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Haushaltshilfe – Arbeitsverhältnis und Anspruch auf Arbeitsentgelt

Arbeitsgericht Hannover

Az.: 13 Ca 268/02

Urteil vom 15.01.2003


In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat das Arbeitsgericht Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 15.01.2003 für Recht erkannt:

1.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 1.385,36 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 475,01 Euro seit dem 01.09.2001, auf 566,44 Euro seit dem 01.10.2001 und auf 349,91 Euro seit dem 01.11.2001 zu zahlen.

2.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin und die Beklagte zu 1) jeweils zu ½.

4.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.403,91 Euro festgesetzt.

5.

Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.

Tatbestand:

Wegen des grundsätzlichen Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand des Teil-Urteils vom 13.09.2002 (Bl. 60 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin verfolgt im Rahmen dieses Teilurteils Vergütungsansprüche gegen die Beklagte zu 1.) und vertritt auch gegenüber ihr die Auffassung, dass zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 1.403,91 Euro (2.745,80 DM) netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes auf 475,01 Euro (929,03 DM) seit dem 31.08.2002, auf 572,65 Euro (1.120,00 DM) seit dem 30.09.2001 und auf 356,25 Euro (696,77 DM) seit dem 31.10.2001 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Auffassung der Klägerin mit nunmehrigem Schriftsatz vom 14.01.2003 entgegen, nach der zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart worden sei. Vielmehr habe sie die Klägerin „lediglich im Rahmen der vereinbarten Wohngemeinschaft anteilig an den zu erledigenden Hausarbeiten beteiligt“. Darüber hinaus möge es vorgekommen sein, dass die Klägerin „Tätigkeiten über das Vereinbarte und im Rahmen der „Wohngemeinschaft“ übliche Maß hinaus erledigte“. Hierüber wurde jedoch mit der Klägerin in aller Deutlichkeit gesprochen. In Anwesenheit der Zeugin … sei der Klägerin erklärt worden, dass die Beklagte eine Haushaltshilfe nicht wünsche.

Die Beklagte behauptet darüber hinaus, dass sie öfters Gäste Zuhause gehabt habe. Sie alle hätten im Haushalt geholfen und gesaugt, aufgeräumt und gekocht. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die (unentgeltliche) Beteiligung an der Hausarbeit für Gäste vollkommen normal sei und der Üblichkeit entspreche.

Im übrigen stehe der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nach § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht zu, weil das Arbeitsverhältnis noch keine 4 Wochen bestanden habe. Darüber hinaus sei die Krankheit der Klägerin auf ihr eigenes Verschulden zurückzuführen. Den Beklagten sei eines Tages aufgefallen, dass die Klägerin einen Finger stets in einen Lappen einwickele. Die Klägerin sei jedoch erst nach mehrfacher und eindringlicher Aufforderung nach Tagen bereit gewesen, den Finger vorzuzeigen. Sie sei sofort aufgefordert worden, sich in fachärztliche Behandlung zu begeben. Die Klägerin habe sich jedoch ausdrücklich jeder Behandlung mit der Begründung verweigert, sie könne dann nicht arbeiten und sei doch auf die Einkünfte aus den Putzstellen angewiesen. Die dann schließlich erfolgte Notoperation sei ausschließlich deshalb notwendig gewesen, weil die Klägerin eine zeitnahe Behandlung ihrer Wunde abgelehnt habe und zudem die Wunde durch Weiterführung der Putztätigkeit ständig mit verunreinigtem Putzwasser in Berührung brachte.

Wegen des weiteren Vortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.05. und 13.09.2002 verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Klägerin als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2003 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage gegen die Beklagte zu 1) ist im wesentlichen begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.385,36 Euro aus § 611 BGB, 612 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossnen Arbeitsvertrag sowie aus §§ 3, 4 EFZG.

1.

Nach Überzeugung des Gerichts ist zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ein Arbeitsvertrag zustande gekommen. Für die Existenz eines Arbeitsverhältnisses spricht der Beweis des ersten Anscheins.

a.

Der Anscheinsbeweis (Primafacie-Beweis) erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern aufgrund von Erfahrungssätzen. Hierfür muss zunächst ein typischer Geschehensablauf feststehen, das heißt ein Sachverhalt, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge oder die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann. Dieser Sachverhalt muss entweder unstreitig oder mit Vollbeweisen bewiesen sein. Die Typizität beurteilt das Gericht nach der Lebenserfahrung. Der behauptete Vorgang muss hierbei zu jenen gehören, die schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen.

Kann sich danach eine Partei auf den Beweis des ersten Anscheins berufen, kann der Gegner den Anschein durch einen vereinfachten Gegenbeweis erschüttern. Er braucht hierzu nur die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs zu beweisen. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, bedürften allerdings wiederum des vollen Beweises, das heißt, das Gericht muss aufgrund gesonderter Beweiswürdigung, die gegebenenfalls auch die Grundsätze der Beweisvereitelung einbezieht zur vollen Überzeugung von der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Ablaufs gelangen. Für diesen Gegenbeweis gilt § 445 Abs. 2 ZPO (vgl. Zöller-Greger 22. Aufl. 284 Rn. 29).

b.

Nach diesen Grundsätzen kann dem unstreitigen Vortrag der Parteien ein Beweis des ersten Anscheins dafür entnommen werden, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Hierfür spricht zunächst die Anzeige der Beklagten in der Zeitung „Auto gielda Dolnoslaska“ vom 05.06.2001, nach der eine Haushaltshilfe gesucht werde. Als weiteres Glied in dieser Kette gibt es unstreitig ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1). Hierbei ist zwar der Inhalt des Gespräches zwischen den Parteien streitig, nicht aber das Gespräch als solches. Zeitlich nach diesem Gespräch fuhr die Klägerin daraufhin nach Deutschland. Hier angekommen hat die Klägerin sodann im Haus der Beklagten gewohnt. Und – dies hält das Gericht nach dem letzten Schriftsatz der Beklagten vom 14.01.2003 für zugestanden – hat die Klägerin im Haus der Beklagten „vereinbarte Tätigkeiten“ ausgeführt.

Soweit die Beklagte in dem Schriftsatz nunmehr die Auffassung vertritt, dass diese vereinbarten Tätigkeiten im Rahmen einer „Wohngemeinschaft“ erledigt wurden, so folgt die Kammer diesem Vortrag nicht. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand keine Wohngemeinschaft. Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige, die selbst nach Auffassung der Beklagten als Gast hier gewesen ist. Mit Gästen bildet man jedoch keine Wohngemeinschaft. Dieser gesamte Vortrag ist aber schon alleine deshalb unerheblich, weil es nicht darauf ankommt, wie die Parteien ihr Rechtsverhältnis benennen. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung die die Parteien oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Vielmehr ergibt sich der rechtliche Qualifizierung des Vertragsverhältnisses aus dem tatsächlichen Geschäftsinhalt.

Hierbei steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass aufgrund der dargelegten Umstände ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Nach der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Klägerin als Partei steht zur weiteren Überzeugung der Kammer fest, dass zwischen ihnen eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden ist, nach der die Klägerin monatlich 1.200,00 DM netto erhalten sollte. Die Klägerin hat die entsprechende Beweisfrage zur Überzeugung des Gerichts widerspruchslos und glaubwürdig bestätigt.

Dementsprechend steht ihr für den Monat August 2001 bei einem arbeitstäglichen Verdienst von 20,23 Euro (1.200,00 DM x 3 durch 91 Tage) bei 24 Arbeitstagen eine Vergütung in Höhe von 485,52 € zu. Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO war der Klägerin dementsprechend ein Betrag in Höhe von 475,01 € zuzusprechen. Für den Monat September ergibt sich zunächst für den Zeitraum vom 01. bis zum 03. September 2001 ein Betrag in Höhe von 60,69 €.

Gemäß § 3 Abs. 3 EFZG hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1.) für den 04. und 05.09.2001 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Dieser entsteht erstmalig am 06.09.2001 für die Dauer von 6 Wochen und belauft sich für dieses Zeitraum auf 849,66 Euro zu.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Entgeltfortzahlungsanspruch auch nicht deshalb unbegründet, weil die Klägerin an der Arbeitsunfähigkeit ein Verschulden i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG träfe. Ein solches Verschulden, bei dem es sich um einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartenden Verhalten handeln müsste, muss kausal für die eingetretene Arbeitsunfähigkeit sein. Hierfür ist von der Beklagten kein Sachvortrag erfolgt. Zwar behauptet sie, dass die Klägerin eine ärztliche Behandlung abgelehnt habe. Ob diese Weigerung der Klägerin oder nicht schon die vorhergehende Verletzung an sich zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, kann das Gericht jedoch nach diesem Vortrag nicht beurteilen. Dies geht zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten.

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286,288 BGB.

2.

Die weitergehende Klagforderung in Höhe von 18,55 € war nach den obigen Ausführungen abzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Danach haben die Klägerin und die Beklagte zu 1) die Kosten des Rechtsstreits entsprechend ihrem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen jeweils zu ½ zu tragen.

4.

Der Wert des Streitgegenstandes ist gem. § 61 ArbGG im Urteil festzusetzen und beträgt für dieses Schluss-Urteil 1.403,91 Euro.

5.

Die Berufung war nicht besonders zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht erfüllt sind.

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