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Hammerschlags- und Leiterrecht – Recht Hindernisse für Bauarbeiten zu entfernen

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 12 U 81/18 – Urteil vom 06.11.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Juni 2018 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 18 Abs. 1 des NbG LSA auf Duldung der im Klagantrag aufgezählten Handlungen habe. § 18 Abs. 1 NbG LSA sehe eine Duldung „zur … Durchführung von … Arbeiten auf dem benachbarten Grundstück“, also auf dem Grundstück der Klägerin vor. Hier verlange die Klägerin von der Beklagten hingegen, dass die Beklagte es dulden solle, dass die Klägerin Arbeiten auf dem Grundstück der Beklagten ausführe.

§ 18 Abs. 1 NbG LSA sehe auch nicht die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge vor. Schon vom Wortlaut her umfasse die Benutzung einer Sache nicht das Recht, Arbeiten an dieser Sache durchzuführen und diese – wenn auch nur vorübergehend – umzugestalten. Dies sei auch im Prototyp des Nutzungsvertrages, dem Mietvertrag, so geregelt. Der Mieter dürfe nur dann ohne Zustimmung des Vermieters Veränderungen an der Mietsache durchführen, wenn die Maßnahme des Mieters die Substanz der Mietsache, das Gebäude, den Vermieter und die Mitmieter nicht beeinträchtige. Hier beeinträchtigten die Entfernung der Pflasterung in einer Länge von ca. 16 m und einer Breite von ca. 6 m und Ausgrabungen und Ausschachtungen in einer Tiefe bis zu 6 m die Substanz des Grundstücks der Beklagten ganz erheblich. Auch die Nutzungsmöglichkeit der Parkplätze durch die Mitmieter werde gänzlich beseitigt.

§ 18 NbG LSA habe nur eine ganz geringfügige Nutzung im Auge. Dies werde auch aus dessen Absatz 2 deutlich. Der von seinen Voraussetzungen etwa wortgleiche § 24 NbG NRW, welcher noch nicht einmal den eng gefassten Abs. 2 des § 18 NbG LSA enthalte, gewähre ebenfalls nicht das Recht zur zielgerichteten Beschädigung einer fremden Sache und zum Eingriff in die Bodensubstanz des Nachbargrundstücks. Nach der Rechtsprechung des BGH umfasse das Hammerschlagsrecht nicht die Befugnis, Hindernisse, die seiner Ausübung entgegenstehen, zu beseitigen. Genau dies verlange die Klägerin jedoch, wenn die Beklagte dulden soll, dass die Parkplatzpflasterung beseitigt wird, damit sie die geplanten Arbeiten an ihrer Außenwand durchführen kann.

Auf § 16 NbG LSA könne sich die Klägerin nicht berufen. Voraussetzung hierfür sei nach dessen Nr. 1 nämlich, dass nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur auf dem benachbarten Grundstück, also auf dem Grundstück der Klägerin, bis an die Grenze gebaut werden dürfe. Das sei hier nicht der Fall.

Der Anspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Nur aus einem zwingenden Sachgrund könne ganz ausnahmsweise von der ausdrücklichen nachbarrechtlichen Regelung abgegangen werden. Ein solcher fehle hier. Nach allgemeinen Grundsätzen könne jeder mit seinem Eigentum nur in den Grenzen und unter den Bedingungen umgehen, unter denen er es vorgefunden habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie – mit Ausnahme der Duldung der Zwischenlagerung des Erdaushubs – ihre erstinstanzlichen Klaganträge weiterverfolgt und zur Begründung ausführt:

Das Landgericht habe das rechtliche Gehör durch ein Überraschungsurteil verletzt, weil es seine Klagabweisung auf eine sehr enge und wortlautbasierte Auslegung des Gesetzestextes stütze, die es erstmalig in seinem Urteil habe erkennen lassen. Sie habe mit einem derart engen Normverständnis nicht rechnen müssen. § 18 Abs. 1 NbG LSA sei von dem Landgericht zu eng ausgelegt und sein Anwendungsbereich über Gebühr eingeschränkt worden. Die Vorschrift erfasse nicht nur geringfügige Beeinträchtigungen. Das Hammerschlags- und Leitungsrecht solle dem Eigentümer eines Grundstücks und der darauf befindlichen Bauten den Erhalt seines Eigentums ermöglichen. Dies setze Arbeiten voraus, mittels derer die Außenwand ihres Hauses trockengelegt und abgedichtet werde. Dass hierfür ein Erdaushub auf dem Grundstück des Beklagten vorgenommen werden müsse, liege an den in einer Innenstadt typischen Baubegebenheiten, nach denen Häuserwände direkt an Nachbargrundstücke angrenzten. Bei zahlreichen Bebauungssituationen in Altstädten sei es unmöglich, notwendige Baumaßnahmen durchzuführen, ohne dabei Nachbargrundstücke mit einzubeziehen. Ansonsten könnten in vergleichbaren Fällen keine Baumaßnahmen durchgeführt werden, sodass zahlreiche Häuser nicht saniert, repariert oder modernisiert werden könnten und daher verfallen müssten. Sanierungsbedürftige Häuser würden ein hohes Sicherheitsrisiko bergen. Sie würden so Gegenstand ordnungsrechtlicher Ahndung. Für denkmalgeschützte Gebäude wie das hiesige gälten außerdem besondere Erhaltungspflichten. Zu Recht werde daher im Schrifttum vertreten, dass der Begriff der Benutzung auch das Ausheben von Erdreich als Arbeitsraum unterhalb der Oberfläche für eine zulässige Grenzbebauung erfasse, wenn und soweit ohne die Inanspruchnahme des Grundstücks die zulässige Baumaßnahme auf dem angrenzenden Grundstück in einer wirtschaftlich vertretbaren Weise nicht möglich sei.

Diese Voraussetzungen lägen hier vor, weil die nachhaltige Beseitigung der Feuchtigkeit nur durch Trockenlegung und Isolierung von außen an der Hauswand möglich sei. Insbesondere sei das von der Beklagten in Bezug genommene Druckinjektionsverfahren keine vertretbare Alternative. Diese Methode sei insofern wirkungslos, als die Wirkung der Injektionsmittel mit der Zeit nachlasse. Von 80 % Fehlschlägen sei bei Injektionsverfahren zur nachträglichen Abdichtung von Mauerwerk auszugehen. Deshalb sei zur dauerhaften Sanierung nur die von ihr beabsichtigte Methode zur Mauertrocknung geeignet.

Die vom Landgericht gezogene Parallele zum Mietrecht überzeuge nicht. Der in § 18 NbG LSA enthaltene Begriff „Benutzen“ sei nicht identisch mit der mietrechtlichen Nutzung. Anders als ein Mietvertrag regle § 18 NbG eine einseitige, nicht der Parteiautonomie unterliegende Duldungsverpflichtung und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis.

Der Erdaushub sei als „Benutzung“ des Nachbargrundstücks anzusehen, weil durch die beabsichtigten Arbeiten das Grundstück der Beklagten lediglich vorübergehend verändert und auch der Ursprungszustand am Grundstück der Beklagten nach Abschluss der Bauarbeiten wiederhergestellt werde. Der Erdaushub diene als Nebenmaßnahme lediglich als Zugang zur unterirdischen Außenfassade. Gegenstand der Baumaßnahmen sei die Abdichtung des Gebäudes der Klägerin. Insofern meine das Landgericht zu Unrecht, § 18 NbG vermittle kein Recht zur zielgerichteten Beschädigung einer fremden Sache und zum Eingriff in die Bodensubstanz des Nachbargrundstücks. Das Landgericht nehme eine viel zu enge und vermeintlich wortlautgetreue Auslegung vor.

Die von ihr beabsichtigten Maßnahmen stünden nicht außer Verhältnis zu den von der Beklagten zu erwartenden Nachteilen. Das Landgericht habe übersehen, dass die Baumaßnahmen öffentlich-rechtlich geboten seien. Ohne Trockenlegung des Mauerwerks könne sie ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Instandsetzung des Gebäudes nach § 9 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz LSA nicht gerecht werden. Die Beklagte setze sie der Gefahr eines Bußgeldes bzw. einer zwangsweisen Ersatzvornahme aus, die wiederum mit einer Duldungspflicht der Beklagten verbunden wäre.

Anders als das Landgericht meine, folge der Duldungsanspruch zudem aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Nämlich wenn man unterstelle, dass § 18 Abs. 1 NbG LSA keinen Duldungsanspruch gegen die Beklagte vermittele, biete das kodifizierte Recht eben keine ausdrückliche Regelung für den hiesigen Konflikt, der jedoch zwingend einer Lösung bedürfe. Die Interessenabwägung falle dabei klar zugunsten der Klägerin aus. Sie habe ein Interesse daran, ihr Eigentum zu erhalten und instand zu setzen, wozu sie aufgrund des Denkmalschutzes sogar verpflichtet sei. Spätestens bei der Ersatzvornahme müsse die Beklagte daher die beabsichtigten Baumaßnahmen dulden. Die Beeinträchtigung, die die Beklagte durch die vorübergehende Entfernung von fünf Parkplätzen für sechs Wochen erleiden würde, sei nicht so gravierend, wie durch das Landgericht dargestellt. Sie habe nämlich bereits mehrfach zugesagt, in der Zwischenzeit den Mietern adäquaten Ersatz zu besorgen und für die Kosten aufzukommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Halle vom 8. Juni 2018, Az.: 6 O 184/17, abzuändern und die Berufungsbeklagte zu verurteilen,

es zu dulden, dass die Klägerin zum Zwecke von Abdichtungsarbeiten unterhalb und oberhalb der Erdoberfläche an der Außenwand des Wohn- und Geschäftshauses L. Straße 5 / G. Straße 2 für eine Dauer von etwa sechs Wochen folgende Arbeiten auf dem benachbarten Grundstück G. Straße 4, H. ausführt:

  • Entfernung der Pflasterung der zur Grundstücksgrenze hin belegenen Parkplätze in einer Länge von ca. 16 m und einer Breite von 6 m,
  • Betreten und Befahren der Zuwegung und des Hofes bis zur Grenze des Grundstücks der Klägerin mit Baufahrzeugen, insbesondere eines Baggers für Ausgrabungen und Verfüllungen, den Transport von Baumaterialien und Abtransport von etwaigem Bauschutt,
  • Aufgrabungen und Ausschachtungen entlang der abzudichtenden Gebäudewand in einer Länge von 16 m, einer Breite von ca. 6 m und einer Tiefe bis zu 6 m,
  • Abdichtungen der Außenwand der Klägerin,
  • Verfüllen der Ausschachtung nach Beendigung der Abdichtungsarbeiten,
  • Wiederherstellung der Parkplatzflächen durch Verlegung der aufgenommenen Pflastersteine sowie
  • Reinigungsarbeiten aller im Zuge der Baumaßnahme beanspruchten Grundstücksflächen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 18 Abs. 1 des Nachbarschaftsgesetzes Sachsen-Anhalt (NbG LSA) auf Duldung der im Klageantrag aufgezählten Handlungen verneint.

1.

Die von der Klägerin beabsichtigte Art und Weise der Benutzung des Grundstücks der Beklagten, die diese dulden soll, ist nicht von § 18 NbG LSA gedeckt.

a.

Ein Hammerschlags- und Leiterrecht kann indes nicht bereits mit der von der Kammer vorgenommenen sehr engen Auslegung des § 18 NbG LSA versagt werden. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Landgerichts, dass nur Arbeiten auf dem Grundstück der Klägerin zulässig seien, nicht aber solche auf dem Grundstück der Beklagten. Es ist zwischen dem Anlass für das Hammerschlags- und Leiterrecht und dessen Ausübung zu unterscheiden. Zwar ist das Betreten und Benutzen des Grundstücks der Beklagten nach § 18 Abs. 1 NbG LSA zur Vorbereitung und Durchführung von Bau-, Instandsetzungs- und Unterhaltungsarbeiten nur auf dem Grundstück der Klägerin selbst (Anlass) erlaubt. Eben solche Arbeiten will die Klägerin hier durchführen, wenn sie die Abdichtung der auf ihrem Grundstück stehenden Grenzwand gegen Feuchtigkeit herstellen will. Dass sich die Handwerker dabei in Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts tatsächlich auf dem Grundstück der Beklagten befinden und dort ihre Arbeit verrichten, um die Wand auf dem Grundstück der Klägerin abzudichten, ist solchen Arbeiten an einer Grenzwand immanent. Wie der Begriff „Hammerschlag“ zeigt, kann der Einsatz des Werkzeugs durchaus auf dem Grundstück des duldungspflichtigen Nachbarn geschehen. Dies ist eben die Benutzung des Nachbargrundstücks, also der Inhalt des Hammerschlags- und Leiterrechts, nicht aber dessen auslösender Tatbestand (Anlass).

b.

Allerdings gibt das Hammerschlags- und Leiterrecht dem Berechtigten nicht auch das Recht, Hindernisse für die Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zu entfernen (z. B. BGH, VersR 1980, 650; Dehner, a.a.O., B § 28 I; Albrecht, in: Staudinger, BGB, Rdn. 31 zu Art. 124 EGBGB). Ein solches Hindernis stellt eine bauliche Anlage dar, die für die Ausführung der beabsichtigten Bauarbeiten zu beseitigen wäre. Im vorliegenden Fall müssten die befestigten Park- und Hofflächen beseitigt werden, also das Bestandspflaster des Fußweges und der Parkflächen mit seinem gesamten Unterbau vollständig zurückgebaut werden, wie im Angebot der Fa. O. vom 22. Februar 2017 dargestellt. Dies geht, auch wenn die bauliche Anlage nur vorübergehend beseitigt und auch auf Kosten der Klägerin wieder hergestellt werden soll, über das Benutzungsrecht des § 18 NbG LSA hinaus, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat.

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2.

Es kann dahinstehen, ob die geplanten Arbeiten überhaupt erforderlich sind, weil die streitgegenständliche Außenwand des Gebäudes der Klägerin im Kellergeschoss und im Erdgeschoss feucht ist. Dabei ist zwischen Bauarbeiten einerseits und Instandhaltungsarbeiten andererseits zu unterscheiden. Unter Bauarbeiten sind sowohl die zur Herstellung als auch die zur Änderung einer baulichen Anlage erforderlichen Arbeiten zu verstehen. Der in Anspruch genommene Grundstückseigentümer kann sich bei Bauarbeiten nicht darauf berufen, dass der Umbau des Gebäudes nicht notwendig sei; dies zu entscheiden ist allein Sache des Bauherrn. Dagegen setzt der Begriff der Instandsetzungsarbeiten die Reparaturbedürftigkeit der Anlage voraus. Was bereits instand ist, kann nicht mehr instand gesetzt werden. Gegenüber einem Verlangen auf Benutzung des Nachbargrundstücks zu derartigen Arbeiten kann daher eingewendet werden, es bestehe kein Anlass zu einer Instandsetzung (vgl. Dehner, Nachbarrecht, B § 28 I.1; Saller, in: Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 4. Teil Rdn. 123). Hier geht es ersichtlich darum, dass die Klägerin eine Außenwand ihres Hauses reparieren will, also um Instandsetzung, nicht um Bauarbeiten.

Gleichwohl ist über die von der Klägerin behauptete und von der Beklagten bestrittene Durchfeuchtung der Außenwand kein Beweis zu erheben.

3.

Einem Hammerschlags- und Leiterrecht steht nämlich entscheidend entgegen, dass die von der Klägerin geplanten Instandsetzungsarbeiten nicht rechtmäßig wären. Über den Wortlaut des § 18 NbG LSA hinaus ist nämlich zu verlangen, dass das Vorhaben insgesamt zivilrechtlich statthaft ist (Stollenwerk, in: PdK Sachsen-Anhalt, Ziffer 1.4 zu § 18 NbG LSA; Schäfer, Sächsisches Nachbarrecht, Rdn. 6 zu § 24 SächsNRG). Die Ausübung von Hammerschlags- und Leiterrechten steht dem Nachbarn daher nur zur Durchführung solcher Arbeiten zu, zu deren Vornahme er gegenüber dem Eigentümer berechtigt ist. Daran fehlt es, wenn die Partei die auf Grund eines unberechtigten Überbaus auf dem Grundstück des Nachbarn stehenden und diesem gehörenden Teile des Bauwerks instand setzen wollten, die dieser auf seinem Grundstück weder hinzunehmen verpflichtet noch bereit ist. (BGH, NJW 2011, 1069). Insofern gibt es für solche Arbeiten, die gegenüber dem in Anspruch genommenen Nachbarn unzulässig sind, kein Hammerschlags- und Leiterrecht. Ein Betretungsrecht kommt daher nicht in Betracht für Arbeiten, die zu einem unberechtigten Grenzüberbau führen (z. B. OLG Hamm, MDR 1984, 847; Dehner, Nachbarrecht, B § 28 I 2.c; Saller, in: Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 4. Teil Rdn. 123). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin eingeräumt, dass es im Rahmen der geplanten Arbeiten zu einem Überbau ihres Gebäudes auf das Grundstück der Beklagten von bis zu 5 cm kommen würde. Es ist dabei wegen § 905 BGB ohne Belang, ob die Grenze im Luftraum oder auf oder – wie hier vornehmlich – unter der Erde überschritten wird (z. B. Roth, in: Staudinger, BGB, Rdn. 15 zu 912 BGB). Diesen Überbau hat die Beklagte auch nicht zu dulden.

a.

Eine Regelung wie in § 16a des Berliner Nachbarrechtsgesetzes, wonach eine Pflicht zur Duldung einer Überbauung zum Zwecke der – hier nicht beabsichtigten – Wärmedämmung bestehen kann, weist das Nachbarschaftsgesetz von Sachsen-Anhalt nicht auf, zumal nicht für die Abdichtung gegen Feuchtigkeit.

b.

Auch aus § 16 NbG LSA folgt keine Pflicht der Beklagten zur Duldung des geplanten Überbaus. Nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut gilt die Vorschrift nur für Bauteile, die in den Luftraum eines anderen Grundstücks übergreifen. § 16 NbG LSA ist auch nicht entsprechend anzuwenden auf den bloß unterirdischen und nach Ansicht der Klägerin somit zwangsläufig unwesentlichen Überbau. Eine solche Einschränkung des Eigentums bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Jedenfalls enthält die Vorschrift des § 16 NbG LSA keinen allgemeingültigen Rechtgedanken, der es rechtfertigen könnte, durch entsprechende Anwendung eine allgemeine Pflicht zur Duldung von nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigender Benutzung eines anderen Grundstücks abzuleiten. Vielmehr gibt § 912 BGB uneingeschränkt vor, unter welchen Umständen ein Überbau zu dulden ist.

c.

Ebenso wenig kann § 18 NbG LSA eine Duldungspflicht zu Gunsten der Klägerin begründen. Der Senat teilt die Ansicht der Klägerin nicht, dass die Vorschrift auch die Errichtung eines Überbaus und damit erst Recht eine unerhebliche Grenzüberschreitung erlaube. Wie ausgeführt, scheidet ein Hammerschlags- und Leiterrecht gerade aus, wenn die beabsichtigten Maßnahmen zu einem unberechtigten Überbau führen.

d.

Aber auch gemäß § 912 BGB ist die Beklagte nicht zur Duldung verpflichtet. Dies scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin ersichtlich vorsätzlich über die Grenze bauen würde. Überdies hat die Beklagte sogar bereits vor der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben.

e.

Eine Duldungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Zwar versperrt § 18 NbG LSA nicht generell den Rückgriff auf diesen Regelungsmechanismus (z. B. Stollenwerk, a.a.O., Ziffer 2.2 zu § 18 NbG). Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 903 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder allerdings eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist jedoch der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfasst. Eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme ist mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (z.B. BGH, NJW 2003, 1392). Aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Grundstücksnachbarn folgt zwar eine Pflicht der Nachbarn zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die dazu führen kann, dass die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden kann. Das Rechtsinstitut darf jedoch nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (z. B. BGH, NJW 2014, 311). Wie ausgeführt, erlaubt das Hammerschlags- und Leiterrecht des § 18 NbG LSA kein Betreten – und insbesondere nicht die vorübergehende Beseitigung von befestigten Flächen – zum Zwecke von Bauarbeiten, die auf einen nicht zu duldenden Überbau hinauslaufen. Treu und Glauben zwingen hier nicht ausnahmsweise trotzdem dazu, die Beklagte zur Duldung der Benutzung ihres Grundstücks in der von der Klägerin verlangten Weise zu verpflichten.

Nun ist die Klägerin fraglos nach § 9 Abs. 2 DenkmSchG LSA zur Instandhaltung ihres offenbar unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes verpflichtet. Wenn also festgestellt werden könnte, dass die behaupteten Durchfeuchtungen bestehen, wäre die Klägerin möglicherweise verpflichtet, im Rahmen ihrer gesetzlichen Erhaltungspflicht jene Schäden zu beseitigen. Das lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass dem Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes nach Treu und Glauben stärkere Nachbarrechte zugebilligt werden müssten als dem Gebäudeeigentümer, der sich auch ohne eine denkmalrechtliche Verpflichtung verantwortungsbewusst um den Erhalt seiner Liegenschaft kümmert.

Außerdem ergibt eine Abwägung der beiderseitigen nachbarlichen Interessen und Belastungen nach Treu und Glauben, dass die Beklagte nicht auf eine Duldung der geplanten Baumaßnahmen zu verweisen ist. Die Beklagte sieht sich mit einem gravierenden Eingriff in die Nutzung ihres Grundstücks konfrontiert. Sie soll über jedenfalls sechs Wochen Bauarbeiten dulden, bei denen ihr Grundstück weiträumig durch Beseitigung der Pflasterung nebst Unterbau, Ausschachten eines sechs Meter tiefen Arbeitsraumes und Vorhalten einer in ihrer Ausdehnung unabsehbaren zusätzlichen Arbeitsfläche für Baumaschinen und Absicherung der Baustelle in Anspruch genommen wird. Dies läuft darauf hinaus, dass es der Beklagten und ihren drei gewerblichen Mietern für die lange Dauer der Bauarbeiten weitgehend verwehrt würde, die Hoffläche zu nutzen. Eine Nutzung als Parkraum wäre stark eingeschränkt und eine Nutzung als Anlieferzone mit Lastkraftwagen für die Geschäftslokale der drei Mieter wäre gänzlich ausgeschlossen. Die Beklagte befürchtet zu Recht Reaktionen der Mieter, die über eine Mietminderung hinausgehen könnten. Zusätzlich soll die Beklagte im Ergebnis der Abdichtungsarbeiten mit einem fünf Zentimeter weiten, zwar unterirdischen, aber dauerhaften Überbau belastet werden. Diese Belastungen werden nur unwesentlich dadurch abgemildert, dass sich die Klägerin allgemein zur Begleichung von Schäden bereiterklärt hat.

Solche starken Belastungen der Beklagten könnten allenfalls dann nach Treu und Glauben gerechtfertigt sein, wenn anderenfalls der Erhalt des Hauses der Klägerin ohne Beseitigung einer Durchfeuchtung in Zweifel stünde. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin allerdings nicht zwingend darauf angewiesen, das Grundstück der Beklagten zur Durchführung der erforderlichen Abdichtungsarbeiten zu nutzen. Selbst wenn man unterstellt, dass die Wirkung der mit Druck injizierten Mittel gerade auch bei größeren Flächen – wie vorliegend – mit der Zeit nachlässt, wie die Klägerin behauptet, steht grundsätzlich auch das Druckinjektionsverfahren zur Abdichtung der Kelleraußenwände von innen, also von dem eigenen Grundstück der Klägerin aus, zur Verfügung. Die Klägerin stellt nämlich nicht in Abrede, dass das Druckinjektionsverfahren grundsätzlich erst einmal eine Abdichtung bewirken kann. Nach ihrem Verständnis ist diese Methode nur weniger effektiv. Dass es dieses Verfahren mit sich bringen kann – wie bald das sein wird, trägt die Klägerin nicht vor -, irgendwann an Teilen der Mauer oder in Gänze wiederholt zu werden, ist von der Klägerin jedenfalls heute hinzunehmen. Es ist der Klägerin durchaus zuzumuten, das Druckinjektionsverfahren, sobald nötig, zu wiederholen. Auch wenn sich die von der Klägerin behauptete Möglichkeit realisieren sollte, dass irgendwann in der Zukunft das Druckinjektionsverfahren nicht mehr ausreichend sein sollte und dann doch eine Abdichtung von Außen, wie schon aktuell verlangt, angebracht werden müsste, steht doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls eine grundsätzlich taugliche Alternative zur Verfügung. Insofern ist die Klägerin darauf zu verweisen, zunächst einmal die Methode zur Abdichtung zu versuchen, die den Nachbarn am wenigsten belastet, nämlich das Druckinjektionsverfahren aus dem Innern ihres eigenen Hauses.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

 

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