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Handelsvertretervergütung – Durchschnittsverdienst

Bundesgerichtshof

Az: VIII ZB 3/07

Beschluss vom 12.02.2008


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2008 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.600 EUR festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Beklagte war für die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar bis zum 23. November 2002 als Handelsvertreter tätig. In den letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit erwirtschaftete der Beklagte Provisionen in Höhe von 8.020,87 EUR. Die Klägerin zahlte in diesem Zeitraum an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 4.946,76 EUR. Die Differenz verrechnete sie in Höhe von 156,77 EUR mit Telefonkosten sowie einem Versicherungsbetrag für ein Notebook und im Übrigen mit Provisionsvorschüssen. Mit der Klage hat die Klägerin die Rückzahlung von weiteren Provisionsvorschüssen verlangt. Der Beklagte hat die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt und geltend gemacht, dass nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sei.

Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit das für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung ist, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sei nicht gegeben. Der Beklagte gelte nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 92a HGB als Arbeitnehmer. Seine nach dieser Vorschrift maßgebliche monatliche Durchschnittsvergütung in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses habe mehr als 1.000 EUR betragen. Er habe in der Zeit zwischen Juni und November 2002 insgesamt Provisionen in Höhe von 8.020,87 EUR verdient. Die teilweise Verrechnung mit geleisteten Vorschüssen ändere daran nichts.

Soweit § 5 Abs. 3 ArbGG auf die bezogene Vergütung abstelle, sei entscheidend, welchen Betrag der Handelsvertreter für die dem Vertragsende vorausgehenden sechs Monate des Vertragsverhältnisses als Provisionen habe beanspruchen können; unerheblich sei hingegen, was er tatsächlich erhalten habe. Der Gegenauffassung, nach der es auf die tatsächlichen Zahlungen ankomme, könne nicht gefolgt werden. Andernfalls könnten nämlich durch Minder- oder Überzahlungen der Status des Handelsvertreters und die zuständige Gerichtsbarkeit willkürlich verändert werden.

Es treffe auch nicht zu, dass es der Zweck der Vorschrift sei, den verstärkten Schutz des Arbeitnehmers nur demjenigen zukommen zu lassen, dem für seinen Lebensunterhalt allein die ausgezahlten Beträge zur Verfügung gestanden hätten. Bei der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 3 ArbGG gehe es nicht um die konkrete einzelfallbezogene Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters, sondern um die Gleichstellung wirtschaftlich unselbständiger Handelsvertreter mit einem Arbeitnehmer. Ob der Handelsvertreter angesichts eines eher geringen Verdienstes als sozial schwach und damit schutzbedürftig anzusehen sei, könne nicht davon abhängen, ob das dem Handelsvertreter zustehende Geld tatsächlich ausgezahlt worden sei. Zudem gehe es darum, den gesetzlichen Richter zu bestimmen; dieser müsse eindeutig und ohne Abhängigkeit von Zufälligkeiten feststehen und festgestellt werden können.

Der Gesetzeswortlaut stehe dem nicht entgegen. Aus der Verwendung des Wortes „bezogen“ ergebe sich keineswegs, dass „ein tatsächlich stattfindendes Geschehen“ umschrieben werde und „das bloße Innehaben oder Entstehen eines Anspruchs“ insoweit nicht ausreichen solle. Durch die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung der verdienten Provisionen sei der Provisionsanspruch auch erfüllt. Sie habe entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zur Rückführung der Darlehensverbindlichkeiten des Beklagten geführt. Damit seien ihm wie bei einer einseitigen Aufrechnung die entsprechenden Beträge zugeflossen und er habe die Vergütung nach § 5 Abs. 3 ArbGG bezogen.

2. Diese Beurteilung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Handelsvertreter gelten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 EUR aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen haben. Eine Anwendung des § 5 Abs. 3 ArbGG scheidet hier aus, weil der Beklagte in den letzten sechs Monaten durchschnittlich mehr als 1.000 EUR als vertragliche Vergütung von der Klägerin bezogen hat und damit die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG überschritten ist.

a) Bei der Ermittlung der nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG anzusetzenden Beträge sind nur unbedingt entstandene Ansprüche des Handelsvertreters zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1963 – VII ZR 113/62, NJW 1964, 497, unter 1). Streitig ist, ob das Entstehen der Ansprüche bereits ausreicht (so OLG Karlsruhe, OLGReport 2006, 803, 804; OLG Düsseldorf, OLGReport 2000, 454; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 84 Rdnr. 46; Brüggemann in: Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 92a Rdnr. 9; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 92a Rdnr. 6; Schröder in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 92a Rdnr. 13; Küstner in: Röhricht/von Westphalen, HGB, 2. Aufl., § 92a Rdnr. 6; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 92a Rdnr. 6). Nach anderer Ansicht dürfen die Ansprüche nur insoweit in die Berechnung einbezogen werden, als sie durch Zahlung (OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Juli 2006 – 16 W 53/06, OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 1. November 2005 – 4 W 46/05; LAG Thüringen, OLG-NL 1997, 260; LAG Hessen, NZA 1995, 1071, 1072; LAG Baden-Württemberg, DB 1966, 908; Kliemt in: Schwab/Weth, Arbeitsgerichtsgesetz, § 5 Rdnr. 265; Müller-Glöge in: Germelmann, ArbGG, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 42) oder jedenfalls durch Aufrechnung oder Verrechnung mit Gegenansprüchen des Unternehmers (Koch in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl., § 5 ArbGG Rdnr. 12) erfüllt sind.

b) Der Senat hält die erstgenannte Auffassung für richtig.

aa) Der Wortlaut von § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ist allerdings nicht eindeutig. Mit der „bezogenen Vergütung“ kann sowohl der Vergütungsanspruch gemeint sein, den der Handelsvertreter erworben hat, als auch derjenige Betrag, den er tatsächlich erhalten hat. Die Formulierung „bezogen hat“ spricht zwar eher dafür, dass die Vergütung dem Handelsvertreter bereits zugeflossen sein muss. Mit dem Begriff „Bezüge“ bezeichnet der Gesetzgeber aber auch in anderen Fällen (vgl. §§ 850a, 850b ZPO) Forderungen und nicht lediglich erbrachte Leistungen. Für den tatsächlichen Zufluss der Vergütung beim Handelsvertreter bedarf es jedenfalls keiner unmittelbaren Auszahlung. Schon durch die Aufrechnung mit anderen Ansprüchen erhält der Handelsvertreter die ihm zustehenden Leistungen. Die Aufrechnung stellt ein Erfüllungssurrogat dar, das in gleicher Weise wie die Zahlung zur Befriedigung eines Anspruchs führt und lediglich die Aus- und Rückzahlung von Geldforderungen vermeidet.

bb) Jedoch spricht der Regelungszweck der Vorschrift dafür, dass es nur darauf ankommt, in welcher Höhe innerhalb der letzten sechs Monate Vergütungsansprüche des Handelsvertreters entstanden sind, unabhängig davon, ob und auf welche Weise sie von dem Unternehmer erfüllt worden sind. Nach dem gesetzgeberischen Willen soll die Regelung Handelsvertretern, die wegen der Höhe ihres Einkommens einem Arbeitnehmer vergleichbar sind, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnen (Begr. in BT-Drs. 8/1567, S. 27 f.). Ein für die Bestimmung des Rechtswegs maßgeblicher allgemeiner Vergleich der Höhe des Einkommens eines Arbeitnehmers mit demjenigen eines Handelsvertreters kann nur auf der Ebene der Vergütungsansprüche erfolgen. Denn ob und auf welche Weise diese erfüllt werden, ist sowohl im Arbeitsverhältnis als auch im Handelsvertreterverhältnis eine Frage der Umstände des Einzelfalls. Die auf der Grundlage der Einkommenshöhe zu beurteilende Vergleichbarkeit der Schutzbedürftigkeit eines Handelsvertreters mit derjenigen eines Arbeitnehmers kann nicht davon abhängen, ob es sich bei dem Unternehmer um einen säumigen Schuldner handelt (Brüggemann, aaO; Küstner, aaO) oder diesem Gegenforderungen gegenüber dem Handelsvertreter zustehen, mit denen er aufrechnen kann. Andernfalls müsste auch der Handelsvertreter, der sich eines über der Vergütungsgrenze des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG liegenden – vom Unternehmer bestrittenen und deshalb nicht erfüllten – Provisionsanspruchs berühmt, diesen vor den Arbeitsgerichten geltend machen, obwohl er nach seinem eigenen Vorbringen von seinen Einkommensverhältnissen her gerade nicht mit einem Arbeitnehmer vergleichbar ist.

cc) Dieser Auslegung stehen die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 15. Februar 2005 (NJW 2005, 1146, 1148) nicht entgegen. Soweit das Bundesarbeitsgericht bei der Frage, ob der Handelsvertreter im Streitfall unter § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG falle, darauf abgestellt hat, dass er in dem maßgeblichen Zeitraum monatlich einen unter 1.000 EUR liegenden Betrag „erhalten hat“ (aaO), lassen sich für den vorliegenden Fall daraus keine Schlüsse ziehen. In jener Entscheidung stand eine Differenz zwischen dem Betrag, den der Handelsvertreter durch Zahlung erhalten hat, und der ihm zustehenden Vergütung nicht in Rede.

c) Danach kommt es im vorliegenden Fall nur darauf an, welche Vergütungsansprüche des Beklagten in den letzten sechs Monaten unbedingt entstanden sind. Diese betrugen nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts 8.020,87 EUR und damit im Monat durchschnittlich mehr als 1.000 EUR.

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