich anzusehende Restwertangebote von Restwertaufkäufern hätte anfordern müssen.

Der Klägerin ist durch das Verhalten des Beklagten ein Schaden in Höhe von 3.750,00 DM entstanden, weil sie verpflichtet war, die Regulierung auf der Grundlage des als viel zu gering geschätzten Restwerts von 1.750,00 DM vorzunehmen.

Der Restwert betrug indessen 5.500,00 DM. Dieser Betrag fußt auf den Feststellungen des von der Kammer beauftragten Sachverständigen (§ 287 ZPO). Soweit dieser die Angebote von VAG-Vertragshändlern in seine Begutachtung einfließen ließ, waren diese aber zu vernachlässigen. Entscheidend ist, daß heimische Restwertaufkäufer irr Durchschnitt 5.500,00 DM für den Unfallwagen gezahlt hätten. Die dagegen erhobenen Einwände des Beklagten lassen außer acht, daß es sich um ein marktgängiges Fahrzeug gehandelt hat, das unter Verwendung von Gebrauchtteilen in Billiglohnländern wieder verkehrssicher aufgebaut werden konnte, so daß die von regionalen Restwertaufkäufern genannten Angebote realistisch erscheinen.

Der Betrag von 3.750,00 DM ist infolge Zahlungsverzuges des Beklagten seit 11.5.1999 mit 4 % zu verzinsen (§§ 284, 288 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

 

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