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Haftungsausschluss der §§ 104f. SGB 7 – bedingter Vorsatz

LAG Schleswig-Holstein

Az: 1 Ta 190 b/09

Beschluss vom 29.01.2010


Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 04.09.2009 – 52 Ca 1215 a/09 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger stand bei dem Beklagten ab 01.08.2007 in einem Ausbildungsverhältnis zum Elektroinstallateur. Am 19.12.2007 beauftragte der Beklagte den Kläger während dessen Arbeitszeit, mit einer Kreissäge Brennholz zu sägen. An der Säge fehlten die Handschutzeinrichtungen. Der Kläger geriet mit dem Zeigefinder der rechten Hand in das Sägeblatt und erlitt am Mittelfinger eine Schnittverletzung.

Die Berufsgenossenschaft hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und zeitlich befristet eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % festgestellt. Gleichzeitig wurde ihm eine Rente von insgesamt 796,13 € bewilligt.

Der Kläger hat aufgrund des Geschehens seinen Ausbildungsplatz bei dem Beklagten aufgegeben und ein neues Ausbildungsverhältnis begründet. Mit seiner Klage vom 16. Juli 2009 nimmt er den Beklagten auf Schadensersatz- und Schmerzensgeld in Anspruch. Er vertritt insoweit die Auffassung, dass es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, da er mit ausbildungsferner Tätigkeit beauftragt worden sei. Der Beklagte habe wegen der fehlenden Schutzvorrichtung mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Das gesetzliche Haftungsprivileg könne der Beklagte daher nicht in Anspruch nehmen.

Der Kläger hat vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund im Zusammenhang mit der Klagerhebung am 16. Juli 2009 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.09.2009 diesen Antrag wegen Fehlens hinreichender Aussicht auf Erfolg abgewiesen, da für den Beklagten das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII greife. Dieser Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.09.2009 zugestellt worden. Hiergegen hat er am 01.10.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat dieser nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 19.10.2009).

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.

1. Gemäß § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 11 a Abs. 1 und 2 ArbGG ist einer Partei, die außerstande ist, die Kosten des Prozesses zu bestreiten, auf ihren Antrag ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Gegenpartei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, es sei denn, die Rechtsverfolgung ist offensichtlich mutwillig.

2. Dem Klagbegehren des Klägers fehlen die hinreichenden Erfolgsaussichten. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist zudem offensichtlich mutwillig.

Dem Kläger stehen aus dem Unfall vom 19.12.2007 kein Anspruch auf Schadensersatz und auch kein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten zu. Dessen Haftung für Personenschäden ist gemäß §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen.

Gemäß §§ 104, 105 SGB VII haften bei einem Arbeitsunfall der Unternehmer oder andere im Betrieb tätige Personen für Personenschäden nur, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. Unter Personenschäden fallen sowohl immaterielle Schäden wie Schmerzensgeld als auch Vermögensbeeinträchtigungen (vgl. BAG vom 10.10.2002 – 8 AZR 103/02 – zitiert nach Juris Rn. 16 m. w. N.). Ein vom Haftungsausschluss erfasster Versicherungsfall im Sinne der §§ 104, 105 SGB VII ist nach der Definition in §§ 7, 8 SGB VII unter anderem ein Arbeitsunfall. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle eines Versicherten in Folge einer versicherten Tätigkeit. Insoweit ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass der Unfall mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang steht. Diese muss zumindest eine wesentliche Teilursache für den Eintritt des Unfalls darstellen. Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung ist wertend zu ermitteln. Nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte sind versichert. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen, wie z. B. Essen oder eigenwirtschaftliche, wie z. B. Einkaufen. Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit. Für die zu wertende Entscheidung, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, kommt der Handlungstendenz des grundsätzlich Versicherten, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird, besondere Bedeutung zu. Denn aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte (BSG vom 26.10.2004 – B 2 U 24/03 R – zitiert nach Juris, Rn. 13 f).

Der Kläger hat die den Unfall verursachende Handlung auf Weisung seines Ausbilders, des Beklagten, verrichtet. Das ist am Arbeitsplatz geschehen. Die Berufsgenossenschaft hat diesen Unfall als Arbeitsunfall eingeordnet. Dieser Bescheid ist rechtskräftig geworden. Der Kläger hat in Folge dieser Bewertung Leistungen erhalten. Damit ist der Bescheid der Berufsgenossenschaft für das Gericht bindend. Es ist von einem Arbeitsunfall im sozialversicherungsrechtlichen Sinne auszugehen.

3. Der Haftungsausschluss der §§ 104f SGB VII tritt nur nicht ein, wenn der Beklagte den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Bedingter Vorsatz ist ausreichend. Der Schädiger muss den Arbeitsunfall gewollt oder für den Fall seines Eintritts gebilligt haben. Für die Entsperrung des Haftungsausschlusses genügt es nicht, dass ein bestimmtes Handeln, das für den Unfall ursächlich war, gewollt und gebilligt wurde, wenn der Unfall selbst nicht gewollt und nicht gebilligt wurde. Der Vorsatz des Schädigers muss nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen (vgl. BAG vom 27.06.1975 – 3 AZR 457/74 – zitiert nach Juris; BAG vom 10.10.2002 – 8 AZR 103/02 – zitiert nach Juris, Rn. 18, 19, 22).

Hiervon kann unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Kläger wirft dem Beklagten fehlende Sicherungsmaßnahme vor. Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme vorsätzlichen Handelns. Selbst bei vorsätzlicher Missachtung von Sicherheitsmaßnahmen oder von Unfallverhütungsvorschriften werden weder der Unfall noch die konkreten Unfallfolgen vorsätzlich herbeigeführt (BAG vom 10.10.2002 – 8 AZR 103/02 – Rn. 27 m. w. N.).

Aus den genannten Gründen kann sich der Beklagte auf das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII berufen. Das Arbeitsgericht hat daher in dem angefochtenen Beschluss vom 04.09.2009 zu Recht das Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten für das mit der Klage verfolgte Ziel angenommen. Die sofortige Beschwerde war demzufolge zurückzuweisen.

4. Der Beschwerdeführer trägt, da die Beschwerde erfolglos ist, die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, ohne dass es eines Kostenausspruchs bedarf (hierzu Zöller/Philippi, Rn. 39 zu § 127 ZPO). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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