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Handelsvertretervertrag – Rückzahlungspflicht für „Fixumszahlungen“

LG Osnabrück – Az.: 15 O 486/13 – Urteil vom 25.07.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten als Handelsvertreter einen Anspruch auf Rückzahlung von Fixumszahlungen in Höhe von 17.575,14 € geltend.

Handelsvertretervertrag - Rückzahlungspflicht für "Fixumszahlungen"
Symbolfoto: Von Pressmaster /Shutterstock.com

Die Klägerin ist als Maklerin mit der Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen befasst. Der Beklagte war bis zum 30.03.2012 ca. 15 Jahre als gebundener Versicherungsvertreter für die … Versicherungsgruppe tätig gewesen. Die Parteien haben unter dem 23.09.2011 einen Vertretervertrag geschlossen. Danach sollte der Beklagte ab dem 01.04.2012 mit einer Vergütung von 30,00 €/Einheit für die Klägerin als selbständiger Handelsvertreter tätig werden. Unter dem 23.09.20111 ist zwischen den Parteien außerdem eine Fixumsvereinbarung geschlossen worden. Danach erhielt der Beklagte anstelle laufender monatlich abzurechnender Provisionen und Provisionsvorschüsse ab dem 01.04.2012 für 36 Monate ein Fixum in Höhe von 6.000,00 €. Die Vereinbarung konnte unabhängig von dem Vertretervertrag von den Parteien jeweils mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Die Fixumsvereinbarung endete ohne Kündigung spätestens nach 60 Monaten. Falls bei einer dann vorzunehmenden Abrechnung swe Fixumszahlungen und der verdienten Provisionen ein Debetsaldo zu Lasten des Beklagten bestand, wurde dieser für weitere 24 Monate gestundet. Er wurde anschließend zu Lasten der Klägerin ausgebucht, wenn das Vertragsverhältnis mindestens 59 Monate ungekündigt bestanden hatte. Wenn der Beklagte das Vertragsverhältnis vorher gekündigt hatte, ohne dass ein Verhalten der Klägerin dazu begründeten Anlass gegeben hatte, war der Saldo dagegen sofort zum Ausgleich fällig. Voraussetzung für die Fixumszahlung war, dass mindestens 20 auswertbare Analysen und 20 Maklerverträge mit der dazugehörigen Beratungsdokumentation und einem Umfang von mindestens 3 Sachversicherungsverträgen ohne KFZ bei der Hauptverwaltung eingereicht wurden. Während der Fixumszeit war der Beklagte verpflichtet, an allen Schulungen, insbesondere den Analyseauswertungsseminaren und Aufbauseminaren teilzunehmen. Bei 15 – 19 Maklermandaten und Analysen sowie 10 – 14 Maklermandaten und Analysen reduzierte sich das Fixum auf 75 bzw. 50 %. Unter dem 04.10.2012 haben die Parteien eine neue Fixumsvereinbarung über monatlich 6.000,00 € abgeschlossen. Diese endete unabhängig von dem Vertretervertrag spätestens nach Ablauf von 30 Monaten. Bei Beendigung der Fixumsvereinbarung sollte eine Schlussrechnung erteilt werden. Der Debetsaldo auf dem Provisionskonto war dann abweichend von der früheren Vereinbarung von dem Beklagten in jedem Fall auszugleichen. Voraussetzung für die Auszahlung des Fixums war nunmehr die Vorlage von mindestens 16 Kunden inkl. auswertbarer Kundenanalysen mit der dazugehörigen Beratungsdokumentation in der Zentrale der Klägerin. Bei der Vermittlung einer geringeren Kundenzahl reduzierte sich das Fixum bis auf 50 % bei 8 – 10 Kunden. Die Klägerin hat die Fixumsvereinbarung unter dem 13.08.2013 zum 30.09.2013 gekündigt und den Beklagten aufgefordert, den aufgelaufenen Sollsaldo auszugleichen. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 30.08.2013 den Vertretervertrag „aus gesundheitlichen Gründen“ mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Die Klägerin hat darauf mit Schreiben vom 03.09.2013 erwidert, dass Gründe für eine fristlose Kündigung nicht erkennbar seien, man sich jedoch über einen Aufhebungsvertrag unterhalten könne. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 02.10.2013 hat die Klägerin dann den Wunsch des Beklagten auf Aufhebung des Vertrags mit Ablauf des Monats August 2013 angenommen. Gleichzeitig hat sie den Ausgleich des damals bestehenden Saldos in Höhe von 17.575,14 € gefordert.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen sei. Wie auch in dem Vertretervertrag vereinbart liege kein Arbeitsverhältnis vor. Der Beklagte sei auch nicht durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zu dem Vertragsabschluss verleitet worden. Es sei deutlich hervorgehoben worden, dass das Erreichen einer „Einkommensgarantie“ von klar umrissenen Voraussetzungen abhänge. Dass kein Einkommen garantiert worden sei, ergebe sich auch aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen. Die Voraussetzungen für die Fixumszahlungen seien in den Vereinbarungen vom 23.09.2011 und 04.10.2012 eindeutig geregelt und von dem Beklagten akzeptiert worden. Das Fixum sei aufgrund der von dem Beklagten geäußerten Erwartungen vereinbart worden. Nach der ersten Vereinbarung sei ein Debetsaldo gerade nicht auszugleichen gewesen, wenn der Vertrag 59 Monate ungekündigt bestanden habe. In der Regel sei es auch so, dass ein neuer Handelsvertreter aus seinem vorher betreuten Bestand zu Beginn seiner Tätigkeit eine hohe Anzahl an Kunden mitbringe, die im Laufe der Zeit dann abnehme. Dies sei bei dem Beklagten offenbar aufgrund eines geringen Vertrauens der Kunden nicht der Fall gewesen. Die Fixumsvereinbarung sei dann im Oktober 2012 angepasst worden, weil der Beklagte nur noch damit befasst gewesen sei, Maklermandate zu besorgen, ohne die auf diese Weise bereits gebundenen Kunden zu bedienen. Es seien nunmehr für das Fixum keine Maklerverträge mehr erforderlich gewesen, sondern nur noch Kundenanalysen in einem auch geringeren Umfang. Dafür seien die Ausbuchungsgarantie entfallen und der bestehende Saldo anerkannt worden. Die Voraussetzungen für die Auszahlung des Fixums seien auch mit einem angemessenen Arbeitseinsatz zu erreichen gewesen. Abgesehen davon sei der von dem Beklagten angegebene Aufwand von 160 Stunden bei 22 Arbeitstagen auch nicht unverhältnismäßig. Dabei sei zu berücksichtigten, dass das Fixum neben den Provisionen aus Abschlüssen gezahlt werde. Es sei nicht richtig, dass für das Fixum auch Verträge mit bestimmten Einheiten vermittelt werden mussten. Die Fixumsvereinbarung sei nicht unwirksam. Hier sei das Fixum nicht mit Provisionen verknüpft gewesen. Der Beklagte habe die Chance bekommen, Einkommen aus vermittelten Geschäften und aus vermittelten Maklermandaten zu bekommen. Das Fixum sei für den Handelsvertreter fast „geschenkt“. Es sei zudem gemeinsam mit dem Handelsvertreter erarbeitet worden. Es habe sich dabei um eine Anschubfinanzierung gehandelt.

Es werde bestritten, dass der Beklagte an einem Burnout-Syndrom erkrankt sei und dies auf ein Verhalten der Klägerin zurückzuführen sei.

Die Klägerin hat Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 17.575,14 € zuzüglich 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.10.2013 sowie weitere 1.100,51 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zzgl. 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

Nachdem der Saldo durch Provisionsgutschriften auf 17.482,36 € zurückgeführt worden ist, beantragt die Klägerin nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 17.482,36 € zuzüglich 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.10.2013 sowie weitere 1.100,51 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zzgl. 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Aufgrund der Vorgaben der Klägerin zur Gewinnung von Kunden, dem damit verbundenen Arbeitsaufwand von bis zu 360 Stunden pro Woche und der wirtschaftlichen Abhängigkeit habe keine selbständige Tätigkeit des Beklagten mehr vorgelegen. Das gezahlte Fixum sei deshalb die unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Vorhaltung eines eigenen PKW und eines Büros eine angemessene Vergütung. Es habe sich weiter herausgestellt, dass die Klägerin zunehmend Druck aufgebaut habe und vor Vertragsschluss nicht definierte Ziele zu erfüllen. Es seien „Einheiten“ gefordert worden, die nur durch den Vertrieb von Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen zu erreichen gewesen seien. Dadurch sei eine unabhängige kundenorientierte Beratung eigentlich nicht mehr möglich gewesen. Weiter seien Zahlungen ganz oder zum Teil nicht erfolgt, obwohl die Voraussetzungen vorgelegen hätten. Der von der Klägerin aufgebaute Druck habe dazu geführt, dass er Anfang 2013 an einem Burnout-Syndrom erkrankt und seitdem arbeitsunfähig sei.

Im Übrigen sei die Fixumsvereinbarung ohnehin wegen eines Verstoßes gegen das Verbot einer Kündigungserschwerung unwirksam. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht substantiiert dargelegt worden. Die ausgewiesene Stornoreserve sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden.

Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 16.500,00 €, weil die Klägerin ihn bei Vertragsabschluss nicht hinreichend aufgeklärt habe. Es sei nicht mitgeteilt worden, dass ein Maklervertrag nicht gezählt werde, wenn nicht zusätzlich sämtliche Informationen über den Kunden eingeholt und in die Software eingepflegt worden seien. Weiter seien die fixen Termine zum 15. und zum Ende des Monats nicht genannt worden. Es hätte außerdem eine Aufklärung darüber stattfinden müssen, dass bei den Handelsvertretern der Klägerin eine starke Fluktuation bestehe, weil die von der Klägerin geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt wurden. Wenn diese Aufklärung erfolgt wäre, hätte er den Vertrag nicht geschlossen. Er habe von der Klägerin lediglich Zahlungen in Höhe von 53.500,00 € erhalten. Bei der # habe er dagegen ca. 65.000,00 bis 70.000,00 € erwirtschaftet, so dass ihm ein Schaden in Höhe von 16.500,00 € entstanden sei.

Durch ihr Verhalten habe die Klägerin billigend in Kauf genommen, dass ein Ausscheiden aus dem Vertragsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen möglich sei. Dies sei ihr aus einer Vielzahl von Sachverhalten auch bekannt gewesen. Deshalb sei ein Ausgleichsanspruch durch die Eigenkündigung nicht ausgeschlossen. Der Ausgleichsanspruch sei gedeckelt durch die Höhe der in 1 Jahr verdienten Provisionen. Aus den Berechnungen der Klägerin ergebe sich ein Jahresprovisionsumsatz von 35.924,86 €. Mit einem Anspruch in dieser Höhe werde hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Wegen der durch das Mobbing verursachten Gesundheitsschäden sei die Klägerin auch zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze sowie die nachgelassenen Schriftsätze vom 23.06.2014 und 11.07.2014 nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die ordentlichen Gerichte zuständig. Bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien handelt es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis. Der Beklagte ist vielmehr als selbständiger Handelsvertreter für die Klägerin tätig gewesen. Die Tätigkeit als Handelsvertreter kann gem. § 84 Abs. 2 HGB im Angestelltenverhältnis und gem. § 84 Abs. 1 HGB als selbständiger Gewerbetreibender ausgeübt werden. Selbständig ist gem. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, wer im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertretervertrag sollte der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter für die Klägerin tätig sein. Das schließt allerdings nicht aus, dass entgegen dem Wortlaut des Vertrags dennoch ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat. Entscheidend sind letztlich die tatsächlichen Verhältnisse. Wenn diese den vertraglichen Regelungen widersprechen, ist vorrangig auf die tatsächliche Handhabung abzustellen. Liegt eine praktische Handhabung vor, die nach ihrer Gestaltung sowohl im Angestelltenverhältnis als auch im Bereich der Selbständigkeit möglich ist, kommt es auf die vertragliche Regelung an (vgl. BAG NJW 2010, 2455). Hier ist danach von einer Tätigkeit des Beklagten als selbständiger Handelsvertreter auszugehen. Der Beklagte war letztlich weder in seiner Arbeitszeit noch hinsichtlich des Arbeitsortes von Weisungen der Klägerin abhängig. Der Beklagte konnte seine Tätigkeit, sofern sie nicht ohnehin Kundenbesuche betraf, außerhalb der Räume der Klägerin erbringen. Die Klägerin hat ihm keine zeitlichen Vorgaben z.B. für Kundenbesuche und die Auswahl der anzusprechenden Kunden gemacht. Dass sich ein bestimmter Zeitaufwand aus Vorgaben der Klägerin zur Erfüllung der Voraussetzungen der Fixumsvereinbarung ergab, bedeutet nicht, dass der Beklagte hinsichtlich seiner zeitlichen Disposition eingeschränkt war. Es blieb ihm überlassen, wann er welchen Kunden aufsuchen wollte. Die Notwendigkeit eines bestimmten Zeitaufwandes, um eine bestimmte Vergütung zu erreichen, betrifft im Übrigen auch einen selbständigen Handelsvertreter. Die Notwendigkeit der „Vermittlung“ von 20 Kunden ergab sich darüber hinaus auch nur aus der Fixumsvereinbarung, um den Höchstsatz von 6.000,00 € pro Monat zu erzielen. Der eigentliche Handelsvertretervertrag, der die Zahlung von Provisionen aus der Vermittlung von Verträgen vorsah, war davon nicht betroffen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an den Analysegesprächen und die Beachtung des „Spielplans“ bestand ebenfalls nur im Zusammenhang mit der Fixumsvereinbarung. Abgesehen davon ist die Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungen sogar einmal wöchentlich keine so gravierende Einschränkung, dass von einer selbständigen Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. dazu auch BAG aaO).Das gilt auch für Berichtspflichten, die im Übrigen einen Handelsvertreter auch im Bereich der Selbständigkeit treffen. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der Beklagte entgegen der vertraglichen Vereinbarung tatsächlich als Arbeitnehmer für die Klägerin tätig gewesen ist.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der aufgrund der Fixumsvereinbarungen geleisteten Zahlungen, die die verdienten Provisionen übersteigen, jedoch nicht zu. Die Vereinbarung über die Rückzahlung des Fixums ist wegen einer unzulässigen Kündigungserschwerung unwirksam. Tatsächlich handelt es sich bei der Vereinbarung vom 04.10.2012 gerade nicht um ein Fixum, sondern um einen Provisionsvorschuss. Denn nach Ziffer 4. der Vereinbarung sollte nach Beendigung der Fixumsvereinbarung eine Schlussabrechnung stattfinden. Danach war ein Überschuss an den Beklagten auszuzahlen, wenn die abzurechenden Provisionen das ausgezahlte Fixum überstiegen. Wenn das Provisionskonto dagegen einen Debetsaldo ausweisen sollte, war dieser von dem Beklagten auszugleichen. Demnach war nach Beendigung der „Fixumsvereinbarung“ zu ermitteln, ob Provisionen in Höhe des ausgezahlten Fixums verdient worden waren. Wenn das nicht der Fall war, musste die Differenz von dem Beklagten ausgeglichen werden, so dass es sich bei dem Fixum letztlich nur um einen Provisionsvorschuss gehandelt hat, der entgegen der Darstellung der Klägerin – wie im Übrigen auch nach der ersten Vereinbarung – nicht neben den Provisionen, sondern stattdessen gewährt worden ist. Er war nach der ersten Vereinbarung nach Beendigung der Fixumsvereinbarung und nach der Vereinbarung vom 04.10.2012 spätestens mit Auslaufen der Fixumsvereinbarung zurückzuzahlen, soweit keine Provisionen in Höhe der geleisteten Fixumszahlungen verdient worden waren. Die Vereinbarungen über die Rückzahlung der nicht durch verdiente Provisionen abgedeckten Fixumszahlungen sind im vorliegenden Fall unwirksam. Sie verstoßen gegen ein gesetzliches Verbot. Vereinbarungen, die einen Handelsvertreter verpflichten, im Falle der Kündigung des Vertrags durch ihn erhaltene Zahlungen zurückzahlen, können als unzulässige Kündigungserschwerung unwirksam sein (vgl. dazu auch OLG Oldenburg, 13 U 30/13, Urteil vom 26.11.2013, zitiert nach juris; OLG Hamburg OLGR 2000, 466; LG Karlsruhe, Urteil vom 02.07.1990; O 137/98 KfH III; LG Frankfurt, Urteil vom 05.03.1975, 3 O 314/74). Das folgt aus einer Anwendung der sich aus § 89 Abs. 2 S. 1, § 89a Abs. 1 S. 2 HGB ergebenden Regelungen. Nach § 89 Abs. 2 S. 1 HGB darf die Kündigungsfrist für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Handelsvertreter. In § 89 a Abs. 1 S. 2 HGB ist geregelt, dass das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden darf. Bei diesen Regelungen handelt es sich um Schutzvorschriften zugunsten des in der Regel wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters. Sie sollen verhindern, dass der Handelsvertreter in seiner Entscheidung, das Handelsvertreterverhältnis zu beenden, einseitig eingeschränkt wird. Es ist deshalb anerkannt, dass an die Kündigung des Vertrags durch den Handelsvertreter keine die Kündigung erschwerenden oder die Kündigung praktisch unmöglich machende Nachteile geknüpft werden dürfen. Dies gilt nicht nur, wenn mit der Kündigung unmittelbar nachteilige Regelungen wie z.B. eine Vertragsstrafe verbunden werden. Eine unzulässige Kündigungserschwerung kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn mit der Kündigung sonstige finanzielle Nachteile in Betracht kommen können. Dies ist bei der Vereinbarung zwischen den Parteien über die Rückzahlung der Fixumszahlungen, soweit diese nicht durch verdiente Provisionen kompensiert worden sind, der Fall. Dem steht nicht entgegen, dass die in den Fixumsvereinbarungen geregelten Folgen an die Kündigung der Fixumsvereinbarung selbst anknüpfen. Denn diese gelten auch bei einer Kündigung des Handelsvertretervertrags.

Die Fixumsvereinbarungen und der Vertretervertrag stehen in einem untrennbaren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang. Das Bestehen des Handelsvertretervertrags war nämlich die Grundlage der Fixumsvereinbarung. Dies zeigt sich z.B. daran, dass eine Verrechnung des Fixums mit den durch die Tätigkeit als Handelsvertreter verdienten Provisionen erfolgen sollte. Weiter konnten die Voraussetzungen für die Zahlung des Fixums nur aufgrund der Tätigkeit nach dem Handelsvertretervertrag erfüllt werden. Eine isolierte Kündigung der Fixumsvereinbarung war aus Sicht des Beklagten außerdem wirtschaftlich sinnlos, so dass sich die Kündigungsregelungen deshalb auch auf die Kündigung des Handelsvertretervertrags beziehen (vgl. OLG Oldenburg, 13 U 30/13, Urteil vom 26.11.2013, Rdn. 27 ff). Diese wird durch die Regelungen in den Fixumsvereinbarungen in unzulässiger Weise erschwert.

Bei den Fixumszahlungen aus den Vereinbarungen vom 23.09.2011 und 04.10.2012 handelt es sich nicht um Vorschüsse auf noch nicht endgültig verdiente Provisionen aus bereits vermittelten Verträgen. Die aufgrund der Fixumsvereinbarungen geleisteten Zahlungen erfolgten ohne einen Bezug zu dem Umfang der vermittelten Verträge und den daraus zu erwartenden Provisionseinnahmen. Sie wurden unabhängig davon geleistet und sollten offenbar dem Beklagten ein regelmäßiges Einkommen sichern. Auch nach Auffassung der Kammer sind derartige Regelungen grundsätzlich nicht zu beanstanden, um dem Handelsvertreter insbesondere in der Zeit der Aufnahme der Tätigkeit für den Unternehmer, in der er noch keine oder nur geringe Provisionen verdienen kann, ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Beteiligten können dann in der Regel davon ausgehen, dass die gezahlten angemessenen Vorschüsse aus den noch zu verdienenden Vorschüssen zurückgezahlt werden können. Hier gingen die Vorschusszahlungen jedoch über die Überbrückung eines regelmäßig zu Beginn eines Handelsvertreterverhältnisses bestehenden Bedarfs zur Deckung des Lebensunterhalts erheblich hinaus. Denn dem Beklagten wurde aufgrund der Vereinbarungen vom 23.09.2011 und 04.11.2012 ein monatlicher Betrag bis zu 6.000,00 € gewährt. Dieser war nicht an die Vermittlung bestimmter Verträge und daraus zu erwartender Provisionszahlungen gekoppelt. Grundlage für die Provisionszahlungen war vielmehr nach der Vereinbarung vom 23.09.2011 die Einreichung von auswertbaren Kundenanalysen und Maklerverträgen mit der dazu gehörigen Beratungsdokumentation, wobei für den Höchstbetrag von 6.000,00 € 20 Kunden und Maklerverträge mit jeweils 3 Sachversicherungen ausreichend waren. Diese Zahlungen konnten nach der Vereinbarung vom 23.09.2011 bis zu 36 Monaten erfolgen, so dass erhebliche Beträge bis zu max. 216.000,00 € auflaufen konnten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass dem voraussichtlich zumindest teilweise verdiente Provisionen gegenüberstanden und die Klägerin bei ausbleibenden Vermittlungen von provisionspflichtigen Verträgen ggf. von ihrem Recht zur Kündigung der Fixumsvereinbarung Gebrauch machte, konnte zu Lasten des Beklagten ein erheblicher Saldo entstehen, der ihn davon abhalten konnte, von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Dies gilt insbesondere für einen Rückzahlungsanspruch aus der ersten Vereinbarung vom 23.09.2011. Denn danach war ein Saldo zu Lasten des Beklagten nicht auszugleichen, so dass Zahlungen, denen keine verdienten Provisionen gegenüberstanden, nicht zu erstatten waren, wenn das Vertragsverhältnis 59 Monate, also annähernd 5 Jahre bestanden hatte. Diese Regelung stellt deshalb eine gravierende und wie die Frist von 59 Monaten für den Wegfall des Rückzahlungsanspruchs zeigt auch gewollte Kündigungserschwerung dar, die sich nicht mehr als eine „Anschubfinanzierung“ für den Handelsvertreter rechtfertigen lässt und deshalb als unwirksam anzusehen ist. Das gilt aber auch für die weitere Vereinbarung vom 04.10.2012. Dort ist zwar nicht mehr vorgesehen, dass ein Saldo zu Lasten des Beklagten nach einer bestimmten Vertragslaufzeit nicht mehr ausgleichspflichtig sein soll. Dennoch stellt auch die aus dieser Vereinbarung sich ergebende Rückzahlungsverpflichtung eine nicht mehr zulässige Kündigungserschwerung dar. Das Bestehen eines Rückzahlungsanspruch war danach zwar nicht mehr unmittelbar an eine vorherige Kündigung durch den Beklagten gekoppelt, sondern bestand auch bei einem Auslaufen der Fixumsvereinbarung nach Ende der Laufzeit von 30 Monaten. Die Kündigungserschwerung ergibt sich hier jedoch daraus, dass während der Laufzeit der Fixumsvereinbarung ein erheblicher Debetsaldo auflaufen konnte, der den Beklagten an einer vorzeitigen Kündigung des Handelsvertretervertrags hindern konnte. Denn die Fixumsvereinbarung hatte für den Fall, dass sie nicht vorher gekündigt wurde, eine Laufzeit von 30 Monaten. Da die Vereinbarung vom 04.10.2012 die vorherige Fixumsvereinbarung vom 23.09.2011 mit einem Beginn am 01.04.2012 abgelöst hat, betrug die Laufzeit somit tatsächlich insgesamt 36 Monate, also 3 Jahre. Innerhalb dieser Laufzeit konnte wie auch bereits oben ausgeführt ein erheblicher Debetsaldo auflaufen. Nach der Abrechnung der Klägerin zum 30.09.2012 war von Vertragsbeginn am 01.04.2012 bis zum 30.09.2012 bereits ein Debetsaldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von 17.947,87 € aufgelaufenen, weil der Beklagte keine Provisionen in entsprechender Höhe verdient hatte. Ein zurückzuzahlender Betrag in dieser Höhe ist auf jeden Fall geeignet, einen Handelsvertreter daran zu hindern, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, selbst wenn nach Auslaufen der Fixumsvereinbarung ein Saldo ggf. ohnehin auszugleichen ist. Denn nach der Vereinbarung vom 04.10.20112 wurde der Saldo mit der Kündigung sofort zur Rückzahlung fällig, so dass der Beklagte sich dann einer sofort zahlbaren hohen Forderung ausgesetzt sah, während die Forderung bei einem Weiterbestehen des Handelsvertretervertrags bis 30 Monate ab dem 01.10.2012, also bis zum 31.03.2015 gestundet war. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Parteien nach dem 30.09.2012 zwar die Fixumsvereinbarung geändert haben. Obwohl der Beklagte keine Provisionen in Höhe des bisher gezahlten Fixums hatte verdienen können, sind das Fixum für die Zukunft und die Laufzeit der Vereinbarung jedoch nicht herabgesetzt worden. Es sind dagegen die Voraussetzungen für die Zahlungen des Fixums gesenkt worden, indem für den Höchstbetrag von monatlich 6.000,00 € nur noch 16 Kunden statt 20 Kunden mit auswertbaren Beratungsanalysen eingereicht werden mussten, wobei der Abschluss von Maklerverträgen mit den Kunden nicht mehr notwendig war. Es handelte sich auch unter Berücksichtigung der Laufzeit von 30 Monaten bzw. 36 Monaten unter Einschluss der Vereinbarung vom 23.09.2011 somit bei der Vereinbarung nicht mehr um eine angemessene, dem zu erwartenden Provisionseinkommen angepasste Finanzierung des Lebensunterhalts des Handelsvertreters in der Anfangsphase. Die Regelung geht darüber deutlich hinaus und ist deshalb als unzulässige Kündigungserschwerung anzusehen, so dass die Rückzahlungsverpflichtung unwirksam ist.

Die Unwirksamkeit der Rückzahlungsverpflichtung folgt im Übrigen auch daraus, dass in beiden Vereinbarungen vorgesehen ist, dass der Saldo zu Lasten des Beklagten nicht bzw. nicht sofort auszugleichen ist, wenn der Beklagte die Vereinbarung gekündigt und ein Verhalten der Klägerin dazu begründeten Anlass gegeben hat. Dadurch wird das Recht des Beklagten zur fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrags gem. § 89a Abs. 1 HGB in unzulässiger Weise eingeschränkt (vgl. OLG Oldenburg, 13 U 30/13, Urteil vom 26.11.2013, Rdn. 38 zitiert nach juris). Als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 89a Abs. 1 HGB kommen nämlich nicht nur Gründe, die sich aus dem Verhalten des Unternehmers ergeben, in Betracht (vgl. Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl., § 89a HGB Rdn. 52 ff; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 89a Rdn. 22 ff). Damit ist das Recht zur fristlosen Kündigung durch den Beklagten durch die Regelung in Ziffer 4. a der Vereinbarungen vom 23.09.2011 und 04.10.2012 nicht hinreichend gewahrt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

 

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