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Schadensersatz: Bezahlung einer Haushaltshilfe nach Unfall

Oberlandesgericht Oldenburg

Az: 1 U 107/ 00

Verkündet am: 18. Januar 2001

Vorinstanz: LG Oldenburg – Az.: 13 O 3045/98


Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2001 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 20. September 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Schmerzensgeld i.H.v. 8.000,- DM, Schadensersatz i.H.v. 20.747,- DM sowie ab November 1998 eine monatliche Schadensersatzrente i.H.v. 450,DM, und zwar jeweils im Voraus bis zum 3. Tag des laufenden Monats, zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 2/5 und der Beklagte 3/5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 1/5 -und der Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Parteien übersteigt nicht 60.000,- DM.

Tatbestand:

Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gerichtete Klage mit zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 12. November 1999 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Mit dem hiermit wegen weiterer Einzelheiten in Bezug genommen angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klägerin zum einen ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,- DM zuerkannt. Ferner hat es den Beklagten zum Ersatz eine Haushaltsführungsschadens verurteilt, und zwar für die Zeit ab dem 27. Oktober 1995 bis einschließlich Oktober 1998 zur Zahlung eines Betrages von 30.680,57 DM und für die Folgezeit zur Zahlung einer monatlichen Schadensersatzrente in Höhe von 630,- DM. Die in allen drei vorgenannten Punkten weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 22. September 2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. Oktober 2000 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Fristverlängerung – am 4. Oktober 2000 begründet.

Der Beklagte nimmt seine Verurteilung hinsichtlich des Schmerzensgeldes hin und wendet sich lediglich gegen den der Klägerin zuerkannten Haushaltsführungsschaden unter verschiedenen Gesichtspunkten.

Der Beklagte beantragt, das angefochten Urteil zu ändern und den Zahlungsantrag zu 2. (Schadensersatz) abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragene Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Sein Rechtsmittel führt zu einer Reduzierung der erstinstanzlich ausgeurteilten Schadensersatzbeträge. Im übrigen ist die Berufung unbegründet.

Die Klägerin hat einen eigenen Schadensersatzanspruch aus den §§ 842, 843 BGB, soweit sie durch den Unfall in der Führung des Familienhaushalts beeinträchtigt war bzw. fortwirkend heute noch ist.

Wird – wie hier – keine Ersatzkraft eingestellt, um den Ausfall auszugleichen, ist der Schaden normativ zu berechnen. Anhaltspunkt für die Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist der Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft (BGH NJW-RR 1992, 792). Ein gängiger und im Grundsatz in der Rechtsprechung (BGH NJW 1988, 1783, 1784; OLG Oldenburg – 6. ZS -NJW-RR 1989, 1429, – 2. ZS VersR 1993, 1491 f.) auch anerkannter Ansatz zur Bestimmung der Schadenshöhe ist die von Schulz-Borck/Hofman (Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 5. Aufl., Tz. 3) vorgeschlagene Methode. Danach ist der objektiv für den Umfang der tatsächlich erbrachten Haushaltsführung (einschließlich Kinderbetreuung und Gartenpflege) mit dem Prozentsatz der konkreten Behinderung und das Ergebnis mit dem Nettostundenlohn der erforderlichen Hilfskraft zu multiplizieren.

In der vorbeschriebenen Weise hat auch das Landgericht den Schaden bestimmt. Es ist von auf der Basis der bei Schulz-Borck/Hofman im Anhang abgedruckten Arbeitszeitbedarfs-Tabelle 1 unter Zugrundelegung eines vom Anforderungsprofil her mittleren 6-Personen-Haushalts von einem Arbeitszeitbedarf der Klägerin von 63 Stunden/Woche ausgegangen und hat für die Zeit nach der Geburt der Zwillinge (10. Dezember 1996) eine Erhöhung um 10 Wochenstunden auf 73 Stunden/Woche vorgenommen. Ferner hat das Landgericht die von dem Sachverständigen Dr. H… (Gutachten Bl. 117 f£ d.A.) in abgestufter Form festgestellten MdE-Werte 100 % (zeitnah zum Unfall), zeitlich abgestuft bis 15 % (verbleibender Dauerschaden), übernommen und für die weitere Berechnung die Vergütung einer nach BAT VI b entlohnten Hilfskraft zugrundegelegt.

Abgesehen von der in Ansatz gebrachten Vergütungsgruppe der fiktiven Hilfskraft, sind die Berechnungsansätze des Landgerichts nicht zu beanstanden und sind die dagegen erhobenen Einwendungen des Beklagten unerheblich.

1. Der Beklagte hat im Einzelnen eingewandt:

a) In der Zeit des stationären Aufenthalts der Klägerin (27. Oktober bis z. November 1996) sei wegen der Abwesenheit der Klägerin kein 6- sondern lediglich ein reduzierter 6-Personen-Haushalt zugrundezulegen (entspr. 59 Std./Wo.).

Dieser Gesichtspunkt ist angesichts der Kürze der Zeit und dem in der ersten Zeit nach dem Unfall der Klägerin auftretenden Arbeitsmehrbedarf insbesondere durch die Betreuung der minderjährigen Kinder schätzungsirrelevant.

b) Ebenfalls irrelevant ist, daß der älteste Sohn Jan seit Oktober 1998 in einem Heim der Erziehungshilfeschule untergebracht ist. Denn auch dann bleibt immer noch ein 6-Personen

c) Ungerechtfertigt sei auch die undifferenzierte Erhöhung des Arbeitszeitbedarfs um 10 Wochenstunden nach der Geburt der Zwillinge, weil die übrigen Kinder (Alter im Oktober 1995: J… 13, L… 13, K… 11 und J… 7) mit dem Älterwerden mehr Aufgaben im Haushalt übernähmen und dadurch die Mehrbelastung der Klägerin kompensiert worden sei.

Dieser Einwand ist unerheblich. Für die Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern ist regelmäßig ein Aufschlag geboten. So wird für die Betreuung von Kindern im Alter zwischen 5 und 7 Jahren (so alt sind die letztgeborenen Zwillinge S… und S… auch heute noch nicht) ein pauschaler Mehrbedarf von 2 Stunden pro Tag als angemessen erachtet (BGH NJW 1982, 2866). Der Beklagte verkennt überdies, daß schulpflichtige Kinder nicht verpflichtet sind, den durch einen Familienzuwachs entstehenden Arbeitszeitmehrbedarf ihrer Mutter auszugleichen. Wenn dies gleichwohl freiwillig geschieht, kann dies jedenfalls nicht dem Schädiger zugutekommen.

d) Objektiv unrichtig ist die Behauptung, daß die vom Sachverständigen geschätzten MdE-Werte sich lediglich an den Bedürfnissen des allgemeinen Arbeitsmarktes orientieren und für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Fähigkeiten zur Ausführung haushaltspezifischer Tätigkeiten nicht maßgeblich sind. Der Sachverständige hat die von ihm festgestellten Beeinträchtigungen gerade auch in Bezug auf haushaltstypische Arbeiten beurteilt und ist in nachvollziehbarer Weise zu einer 15 %igen Beeinträchtigung gelangt.

Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu dieser Frage bedarf es nicht. Daß dessen Beurteilung realistisch ist, konnte die in den Bereichen der Haushaltsführung erfahrene Einzelrichterin durchaus aufgrund eigener Sachkunde beurteilen. Über eine vergleichbare Lebenserfahrung verfügen im übrigen auch die Mitglieder des Senats.

e) Aus den vorstehenden Ausführungen und der Tatsache, daß tatsächlich eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung eingetreten ist, folgt zugleich, daß der Klägerin ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Ein dem vom z. ZS dieses Gerichts (VersR 1993, 1491 – keine schadenseratzrelevante Beeinträchtigung bei einer MdE von bis 10 %) vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor.

Unverständlich ist die Folgerung des Beklagten, er bestreite wegen der lediglich mit 15 % bemessenen MdE, daß die Klägerin überhaupt einen Schaden erlitten hat. Zumindest für die Zeiten, für die nicht erheblich in Frage gestellt – höhere MdE-Werte anzusetzen sind, kann dieses Argument die beantragte vollständige Abweisung der Klage nicht tragen.

2. Zu Recht beanstandet der Beklagte allerdings, daß das Landgericht die fiktive Hilfskraft in die Vergütungsgruppe BAT VI b eingruppiert hat. In Anbetracht der Tatsache, daß die erlittenen Beein geraden Rechtshänderin uneingeschränkt einsatzfähig ist und die Klägerin insbesondere auch nicht gehindert ist, Leitungsfunktionen im Haushalt ohne Einschränkungen auszuführen, rechtfertigt keine durchgängige Eingruppierung nach BAT VI b (= Haus- und Familienpflegerin, Dorfhelferin).

Für zutreffend hält der Senat im Rahmen der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung allerdings den Ansatz einer nach BAT VI b zu vergütenden Kraft bis Ende 1995 (Ende 60 %, Beginn 40 MdE). Das ergibt für diesen Zeitraum einen Anspruch i.H.v. 5.447,00 DM.

Der Senat hat sich auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens und der persönlichen Befragung der Klägerin ein Bild von den Auswirkungen der streitgegenständlichen Schädigung der Klägerin gemacht. Unter weiterer Berücksichtigung eines gewissen Angleichungs- und Gewöhnungseffekts an die bestehende Behinderung hält der Senat für die Zeit ab 1996 eine Kompensation der durch die verbleibende Behinderung entstehenden Defizite im Bereich der von der Klägerin zu erledigenden Haushaltsführung durch die Beschäftigung einer in BAT X (Wirtschaftsgehilfin) einzugruppierende Kraft bzw. eine Zugehfrau, und zwar für 30 Std. pro Monat für erforderlich und ausreichend. Die Stundenlohnvergütung schätzt der Senat anhand gerichtsbekannter Erfahrungswerte gem. § 287 ZPO auf 15,- DM. Daraus errechnen sich folgende weitere berechtigte Schadensersatzansprüche:

Für die Zeit bis zum 31. Oktober 1998 (34 Monate) = 15.300,- DM, so daß als fester Betrag insgesamt = 20.747,- DM zu zahlen sind.

Die geschuldete monatliche Rentenzahlung beträgt ab November 1998 = 450,- DM.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 713, 546 Abs.1 Satz 2 ZPO.

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