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Handelsvertreter: Haftung des Geschäftsherrn bei Unterschlagung

OLG Karlsruhe

Az.: 15 U 91/01

Urteil vom 21.05.2004

Vorinstanz: LG Karlsruhe, AZ.: 6 O 153/01


Leitsatz:

Nimmt ein Handelsvertreter, der keine Inkassovollmacht besitzt, Kundengelder entgegen, kommt eine Haftung des Geschäftsherrn für den Handelsvertreter gemäß § 278 BGB in Betracht, wenn der Handelsvertreter die Kundengelder unterschlägt.


In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 07. Mai 2004 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.10.2001 – 6 O 153/01 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird, als Gesamtschuldnerin neben Frau A. haftend, verurteilt, an die Klägerin 20.451,68 € nebst 4,75% Zinsen hieraus seit dem 15.03.1998 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils des Landgerichts Freiburg – 8 O 89/00 – im Verfahren R. W. gegen A..

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin gab ihrer Schwester A. am 15.03.1998 einen Betrag von DM 40.000 in bar. Das Geld sollte nach dem Willen der Klägerin für sie in einem Investmentfonds angelegt werden. Frau A. unterschlug jedoch das ihr übergebene Geld. Ihr Aufenthaltsort war seit März 1998 bis zum 05.05.2004 unbekannt. Mit einem am 28.09.2000 zugestellten Versäumnisurteil wurde Frau A. zur Zahlung von 40.000 DM nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Die Klägerin verlangt nun auch von der Beklagten, der V. GmbH, Schadensersatz in gleicher Höhe, weil diese für das Verhalten der Frau A. hafte.

Die Beklagte ist als Vermögensverwalterin für ihre Kunden tätig; außerdem vermittelt sie Finanzanlagen, insbesondere in Investmentfonds. In der Zeit von November 1997 bis März 1998 war die Schwester der Klägerin, Frau A., für die Beklagte als freie Handelsvertreterin tätig.

Frau A. gab bei Besuchen bei der Klägerin Anfang 1998 an, dass sie für die V. tätig sei. Bei der Geldübergabe am 05.03.1998 übergab Frau A. der Klägerin ein vorformuliertes Schriftstück mit folgendem Text:

„Hiermit bestätige ich, dass Frau R. mir DM 40.000 zur Weiterleitung bzw. zur Geldanlage an die V.., übergeben hat.

Die Unterlagen erhält Sie von o.g. Firma.“

Im Kopf des Schriftstücks war die Beklagte mit vollständiger Firmenbezeichnung und Anschrift bezeichnet. Frau An. unterschrieb dieses Schriftstück in Gegenwart der Klägerin. Der Betrag von DM 40.000 wurde von Frau A. zu keinem Zeitpunkt an die Beklagte weitergeleitet.

Die Klägerin hat von der Beklagten erstinstanzlich Schadensersatz in Höhe von 40.000 DM nebst 4,75 % Zinsen seit dem 15.03.1998 verlangt. Die Klägerin hat diesen Anspruch insbesondere auf den rechtlichen Gesichtspunkt der culpa in contrahendo gestützt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, es sei bereits zweifelhaft, ob die Schwester der Klägerin bei der Entgegennahme des Geldes für die Beklagte oder im eigenen Namen aufgetreten sei. Aus dem Schriftstück vom 05.03.1998 ergebe sich nicht, dass Frau A. den Geldempfang im Namen der Beklagten quittiert habe. Die Klägerin habe erkennen können, dass bei diesem Schriftstück ein Briefkopf der Beklagten von Frau A. zu Täuschungszwecken hineinkopiert wurde. In jedem Fall sei der Beklagten ein Fehlverhalten der Frau A. nicht zuzurechnen, da die Entgegennahme von Geld nicht zum Aufgabenkreis der Frau A. im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beklagte gehört habe. Die Beklagte könne auch nicht dafür haften, dass Frau An. ihre verwandtschaftliche Beziehung zur Klägerin – und das daraus resultierende Vertrauen der Klägerin – missbraucht habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist der Meinung, aus dem Schriftstück vom 05.03.1998 ergebe sich, dass Frau An. für die Beklagte aufgetreten sei und für diese auch das Geld in Empfang genommen habe. Ohne diese Quittung mit dem Briefkopf der Beklagten wäre die Klägerin nicht bereit gewesen, ihrer Schwester den Betrag von DM 40.000 zu übergeben. Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte hafte für das Verhalten von Frau An. gemäß § 278 a.F. BGB.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte, als Gesamtschuldnerin neben Frau A. haftend, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 17.10.2001 – 6 O 153/01 – zu verurteilen, an die Klägerin DM40.000 nebst 4,75 % Zinsen seit 15.03.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie ist der Auffassung, es habe zwischen ihr und der Klägerin keine Situation einer Vertragsanbahnung bestanden, die eine Haftung aus culpa in contrahendo rechtfertigen könne. Es sei insbesondere nicht feststellbar, dass Frau An. bei der Entgegennahme des Geldes für die Beklagte aufgetreten sei. Die Klägerin hätte aus verschiedenen Umständen ohne Schwierigkeiten erkennen können und müssen, dass die von Frau An. übergebene Quittung zu Täuschungszwecken mit einem Briefkopf der Beklagten zusammenkopiert war. Frau An. habe keine Inkassovollmacht für die Beklagte besessen, was die Klägerin aufgrund der Hinweise in einem früheren Investmentantrag (Anlagen LG B1) hätte erkennen können. Die Unterschlagung von Geldern, die Frau An. keinesfalls hätte entgegennehmen dürfen, sei der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin nicht zuzurechnen. Hilfsweise macht die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend; sie weist darauf hin, dass die Klägerin im Falle des Obsiegens jedenfalls verpflichtet sei, den Vollstreckungstitel gegen Frau An. – Zug um Zug gegen Zahlung der Beklagten – herauszugeben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu in Höhe von 20.451,68 € nebst 4,75% Zinsen hieraus seit dem 15.03.1998. Die Beklagte haftet der Klägerin auf Schadensersatz wegen des von Frau A. unterschlagenen Geldes aus culpa in contrahendo (Verletzung von Schutzpflichten in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis). Die Beklagte ist für die vorsätzliche Pflichtverletzung der Frau An. gemäß § 278 S. 1 a.F. BGB (Verschulden des Erfüllungsgehilfen) verantwortlich.

1. Die Übergabe der DM 40.000 an Frau A. erfolgte im Zusammenhang mit einer Situation der Vertragsanbahnung (Vertragsverhandlungen) zwischen den Parteien. Das Rechtsverhältnis der Vertragsanbahnung begründete ein vorvertragliches Schuldverhältnis, aus dem sich Schutzpflichten der Beklagten ergaben (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, §276 BGB Rn. 65).

a) Die Klägerin und ihre Schwester haben Verhandlungen geführt, in der (letztlich beiderseitigen) Absicht, dass ein Betrag von 40.000 DM angelegt werden sollte. Aus der von Frau A. unterzeichneten Quittung vom 05.03.1998 ergibt sich, dass die Geldanlage über die Beklagte erfolgen sollte. Daraus folgt, dass der (zumindest konkludente) Abschluss eines Vertrages über eine Anlagevermittlung beabsichtigt war. Zum Zeitpunkt der Geldübergabe an Frau A. bestand somit eine Situation einer Vertragsanbahnung im Hinblick auf eine Anlagevermittlung.

b) Frau A. ist bei den Verhandlungen mit der Klägerin zur Anbahnung eines Finanzvermittlungsvertrages im Namen der Beklagten aufgetreten. Frau A. hat – insoweit im Berufungsverfahren im Einzelrichtertermin vom 09.03.2004 von der Beklagten unstreitig gestellt – gegenüber der Klägerin erklärt, dass sie für die V. tätig sei. An der Identität der „V.“ konnte im Hinblick auf die Firmenbezeichnung in der Quittung vom 05.03.1998 kein Zweifel bestehen. Aus den Formulierungen in der Quittung („.., zur Geldanlage an die V….. Die Unterlagen erhält sie von o. g. Firma.“) ergibt sich, dass die Vermittlung der Geldanlage nicht durch Frau A. persönlich, sondern durch die Beklagte erfolgen sollte. Dementsprechend betraf die Vertragsanbahnung einen Vermittlungsvertrag mit der Beklagten und nicht etwa mit Frau A.

Dass die Vertragsanbahnung nicht in den Geschäftsräumen der Beklagten stattfand, ist ebenso ohne Bedeutung wie die Frage, ob und inwieweit die Parteien zu einem früheren Zeitpunkt andere – ähnliche – Verträge abgeschlossen haben. Da Frau A. bei den Vertragsverhandlungen eindeutig im Namen der Beklagten aufgetreten ist (siehe oben), kommt es auf weitere Umstände, die ein Handeln der Frau A. im Namen der Beklagten deutlich machen könnten, nicht an. (In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall, der der Entscheidung des BGH in NJW-RR 1998, 1342 zugrunde lag.)

c) Frau A. war zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt. Dies ergibt sich aus der Stellung von Frau An. als Handelsvertreterin. Insoweit war es gerade ihre Aufgabe, bei Kundenbesuchen Finanzvermittlungsverträge mit der Beklagten zustande zubringen.

d) Die Beklagte meint, aus der Quittung vom 05.03.1998 ergebe sich nicht, dass Frau An. den Empfang des Geldes im Namen der Beklagten quittiert habe; vielmehr habe Frau A. die Quittung im eigenen Namen ausgestellt. Dieser Einwand der Beklagten ist rechtlich ohne Bedeutung. Denn für die Situation der Vertragsanbahnung – als Voraussetzung einer Haftung aus culpa in contrahendo – kommt es nicht darauf an, wer das Geld in Empfang genommen hat, sondern allein darauf, mit welchem Partner die Verhandlungen zum Abschluss des Anlagevermittlungsvertrages geführt wurden. Diese Verhandlungen betrafen ausschließlich die Beklagte und nicht Frau An. (siehe oben b).

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2. Aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergaben sich Schutzpflichten. Die Beklagte war verpflichtet, sich so zu verhalten, dass Eigentum und sonstige Rechtsgüter der Klägerin nicht verletzt wurden (Palandt/Heinrichs, a.a.O., §276 BGB Rn. 71). Diese Pflichten hat Frau A. als Handelsvertreterin der Beklagten verletzt, indem sie die Klägerin darüber täuschte, dass sie den übergebenen Geldbetrag bei der Beklagten abliefern werde, und indem sie das Geld unterschlug.

3. Die Pflichtverletzung der Schwester der Klägerin ist der Beklagten gemäß § 278 S. 1 a.F. BGB zuzurechnen, Frau A. war im Sinne dieser Vorschrift Erfüllungsgehilfin der Beklagten.

a) Es ist anerkannt, dass ein Handelsvertreter grundsätzlich Erfüllungsgehilfe seines Geschäftsherrn sein kann, soweit der Geschäftsherr bestimmte Pflichten gegenüber einem Vertragspartner zu erfüllen hat (vgl. – bei einer vorvertraglichen Beratungspflicht -BGH, NJW 1982, 377; BGH, NJW 1985, 2472).

b) Frau A. hat ihre Vertretungsmacht für die Beklagte überschritten, als sie Bargeld von der Klägerin annahm; denn sie hatte keine Inkassovollmacht. Die Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin stellte gleichzeitig eine strafbare Handlung dar, an der die Beklagte nicht beteiligt war. Diese Umstände stehen einer Haftung der Beklagten für das Verhalten der Frau A. nicht entgegen. Vielmehr stellen derartige Überschreitungen der Kompetenzen im Verhältnis zum Geschäftsherrn vielfach gerade typische Anwendungsfälle einer Haftung für den Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 a.F. BGB dar (vgl. beispielsweise BGH, NJW 1977, 2259; BGH, NJW-RR 1990, 484, 485; BGH, NJW 1991, 3208, 3209, 3210; BGH, NJW-RR 1998, 1342, 1343).

c) Entscheidend für eine Zurechnung im Rahmen von § 278 a.F. BGB ist die Frage, ob die Pflichtverletzung des Erfüllungsgehilfen aus der Sicht eines Außenstehenden in einem sachlichen Zusammenhang zu den Aufgaben steht, die dem Gehilfen vom Geschäftsherrn übertragen sind (BGH, NJW 1989, 723, 725). Ein solcher „innerer sachlicher Zusammenhang“ (BGH a.a.O.) oder „unmittelbarer sachlicher Zusammenhang“ (BGH, NJW 1991, 3208, 3210) ist vorliegend zu bejahen. Frau An. hat den von der Klägerin übergebenen Geldbetrag nicht nur – sozusagen zufällig – gelegentlich der Anbahnung der Anlagevermittlung in Empfang genommen und unterschlagen; vielmehr ist das Verhalten der Frau A. aus der Sicht eines Außenstehenden als – pflichtwidrige – Aufgabenerfüllung für die Beklagte im Rahmen der Handelsvertretertätigkeit zu bewerten.

aa) Für die Bewertung des „inneren Sachzusammenhangs“ kommt es auf die Aufgaben an, die ein Anlagevermittler üblicherweise gegenüber einem Kunden übernimmt. Zu den Einzeltätigkeiten eines Finanzvermittlers gehört nicht nur, dass er für das Zustandekommen eines Vertrages zwischen dem Kunden und der Anlagegesellschaft sorgt. Vielmehr kümmert sich ein Vermittler regelmäßig auch um sämtliche Fragen der Abwicklung des Anlagevertrages, das heißt insbesondere um die Zahlungsmodalitäten. Soweit für Abwicklung und Zahlung bestimmte Formulare ausgefüllt werden müssen, werden diese in der Regel vom Anlagevermittler für den Kunden unterschriftsreif vorbereitet. Dieser Aufgabenkreis eines Anlagevermittlers spricht für einen „inneren Sachzusammenhang“, wenn der Gehilfe des Vermittlers dem Kunden nicht einen üblichen Zahlungsweg (Überweisung) vorschlägt, sondern stattdessen einen Betrag in bar kassiert.

bb) Aus dem üblichen Aufgabenkreis des Vermittlers ergeben sich Nebenpflichten: Bei der Regelung der Zahlungsmodalitäten hat der Vermittler die Interessen des Kunden zu wahren und den Kunden erforderlichenfalls zu beraten. Wenn der Vermittler dem Kunden einen bestimmten Zahlungsweg vorschlägt, sind gegebenenfalls Unkosten und Zinsverluste für den Kunden bei diesem Zahlungsweg zu berücksichtigen; außerdem hat der Vermittler Risiken zu vermeiden oder auf Risiken hinzuweisen, die entstehen können, wenn der Kunde einen unsicheren Zahlungsweg wählt (beispielsweise Überweisung auf ein Konto eines Dritten mit unsicherer Bonität). Diesen Anforderungen entsprechen auch die informatorischen Angaben des Geschäftsführers der Beklagten im Einzelrichtertermin vom 09.03.2004, wonach die Beklagte im Interesse ihrer Kunden genauestens auf für die Kunden bestimmte sichere Zahlungsmodalitäten achtet. Für einen unmittelbaren Sachzusammenhang spricht, dass die Beklagte dementsprechend eine Verpflichtung traf, ein Fehlverhalten wie das der Frau An. zu verhindern.

cc) Die Erwartungen eines Kunden sind – auch aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten – maßgeblich beeinflusst vom üblichen Ablauf einer Anlagevermittlung: Da der Kunde erwarten kann, dass sich der Vermittler um die Zahlungsmodalitäten kümmert, ist die Entgegennahme des Bargeldes durch Frau A. als – fehlerhafte und pflichtwidrige – Dienstleistung im Rahmen der Vermittlungstätigkeit für die Beklagte anzusehen.

dd) Der Umstand, dass bei der Geldübergabe am 05.03.1998 zwischen der Klägerin und Frau A. – anscheinend – nicht besprochen war, wie das Geld von der Beklagten angelegt werden sollte, ändert nichts am unmittelbaren Zusammenhang zum Aufgabenbereich der Frau A. Das Verhalten der Beteiligten ist insoweit dahingehend auszulegen, dass entweder der Beklagten die Auswahl eines bestimmten Investmentfonds überlassen bleiben sollte, oder, dass der betreffende Fonds erst nach der Geldübergabe ausgewählt werden sollte. Auch eine solche – eher ungewöhnliche – Vermittlungsabsprache bewegt sich innerhalb des Aufgabenbereichs, der Frau A. von der Beklagten übertragen worden war.

ee) Es kann dahinstehen, ob ein unmittelbarer innerer Sachzusammenhang dann zu verneinen wäre, wenn die Beklagte die Klägerin vor der Geldübergabe ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass die Annahme von Anlagegeldern nicht zum Aufgabenbereich der Frau A. gehörte. Denn eine solche Erklärung hat die Beklagte gegenüber der Klägerin zu keinem Zeitpunkt abgegeben. Insbesondere ergibt sich ein solcher Hinweis nicht aus dem Hinweis (unter Ziffer 4 a am Ende) in dem von der Klägerin unterschriebenen Investmentantrag vom 20.01.1998. Dieser Hinweis (auf eine fehlende Inkassovollmacht) wurde nicht von der Beklagten, sondern von der Investmentgesellschaft G…… erteilt. Am 05.03.1998 konnte dieser Hinweis für die Klägerin schon deshalb keine entscheidende Rolle spielen, weil im Gespräch zwischen der Klägerin und Frau A. – unstreitig – völlig offen war, bei welcher Investmentgesellschaft die Beklagte den Geldbetrag anlegen sollte. Wenn nicht feststand, dass die Geldanlage bei der G…. erfolgen sollte, war der Hinweis dieser Gesellschaft auch nicht ohne weiteres relevant.

ff) Der Senat weicht – entgegen der Auffassung der Beklagten -nicht von den im Schriftsatz des Beklagten-Vertreters vom 23.04.2004 zitierten Entscheidungen ab. Im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt (WM 1999, 791) wurde eine Haftung des Geschäftsherrn für Untreuehandlungen einer Mitarbeiterin verneint, weil die betreffende Mitarbeiterin – anders als im vorliegenden Fall – gerade nicht für die unmittelbare Kundenbetreuung eingesetzt war. Des weiteren ist die Auffassung der Beklagten unzutreffend, wonach eine Haftung aus culpa in contrahendo eine vorvertragliche, eine gewisse Zeit bereits andauernde, Geschäftsbeziehung voraussetze. Derartiges ergibt sich insbesondere nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.01.1997 (NJW 1997, 1233).

d) Für die Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo kommt es nicht darauf an, welche Rolle die persönliche Beziehung der Klägerin zu ihrer Schwester – und das daraus resultierende Vertrauen -bei der Zahlung spielte. Ein besonderes Vertrauen in die Person des Vertreters steht einer Haftung des Geschäftsherrn aus culpa in contrahendo nicht entgegen. Vielmehr ist ein besonderes persönliches Vertrauen – das auf verschiedensten Umständen beruhen kann – zu der Person des Gehilfen typisch für eine Haftung nach § 278 a.F. BGB. Für eine Zurechnung der Pflichtverletzung des Gehilfen gemäß § 278 a.F. BGB kommt es allein auf den unmittelbaren inneren Sachzusammenhang zu den übertragenen Aufgaben an (siehe oben c) und nicht auf die persönlichen oder psychologischen Ursachen des (enttäuschten) Vertrauens des Geschädigten.

e) Die Rechtsprechung hat in bestimmten Ausnahmefällen eine Haftung aus culpa in contrahendo abgelehnt, wenn das Vertrauen des Vertragspartners aus besonderen Gründen des Einzelfalles nicht schutzwürdig erscheint (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1435, 1436). Eine solche Ausnahmesituation ist vorliegend nicht gegeben. Es gibt keine in der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe mangelnder Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Geschädigten, der der vorliegende Fall zuzuordnen wäre.

f) Die Beklagte haftet gemäß § 278 a.F. BGB für das Verschulden der Frau An.. Auf ein eigenes schuldhaftes Verhalten der Beklagten -bzw. ihres Geschäftsführers – kommt es nicht an. Es spricht zwar – nach dem Sachvortrag der Beklagten und nach den informatorischen Angaben des Geschäftsführers der Beklagten im Einzelrichtertermin vom 09.03.2004 – manches dafür, dass die Beklagte insoweit gewisse Risiken in der Zusammenarbeit mit Frau An. eingegangen ist, als die Beklagte bei Beginn der Zusammenarbeit zunächst auf jede Überprüfung der Zuverlässigkeit der Frau A. verzichtet hatte. Im Hinblick auf die Haftungszurechnung gemäß § 278 a.F. BGB bedarf die sich daraus ergebende Frage eines eventuellen eigenen Verschuldens der Beklagten jedoch keiner Vertiefung (vgl. im Übrigen zur Haftungszurechnung gemäß § 278 a.F. BGB in einem Fall der vorliegenden Art BGH, NJW-RR 1998, 1342, 1343; anders in einem ähnlichen Fall hingegen OLG Frankfurt, OLGR 1998, 78).

4. Der Klägerin ist durch die Unterschlagung ihrer Schwester ein Schaden in Höhe von 20.451,68 € (40.000 DM) entstanden. Hinzu kommen 4,75% Zinsen aus diesem Betrag ab dem 15.03.1998. Denn die Klägerin hätte – ohne die Unterschlagung ihrer Schwester – den Betrag von DM 40.000 unstreitig zu 4,75 % bei der A.-Bank angelegt (I, 41/43; Anlagen LG AS. 21).

5. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin wird nicht durch ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) gemindert.

a) Die Beklagte haftet für ein vorsätzliches Verhalten der Frau An. Bei einer Haftung für Vorsatz tritt eine eventuelle fahrlässige Mitverursachung des Geschädigten in der Regel zurück (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 254 BGB Rn. 53).

b) Es kann dahinstehen, ob der Klägerin insoweit ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist, als sie bei der Übergabe der 40.000 DM an ihre Schwester deren Täuschungsabsicht aufgrund der Umstände der Geldübergabe und der Eigenheiten der übergebenen Quittung hätte erkennen können. Ein eventuelles fahrlässiges Verhalten der Klägerin wäre jedenfalls so gering zu bewerten, dass es gegenüber der vorsätzlichen Schädigung durch ihre Schwester gänzlich zurücktreten müsste. Gegen ein erhebliches Verschulden spricht vor allem der Umstand, dass die Klägerin keinen Anlass hatte, mit einer Täuschung und einem Betrug durch ihre eigene Schwester zu rechnen.

6. Die Beklagte war gemäß § 274 Abs. 1 BGB zur Zahlung zu verurteilen Zug um Zug gegen Herausgabe des Vollstreckungstitels gegen Frau A. Die Herausgabeverpflichtung ergibt sich aus §§412 BGB, 402 BGB analog (vgl. Roth in MünchKomm, BGB, 4. Aufl. 2001, § 402 BGB Rn. 9). Mit der Zahlung an die Klägerin erwirbt die Beklagte gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 BGB den Anspruch der Klägerin gegen ihre Schwester.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

8. Für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestand kein Anlass. Nach Auffassung des Senats ist die Frage einer Haftungszurechnung in Fällen der vorliegenden Art durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. insbesondere BGH, NJW-RR 1998, 1342, 1343) geklärt.

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