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Verletzung eines Handballspielers durch Gegenspieler

Oberlandesgericht Köln

Az: 17 U 29/01

Urteil vom 23.01.2002

Vorinstanz: Landgericht Köln – Az.: 27 O 135/99


Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das am 1. Februar 2001 verkündete Schluss-Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 135/99 – wie folgt abgeändert:

Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500 EUR abzuwenden, falls nicht die Beklagte zu 1. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die zu leistende Sicherheit kann auch durch unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin, die seit mehreren Jahren an der Sporthochschule K. Sportwissenschaft mit dem Ziel des Erwerbs der Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe 2 studiert und eine Anstellung als Sportlehrerin erstrebt, begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld wie auch die Feststellung der Haftung der Beklagten für materielle und immaterielle Zukunftsschäden im Anschluss an einen Sportunfall.

Am 15.3.1998 traf die Mannschaft des V. K., zu deren Spielerinnen die Klägerin gehörte, bei einem Handballspiel der Kreisliga der Frauen in der Sporthalle E. Straße auf die Mannschaft der HC C., der die beiden Beklagten angehören. Die Klägerin, die sich bei einem Handballspiel im September 1997 eine Verletzung des rechten Kniegelenks zugezogen hatte, trug bei dem Spiel eine MVP-Schiene am rechten Kniegelenk. In der 56. Minute der Spielbegegnung kam die Klägerin in Ballbesitz und führte einen Tempogegenstoß in Richtung des gegnerischen Tores durch. Die Beklagten folgten der Klägerin und versuchten, diese am Torwurf zu hindern. Etwa an der Sieben-Meter-Linie des gegnerischen Tores kam es zu einer – in ihrem Hergang streitigen – Berührung mit den Beklagten. Der Klägerin gelang es zwar noch, den Ball in das gegnerische Tor zu werfen und so – 4 Minuten vor dem Spielende – den Ausgleichstreffer zum 11 : 11 Endstand des Spieles zu erzielen. Sie geriet jedoch infolge der Berührung zu Fall und schleuderte gegen die etwa 3-4 m entfernte Turnhallenwand, wo sie mit ihren Knien zuerst auftraf. Die Beklagte zu 1. wurde aus diesem Anlass von dem Schiedsrichter des Spieles, dem Zeugen H., disqualifiziert. Als Grund für die Disqualifizierung notierte der Zeuge H. in seinem Spielbericht (Bl. 2 AH) „Stoß von hinten beim Tempogegenstoß“.

Die Klägerin wurde am 17.7.1998 erneut am Knie operiert. Ihr wurde dabei eine Kreuzbandplastik eingesetzt.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten sie beim Abfangen „in die Zange genommen“ und mit den Fäusten von hinten gestoßen. Durch den nachfolgenden Sturz nebst Aufprall gegen die Wand sei es zu Rissen am Innenmeniskushorn und am Außenmeniskus-Intermediärteil sowie zu einem Teilriss des vorderen Kreuzbands gekommen. Ferner habe sie eine Prellung und eine Distorsion des rechten Kniegelenks erlitten. Nach dem Vorfall habe sie nur unter Schmerzen gehen und einen maximalen Beugungsgrad des rechten Beines von 110 bis 120 Grad erreichen können. Infolge der von ihr eingenommenen Schonhaltung beim Gehen sei es zu Verspannungen im linken Bein und im Rückenbereich gekommen. Die zur Stützung des Knies erfolgte Einsetzung einer Kreuzbandplastik habe eine zweiwöchige Bettruhe bedingt. Der Muskelaufbau sei danach nicht wie geplant erfolgt. Weitere Folgeschäden seien zu befürchten. Die körperlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten ein Schmerzensgeld von mindestens 16.000,00 DM. Da sie ihr Studium infolge der Verletzungen nicht ordnungsgemäß habe fortführen und insbesondere die praktischen Teile der Ausbildung nicht habe wahrnehmen können, werde sich ihr Lehramtsstudium um mindestens drei Semester verlängern. Damit werde ein Erwerbsausfall – bemessen nach einem Gehalt der Eingangsstufe A 13 – in Höhe von 29.784,96 DM je Semester verbunden sein.

Durch – inzwischen rechtskräftiges – Teilurteil vom 28.1.2000 wies das Landgericht die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum Hergang des Geschehens vom 15.3.1998 mangels festzustellenden Regelverstoßes der Beklagten zu 2. als unbegründet ab.

Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zu 1. zur Zahlung eines angemessenen, nicht unter 16.000,00 DM betragenden Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zu 1. zum Ersatz allen sich aus dem Vorfall vom 15.3.1998 ergebenden materiellen und immateriellen Zukunftsschadens beantragt.

Die Beklagte zu 1. hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat behauptet, bevor die Klägerin Gelegenheit gehabt habe, den Ball abzuwerfen, sei es zu einer Berührung gekommen. Der Zusammenstoß zwischen ihr und der Klägerin sei unvermeidlich gewesen, als die Klägerin ihr Tempo vor dem Abwurf des Balles verlangsamt habe. Infolge der Berührung seien alle Beteiligten zu Fall gekommen. Die Klägerin habe aufgrund der im September 1997 durchgeführten Operation nicht an dem Handballspiel vom 15.3.1998 teilnehmen dürfen, so dass ihr ein Mitverschulden vorzuwerfen sei.

Das Landgericht hat Beweis durch Vernehmung von Zeugen zum Hergang des Geschehens und durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Ha. zu den behaupteten Verletzungen und Unfallfolgen, zur Ursächlichkeit des Sturzes vom 15.3.1998 für diese Verletzungen und Folgen und zu einer etwaigen Auswirkung der Vorschädigung hierauf. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 16.12.1999 (GA 83 ff.) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ha. vom 25.7.2000 (GA 147 ff.) verwiesen.

Durch Schlussurteil vom 1.2.2001, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Landgericht die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage zugesprochen und neben der erstrebten Feststellung auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 DM erkannt. Die Beklagte zu 1. hat gegen dieses ihr am 6.2.2001 zugestellte Urteil mit einem am 6.3.2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 5.6.2001 begründet.

Die Beklagte zu 1. ist der Ansicht, es sei nicht bewiesen, dass sie einen objektiv erheblichen Regelverstoß begangen habe. Das Landgericht habe die von ihm insoweit erhobenen Beweise unzutreffend gewürdigt. Nach den Bekundungen der Zeugen D. und P. J., C., L. und W. könne ein gravierender Regelverstoß nicht angenommen werden. Auch reichten die – vom Landgericht für maßgeblich erachteten – Bekundungen des Schiedsrichters H. zu einer solchen Feststellung nicht aus. Zu den von der Klägerin geltend gemachten Verletzungen und Verletzungsfolgen wiederholt sie ihr erstinstanzliches Bestreiten. Das Gutachten Ha. sei nicht überzeugend. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der Riss des Restkreuzbandes bereits durch die frühere sportliche Betätigung der Klägerin und mithin nicht auf das Geschehen vom 15.3.1998 zurückzuführen sei.

Die Beklagte zu 1. beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Schlussurteils die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen, hilfsweise, ihr im Unterliegensfall zu gestatten, jedwede Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, der Umstand, dass sie über eine Strecke von etwa 10 m geschleudert und durch die Hallenwand gestoppt worden sei, spreche dafür, dass sie im Sprung mit voller Kraft von der Beklagten in Richtung Spielfeldrand mit ausgestreckten Händen gestoßen worden sei, wie es der Zeuge H. bekundet habe; ein unglückliches Aufeinanderprallen sei auszuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die formell unbedenkliche Berufung der Beklagten zu 1. hat in der Sache Erfolg.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1. ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß § 847 BGB aus dem Sportunfall vom 15.3.1998 nicht zu. Voraussetzung für eine entsprechende Haftpflichtigkeit der Beklagten zu 1. gemäß § 823 Abs. 1 BGB wäre die schuldhafte widerrechtliche Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines anderen.

Zwar ist die Klägerin – nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien – anlässlich des Handballspiels vom 15.3.1998 infolge einer auf Wegschubsen zurückzuführenden Berührung mit der Beklagten zu 1. auf dem Spielfeld zu Fall geraten und hat sich am Körper verletzt. Damit steht nicht nur die Verletzung der Klägerin, sondern auch fest, dass für diese Verletzung ein Handeln der Beklagten zu 1., nämlich deren Schubsen mitgewirkt hat und hierfür ursächlich gewesen ist. Die Rechtswidrigkeit dieser Körperverletzung zum Nachteil der Klägerin durch die Beklagte zu 1. ist jedoch nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht als erwiesen anzusehen. Jedenfalls fehlt es an dem für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen Verschulden.

Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens eines Schädigers bei Sportverletzungen – insbesondere solchen bei Ausübung von Mannschafts-Kampfsportarten – ist in der dogmatischen Einordnung problematisch. Gleichwohl herrscht insoweit in der Rechtsprechung seit längerem Einigkeit darüber, dass die Herbeiführung einer Verletzung des Kontrahenten (Gegenspielers) bei Einhaltung der Spielregeln regelmäßig eine Haftung des Schädigers aus § 823 Abs. 1 BGB nicht begründen kann (vgl. BGH, Urt. vom 5.11.1974 – VI ZR 100/73 – Z 63, 140, 147 = NJW 1975, 109 ff.; Urt. vom 10.2.1976 – VI ZR 32/74 – in: NJW 1976, 957, 958; Urt. vom 16.3.1976 – VI ZR 199/74 – in: NJW 1976, 2161). Bei Mannschafts-Kampfsportarten treten die gegeneinander spielenden Mannschaften nach denselben Regeln an; jeder Mitspieler erkennt die Teilnahmebedingungen als für ihn verbindlich an, so dass unterstellt werden kann, dass er in das Risiko des Eintritts einer durch regelrechte Spielweise verursachten Verletzung einwilligt und dementsprechend keine ihm etwa erwachsenen Schadensersatzansprüche geltend machen wird (BGH, a.a.O.; LG Marburg NJW-RR 1988, 1243, 1244). Welche Gefahren im einzelnen hingenommen werden müssen, ist primär nach den Spielregeln zu bestimmen, nach denen die Sportmannschaften angetreten sind (BGHZ 63, 140, 143 = NJW 1975, 109, 111; LG Marburg, a.a.O.). Bei Mannschafts-Kampfsportarten wie etwa Basketball, Fußball oder Hallenhandball werden hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, an Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz der Mitspieler gestellt. Für sie ist bezeichnend, dass gewisse Kampfhandlungen, die praktisch auch von einem sorgfältigen Spieler nicht zu vermeiden sind und darüber hinaus bei realistischer Betrachtung nicht aus dem Spiel hinweggedacht werden können, wenn dieses nicht seinen Charakter als lebendiges Kampfspiel verlieren soll, nach den Spielregeln bereits als Foulspiel gewertet werden (vgl. BGH, a.a.O.). An die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ (§ 276 BGB) ist ein besonderer, durch die jeweilige Eigenart des Spieles geprägter Maßstab anzulegen, nach welchem ein die Gefahr vermeidendes Verhalten im gegebenen Falle zuzumuten sein muss (BGH, a.a.O.). In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass nicht jede geringfügige Verletzung einer dem Schutz der Spieler dienenden Regel als fahrlässiges Verhalten zu bewerten ist, insbesondere dann nicht, wenn sie – wie häufig der Fall – aus Spieleifer, Unüberlegtheit, technischem Versagen, Übermüdung oder ähnlichen Gründen geschehen ist (OLG Frankfurt, a.a.O. m.w.N.). Für die Bewertung eines Regelverstoßes als fahrlässiges Verhalten im Sinne eines Verstoßes gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist mithin ein besonderer, durch die Eigenart des Spiels geprägter Maßstab anzulegen und ferner die Häufigkeit von Regelverstößen der fraglichen Art in der betroffenen Sportart mit zu berücksichtigen (BGH NJW 1976, 2161, 2162; LG Marburg, a.a.O.). Dies gilt in ausgeprägter Weise beim Hallenhandball, bei dem – anders als bei dem die körperliche Berührung des Gegenspielers verbietenden Basketballspiel – der körperliche Einsatz erlaubt ist und dies notwendigerweise zu körperlichem Kontakt von Gegenspielern führt (vgl. Mertens, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 823 Rn. 329; BGH NJW 1975, 109, 111; NJW 1976, 957, 958 und 2161; LG Marburg, a.a.O.; OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 418, 419). Nach Regel 8:1 der Internationalen Hallenhandballregeln des Deutschen Handballbundes (Stand: 1.8.1997 – Hülle GA 175) ist es erlaubt, Arme und Hände zu benutzen, um den Ball zu blocken oder in Ballbesitz zu gelangen, dem Gegner mit einer offenen Hand den Ball aus jeder Richtung wegzuspielen, den Gegner mit dem Körper zu sperren, auch wenn er nicht in Ballbesitz ist und mit angewinkelten Armen von vorne Körperkontakt zum Gegenspieler aufzunehmen, ihn zu kontrollieren und zu begleiten. Nicht erlaubt sind nach Regel 8:2 der Internationalen Hallenhandballregeln Entreißen oder Wegschlagen eines vom Gegenspieler gefassten Balles sowie Sperren, Wegdrängen, Klammern, Festhalten, Stoßen, Anrennen, Anspringen oder sonstiges Stören, Behindern oder Gefährden des Gegenspielers mit oder ohne Ball. Solche Aktionen sind in aller Regel mit körperlichen Berührungen verbunden, die das Handballspiel als lebendiges Kampfspiel kennzeichnen, ohne als solche für den Gegenspieler besonders gefährlich zu sein. Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB kommt es daher darauf an, dass die Verletzung eines Spielers auf einen Regelverstoß eines Gegenspielers zurückzuführen ist, der über einen geringfügigen und häufigen Regelverstoß – wie sie Ziffer 8:2 der Internationalen Hallenhandballregeln erfasst sind – deutlich hinausgeht und auch einen Grenzbereich zwischen gebotener kampfbedingter Härte und unzulässiger Unfairness klar überschreitet (OLG Frankfurt und LG Marburg, jeweils a.a.O.; BGH NJW 1976, 957, 958 sowie OLG Hamm VersR 1999, 1115, 1116 betr. das Fußballspiel). Voraussetzung für ein haftungsbegründendes Verhalten ist das Vorliegen einer groben Verletzung einer zum Schutz von Spielern bestimmten Wettkampfregel (OLG Frankfurt, a.a.O.). Zu solchen zum Schutz der Gesundheit der Spieler bestimmten Wettkampfregeln gehört Regel 8:5 der Internationalen Hallenhandballregeln, wonach ein Spieler, der den Gegenspieler gesundheitsgefährdend angreift, zu disqualifizieren ist, insbesondere dann, wenn er u.a.

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„a) – c) ;

d) einen im Lauf oder im Sprung befindlichen Gegenspieler stößt oder so attackiert, daß dieser dadurch die Körperkontrolle verliert.“

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz kann ein solcher grober Regelverstoß der Beklagten zu 1. nicht festgestellt werden. Die Behauptung der Klägerin, sie sei nach dem Ballabwurf auf das gegnerische Tor von beiden Beklagten im Sieben-Meter-Kreis „in die Zange genommen“ worden, wobei die Beklagten sie mit den Fäusten von hinten gestoßen hätten, die einen groben Regelverstoß nach Regel 8:5 d) darstellen würde, ist in der Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Nach den Bekundungen der Zeugen H., der das Spiel als Schiedsrichter geleitet hatte, war die Klägerin von der Beklagten zu 1. „von hinten mit beiden Händen weggeschubst worden und dabei zu Fall geraten“. In ähnlicher Weise schildert der Zeuge D. J., der als Mitglied des Kampfgerichts – nicht aber, wie es im angefochtenen Urteil heißt, als Mannschaftstrainer der Beklagten – anwesend war und sich in Höhe der Spielfeldmitte aufhielt, den Vorfall. Nach seinen Angaben war die Klägerin „von hinten gedrückt worden“. Die Bekundungen beider Zeugen sind glaubhaft. Sie entsprechen einander im Kern ihres sachlichen Gehalts. Der Zeuge D. J. ist zwar – wie von der Klägerin im Berufungsverfahren unwidersprochen vorgetragen worden ist – Mitglied des Sportvereins, dem auch die Beklagten angehören. Dieser Umstand weckt indes an der Glaubwürdigkeit des Zeugen J. für den Senat keine Zweifel. Der protokollierte Inhalt seiner Aussage lässt erkennen, dass sich der Zeuge der Bedeutung seiner Aussage bewusst war und er sich bei seinen Angaben auf Objektivität beschränkt und etwaige Unsicherheiten auch als solche zu erkennen gab. Die Bekundungen des Zeugen J. stimmen zudem in ihrem Kern mit den Angaben des Schiedsrichters H. überein.

Die Angaben der klägerseits benannten und vernommenen Zeugen I., V., N. und R. sind zum eigentlichen Hergang des Zusammenstoßes der Spielerinnen nicht ergiebig. Zwar haben alle vorgenannten Zeugen bekundet, dass die Klägerin von zwei Gegenspielerinnen „in die Zange genommen“ worden sei. Wie es aber konkret zum Sturz der Klägerin kam, vermochten diese Zeugen nicht zu schildern. Soweit die Zeugin M. angibt, dass die Klägerin zwar „grob gefoult“ worden sei, sie die Person der Foulspielerin dagegen nicht benennen könne, reicht dies zum Nachweis eines groben Foulspiels der Beklagten zu 1. nicht aus.

Die von den Beklagten benannten Zeugen C., P. J., L. und W. haben im wesentlichen übereinstimmend ausgesagt, die Klägerin habe sich noch in Ballbesitz befunden, als es zu einer Rangelei um den Ball, nicht aber zu einem gegen die Klägerin gerichteten Stoßen gekommen sei. Auch diese, den Vortrag der Beklagten bestätigenden Angaben reichen zum Nachweis eines groben Fouls der Beklagten zu 1. nicht aus.

Ein grober Regelverstoß wäre nach Ansicht des Senats ohne weiteres anzunehmen, wenn die Beklagte zu 1. die Klägerin – wie diese behauptet – zu einem Zeitpunkt geschubst hätte, als die Klägerin den Wurf schon vollzogen, d.h. den Ball aufs gegnerische Tor geworfen hatte. Einen solchen Sachverhalt konnten die Zeugen H. und D. J. indes nicht bestätigen. Beide Zeugen haben erklärt, dass sich die Klägerin – nach ihrer Erinnerung („ich meine“) – bei dem Anstoß mit der Beklagten noch in Ballbesitz befunden habe. Die Angaben der übrigen beidseits benannten Zeugen stehen einander unvereinbar gegenüber und reichen deshalb zum Nachweis des behaupteten Ballabwurfs vor dem Zusammenstoß nicht aus.

Steht aber nicht fest, dass sich die Klägerin bei dem Zusammenstoß mit der Beklagten nicht mehr in Ballbesitz befand, kann unter Berücksichtigung der weiteren besonderen Umstände des Sportunfalls ein „grobes Foul“ nicht angenommen werden. Es ist unbestritten, dass die Mannschaft der Beklagten kurz vor Spielende – und zwar vier Minuten vor Schluss der Partie – noch mit 11 : 10 Toren führte, als die Klägerin den Tempogegenstoß unternahm. Die beiden Beklagten haben alsdann die Klägerin eingeholt und sie „in die Schere“ („Zange“) genommen, worauf hin die Klägerin zu Fall geriet. Wenn die Beklagte dabei in der Hektik des Geschehens die Klägerin schubste, bevor diese den Ball letztlich werfen konnte – davon ist wegen der Beweisfälligkeit der Klägerin auszugehen – , kann das im Hallenhandballsport, der als besonders rauhe Kampfsportart gilt (vgl. Mertens, in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.) und bei der, wie auch der Senat weiß, derartiges Schubsen häufiger festzustellen ist, durchaus naheliegend auf Spieleifer, Unüberlegtheit, Ungeschicklichkeit, Übermüdung oder gegen Ende des Spiels nachgelassener Kräfte oder Konzentration beruhen (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.) und ist deshalb nach Auffassung des Senates nicht ohne weiteres als grobes Foul zu werten. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten ihr Ziel, die Klägerin an einem Torwurf zu hindern, mit einem vorsätzlich ausgeführten gefährlichen Angriff auf die Klägerin oder deren Gefährdung in rücksichtsloser Weise in Kauf genommen haben, hat die Beweisaufnahme erster Instanz nicht ergeben. Die von der Zeugin V. bekundete angebliche Äußerung einer Gegenspielerin, „die Klägerin werde nicht mehr lange laufen“, lässt die Person der Urheberin dieser angeblichen Äußerung nicht erkennen und vermag schon deshalb ein grob sorgloses oder gar vorsätzliches Vorgehen der Beklagten nicht zu beweisen. Soweit die Zeuginnen N. und R. erklärt haben, sie seien der Ansicht, „die beiden Gegenspielerinnen hätten der Klägerin ausweichen können“, sind diese Angaben zu wenig konkret als dass hieraus zuverlässig der Schluss gezogen werden könnte, die Beklagten hätten die Klägerin in rücksichtsloser Weise attackiert.

Eine erneute Vernehmung der erstinstanzlich vernommenen Zeugen durch den Senat war nicht nach §§ 398, 523 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, 26 Nr. 5 EGZPO veranlasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Nachweise im Urteil des BGH vom 29.1.1991 – XI ZR 76/90 – in: MDR 1991, 670) kommt eine wiederholte Vernehmung eines Zeugen nur dann in Betracht, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen anders als die Vorinstanz beurteilt oder die protokollierten Angaben des Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält oder wenn es die protokollierte Aussage eines Zeugen anders versteht als der erstinstanzliche Richter. Diese Ausnahmevoraussetzungen, die zu einer erneuten Zeugenvernehmung Veranlassung böten, sind hier nicht gegeben.

Auf den persönlichen Eindruck der Zeugen H., D. J., M., I., N. und R., deren Glaubwürdigkeit der Senat nicht anders beurteilt als das Landgericht, kommt es vorliegend nicht an. Die Zeugen C., P. J., L. und W. haben den Sachvortrag der Klägerin zum Hergang in seinem wesentlichen Punkt in Abrede gestellt, so dass – auch wenn man insoweit den Glaubwürdigkeitsbedenken des Landgerichts bezüglich dieser Zeugen folgt – der objektive Erklärungswert der Bekundungen dieser Zeugen keinen Beweis für die Richtigkeit des von der Klage behaupteten Stoßens erbringt.

Die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen sind – wovon auch die Parteien ausgehen – nicht unzureichend protokolliert.

Schließlich hat der Senat die in erster Instanz protokollierten Zeugenaussagen in tatsächlicher Hinsicht nicht anders verstanden als das Landgericht. Deren objektiver Beweiswert reicht indes nicht aus, den von der Klägerin zu beweisenden groben Regelverstoß nachzuweisen. Die für eine solche Vorgehensweise notwendige innere Willensrichtung in bezug auf eine körperliche Gefährdung der Klägerin – Vorsatz bzw. Rücksichtslosigkeit – kann aufgrund der protokollierten Bekundungen der Zeugen H. und D. J. nicht mit der erforderlichen Gewißheit bejaht werden. Bei einer solchen im objektiven Bereich liegenden Abweichung der Bewertung der vom Landgericht in erster Instanz protokollierten Zeugenaussagen ist eine erneute Vernehmung der Zeugen nicht veranlasst.

Ist aber hiernach nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1. ein grobes Foul begangen hat, geht dies zu Lasten der Klägerin, die die Beweislast für das Vorliegen eines groben Regelverstoßes trifft (BGHZ 63, 140, 149 = NJW 1975, 109, 111; BGH NJW 197, 957, 958; LG Marburg und OLG Frankfurt, jeweils a.a.O.; beim Fußballspiel: OLG Düsseldorf OLGR 1992, 82; OLG Hamm MDR 1997, 553 sowie VersR 1999, 1115, 1116).

2.

Der Feststellungsantrag hat aus den gleichen Gründen wie unter Ziffer 1. erörtert keinen Erfolg.

Offenbleiben kann von daher, ob der Klägerin in der Zukunft ein Erwerbsausfallschaden und ein weiterer Schmerzensgeldanspruch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit entstehen werden. Ebenso kann die Zulässigkeit des Feststellungsantrages im Hinblick auf eine mögliche Leistungsklage dahinstehen, soweit er sich auf den materiellen Schaden vor Eintritt der Rechtshängigkeit bezieht.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 N. 10, 711, 108 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

für den Zahlungsantrag: 20.000,00 DM

für den Feststellungsantrag: 72.000,00 DM

(80 % des möglichen Leistungsanspruches)

Gesamtstreitwert (zugleich Revisionsbeschwer der Klägerin): 92.000,00 DM

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